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Catcalling – Umfrage zur Strafwürdigkeit von verbaler sexueller Belästigung

von Miriam Gemmel und Johanna Immig

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Abstract
Im Mittelpunkt des folgenden Beitrags steht die Analyse und Erörterung der von den Verfasserinnen durchgeführten Umfrage zur Strafwürdigkeit von verbaler sexueller Belästigung. Explizit wurde die öffentliche Wahrnehmung sowie Ansichten bezüglich der rechtlichen Ahndung von sog. Catcalling erfragt. Den Ergebnissen zufolge kann es sich hierbei um strafwürdiges Unrecht handeln. Da dieses nach jetziger Rechtslage nicht vollumfänglich erfasst wird, werden schließlich mögliche Wege der Ahndung vorgestellt und bewertet.

The following article focuses on the analysis and discussion of a survey conducted by the authors on the punishability of verbal sexual harassment. Explicitly, the public perception as well as views regarding the legal punishment of so-called catcalling were surveyed. According to the results, this may be an injustice worthy of punishment. Since this is not fully covered by the current legal framework, possible avenues of punishment are presented and evaluated.

I. Einführung

„Geile Titten!“ – Darf man das sagen? Wie sind Ausrufe wie „Bock zu vögeln?“, „Schöne Beine“ oder das bloße Hinterherpfeifen sowohl gesellschaftlich als auch rechtlich einzuordnen? „Nicht jeder Mann macht es, aber jede Frau kennt es.“ – Das meint Antonia Quell, die Initiatorin der Petition „Es ist 2020, Catcalling sollte strafbar sein“.[1] Ihre Initiative verzeichnet 69.444 Unterstützende und hat hierzulande den Diskurs zur möglichen Bestrafung von verbaler sexueller Belästigung angeregt. Nach jetziger Rechtslage hat diese meist keine Konsequenzen. Vor diesem Hintergrund war Ziel der Umfrage, Daten zu gewinnen, die Aufschluss über die Strafwürdigkeit von verbaler sexueller  Belästigung  in  der  Öffentlichkeit  geben.  Eine hohe Repräsentativität ist Voraussetzung dafür, dass von einer Stichprobe auf die Gesamtheit geschlossen werden kann. Durch die Adressierung sämtlicher Altersgruppen und den Aufruf zur Teilnahme unabhängig von eigenen Erfahrungen mit Catcalling wurde versucht, eine möglichst heterogene Teilnehmergruppe zu erreichen. Die Umfrage wurde nach der Veröffentlichung durch die Pressestelle der Universität Trier von den Radiosendern       DasDing und City Radio Trier sowie von diversen (Online-) Magazinen beworben.[2] Trotzdessen ist nicht von einer vollständig repräsentativen Studie auszugehen.[3]

Im Zeitraum zwischen April und Juni 2021 nahmen 2868 Personen an der Online-Umfrage teil. Hiervon identifizierten sich 72 % als weiblich, 27 % als männlich und 1 % als divers. Das Alter der Teilnehmenden lag im Durchschnitt bei 29 Jahren. Die Umfrage wurde mit Hilfe der Plattform EFS Survey entwickelt und mit IBM SPSS Statistics ausgewertet.[4]

II. Der Begriff des Catcallings

Der Begriff „Catcalling“ war 84,4 % der Teilnehmenden bekannt. Catcalling stammt aus dem englischsprachigen Raum und beschreibt hinterherrufen, -pfeifen, -hupen oder gestikulieren durch Fremde im öffentlichen Raum. Hierbei handelt es sich zumeist um Äußerungen, die sich auf das Aussehen, insbesondere den Körper des Gegenübers, beziehen oder auf den Vollzug sexueller Handlungen gerichtet sind.[5]

Die Bezeichnung „Catcalling“ ist streitig. So wird kritisiert, dass es sich hierbei um einen Euphemismus handele, welcher zur Bagatellisierung des Verhaltens führe und den Diskurs behindere.[6] Wörtlich übersetzt bedeutet     Catcalling „Katzenruf“, womit das Verhalten verharmlost als ein „zu sich Rufen“ dargestellt werde und Adressat*innen verniedlicht würden.[7] Einen alternativen, interessengerechten Begriff zu finden, gestaltet sich dennoch als Herausforderung.[8] Die Umschreibung „verbale sexuelle Belästigung“ impliziert, dass es sich um ein strafwürdiges Verhalten handelt, da die sexuelle Belästigung begrifflich bereits als Straftatbestand normiert ist.[9] Um die rechtliche Einordnung nicht vorwegzunehmen, erschien es im Rahmen der Umfrage sinnvoll, mit „Catcalling” einen Begriff zu verwenden, der geläufig[10] und prägnant ist. Unter Berücksichtigung der Studienergebnisse wird, außerhalb deren Auswertung, im Folgenden auf den Begriff der „verbalen sexuellen Belästigung“[11] abgestellt.

III. Auswertung der Umfrage

1. Wer ist inwiefern von VSB betroffen?

Um herauszufinden, wer inwiefern von VSB betroffen ist, erfolgte zunächst eine Differenzierung innerhalb der Teilnehmenden nach ihren Erfahrungen. Je nachdem, ob sie angaben, von Catcalling betroffen zu sein,[12] bereits jemanden gecatcalled zu haben,[13] oder noch keine entsprechenden Erfahrungen gemacht zu haben, wurden sie zu spezifischen Fragen geführt.[14] Im Durchschnitt waren die 2204 Betroffenen (76,8 %) 15,47 Jahre alt, als sie das erste Mal gecatcalled wurden. Die Auswertung der Studie bestätigt die Annahme, dass überwiegend Frauen Adressatinnen sind.[15] 95 % der Teilnehmerinnen gaben an, bereits einschlägige Erfahrungen gemacht zu haben. Anders als die mediale Debatte vermuten lässt, sind Männer ebenfalls mit 28,9 % betroffen.[16] Insgesamt gaben lediglich 201 Personen an, schon mal jemanden gecatcalled zu haben.[17]

2. Ausgelöste Emotionen

Adressat*innen sollten weiterhin angeben, welche Gefühle sie nach einem Catcall erlebt haben. Teilnehmende ohne entsprechende Erfahrungen sollten einschätzen, wie sich Adressat*innen nach einem Catcall fühlen. Personen, die angaben, selbst schon gecatcalled zu haben, sollten ankreuzen, welche Gefühle sie glauben bei ihrem Gegenüber ausgelöst zu haben.[18] Betroffene waren von diesem Verhalten vor allem genervt, angewidert, wütend und fühlten sich beschämt. Darüber hinaus decken sich die Antworten derer, die noch nie gecatcalled wurden, weitestgehend mit den tatsächlich erlebten Gefühlen der Betroffenen. Ein Bewusstsein für die negativen Auswirkungen von VSB besteht somit nicht nur bei den Adressat*innen.

