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Ganz seltsame Blüten… Das neue Cannabisgesetz im Überblick und der Versuch einer ersten Konsolidierung

von Prof. Dr. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu und Patrick Welke

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Abstract
Der Beitrag gibt einen Überblick über die Regelungen des „Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG)“ und die damit verbundenen praktischen Auswirkungen. Berücksichtigt werden dabei auch die seit Inkrafttreten des neuen Gesetzespakets ergangenen Entscheidungen.

The article provides an overview of the regulations of the “Law on the Controlled Handling of Cannabis and Amendments to Other Regulations (Cannabis Act – CanG)” and the associated practical effects. In addition, the decisions made since the new legislative package came into force are also analysed.

I. CanG hier, CanG dort, CanG überall….

Mit dem Cannabisgesetz (CanG) hat der Gesetzgeber einen drogenpolitischen Paradigmenwechsel eingeläutet. Mit Recht ist von einer „Zeitenwende“ die Rede[1] und das, obwohl sich das Ergebnis als Kompromiss präsentiert und auch als gesetzgeberisches Vorantasten eingeordnet werden kann: Schließlich musste man im ersten Anlauf wegen zwischenzeitlich laut vernehmbarer völker- und europarechtlicher Bedenken Abstand vom vormals geplanten, ambitionierten Lizenzmodell nehmen und auf ein Zwei-Säulen-Modell ausweichen, bei dem im ersten Schritt bestimmte Umgangsformen aus dem immer noch geltenden umfassenden Verbot in Bezug auf Cannabis herausgenommen wurden (das kann man „Teillegalisierung“ nennen, es scheint aber angesichts des Regel-Ausnahme-Verhältnisses unpassend). Sind die Wogen um die erste Säule geglättet (das kann angesichts des ständigen Fokus auf die Gesetzesänderung sowie den derzeit noch offenen Fragen im Hinblick auf Altfälle noch etwas dauern), kann der Gesetzgeber womöglich dazu übergehen, Säule 2 in Angriff zu nehmen, mit der zumindest die testweise Durchführung des ursprünglich geplanten Lizenzmodells[2] mittels regionaler Modellvorhaben erprobt werden soll.

Freilich hat diese Entstehungsgeschichte auch Auswirkungen auf die „Qualität“ des Gesetzestextes. An allen Ecken und Enden macht sich das „Ziehen und Zerren“ in Form systematischer Ungereimtheiten bemerkbar.[3] Diese wurden nicht nur in Fachzeitschriften, sondern auch in den sozialen Medien (und das schon im Entwurfs-Stadium) herausgearbeitet und kritisiert. Auch nach dem Inkrafttreten nimmt die Diskussion – auch weil viele Hinweise schlicht überhört wurden[4] – kein Ende, wobei nicht nur die Frequenz, sondern auch das rege (mediale) Interesse an dem Gesetz schon etwas erstaunt. Schließlich fristeten das Betäubungsmittelrecht und die Drogenpolitik lange Zeit ein Schattendasein (v.a. auch in der Strafrechtswissenschaft). So blieb das wildwuchernde, um ein altes, aber immer noch treffendes Bild aufzugreifen, ganz seltsame Blüten treibende Betäubungsmittelrecht „den Botanisierern der Rechtswissenschaft vorenthalten“.[5]

Inzwischen vergeht kein Tag, an dem nicht irgendein Passus, ein Tatbestandsmerkmal oder ein (instanzgerichtliches oder obergerichtliches) Urteil zum KCanG im Internet veröffentlicht, zerredet und mit anderen Entscheidungen verglichen wird. Das hat zwar den Vorteil, dass die Rechtsfortbildung und Konkretisierung der Merkmale gefördert wird (ja geradezu in Windeseile erfolgt), kann aber wiederum – auch wegen der neuen Bedingungen der „Wissenschaftskommunikation“ – zu einer Banalisierung der Aussageinhalte (Leitlinien, Bewertungen) führen. Gerade in den sozialen Medien werden widersprüchliche Entscheidungen u.U. auch im Dienste des Click-Baits polemisiert („Erster Cannabis-Dealer wegen neuem Gesetz freigesprochen!“), was den – ggf. nur banalen – Aussagegehalt einer Entscheidung übertüncht, während u.U. rechtlich spannende Auslegungsfragen nicht Beachtung finden. Hinzutritt, dass das KCanG, wie jedes Gesetz, Einfallstore für eine mehr oder weniger strenge Handhabe bietet, in der sich dann eine gewisse Grundhaltung der Verfolgungsbehörden (oder auch Justiz) manifestieren kann. So sind jetzt schon genug „Auslegungs- sowie Handhabungslinien“ veröffentlicht, die vermuten lassen, dass die BtMG-gewöhnten[6] Verfolgungsbehörden partiell noch weit davon entfernt bzw. nicht bereit sind, das gesetzgeberische Postulat umzusetzen. Erste obergerichtliche Entscheidungen und nunmehr auch der BGH geben dem Wasser auf die Mühlen. Da es bei solch einer Informationsüberflutung auch schwer ist, den Überblick zu behalten, scheint eine erste Konsolidierung – im Sinne einer Sammlung der Datenmengen – geboten, die der folgende Beitrag anstrebt.

