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KriPoZ-RR, Beitrag 31/2022

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 19.10.2022 – 4 StR 168/21: Zur Reichweite des § 16 Abs. 2 StGB

Amtlicher Leitsatz:

Ein milderes Gesetz im Sinne des § 16 Abs. 2 StGB ist allein eine privilegierende lex specialis. Diese Voraussetzung erfüllt § 184c Abs. 1 StGB im Verhältnis zu § 184b Abs. 1 StGB nicht.

Sachverhalt: 

Der Angeklagte wurde vom LG Bochum zu einer mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hat sich der Angeklagte u.a. wegen Menschenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, Herstellen kinder- und jugendpornografischer Schrift in Versuch und Vollendung strafbar gemacht. In den streitentscheidenden Fällen zeichnete der Angeklagte in einem Video-Chat heimlich die Geschädigten auf. Hierbei nahm der Angeklagte an, die Geschädigten seien bereits im jugendlichen Alter gewesen, sodass das Landgericht den Tatbestand des Herstellens jugendpornografischer Schrift als erfüllt ansah. Nicht einschlägig hingegen sah das Landgericht den § 184c Abs. 1 Nr. 3, Abs. 1 Nr. 1a StGB a.F., da hierfür die geschädigte Person zwischen vierzehn und unter achtzehn Jahre alt sein müsse. Der Angeklagte legte gegen die Entscheidung wegen Verletzung formellen und materiellen Rechts Rechtsmittel ein. 

Entscheidung des BGH:

Die Revision hat im Hinblick auf die Änderung des Schuldspruches, dass in zwei Fällen ein Versuch vorlag, Erfolg. Im Übrigen hat der Vierte Strafsenat des BGH die Sach- und Verfahrensrügen des Angeklagten verworfen. 

Das Landgericht habe fehlerhaft § 184c StGB a.F. und § 184b StGB a.F. zueinander ins Verhältnis gesetzt, so der BGH. Entgegen einer in der Literatur weit verbreiteten Ansicht, sei § 184c StGB a.F. nicht milderer Tatbestand im Verhältnis zu § 184b StGB a.F. i.S.d. Irrtumsvorschrift. § 16 Abs. 2 StGB sei vorliegend nicht anwendbar. 

Der Senat bestimmt sodann was unter einem milderen Gesetz zu verstehen ist: „Unter einem milderen Gesetz im Sinne des § 16 Abs. 2 StGB ist allein eine privilegierende lex specialis zu verstehen, also ein Straftatbestand, der alle Merkmale des Grundtatbestands sowie ein weiteres privilegierendes Merkmal enthält.“ Die §§ 184b und 184c StGB a.F. erfüllen aber diese Voraussetzungen nicht, so der BGH

Wortlaut, Systematik, Historie und Sinn und Zweck des § 16 Abs. 2 StGB sprächen dafür, dass es sich bei der Vorschrift um eine spezielle Irrtumskonstellation handeln muss und eine privilegierende Vorschrift für Täter sei. Die Norm verfolge zwei Funktionen: zum einen den Ausschluss des schwereren Tatbestandes. Der Täter soll mit dieser Regelung besser gestellt werden als ohne. Zum anderen soll zugleich auch eine Bestrafung ermöglicht werden, obwohl „dogmatisch-konstruktiv“ nur ein Versuch vorliege, argumentiert der Senat.

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