Abweichungen in der Einschätzung zeigen sich lediglich bei den 201 Personen, die angaben, bereits gecatcalled zu haben. Diese gingen davon aus, dass sich ihr Gegenüber am ehesten belustigt, attraktiv oder geschmeichelt fühlte. Davon, dass sich die gecatcallte Person bedroht gefühlt haben könnte, gingen insgesamt knapp 20 % (trifft eher zu: 12,9 %; trifft zu: 7 %) aus.

3. Reaktionen der Betroffenen

Ein Indiz dafür, dass VSB die Betroffenen beschäftigt, gar psychisch belastet, sind die aktiven Bewältigungsstrategien (=„active coping strategies“[19]). So gaben rund 48 % an, dass sie mit Freunden oder Familienmitgliedern darüber sprachen. Knapp 30 % haben verbal auf den Catcall reagiert. Gleichzeitig gaben 87 % der Betroffenen an, dass sie das Verhalten meist ignorierten. Die Studie des Bundesfamilienministeriums zu Sexismus im Alltag weist darauf hin, dass das Ignorieren beziehungsweise Verharmlosen von Übergriffen Schutzmechanismen sein können.[20] In Interviews meinten Frauen, dass sie regelmäßig darauf verzichteten, aktiv auf Kommentare zu reagieren, da sie von den Übergriffen überrascht seien, sich körperlich unterlegen oder ohnmächtig fühlten und sie sich bei aktiver Reaktion einer Intensivierung der Situation ausgesetzt sähen.[21] Die Studie zu Catcalling zeigt, dass VSB Langzeitfolgen haben kann. Von den Betroffenen gaben 42 % an, dass sie wegen Catcalling Angst vor (sexuellen) Übergriffen haben, 45 % „bewaffnen“ sich zum Schutz, wenn sie alleine unterwegs sind, beispielsweise mit Pfefferspray oder Schlüsseln zwischen den Fingern eingeklemmt, 48 % telefonieren auf dem Heimweg und 46 % fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt. Lediglich 20 % gaben an, dass Catcalling keine Auswirkungen auf sie und ihr Leben hat.

4. Wunsch nach Maßnahmen

Am Ende der Studie stand ein allgemeiner Teil, in dem alle Teilnehmenden zur gesellschaftlichen Relevanz und Strafwürdigkeit von Catcalling befragt wurden. Hier waren 78,1 % der Meinung, dass Catcalling ein gesellschaftliches Problem darstellt, das laut 90 % einer Regulierung durch den Staat bedarf. Wie diese aussehen soll, wird unterschiedlich bewertet. Für eine Normierung als Ordnungswidrigkeit waren knapp 60 % aller Befragten.[22] Für eine strafrechtliche Ahndung sprachen sich 42 % aus, während eine Mehrheit von 80 % Catcalling zumindest gegenüber Minderjährigen für strafwürdig erachtet.

5. Strafwürdigkeit konkreter Catcalls

Kritiker*innen der Petition von Quell wenden ein, es handele sich bei Catcalling um (nett gemeinte, wenn auch ungeschickte) Annäherungsversuche.[23] Die Bestrafung schränke das Flirten und damit die Meinungsfreiheit ein.[24] Nach der Studie des Familienministeriums finden 73 % der Bevölkerung, dass Sexismus gerade keine Art von Flirten ist.[25] Durch eine solche Annahme werde ein enormer Übergangsbereich geschaffen, in dem sexistische Übergriffe im Rahmen des Flirtens sogar als notwendig erachtet werden müssten.[26] Die damit verbundene Unterstellung, Betroffene würden reine Respekt- und Distanzlosigkeiten in diesem Übergangsbereich nicht als solche erkennen, spricht den Opfern verbaler sexueller Übergriffe nicht nur die Fähigkeit ab, das, was ihnen widerfahren ist, richtig einzuschätzen.[27] Im selben Atemzug wird der Anspruch erhoben, selbst eine Abgrenzung zu strafwürdigem Verhalten vornehmen zu können.

a) Belästigender Charakter

Um die Grenze zu sozialadäquatem Verhalten faktenbasiert zu ziehen, sollten die Befragten verschiedene Aussagen und Verhaltensweisen als belästigend bzw. nicht belästigend einstufen. Unter den Aussagen waren körper- und kleidungsbezogene Kommentare, sexuelle Angebote (gegen Zahlung), anzügliche Komplimente und Beleidigungen ohne sexuellen Bezug. Die zu beurteilenden Verhaltensweisen waren Hinterherhupen und -pfeifen. Klare Mehrheiten bildeten sich bei Aussagen mit eindeutigem Sexualbezug. „Bock zu vögeln“ empfanden 97,7 %, „Na willst du dir etwas dazu verdienen?“ 97,2 %, „Geile Titten“ 96,9 %, „Na, du geile Maus?“ 96,5 % und „Geile Sau“ 93,6 % als belästigend. Dahinter bleibt die Anzahl derer, die Aussagen ohne Sexualbezug (wie „Arschloch“ mit 75,7 %) belästigend finden, zurück. Auch die nonverbalen Verhaltensweisen wurden mehrheitlich als belästigend eingestuft (Hinterherpfeifen: 76,4 %, -hupen: 81,2 %). Bemerkenswert ist, dass mehr Personen die nicht eindeutig sexualbezogene Aussage „Schöne Beine“ (69,2 %) belästigend finden, als die Beleidigung „Idiot“ (67,9 %). Keine Mehrheiten erhielten die Aussagen „Kann ich deine Nummer haben?“ mit 47,8 %, „Wie heißt du?“ mit 35 % und „Schönes Kleid“ mit 24,6 %. Aus der Tatsache, dass Frauen „Wie heißt du?“ und “Kann ich deine Nummer haben?“ im Vergleich zu Männern öfter belästigend finden, ließe sich schließen, dass bei ihnen die mitschwingende Erwartungshaltung einer Antwort Unbehagen auslöst. Neben der Überforderung damit adäquat zu antworten, könnte hierdurch die Furcht vor einer länger anhaltenden Situation ausgelöst werden.[28]

b) Anzeigewürdigkeit

Im nächsten Schritt sollten Teilnehmende angeben, welche dieser Szenarien sie anzeigen würden, angenommen die Polizei würde eine strafrechtliche Verfolgung einleiten. Die Anzahl derjenigen, welche die Aussage zur Anzeige bringen würden, verhält sich proportional zur Einschätzung über deren belästigenden Charakter, ist jedoch in allen Fällen deutlich geringer. Beispielhaft würde die von 35 % als belästigend empfundene Frage „Wie heißt du?“ nur von 1,6 % angezeigt werden.