Der Text bezieht sich dabei vornehmlich auf die bereits in Kraft getretenen Vorschriften, sodass die Regelungen zu den Anbauvereinigungen ausgeblendet werden.[7]

Nach einem knappen Überblick zu den Bestandteilen des Gesetzespakets (II.) wird v.a. das zentrale Konsumcannabisgesetz (KCanG) genauer unter die Lupe genommen (III.) und die bisherige Rechtsprechung zu den einzelnen Merkmalen auch wiedergegeben, um diese – wie auch deren Bewertung in der Fachliteratur – (kritisch) zu würdigen. Im Anschluss wird – etwas knapper – das Medizinalcannabisgesetz (MedCanG) erläutert (IV.), um mit weiteren Gesetzesänderungen im Verfahrens- und Straßenverkehrsrecht (V.) abzuschließen.

II. Das CanG im Überblick

Die zentrale Änderung des aus 14 Artikeln bestehenden CanG liegt in der Herausnahme von Cannabis aus dem Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes und dessen Überführung in zwei neue Einzelgesetze: Das Konsumcannabisgesetz (KCanG) nach Art. 1 regelt nunmehr den Umgang mit Cannabis zum Zwecke des Genusskonsums für jedermann. Das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG) – Art. 2 des CanG – hingegen hat die Verschreibung von Cannabis zu medizinischen Zwecken zum Gegenstand, stellt mithin ein Spezial-Arzneimittelgesetz dar. Die weiteren Artikel 3-14 beinhalten notwendige „Folgeänderungen“ bestehender (Neben-)Gesetze, u.a. des Arzneimittelgesetzes, des Jugendarbeitsschutzgesetzes, des Bundeszentralregistergesetzes sowie der Strafprozessordnung.

III. Das Konsumcannabisgesetz (KCanG)

1. Das Telos und die nicht durchweg lebensnahe Ausgestaltung des Regelwerks – ein Überblick

Das KCanG als zentrales Regelwerk des Änderungsgesetzespakets ermöglicht erstmals einen legalen Konsum von Cannabis zu Genusszwecken. Zwar war auch zuvor unter dem Maßstab des Betäubungsmittelgesetzes der Konsum von Cannabis nicht unter Strafe gestellt. Jedoch war dieser praktisch immer mit einer strafbaren Handlung wie dem Anbau, dem Erwerb oder jedenfalls dem Besitz von Cannabis verbunden.

Unmittelbar nach den Legaldefinitionen in § 1 (zu Cannabis, Nutzhanf oder Vermehrungsmaterial) wird aber auch im KCanG, namentlich in § 2, ein grundsätzliches Verbot in Bezug auf jeden erdenklichen Umgang mit Cannabis statuiert (wovon wiederum der Konsum ausgenommen ist). Insoweit hat man sich offensichtlich am umfangreichen Katalog des § 3 BtMG (und der strafbaren Handlungen nach § 29 Abs. 1 BtMG) orientiert.

Die „Teillegalisierung“ für Personen ab 18 Jahren erfolgt durch die Formulierung von Ausnahmetatbeständen in § 3 KCanG: Demnach ist erwachsenen Personen außerhalb der eigenen Wohnung oder des gewöhnlichen Aufenthalts der Besitz von bis zu 25 g Cannabis zum Eigenkonsum erlaubt (§ 3 Abs. 1 KCanG). Am Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthalt ist sogar der Besitz von bis zu 50 g Cannabis sowie von bis zu drei lebenden Cannabispflanzen gestattet (§ 3 Abs. 2 KCanG). In Kombination von Abs. 1 und Abs. 2 darf die insgesamt besessene Menge jedoch 50 g Cannabis nicht übersteigen.

Bereits diese Ausgestaltung führt in der tatsächlichen Handhabe zu Ungereimtheiten: Denn in der Praxis kann man aus drei Cannabispflanzen durchaus eine deutlich höhere Ernte als eine Menge von 50 g Cannabis erzielen. Bei der Berechnung der Besitzmenge von 50 g wird aber nur auf bereits abgeerntetes Cannabis abgestellt. Welche Menge an Blüten noch an den Pflanzen vorhanden ist, spielt dabei keine Rolle. So soll eine Cannabispflanze aus dem privaten Eigenanbau so weit geerntet werden können, dass die zulässige Besitzmenge von 50 g getrocknetem Cannabis am Wohnsitz (oder gewöhnlichen Aufenthalt) ausgeschöpft werden kann.[8]

Erst relativ spät im Gesetzgebungsverfahren, nämlich durch die Beschlussempfehlung und den Bericht des Ausschusses für Gesundheit, wurde die Norm dahingehend geändert, dass sich die Menge bei Blüten, blütennahen Blättern oder sonstigem Pflanzenmaterial „auf das Gewicht nach dem Trocknen“ bezieht. Es wurde dabei berücksichtigt, dass frisch geerntetes Cannabis ein sehr hohes Feuchtgewicht innehat, welches ein Vielfaches des konsumfähigen Trockengewichts darstellen kann. Frisch geerntetes, noch feuchtes Cannabis darf daher mehr als 25 bzw. 50 g wiegen, darf diese Menge aber im getrockneten Zustand nicht überschreiten.[9] Diese grundsätzlich sinnvolle Regelung könnte in der Praxis jedoch problematisch werden. Denn so wird sich für jeden, der Cannabis selbst anbaut, die Frage stellen, wie er denn zielgerichtet ernten kann. Um die gesamte Freimenge von 50 g an getrocknetem Cannabis ausschöpfen zu können, wird man schon bei der Ernte prognostizieren müssen, wie viel denn das abgeerntet feuchte Cannabis etwa an Gewicht verlieren wird. Insofern ist absehbar, dass sich immer wieder einmal Konstellationen ergeben werden, in denen die abgeerntete Menge den Grenzwert auch im getrockneten Zustand noch – jedenfalls geringfügig – übersteigt.

Ein weiteres, sich in der Praxis ergebendes Problem dürfte sich beim Mitbesitz mehrerer Personen ergeben und zwar sowohl im Hinblick auf die Cannabispflanzen selbst als auch bzgl. des abgeernteten Cannabis. Bewahren beispielsweise zwei Personen in der gemeinsamen Wohnung eine Gesamtmenge von maximal 100 g Cannabis auf, so stellt sich die Frage der jeweiligen Zuordnung. Eine pauschale Aufteilung dahingehend, dass bspw. zwei Personen jeweils nur eine Hälfte von 50 g – und damit eine Menge im legalen Bereich – zugerechnet werden könnte, wird man nicht fingieren können. Entscheidend bleibt, wem unter Zugrundelegung der Anschauungen des täglichen Lebens die entsprechenden Mengen zuzuordnen sind: Wurde das abgeerntete Cannabis vermischt, liegt auch ein Mitbesitz nahe. Im Übrigen kann es aber auch in einer von mehreren Personen benutzten Wohnung Gegenstände (und somit auch Cannabis) geben, über die ein Mitbewohner allein und unter Ausschließung der übrigen Mitbewohner die tatsächliche Sachherrschaft ausübt und ausüben will, ohne dass die Sachen hierzu unter Verschluss gehalten werden müssen.[10] Damit verbietet sich umgekehrt die pauschale Annahme, dass sich das gesamte Cannabis, das sich in der Wohnung befindet, im Mitbesitz der Bewohner befindet. Gerade bei einer Trennung der abgeernteten Mengen sind hohe Anforderungen an die Annahme eines Herrschaftswillens zu stellen; soweit die Strafbarkeitsbegründung an eine Mengenüberschreitung anknüpft, muss zudem darüber nachgedacht werden, die im Betäubungsmittelstrafrecht anerkannte Figur des „gebundenen Anteilsmitbesitzes“ auf das KCanG zu übertragen, wonach eine gemeinsame Sachherrschaft hinsichtlich der gesamten nicht geringen Menge, die nur der Sicherung alsbaldiger Aufteilung dient, ebenso nicht als „Mitbesitz“ angesehen werden kann.[11]

2. Die Strafvorschriften des KCanG

 a) Grundtatbestand

Wie oben bereits dargestellt, findet sich in § 34 KCanG eine Strafvorschrift, die in ihrer Struktur typisch nebenstrafrechtlich ausgestaltet und in fünf Absätze untergliedert ist. Abs. 1 enthält den Grundtatbestand, welcher in insgesamt 16 Ziffern verschiedentlich auf die Verbote im KCanG Bezug nimmt. Damit ist die Norm zumindest etwas besser strukturiert als § 29 BtMG, der alleine in § 29 Abs. 1 Nr. 1 zehn verschiedene Handlungsmodalitäten aufführt. Was die einzelnen Handlungsweisen angeht, hat der Gesetzgeber die Regelungen des BtMG weitestgehend übernommen bzw. „nachgeahmt“.[12] In Abs. 2 findet sich – wenig überraschend – die Anordnung der Versuchsstrafbarkeit, der eine praktisch geringe Relevanz prognostiziert werden kann. § 34 Abs. 3 KCanG sieht sodann besonders schwere Fälle vor, bei deren Verwirklichung eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren droht. Dem folgen in § 34 Abs. 4 KCanG Verbrechenstatbestände mit einer Strafandrohung nicht unter zwei Jahren. In Abs. 5 der Vorschrift ist schließlich die fahrlässige Begehung unter Strafe gestellt.

aa) § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG

Der Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 KCanG bezieht sich in seiner Nr. 1 auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG und korrespondiert somit auch mit der Ausnahmeregelung des § 3 KCanG. So liegt ein strafbarer Besitz gem. § 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) KCanG erst dann vor, wenn eine Person außerhalb der eigenen Wohnung mehr als 30 g Cannabis – bezogen auf das Trockengewicht – mit sich führt bzw. insgesamt mehr als 60 g getrocknetem Cannabis besitzt. Insofern wird nicht unmittelbar an die 25 g bzw. 50 g-Grenze angeknüpft (was zunächst oftmals übersehen wurde); vielmehr ist für eine bloß leichte Überschreitung der Grenzmengen lediglich eine Ahndung als Ordnungswidrigkeit vorgesehen, § 36 Abs. 1 Nr. 1 KCanG. Hinsichtlich des Eigenanbaus greift eine Strafbarkeit beim Besitz von mehr als drei lebenden Cannabispflanzen, § 34 Abs. 1 Nr. 1 lit. c) KCanG. Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass eine Cannabispflanze im Sinne des Gesetzes erst dann vorliegt, wenn diese über Blütenstände oder Fruchtstände verfügt. Dies ergibt sich aus einem Umkehrschluss zur Legaldefinition für Stecklinge (§ 1 Nr. 6 KCanG). Stecklinge sind demnach nämlich Jungpflanzen oder Sprossteile von Cannabis Pflanzen, die zur Anzucht von Cannabis Pflanzen verwendet werden sollen und über keine Blütenstände oder Fruchtstände verfügen.