Gleichzeitig zeigt sich, dass belästigend nicht zwangsläufig strafwürdig ist. Besonders auffällig ist, dass als belästigend wahrgenommene Aussagen ohne Sexualbezug wie „Arschloch“ (mit 29,8 %) oder „Idiot“ (mit 16 %) von weniger als einem Drittel angezeigt werden würden. Hingegen würden Aussagen mit Sexualbezug wie „Na willst du dir etwas dazu verdienen?“ von 64,9 %, „Bock zu vögeln“ von 61,1 %, „Geile Titten“ von 58,3 % und „Na, du geile Maus?“ von 49,9 % angezeigt werden. Insbesondere weibliche Teilnehmerinnen würden Aussagen mit Sexualbezug öfter anzeigen, als solche ohne. Ein möglicher Grund hierfür könnte neben der individuellen Betroffenheit der Opfer, die ebenso zu Tage tretende diskriminierende und sexistische Haltung der Täter*innen sein. Zudem könnte die Häufigkeit von VSB gegenüber Frauen bei ihnen ein erhöhtes Handlungsbedürfnis auslösen.

c) Strafwürdigkeit

Es wäre sicherlich unvermeidbar, dass es zu Grenzfällen kommt, deren Strafwürdigkeit nicht eindeutig vorliegt. Ein solcher Grenzfall bildet „Schöne Beine“. Anhand der Diskrepanz zwischen der Bewertung von „Schöne Beine“ (69,2 %) und „Schönes Kleid“ (24,6 %) zeigt sich, dass für die Einstufung als belästigend nicht erforderlich ist, dass die Aussage explizit auf sexuelle Handlungen gerichtet ist oder sich einer derben Ausdrucksweise bedient wird. Es genügt, dass die Körper der Adressat*innen kommentiert und sie somit objektifiziert werden. Obwohl „Schöne Beine“ mehrheitlich als belästigend eingestuft wurde, würden nur 8,8 % diese Aussage zur Anzeige bringen, was insgesamt gegen die Einstufung als strafwürdig spricht.

Aus dem Vergleich mit der Aussage „Geile Titten“ (belästigend: 96,9 %; anzeigen: 58,3 %) ließe sich darauf schließen, dass neben der reinen Objektifizierung eine zusätzliche Sexualisierung erforderlich ist, um die Grenze zur Strafwürdigkeit zu überschreiten. Um diese These weiter zu beleuchten wäre die Einschätzung der Teilnehmenden beispielsweise bezüglich der Aussage „Schöne Brüste“ interessant. Fernab eventueller Grenzfälle zeigt die Auswertung der Umfrage, dass derbere Catcalls mit eindeutigem Sexualbezug nicht nur mehrheitlich als belästigend empfunden, sondern auch angezeigt werden würden. Mithin ist bei Aussagen, die das Opfer eindeutig auf sexuelle Art objektifizieren, die Grenze zur Strafwürdigkeit überschritten.

IV. Blick ins Ausland

In Portugal,[29] Belgien[30] und Frankreich[31] wird VSB bereits geahndet. Portugal war das erste Land in der Europäischen Union, das die Istanbul-Konvention[32] von 2014 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ratifizierte.[33] Im Zuge dessen wurde VSB 2015 gesetzlich unter Strafe gestellt und kann mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe geahndet werden.[34]

Entscheidender Impuls für das gesetzgeberische Tätigwerden in Frankreich wurde im Juni 2018 die Aufnahme einer Überwachungskamera eines Cafés. Diese zeigt, wie ein Mann an der 22-jährigen Marie Laguerre zunächst vorbeiging, wobei er, laut Laguerre, anzügliche Geräusche machte. Als sie sich mit den Worten „Ta gueule!“[35] wehrte, warf der Mann einen Aschenbecher nach ihr und schlug ihr ins Gesicht.[36] Bereits im Mai 2018 wurde von Marlène Schiappa, der damaligen Staatssekretärin für die Gleichstellung der Geschlechter,[37] eine Gesetzesreform zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Unterdrückung und sexueller Gewalt auf den Weg gebracht. Im Zuge dessen wurde kurz nach dem Fall Laguerre der Tatbestand des „outrage sexiste“ eingeführt.[38] Dieser stellt eine Ordnungswidrigkeit nach französischem Recht dar. Voraussetzung ist, dass Handelnde durch sexuelle oder sexistische Äußerungen oder Verhaltensweisen mit erniedrigendem bzw. demütigendem Charakter betroffene Personen in ihrer Würde verletzen, oder dadurch eine für die betroffenen Personen einschüchternde, feindselige oder beleidigende Situation schaffen. Wird der Grundtatbestand erfüllt, so kann eine Geldstrafe von bis zu 750 € verhängt werden. Zusätzlich enthält die Norm einen Katalog qualifizierter Handlungen, die zu der Verhängung eines Bußgeldes von bis zu 1.500 € führen können, deren Höchstmaß auf 3.000 € angehoben werden kann, wenn innerhalb eines Jahres ein weiterer Verstoß gegen die Vorschrift erfolgt. Schließlich besteht die Möglichkeit, Handelnde etwa zu gemeinnütziger Arbeit oder einer Teilnahme an einem Kurs zur Sensibilisierung für Sexismus oder geschlechtsspezifische Gewalt zu verpflichten. Rechtsfolgenverschärfende Umstände beziehen sich entweder auf Handelnde (Ausnutzen einer durch ihre Aufgaben übertragenen Autorität oder Handeln mehrerer), Betroffene (Minderjährigkeit, Schutzbedürftigkeit, Abhängigkeit oder sexuelle Orientierung), oder den Ort des Geschehens (öffentliche Verkehrsmittel oder Orte, die Zugang zu diesen gewähren).