bb) § 34 Abs. 1 Nr. 2 KCanG

 34 Abs. 1 Nr. 2 lit. a) KCanG stellt es unter Strafe, wenn jemand mehr als drei Cannabispflanzen anbaut. Dabei ist dem Gesetzgeber jedoch ein (vermeidbarer) Fehler unterlaufen. Denn das Gesetz sieht zwar den legalen Anbau sowie Besitz von drei Cannabispflanzen und die legale Besitzmöglichkeit der abgeernteten 50 g Cannabis in der eigenen Wohnung vor. Oft genug wurde allerdings darauf hingewiesen, dass der Erntevorgang nicht in der Ausnahmevorschrift des § 3 KCanG genannt ist. Folgt man aber der Gesetzesbegründung, wonach die Auslegung des Begriffs „Herstellen“ sich an demjenigen des BtMG orientieren soll,[13] fällt der Erntevorgang ohne Weiteres hierunter (genauer unter das „Gewinnen“[14]). Auch die betäubungsmittelrechtliche Rechtsprechung sah in der Ernte von Cannabisblüten und Cannabisfruchtständen ein strafbares Herstellen von Betäubungsmitteln.[15] Insofern würde man sich nach § 34 Abs. 1 Nr. 3 KCanG strafbar machen, wenn man das angebaute Cannabis verwertet, und das, obwohl der Gesetzgeber gerade einen legalen Anbau zum Zwecke des Eigenkonsums beabsichtigte.[16] Es ist nicht wirklich nachvollziehbar, warum der Gesetzgeber hier keine klarstellende Vorschrift eingefügt hat, obwohl während des Gesetzgebungsverfahrens auf dieses Problem hingewiesen wurde.[17] Um die Regelungen nicht ad absurdum zu führen, erscheint es naheliegend, entweder den Begriff des Herstellens einschränkend in diesen Fällen auszulegen[18] oder den Erlaubnistatbestand des § 9 Abs. 1 KCanG erweiternd dahingehend auszulegen, dass der erlaubte Anbau von drei lebenden Cannabispflanzen eine „Annexkompetenz“ zur Ernte erlaubter Besitzmengen enthält. Hinsichtlich der Strafbewehrung des § 34 Abs. 1 Nr. 2 lit. b), welche den nicht zum Eigenkonsum bestimmten Anbau erfasst, gilt es noch anzumerken, dass man selbstverständlich nicht auf den legalen Zustand (Besitz von drei Cannabispflanzen) abstellen können wird, da in diesen Fällen die Absicht zum Eigenanbau indiziert sein dürfte. Da sich der Umsatzwille irgendwie nach außen manifestieren muss (wofür „Digitalwaagen“ nicht genügen dürften, da in diesem Bereich auch beim Anbau zum Eigenkonsum ein berechtigtes Interesse bestehen kann, das Cannabis abzuwiegen), wird der Vorschrift kaum Relevanz zukommen, da dann auch ein Handeltreiben bejaht werden könnte.

cc) §§ 34 Abs. 1 Nr. 3 – 11 KCanG

Es folgen in den Nummern 3 – 11 Bezugnahmen auf den umfassenden Katalog in § 2 KCanG, wobei die aufgeführten Handlungsweisen dem § 29 Abs. 1 BtMG entnommen sind. Da es auch keinerlei Freimengen gibt, hat sich die Rechtslage bis auf die „Paragrafenpositionen“ nicht geändert, es bleibt insb. bei einem strengen Weitergabeverbot. Der Gesetzgeber ging offensichtlich von der Vorstellung aus, dass jeder für seine Versorgung mit Cannabis selbst verantwortlich ist (was nichts daran ändert, dass die Kriminalisierung einer nicht umsatzorientierten Versorgung innerhalb der Freimengen – v.a. im Hinblick auf die veränderte Risikobewertung – kaum überzeugt). Festzuhalten bleibt, dass die Ab- oder Weitergabe auch von Kleinstmengen an Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 7 KCanG weiterhin strafbar ist. Dies gilt auch für die Weitergabe eines Joints ohne „Übertragung der Verfügungsbefugnis“. Denn abweichend vom ursprünglichen Entwurf hat man die Überlassung zum unmittelbaren Verbrauch nach § 34 Abs. 1 Nr. 9 KCanG ebenfalls in den Katalog aufgenommen.

dd) § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG

Besondere Erwähnung verdient zudem noch die Strafvorschrift des § 34 Abs. 1 Nr. 12 KCanG, der anders als die Nummer zuvor kein „generelles Erwerbsverbot“ formuliert, sondern den Erwerb bzw. das Entgegennehmen – wiederum korrespondierend mit § 3 KCanG – erst ab Überschreitung der 25 g-Grenzmenge pro Tag bzw. 50 g Cannabis pro Kalendermonat unter Strafe stellt. Dies stimmt zwar genau mit den Mengen überein, die nach § 19 Abs. 3 KCanG von den Anbauvereinigungen an die Mitglieder über 21 Jahren abgegeben werden können. Allerdings nimmt § 34 KCanG explizit gerade nicht auf die Vorschriften zum gemeinschaftlichen Eigenanbau Bezug, sondern auf § 2 Abs. 1 Nr. 12 KCanG, wobei ein Blick in die Gesetzesbegründung zeigt, dass es sich dabei um eine bewusste Entscheidung gehandelt hat: Demnach soll die Freimenge beim Erwerb unabhängig davon gelten, ob das Cannabis auf dem Schwarzmarkt oder auf dem legalen Weg erworben wurde, wobei zur Begründung auf die Entlastung der Strafverfolgungsbehörden verwiesen wird.[19]

Das führt freilich zu seltsamen Konsequenzen: Während der Kauf auf dem Schwarzmarkt straflos ist, droht bei einem nicht abgeleiteten Erwerb bzw. Diebstahl oder Fund von Cannabis auch bei weniger als 25 g eine Strafbarkeit, da dann der Tatbestand des Sich-Verschaffens greift. Das BayObLG hat in umgekehrter Richtung (und angesichts des insoweit unmissverständlichen Gesetzeswortlauts zutreffend)  entschieden, dass das Wegwerfen von 11 g Cannabis auf der Flucht vor der Polizei nicht im Sinne eines Erst-Recht-Schlusses zu einer Straflosigkeit führe (das Behalten wäre wegen des erlaubten Besitzes von 25 g Cannabis nicht strafbar gewesen), sondern ein versuchtes sonstiges Inverkehrbringen von Cannabis im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 10 KCanG darstellen könne.[20] Für eine teleologische Reduktion wäre nur Raum, wenn der Gesetzgeber das Sich-Verschaffen nicht unter Strafe gestellt hätte: Denn nur dann wäre jede denkbare Form der Erlangung von Cannabis unterhalb der Grenzmenge ohnehin ein legales Verhalten, sodass die „Kriminalisierung“ einer diesbezüglichen Vorbereitungshandlung kaum legitimiert werden könnte. Das ändert aber freilich nichts daran, dass die Pönalisierung des Sich-Verschaffens Stirnrunzeln auslöst, jedenfalls unterhalb der 25g-Grenze, wo doch der Erwerb nicht strafbar ist.

 b) Regelbeispiele und Qualifikationen

Mit der Überführung von Cannabis aus dem BtMG in das neue KCanG geht auch eine Reduzierung der Strafrahmen einher. So sieht § 34 Abs. 1 KCanG als Grundtatbestand (lediglich) Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor, während § 29 Abs. 1 BtMG eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren anordnet. Das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 KCanG setzt die Mindeststrafe auf drei Monate fest und erhöht die Höchststrafe auf bis zu fünf Jahre. Für die dort genannten „besonders schweren Fälle“ diente abermals das BtMG als Blaupause (insb. § 29 Abs. 3 BtMG sowie der Verbrechenstatbestand des § 29a BtMG, dazu sogleich). Erfasst werden bestimmte gewerbsmäßige Handlungsweisen (Nr. 1), die Gefährdung der Gesundheit mehrerer Menschen (Nr. 2), Handlungen von über 21-jährigen Personen im Zusammenhang mit Kindern oder Jugendlichen (Nr. 3) und sämtliche Handlungen des Abs. 1, wenn diese sich auf eine nicht geringe Menge beziehen (Nr. 4).

Schließlich konzipiert (angesichts der veränderten Risikobewertung erstaunlich) § 34 Abs. 4 KCanG einen Verbrechenstatbestand, welcher sich an den §§ 30, 30a BtMG orientiert und mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren aufwartet (in minder schweren Fällen droht Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren). Erfasst sind das gewerbsmäßige Handeln im Fall des Abs. 3 S. 2 Nr. 3 a) (Nr. 1) KCanG, die Bestimmung einer minderjährigen Person zu bestimmten Handlungsweisen durch eine Person über 21 Jahren (Nr. 2), bandenmäßige Begehungsweisen, welche sich auf eine nicht geringe Menge beziehen (Nr. 3), sowie auf eine nicht geringe Menge bezogene bewaffnet begangene Handlungen (Nr. 4).