Währenddessen fanden in den Niederlanden hauptsächlich lokale Bestrebungen statt. Sowohl in Amsterdam als auch Rotterdam wurde VSB in deren Gemeindeordnung untersagt.[39] So ist es nach Artikel 2:1a der Allgemeinen Gemeindeordnung von Rotterdam verboten, in der Öffentlichkeit andere Personen durch beleidigende Sprache, Gesten, Geräusche oder andere Verhaltensweisen zu belästigen. 2018 wurde in Rotterdam erstmals ein Niederländer auf dieser Grundlage zu einer Geldstrafe von 200 € verurteilt.[40] Ihm wurde vorgeworfen, Frauen auf der Straße durch anzügliche Kommentare und Gesten belästigt zu haben. Allerdings wurde dieses Urteil aufgehoben und Artikel 2:1a der Allgemeinen Gemeindeordnung von Rotterdam wegen eines Verstoßes gegen § 7 Abs. 3 des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuchs und Art. 10 Abs. 2 EMRK für unverbindlich erklärt. Die Befugnisse des kommunalen Gesetzgebers seien auf Maßnahmen beschränkt, die die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sichern, sodass der Stadt für die Einführung einer Norm, die vordergründig dem Individualrechtsschutz dient, die Zuständigkeit fehle. Die Allgemeine Gemeindeordnung dürfe diese Form der Belästigung wegen des damit einhergehenden Eingriffs in die Meinungsfreiheit nicht unter Strafe stellen. Weiterhin müssten die Tatbestandsvoraussetzung der Belästigung konkretisiert werden, um diesen Eingriff zu rechtfertigen. Derzeit wird ein entsprechender Gesetzesentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches vom Repräsentantenhaus geprüft.[41]

V. Rechtspolitische Einordnung

Für eine potenzielle Ahndung genügt eine weitreichende Betroffenheit der Bevölkerung zweifelsohne nicht. Vielmehr muss die konkrete Rechtsgutverletzung so schwer wiegen, dass es strafrechtlicher Sanktionen bedarf. Im Folgenden soll der derzeitige strafrechtliche Schutz von möglicherweise betroffenen Rechtsgütern erörtert werden. Im Anschluss werden Ansätze zur Sanktionierung von VSB diskutiert.

1. Strafbarkeit als Sexualdelikt

a) Aktuelle Rechtslage

Mit den im Sexualstrafrecht geringsten Anforderungen könnte der § 184i Abs. 1 StGB einschlägig sein. Dieser soll insbesondere belästigende Verhaltensweisen im öffentlichen Raum, wie sexuell motivierte Berührungen durch Fremde, erfassen.[42] Für eine solche sexuelle Belästigung ist allerdings immer eine körperliche Berührung des Opfers erforderlich.[43] Aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt sich zudem, dass eine Strafbarkeit nach § 176a Abs. 1 Nr. 3 StGB gegenüber Minderjährigen durch Einwirken mittels pornographischer Reden mangels „psychische[r] Einflussnahme tiefergehender Art“ regelmäßig nicht gegeben ist.[44]

b) Lösungsvorschlag

Denkbar wäre die Einführung eines neuen Tatbestands im Sexualstrafrecht. Wie bei dem strafbaren Versenden ungefragter „Dick-Pics“ (§ 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB) wird bei VSB den Akteur*innen fremde Sexualität aufgedrängt, ohne dass sie die Möglichkeit haben, sich dieser rechtzeitig zu entziehen. Durch die Kommentierung des Äußeren oder die teilweise ausgedrückte Aufforderung zur Vornahme sexueller Handlungen wird die sexualisierte Objektifizierung des Gegenübers bewirkt. Diese wird ebenfalls im Rahmen des „Upskirtings“ (§ 184k StGB) bestraft.

c) Bewertung

Gegen die Einführung eines neuen Tatbestandes im Sexualstrafrecht wird meist das Ultima-Ratio-Prinzip angeführt.[45] Unstreitig müssen Auswirkungen durch eine mögliche Stigmatisierung als Sexualstraftäter*in bzw. Opfer einer Sexualstraftat auf das soziale Leben und berufliche Chancen Berücksichtigung finden. Ebenso ist die grundsätzliche Zurückhaltung bezüglich Erweiterungen im Strafrecht berechtigt, gleichwohl wird durch die ständige Ablehnung des Ausbaus des Sexualstrafrechts zum Schutze der sexuellen Selbstbestimmung von Frauen[46] die ursprünglich dem StGB innewohnende Geschlechterungerechtigkeit perpetuiert.[47] Schließlich wurde mit diesem Argument bereits die Einführung der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe kritisiert.[48] Das Einwenden des Ultima-Ratio-Prinzips überzeugt daher jedenfalls mangels vorangestelltem Diskurs über die möglichen Rechtsgutsverletzungen und deren Intensität nicht.

2. Strafbarkeit als Ehrdelikt

a) Aktuelle Rechtslage

Der Tatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB) könnte VSB erfassen. Eine Ehrverletzung liegt dann vor, wenn der Täter seine eigene Miss- oder Nichtachtung gegenüber dem Opfer zum Ausdruck bringt, indem er diesem zu Unrecht Mängel nachsagt, die bei tatsächlichem Vorliegen eine Minderung des Geltungswertes des Opfers bedeuten würden.[49] Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung führt allein die einseitige, anlasslose sexuelle Kontaktaufnahme und die damit einhergehende Sexualisierung einer fremden Person nicht zu einer Verletzung deren Geltungswerts.[50] Erst 2017 genügte es dem BGH beispielhaft nicht, dass ein 65-jähriger Mann ein 11-jähriges Mädchen dazu aufforderte ihm zu folgen, da er „an ihre Muschi fassen wolle“ und gegenüber einer 75- und einer 63-Jährigen „Ich will Dich ficken“ und „Ich will Deine Muschi lecken“ äußerte.[51] Mit der Einstufung des Opfers als Objekt der sexuellen Begierde drücke der Täter trotz der damit zusammenhängenden Verletzung des Schamgefühls jedenfalls nicht grundsätzlich aus, dass der Person ein deren Ehre mindernder Mangel anhafte.[52] Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hob der BGH die Verurteilung wegen dreifacher Beleidigung auf. Zur Erfüllung des Tatbestandes der Beleidigung müssten somit zusätzlich zu dem Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung weitere besondere Umstände hinzutreten, welche die Herabwürdigung des Opfers zu begründen vermögen.[53]