c) Insbesondere: Die nicht geringe Menge

 Wie soeben dargelegt, hat der Gesetzgeber das (nicht nur sprachlich missglückte) Merkmal der „nicht geringen Menge“ aus dem BtMG übernommen: Das verdiente schon im Ansatz keinen Beifall, da dieses betäubungsmittelrechtsspezifische Merkmal (das schon auf eine lange Tradition zurückblicken kann und kaum mehr infrage gestellt wird) bereits im Kontext härtester Drogen nicht überzeugt[21] und dessen Bestimmung in vielerlei Hinsicht Probleme aufwirft (selbst bei gefährlichen, synthetischen Substanzen). Erst recht überzeugt der Transfer nicht mehr vor dem Hintergrund der in der Gesetzgebungsbegründung akzentuierten „veränderten Risikobewertung“. Das klassische zweistufige Verfahren[22] zur Bestimmung des Grenzwerts, bei der als bestimmender Strafzumessungsgrund nicht die Gewichtsmenge, sondern die Wirkstoffmenge ausschlaggebend sein soll,[23] mag zwar immer noch auf Cannabis (i.w.S.) passen, doch stellt sich zum einen schon die Frage, ob das auf den Wirkstoff THC zugeschnittene Rechenmodell überhaupt auf eine Regelungssystematik passt, deren Parameter sich v.a. an Gewichtsmengen und Pflanzenanzahlen orientiert. Zum anderen drängt sich angesichts der veränderten Risikobewertung die Frage, ob nicht eine höhere Maßzahl (als vormals 500, so entschieden im Jahre 1984[24]) zu veranschlagen wäre.

Der Gesetzgeber hat trotz solch einer Gemengelage darauf verzichtet, den Grenzwert selbst oder zumindest den „Rechenweg“ zur nicht geringen Menge im KCanG neu zu bestimmen  (schließlich wäre es auch denkbar gewesen, sich auf einen gänzlich anderen Parameter zu beziehen, z.B. auf einen hohen Umsatz oder hohe Gewinnmargen oder schließlich große Gewichtsmengen). Er verwies in seiner Gesetzesbegründung lediglich darauf, dass man im Lichte der legalisierten Mengen an der bisherigen „Definition“ der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können werde und der Grenzwert deutlich höher liegen müsse als in der Vergangenheit.[25] Offen bleibt dabei schon, ob mit „Definition“ bereits die Art und Weise der Bestimmung infrage gestellt wird.

Unmittelbar nach Inkrafttreten des KCanG sahen sich diverse Gerichte bundesweit mit der Frage konfrontiert, wie die nicht geringe Menge im KCanG definiert werden sollte. In der Literatur wird die Ansicht vertreten, die nicht geringe Menge THC bei 100 g anzusetzen (10-faches einer guten und durchaus üblichen 20 %-wirkstoffhaltigen noch in der eigenen Wohnung legalen 50-Gramm-Cannabismenge), wobei auch wertende Betrachtungen der nicht geringen Menge anhand (nicht mehr überprüfter) Pflanzenmengen (Vorschlag: 60 Pflanzen = 20-faches der erlaubten Pflanzenmenge) oder (nicht mehr überprüfbarer) Bruttomengen (Vorschlag 500 Gramm = 10-mal die erlaubte Menge) für möglich gehalten wurden.[26] Nach einer weiter gehenden Ansicht soll im Rahmen einer autonomen Herleitung orientiert am Maßstab des KCanG die nicht geringe Menge wenigstens 1 kg Cannabis betragen.[27] Das AG Karlsruhe sah eine nicht geringe Menge als gegeben an, wenn die gemäß § 3 KCanG erlaubte Menge um mehr als das 10-fache überschritten ist, d.h. wenn man zu Hause mehr als 500 g getrocknetes Cannabis oder außerhalb des Wohnsitzes mehr als 250 g getrocknetes Cannabis besitzt.[28]

All diese Ansätze und Entscheidungsentwürfe wurden schnell zur Makulatur, nachdem der Erste und Fünfte Strafsenat des BGH entschieden haben, dass der im Kontext des Betäubungsmittelstrafrechts festgelegte Grenzwert von 7,5 g THC als nicht geringe Menge nach wie vor, also auch im Rahmen des KCanG, gelten solle.[29] Nach einer (mindestens) unglücklichen Art und Weise der Veröffentlichung der Entscheidung, wurde dem Senat vorgeworfen, dass er sich über die Gesetzesbegründung hinweggesetzt habe, wobei der Senat seinerseits darauf aufmerksam machte, dass die Begründung als solche nicht bindend sei: Recht zu geben ist ihm nur darin, dass der Gesetzgeber die Chance verpasst hat, sich der Sache selbst anzunehmen. Aber die Bemerkung, dass man keine „tatsachenbasierte Informationen“ geliefert habe, „auf welche weitergehende Rückschlüsse oder gar eine Berechnung gestützt werden könnten“, ist schon deswegen verfehlt, weil sich das Gericht diese auch selbst hätte im Freibeweisverfahren verschaffen, mithin die Gesetzesänderung mindestens als Anlass hätte betrachtet werden können, den Grenzwert nochmals zu überprüfen (und Sachverständige hinzuziehen, wie es dies etwa bei neuen psychoaktiven Substanzen auch macht); zum anderen wird der Gesetzgeber für sein zurückhaltendes Gebaren abgestraft, lediglich einen Parameter zur Neubestimmung des Grenzwerts genannt zu haben, statt eine tradierte Rechtsprechung zur geringen Menge als nicht mehr tragfähig zu erklären. Das sind allerdings nicht die einzigen Probleme: Denn entgegen der Rechtsprechung des Ersten Strafsenats sprechen auch systematische Erwägungen gegen eine Beibehaltung der alten Grenzmenge: Schließlich sieht das Gesetz den legalen Besitz von 50 g Cannabis mit 15 % oder mehr Wirkstoffgehalt vor, d.h. es ist möglich, eine „nicht geringe“ Menge legal zu besitzen. Im Speziellen wurde zudem bereits darauf hingewiesen, dass sich das Regelbeispiel partiell auf den Besitz von „Cannabispflanzen“ bezieht: Hier knüpft bereits der Wortlaut also nicht generell an Cannabis (bzw. THC), sondern an eine bestimmte Anzahl von Cannabispflanzen an, sodass es hier geradezu auf der Hand liegt, dass die Bestimmungsmethode nicht auf diesen Tatbestand passt. Insofern steht ein Verstoß gegen das Analogieverbot im Raum, wenn auch in diesem Zusammenhang die 7,5 g-Grenze als maßgeblich erachtet wird.[30]