Derartige zusätzliche Umstände werden vom BGH angenommen, wenn durch das sexuelle Angebot zum Ausdruck gebracht werde, dass das der betroffenen Person angetragene Verhalten als verwerflich oder ehrenrührig bewertet wird.[54] Der BGH bejahte auf dieser Grundlage die Ehrverletzung in dem Falle, dass für die Vornahme sexueller Handlungen Geld geboten wurde, ohne dass Anhaltspunkte zur Annahme des (entgeltlichen) Angebots vorlagen.[55] Die Unterstellung der Prostitution bezichtige das Gegenüber der „Käuflichkeit“, in welcher sich die Missachtung der persönlichen Ehre widerspiegele.[56]

Weiterhin wird in der Rechtsprechung zum Teil eine Ehrverletzung bei sexuell motivierten Aussagen bejaht, wenn der Täter hierbei einer Person unterstellt, sie sei jederzeit und für jede*n als Lustobjekt verfügbar,[57] also „steige mit nahezu jedermann ins Bett“.[58] So nahm das OLG Karlsruhebei der versuchten Berührung der Geschlechtsteile eine Beleidigung an.[59] Der Strafsenat äußerte sich hier auch allgemein zu VSB auf offener Straße und stellte fest, dass diesem Verhalten, von welchem in erster Linie Frauen betroffen sind, „eine nach außen zu Tage tretende Herabwürdigung der Geschlechtsehre innewohn[en]“[60] könne, die das Vorliegen einer Beleidigung begründe.[61] Die Herabwürdigung sah der Strafsenat in der Tatsache, dass der Täter, als er versuchte, das Opfer an ihrem Geschlechtsteil zu berühren, die Frau als fremdes Zufallsopfer als eine Person behandelt habe, die er öffentlich bloßstellen dürfe.[62] Untermauert habe er dies mit dem Satz „Macht doch nichts“. Das Urteil des OLG Karlsruhe bleibt, insbesondere mit Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH, eine Ausnahme.

b) Lösungsvorschlag

In Bezug auf die sich der gesellschaftlichen Wertung anpassenden richterlichen Konkretisierung des Ehrbegriffes[63] scheint die zukünftige Ahndung als Beleidigung eine praktikable Lösung zu sein.

aa) Degradierung zum Sexualobjekt als „Mangel“

Obgleich das Urteil des OLG Karlsruhe der Tatsache Rechnung trägt, dass VSB im öffentlichen Raum eine Degradierung und Herabwürdigung darstellt, bleibt die Begründung einer Beleidigung durch das Nachsagen eines angeblichen Mangels im Hinblick auf die Menschenwürde äußerst fragwürdig. So wie es keine mangelhaften Menschen gibt, gibt es auch keine Umstände oder Eigenschaften, die einer Person unterstellt werden können und sie bei tatsächlichem Vorliegen zu einem mangelhaften Menschen machen würden. Die Auffassung, dass eine Beleidigung bei (verbaler) sexueller Belästigung vorläge, wenn der Täter das Opfer wie eine Person behandele, „mit der man so etwas […] machen kann“[64], überzeugt nicht. Anknüpfend an dieses Narrativ der Rechtsprechung stellt sich die Frage, mit wem man „sowas machen kann“. Die Antwort hierauf kann nur sein, dass es sich um eine Person handeln müsse, die „leicht zu haben“ sei oder „mit jedermann ins Bett steige“.[65] Daraus folgt: (Frauen-) Körper dürfen ungewollt sexualisiert werden, doch wenn Frauen selbst über ihre Sexualität bestimmen, wird ihnen dies zur Last gelegt. Diese Wertung mag die Ansicht eines Teils der Bevölkerung widerspiegeln, widerspricht jedoch der Einstellung einer Generation junger Menschen, die in autonom ausgelebter Sexualität keinen „Mangel“ sieht. Ausdrücke wie „Flittchen“ oder „Schlampe“ bleiben weiterhin Beleidigungen. Allerdings nicht wegen des angeblich unterstellten Mangels, sondern aufgrund der eindeutigen Missachtung der Adressat*innen.

Indem der BGH eine Ehrverletzung erst durch das Anbieten einer Bezahlung für sexuelle Handlungen annimmt, drückt er nicht nur aus, dass Sexarbeiter*innen aufgrund ihres Berufs ein deren Ehre mindernder Mangel anhafte, sondern verfehlt auch den Schwerpunkt des Handlungsunrechts. 97,2% der Teilnehmenden empfinden die Aussage „Na, willst du dir etwas dazu verdienen?“ als belästigend. Hieraus ließe sich vermeintlich schließen, dass gerade die Annahme der Käuflichkeit den Betroffenen zusetzt. Die Tatsache, dass auch 97,7% aller Befragten „Bock zu vögeln?“ als belästigend einstuften, zeigt hingegen, dass der Kern des Problems die ungewollte Sexualisierung, fernab der Unterstellung von Prostitution, ist. Gleiches gilt beim sogenannten „Fat-Shaming“. Aussagen wie: „Willst du mir einen runterholen, ich stehe auf Fette?“ oder „Geile, fette Schenkel, da will ich rein!“,[66] sind nicht allein deswegen beleidigend, weil Adressat*innen als „fett“ kategorisiert werden. Die Ehrverletzung liegt auch hier nicht ausschließlich auf der Einstufung als stark übergewichtig, sondern auf der Degradierung zum Sexualobjekt aufgrund spezifischer Merkmale eines Körpers. Folglich könnte die vielen Catcalls innewohnende, ungewollte und anlasslose Sexualisierung einer fremden Person als ein solcher Ausdruck der Missachtung angesehen werden und das Vorliegen der Ehrverletzung begründen.

bb) Verbale sexuelle Belästigung als Sexualbeleidigung

Die Fallgruppe der Sexualbeleidigung erscheint begrifflich dazu geeignet, allerdings aus historischer Sicht nicht als tauglich zur Erfassung von VSB. Es handelt sich hierbei um ein Relikt der Rechtsprechung, das mit der Reformierung des Sexualstrafrechts seine Existenzberechtigung verloren hat. Die Sexualbeleidigung sollte das Bedürfnis nach einer Bestrafung körperlicher sexualbezogener Handlungen unter der damals geltenden Erheblichkeitsschwelle stillen.[67] Sexuelle Belästigungen nach den §§ 174 ff. StGB a.F. erforderten einen vom Täter auf das Opfer ausgeübten Zwang zur Vornahme sexueller Handlungen, während der rein tatsächliche sexuelle Übergriff nicht bestraft wurde. Alltägliche sexuelle Gewalt wie ungewollte Berührungen oder Küsse konnten somit nur durch Rückgriff auf die Ehrdelikte geahndet werden. Zweck war gerade nicht die Pönalisierung rein verbaler sexueller Belästigungen. Die Reform des Sexualstrafrechts im Jahre 2016 setzte hier an und führte den Auffangtatbestand des § 184i StGB ein, mit Hilfe dessen dieses Bedürfnis zu befriedigen gilt.[68]