Bei denjenigen Straftatbeständen, bei welchen das Gesetz eine bestimmte legale Freimenge vorsieht, stellt sich auch die Frage, ob die Freimenge bei der Berechnung des Grenzwerts nicht abgezogen werden muss. Im Rahmen des Schuldumfangs und bei der nicht geringen Menge wäre dann nur der Anteil zu berücksichtigen, der die nach § 3 Abs. 2 KCanG erlaubten Freimengen überschreitet.[31]

3. Tilgung im Bundeszentralregister

 § 40-42 KCanG eröffnen die Möglichkeit, Einträge im Bundeszentralregister aufgrund von Cannabisverurteilungen löschen zu lassen, wenn nach neuer Rechtslage der abgeurteilte Sachverhalt keine Straftat oder Ordnungswidrigkeit mehr darstellt. Zwar sieht § 48 S. 1 BZRG eine solche Tilgung schon allgemein bei allen Einträgen vor, bei denen die Strafbarkeit nachträglich entfallen ist. Allerdings erfolgt dabei nach § 48 S. 2 BZRG die Tilgung nur, wenn sich die Voraussetzungen des S. 1 anhand der nach § 5 eingetragenen Daten feststellen lassen. Das ist bei Cannabisverurteilungen nie der Fall, weil im BZRG bisher lediglich ein Verstoß gegen das BtMG eingetragen wird, sodass aus dem Eintrag weder ersichtlich ist, um welche Substanz es sich gehandelt hat noch auf welche Menge sich die Tat bezog. Das erklärt die Notwendigkeit einer Spezialvorschrift. Dabei ist gem. § 41 KCanG der Antrag bei der Staatsanwaltschaft zu stellen, die örtlich für das Gericht zuständig ist, dessen Entscheidung den Eintrag veranlasst hat. Allerdings treten die §§ 40-42 KCanG gemäß Art. 15 Abs. 3 CanG erst zum 1.1.2025 in Kraft.

4. Bußgeldvorschriften

Jedes strafrechtliche Nebengesetz enthält nochmals mindestens die doppelte Anzahl an Ordnungswidrigkeiten, die aber in der Praxis regelmäßig keine Rolle spielen. Dies trifft auch auf das KCanG zu, das in seinem § 36 ganze 37 OWi-Tatbestände aufzählt. Was aber das KCanG angeht, scheint man sich über den Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 36 KCanG genauso viel Gedanken zu machen wie über die Straftatbestände. Das lässt sich damit erklären, dass in § 36 Abs. 1 Nr. 4 KCanG der nach § 5 KCanG verbotene Konsum in der Öffentlichkeit (insofern auch ein Novum) und damit eine rechtstatsächlich besonders relevante Verhaltensweise als Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann. Zudem haben einige Länder bereits angekündigt, auch die Ordnungswidrigkeiten rigoros zu verfolgen und gleichzeitig hohe Bußgelder festzusetzen.[32]

Dabei ist zunächst der Konsum in unmittelbarer Gegenwart von Kindern oder Jugendlichen verboten, wobei es nicht darauf ankommt, ob es sich um einen (visuell oder geruchlich) „wahrnehmbaren“ Konsum handelt, wenn man die Ahndung auf die gesundheitlichen Gefahren des Passivkonsums stützt (und nicht ausschließlich auf die Gefahr einer „Nachahmung“, die in der Gesetzgebung alleine als Grund für die Regelung genannt ist[33]). Nähert sich eine minderjährige Person den Konsumierenden, hat die Ordnungswidrigkeit zur Folge, dass man den Konsum „einstellen“ und sich ggf. entfernen muss. Zu weit dürfte es allerdings gehen – und diese Frage könnte sich durchaus stellen – Personen, die in ihrem eigenen Vorgarten Cannabis konsumieren, in das Verbot einzubeziehen, wenn Kinder und Jugendliche immer wieder einmal an dem eigenen Grundstück vorbeilaufen. Ein ähnliches Problem stellt sich bei Konsumenten, die in der Nähe von Schulen, Kinderspielplätzen, Kinder- und Jugendeinrichtungen etc. (§ 5 Abs. 2 KCanG) wohnen. Hier wird man aber annehmen können, dass der öffentlich sichtbare Konsum innerhalb der vier Wände bzw. auf dem Balkon nicht als „öffentlicher Konsum“ von Cannabis eingeordnet werden kann.