Darüber, dass die Ehrdelikte keine Lückenbüßer für das Sexualstrafrecht sein sollen, besteht Einigkeit. Die Angst davor, den Beleidigungstatbestand abermals als „kleines Sexualdelikt“[69] zu missbrauchen, darf jedoch nicht dazu führen, dass eine Strafbarkeit nach § 185 StGB kategorisch abgelehnt wird, bevor sich intensiv mit einer eventuellen Ehrverletzung auseinandergesetzt wird. Im Zuge dieser Diskussion muss hervorgehoben werden, dass es bei einer Bestrafung von VSB im Wege der Beleidigung gerade nicht darum ginge, die Hürden des Sexualstrafrechts durch ein Ausweichen auf § 185 StGB zu umgehen, sondern tatsächliche Ehrverletzungen zu ahnden. VSB stellt immerhin die Schnittstelle zwischen Beleidigung und sexualbezogener Belästigung dar.

c) Bewertung

Gegen eine Bestrafung von VSB als Beleidigung wird eingewandt, dass zwangsläufig auf die Geschlechtsehre des Opfers abgestellt werden müsse.[70] Diese sei ein „patriarchales Konstrukt“, welches auf Sittlichkeitsvorstellungen beruhe und den Opferschutz behindere. Denn „(w)er eine andere Person sexuell belästig[e], ‘beschmutz[e]’ nicht ihre ‘Geschlechtsehre’, sondern verletz[e] ihre Integrität, ihr Persönlichkeitsrecht und ihre sexuelle Autonomie.“[71] Dass nach der Umfrage VSB, insbesondere gegenüber Minderjährigen, als strafwürdig erachtet wird,[72] spricht ebenfalls gegen die Ahndung als Beleidigungsdelikt. Es liegt fern, dass das höhere Bedürfnis nach Bestrafung auf das Verlangen nach stärkerem Schutz der Ehre zurückzuführen ist. Vielmehr lässt sich hieraus folgern, dass die Ausschlussfunktion der sexuellen Selbstbestimmung Minderjähriger stärker geschützt werden soll.

3. Einführung eines speziellen Straftatbestandes

Um einerseits Catcalling als rein verbales Verhalten zu bestrafen und andererseits der Tatsache Rechnung zu tragen, dass hierdurch die sexuelle Selbstbestimmung beeinträchtigt wird, ließe sich ein Straftatbestand in einem neuen Abschnitt zwischen Ehr- und Sexualdelikten einführen. Dieser könnte wie in Frankreich einen Katalog sexuell motivierter Verhaltensweisen[73] enthalten und wäre so, im Gegensatz zum Beleidigungstatbestand, nicht dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ausgesetzt.[74] Sollte es sich im Einzelfall um einen missglückten Flirt handeln, so ist bei Ausgestaltung als Vorsatzdelikt und überzeugender Geltendmachung davon auszugehen, dass das Verhalten straflos bleibt. Im Rahmen der Diskussion über die Einführung eines neuen Straftatbestandes muss der grundsätzliche Vorrang milderer Mittel wie Aufklärung und Prävention berücksichtigt werden. Da insbesondere Frauen ungleich stärker betroffen sind, erscheint es jedoch diskriminierend, Betroffenen den strafrechtlichen Schutz zu verwehren.[75] Der Einwand des Ultima-Ratio-Prinzips überzeugt vor dem Hintergrund, dass „jede geringfügige Beleidigung“ sanktionsfähig ist, nicht.[76] Wenn bereits der Angriff auf die Intelligenz des Beleidigungsopfers mit der Bezeichnung „Idiot“[77] für eine Ehrverletzung genügt, muss dies erst recht für eine die sexuelle Selbstbestimmung missachtende und erniedrigende Äußerung wie beispielsweise „Ich bums dich bis nach Hause“[78] gelten.[79]

VI. Fazit

Die Ergebnisse der Umfrage zu verbaler sexueller Belästigung zeigen neben einer hohen Betroffenheit ein starkes Bedürfnis nach staatlichem Handeln. Enthält ein Catcall eine sexualisierende Objektifizierung, so wird dies von den Betroffenen als strafwürdiges Unrecht wahrgenommen. Die derzeitige Rechtslage trägt diesem Bedürfnis jedoch nicht Rechnung. So ist es im Rahmen der Ehrdelikte erforderlich, dass der Täter dem Opfer einen Mangel nachsagt, was bei Catcalling regelmäßig nicht der Fall ist.

Die Abkehr von der Sexualbeleidigung als Auffangtatbestand für niedrigschwellige sexuelle Übergriffe führte zu dem Anspruch, eine klare Grenze zwischen Sexual- und Ehrdelikten durch das Erfordernis der Körperlichkeit zu ziehen. Eine Ahndung im Sexualstrafrecht scheitert folglich daran, dass es sich um rein verbales Verhalten handelt. Dadurch wird der Charakter der verbalen sexuellen Belästigung als Schnittstelle zwischen Sexual- und Ehrdelikten verkannt. Aufgrund der gesellschaftlichen Einordnung von verbaler sexueller Belästigung als strafwürdiges Unrecht ist zu erwarten, dass der Gesetzgeber diese Strafbarkeitslücke beispielsweise mit der Einführung eines speziellen Tatbestandes zwischen Ehr- und Sexualdelikten schließen wird.

 

[1]      Quell, Es ist 2020. Catcalling sollte strafbar sein., online abrufbar unter: https://www.openpetition.de/petition/online/es-ist-2020-catcalling-sollte-strafbar-sein (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[2]      Weiterhin konnten Teilnehmende am Ende der Bearbeitung eine von fünf gemeinnützigen Organisationen auswählen, an die pro Stimme 50 Cent gespendet werden.
[3]      Vgl. Bildungsabschlüsse: Kein Abschluss 0,5 %, Hauptschulabschluss 0,7 %, Mittlere Reife 4,0 %, Fachgebundene Hochschulreife 3,7 %, Lehre 7,0 %, Fachhochschulabschluss (Bachelor, Master, Diplom etc.) 39,7 %, Allgemeine Hochschulreife 44,4 %.
[4]    Zur grafischen Aufbereitung der Studienergebnisse: https://cat-calling.com/ (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[5]    Vgl. Deutscher Juristinnenbund e.V., Policy Paper: „Catcalling“ – Rechtliche Regulierung verbaler sexueller Belästigung und anderer nicht körperlicher Formen von aufgedrängter Sexualität, 14.4.2021, online abrufbar unter: https://www.djb.de/fileadmin/user_upload/presse/stellungnahmen/st21-09_policy_paper_catcalling.pdf (zuletzt abgerufen am 10.3.2022); Werner, in: Weber, Rechtswörterbuch, Catcalling, 27. Edition (2021).
[6]     Quell/Dietrich, Es ist 2020. Catcalling sollte strafbar sein. Verbale sexuelle Belästigung: Problematik, Einordung und Lösungsansatz, S. 3, https://www.openpetition.de/pdf/blog/es-ist-2020-catcalling-sollte-strafbar-sein_positionspapier-zum-thema-catcalling_1606501477.pdf (zuletzt abgerufen am 10.3.2022); Gräber/Horten, Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie, 2021, S. 205.
[7]    Berghöfer, „Catcalling“ ist kein Kompliment, nd Journalismus von links, online abrufbar unter: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1142781.catcalling-catcalling-ist-kein-kompliment.html (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[8]    Bspw. erfasst die im englischsprachigen Raum geläufige Bezeichnung „Street Harassment“ (dt. Straßenbelästigung) eine Vielzahl von belästigenden Verhaltensweisen im öffentlichen Raum, zu denen unter anderem auch das Catcalling zählt (ebenso bspw.: exhibitionistische Handlungen).
[9]      § 184i StGB.
[10]    U.a. Sachstand / Dt. Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 7 – 3000 – 115/20, 2.11.2020.
[11]    Im Folgenden: Verbale sexuelle Belästigung (VSB).
[12]    76,8 % = 2204 von 2868 Personen (1958 weibliche, 227 männliche, 19 diverse); Durchschnittsalter: 29 Jahre.
[13]    7 % = 201 von 2868 Personen (65 weibliche, 132 männliche, 4 diverse); Durchschnittsalter: 33 Jahre.
[14]    Fragen an Adressat*innen: Alter beim ersten Catcall; ausgelöste Gefühle; Reaktionen; Langzeitfolgen; Fragen an Akteur*innen und nicht
Betroffene: Einschätzung der durch Catcalling vermutlich ausgelösten Gefühle.
[15]    Lehmann/Goede, Catcalling – Ausmaß und Folgen der verbalen sexuellen Belästigung, online abrufbar unter: https://kfn.de/wp-content/uploads/2021/11/ Vortrag%20Catcalling.pdf (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[16]    Die Studie des Bundesfamilienministeriums ergab ebenfalls eine Betroffenheit von ca. 30% der männlichen Teilnehmer: Wippermann, Sexismus im Alltag. Wahrnehmungen und Haltungen der deutschen Bevölkerung. Sozialwissenschaftliche bevölkerungsrepräsentative Untersuchung im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2019, S. 37, online abrufbar unter: https://www.bmfsfj.de/blob/f8b55ee9dae35a2e638acb530f89dfe0/sexismus-im-alltag-pilotstudie-data.pdf (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[17]    Vgl. Fn. 12.
[18]    Zur Auswahl standen: geschmeichelt, erregt, bedroht, genervt, angewidert, bekräftigt, neutral, belustigt, attraktiv, beschämt, wütend.
[19]    Saunders/Scaturro/Guarino/Kelly, Current Psychology 2017, 324 (329).
[20]    Vgl. Wippermann (Fn. 16), S. 23.
[21]    A.a.O.
[22]    Dieser Beitrag befasst sich lediglich mit einer potentiellen strafrechtlichen Ahndung, zur Ahndung als Ordnungswidrigkeit vgl. Pörner, NStZ 2021, 336 (339).
[23]    Vgl. Debatte zu Es ist 2020. Catcalling sollte strafbar sein., online abrufbar unter: https://www.openpetition.de/petition/argumente/es-ist-2020-catcalling-sollte-strafbar-sein/304574 (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[24]    Vgl. Jasiurova, Catcalling – (k)eine romantische Ehrverletzung?, online abrufbar unter: https://derjurist-derblog.de/2021/02/14/catcalling-keine-romantische-ehrverletzung/ (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[25]    Vgl. Wippermann, (Fn. 16), S. 28.
[26]    A.a.O.
[27]  Vgl. Debatte zu es ist 2020. Catcalling sollte strafbar sein., online abrufbar unter: https://www.openpetition.de/petition/argumente/es-ist-2020-catcalling-sollte-strafbar-sein/304577 (zuletzt abgerufen am 10.3.2022); https://www.openpetition.de/petition/argumente/es-ist-2020-catcalling-sollte-strafbar-sein/305775 (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[28]    So gaben 48 Personen innerhalb der freien Angaben an, dass sie der Situation (26 durch Rennen) schnellstmöglich entflohen, 38 Personen zeigten als Reaktion den Mittelfinger und 20 Personen reagierten durch Lachen.
[29]    Artigo 170.º Código Penal Português.
[30]    Loi tendant à lutter contre le sexisme dans l’espace public et modifiant la loi du 10 mai 2007 tendant à lutter contre la discrimination entre les femmes et les hommes afin de pénaliser l’acte de discrimination., Belgian Official Journal, 22.5.2014.
[31]    Article 621-1 – Code pénal, Création LOI n°2018-703 du 3 août 2018 – art. 15.
[32]    Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, online abrufbar unter: https://www.unwomen.de/fileadmin/user_upload/schwerpunktthemen/internationale_konventionen/pdf/Europaratskonvention%20zur%20Beseitigung%20von%20Gewalt%20gegen%20Frauen%20und%20h% E4uslic….pdf (zuletzt abgerufen am 22.12.2021).
[33]    Watson Peláez, Portugal bans the verbal harassment of women, online abrufbar unter: https://www.equaltimes.org/portugal-bans-the-verbal (zuletzt abgerufen am 22.12.2021); Deutschland ratifizierte die Istanbul-Konvention am 12.10.2017, online abrufbar unter: https://www.coe.int/de/web/impact-convention-human-rights/council-of-europe-convention-on-preventing-and-combating-violence-against-women-and-domestic-violence#/Germany (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[34]    Watson Peláez, a.a.O.
[35]    Dt. “Halt die Klappe!“.
[36]    Online abrufbar unter: https://www.arte.tv/de/videos/087579-002-A/domino-effekt-vom-post-zur-story/ (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[37]    Online abrufbar unter: https://www.gouvernement.fr/ministre/marlene-schiappa (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[38]    Online abrufbar unter: https://www.gouvernement.fr/action/loi-renforcant-l-action-contre-les-violences-sexuelles-et-sexistes (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[39]    Article 2.2a Verordening van de gemeenteraad van de gemeente Amsterdam houdende regels omtrent gemeentelijke regelgeving op het gebied van openbare orde en veiligheid (Algemene Plaatselijke Verordening 2008); Artikel 2:1a Algemene plaatselijke verordening Rotterdam 2012.
[40]    Online abrufbar unter: https://uitspraken.rechtspraak.nl/inziendocument?id=ECLI:NL:GHDHA:2019:3293&showbutton=true&
keyword=verbale+seksuele+intimidatie+ (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[41]    Online abrufbar unter: https://zoek.officielebekendmakingen.nl/kst-34904-3.html; Initiatiefvoorstel-Asscher en Van Toorenburg Strafbaar stellen van seksuele intimidatie (34.904) – Eerste Kamer der Staten-Generaal (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[42]    Vgl. Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Auflage (2019), § 184i Rn. 8.
[43]    BT-Drs. 18/9097, S. 30; § 184i Abs. 1 StGB.
[44]    Vgl. Rspr. zur a.F.: BGH, NStZ 2018, 603; NStZ 1991, 485.
[45]    Vgl. https://www.openpetition.de/petition/argumente/es-ist-2020-catcalling-sollte-strafbar-sein/304956 (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[46]    Und weiblich gelesenen Personen (nach äußeren Erscheinungsmerkmalen und Verhaltensweisen dem weiblichen Geschlecht zugehörig).
[47]    Deutscher Juristinnenbund e.V. (Gather/Valentiner), Podcast Justitias Töchter, Folge 2: Upskirting, Minute 25:30, online abrufbar unter: https://www.djb.de/projekte/podcast-justitias-toechter/detail/folge-2-upskirting (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[48]    Bspw. Schünemann, GA 1996, 307 (310).
[49]    BGH, NStZ 2018, 603 (604).
[50]    BGH, NStZ-RR 2006, 338 (339); WD 7 – 3000 – 115/20, 2.11.2020, S. 5.
[51]    BGH, NStZ 2018, 603.
[52]    A.a.O., S. 604.
[53]    BGH, NStZ 1992, 33 (34).
[54]    A.a.O.; BGH, NStZ-RR 2006, 338 (339); ebenfalls: OLG Hamm, NStZ-RR 2008, 108 (109).
[55]    BGH, NStZ 1992, 33 (34); so auch OLG Oldenburg, BeckRS 2011, 925.
[56]    Vgl. BGH, NStZ 2001, 29 zur Berücksichtigung der Tätigkeit des Opfers als Sexarbeiterin bei der Strafzumessung zu Gunsten des Täters.
[57]    OLG Hamm, NStZ-RR 2008, 108 (109).
[58]    Pörner, NStZ 2021, 336 (338).
[59]    OLG Karlsruhe, NJW 2003, 1263 (1264), das OLG verneinte (im Gegensatz zum AG) das Vorliegen einer tätlichen Beleidigung, bejahte jedoch den Grundtatbestand des § 185 StGB.
[60]    A.a.O.
[61]    A.a.O.
[62]    A.a.O.
[63]    Zur Unterstellung der Homosexualität als Beleidigung RGSt 41, 277 (284); zur Ehrverletzung durch Bezeichnung als Jude OLG Celle, NStZ-RR 2004, 107 und BayObLG, JR 2003, 33 m. Anm. Zaczyk.
[64]    BGH, NStZ 1992, 33 (34); NStZ 1987, 21 f.; NStZ 1988, 69; OLG Karlsruhe, NJW 2003, 1263 (1264).
[65]    Vgl. Pörner, NStZ 2021, 336 (338 f.).
[66]    Siehe Quell/Dietrich (Fn. 5), S. 2; Deutscher Juristinnenbund e.V. (Fn. 4), S.5.
[67]    Vgl. Sick, JZ 1991, 330.
[68]    Vgl. BT-Drs. 18/9097, S. 2 f.
[69]    Vgl. Arzt, JuS 1982, 717 (725 f.); Eisele/Schnittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 185 Rn. 4; Regge/Pegel, in: MüKo-StGB, 4. Aufl. (2021), § 185 Rn. 14; BGH, NJW 1986, 2442; BGH, NStZ 1989, 528.
[70]    Lembke, APuZ 8/2014, 35 (40).
[71]    A.a.O.
[72]    80 % der Teilnehmenden.
[73]    Article 621-1 – Code pénal, Création LOI n°2018-703 du 3 août 2018 – art. 15.
[74]    Regge/Pegel, in: MüKo-StGB, Vorb. zu § 185 Rn. 67; Gaede, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), Vorb. zu § 185 Rn. 3; Schubarth, JuS 1981, 726 (728); Findeisen/Hoepner/Zünkler, ZRP 1991, 245 (246); Ritze, JZ 1980, 91 (92); a.A. Zaczyk, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), § 185 Rn. 2.
[75]    So auch Quell in: Bredow, „Sexuelle Belästigung geht nicht erst bei Körperkontakt los“, online abrufbar unter: https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/catcalling-petition-fordert-verbale-sexuelle-belaestigung-unter-strafe-zu-stellen-a-862bebe2-b22f-4a3
b-9996-8c335dd23a76 (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[76]    Zum Schutz vor (nonverbaler) sexueller Belästigung Schaefer/Wolf, ZRP 2001, 27 (28).
[77]    Welche (nur) von 67,9 % der Teilnehmer*innen als belästigend empfunden wurde.
[78]    Catcalls of Trier, Instagram Post vom 28.9.2021, online abrufbar unter: https://www.instagram.com/p/CUW9Rm_Mp6Q/ (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[79]    Jasiurova, (Fn. 25); Beispielhaft für die sonst niedrige Schwelle des Beleidigungstatbestands: OLG Koblenz, NJW 1955, 602, wonach der Lehrer den Vater beleidigt, wenn er das Kind in Gegenwart des Vaters schlägt; Jahn/Schmitt-Leonardy, JuS 2020, 605 (608), wonach bei einer Ohrfeige gegenüber einem Erwachsenen das Element der Demütigung und Herabsetzung im Vordergrund stehen kann.

 

 

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