Eine gewisse steuernde Wirkung dürfte zudem § 10 KCanG zukommen, der anordnet, dass Cannabis und Vermehrungsmaterial am Wohnsitz durch geeignete Maßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen vor dem Zugriff durch Dritte, insbesondere Kindern und Jugendlichen, zu schützen sind. Auch ein Verstoß gegen diese Vorschrift ist in § 36 Abs. 1 Nr. 6 KCanG bußgeldbewehrt. Zuletzt sei an dieser Stelle der bereits angesprochene § 36 Abs. 1 Nr. 1 KCanG genannt, der für einen schmalen Bereich zwischen illegalem aber noch nicht strafbaren Besitz (25-30 g Cannabis außerhalb der eigenen Wohnung bzw. 50-60 g Cannabis insgesamt) einen Ordnungswidrigkeitentatbestand vorsieht.

5. Regelungen für Jugendliche, insb. § 7 KCanG

Der erlaubte Besitz von Cannabis in § 3 Abs. 1 KCanG ist lediglich für Personen ab 18 Jahren vorgesehen. Kindern und Jugendlichen ist der Umgang mit Cannabis ausnahmslos verboten. Dabei hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, das „Strafbarkeitsrisiko“ für Jugendliche allerdings nicht weiter reichen zu lassen als für Erwachsene, d.h.: Die Strafvorschriften des KCanG gelten unter den weiteren Voraussetzungen des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) auch für strafmündige Jugendliche (im Alter von 14-17 Jahren). Im Bereich des nach § 3 Abs. 1 KCanG für Erwachsenen legalen Besitzes von Cannabis machen sich jedoch auch Jugendliche nicht nach dem KCanG strafbar, d.h. es bleibt beim verwaltungsrechtlichen Verbot, was zumindest eine polizeirechtliche Sicherstellung von aufgefundenem Cannabis ermöglicht.[34] Daneben sieht § 7 KCanG mehrere Stufen der Frühintervention vor. So hat die zuständige Polizei- und Ordnungsbehörde unverzüglich die Personensorgeberechtigten über das Auffinden der minderjährigen Person mit Cannabis zu informieren. Nach § 7 Abs. 2 KCanG ist bei gewichtigen Anhaltspunkten für eine Gefährdung des Wohls des Kindes oder des Jugendlichen darüber hinaus unverzüglich der zuständige örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu informieren. Dieser hat dann nach § 7 Abs. 3 KCanG unter Einbeziehung der Personensorgeberechtigten darauf hinzuwirken, dass Kinder und Jugendliche geeignete Frühinterventionsprogramme oder vergleichbare Maßnahmen auch anderer Leistungsträger in Anspruch nehmen. Es stellt sich allerdings die Frage, wie im Wiederholungsfalle oder bei einer Weigerung, die Maßnahmen in Anspruch zu nehmen, verfahren werden soll. Die bisherigen Möglichkeiten des Jugendstrafrechts, beispielsweise die Verhängung von Ungehorsamsarrest sowie eine Steigerung der Reaktionen im Wiederholungsfall, sind aufgrund der Herausnahme aus dem strafrechtlichen Bereich nicht anwendbar. Die dem Jugendamt eröffneten Möglichkeiten aus § 8a SGB VIII – auf welche die Gesetzesbegründung insoweit verweist[35] – erscheinen hier nicht in jedem Falle geeignet und sinnvoll.

IV. Das Medizinal-Cannabisgesetz (MedCanG)

Im Zuge der partiellen Entkriminalisierung bestimmter Mengen des Besitzes von Cannabis zu Konsumzwecken durch das KCanG hat der Gesetzgeber auch die Rechtslage zum Medizinalhanf überarbeitet und ein eigenständiges Regelwerk geschaffen, das die Verschreibungsvoraussetzungen in Bezug auf Medizinalhanf im Vergleich zur alten Rechtslage erheblich lockert. Die Änderungen im Hinblick auf das Medizinalcannabis sind gravierend und lassen sich auch etwas provokant ausgedrückt „als faktische Legalisierung durch die Hintertür“ bezeichnen,[36] freilich nur für Personen, die sich es leisten können.

Das Gesetz umfasst ganze 31 Vorschriften und beginnt mit allgemeinen Vorschriften zum Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen. Als „Cannabis zu medizinischen Zwecken“ werden gem. § 2 Nr. 1 MedCanG Pflanzen, Blüten und sonstige Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen eingeordnet, die aus einem Anbau stammen, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Artikeln 23 und 28 Abs. 1 des Einheits-Übereinkommens von 1961 über Suchtstoffe vom 30. März 1961[37] erfolgt, sowie Delta-9-Tetrahydrocannabinol, einschließlich Dronabinol und Zubereitungen aller vorgenannten Stoffe. Die Abgrenzung zu Cannabis, welches dem KCanG unterfällt, ergibt sich demnach nicht aus dem von der einnehmenden Person verfolgten Zweck, sondern ist davon abhängig, ob das Cannabis aus staatlich kontrolliertem Anbau für die Apotheken entstammt.

Sodann findet sich in § 3 MedCanG die wesentliche und wohl bedeutendste Änderung in Relation zum alten Recht. Dort heißt es nämlich kurz und bündig: „Cannabis zu medizinischen Zwecken von Ärztinnen und Ärzten verschrieben oder im Rahmen einer ärztlichen Behandlung verabreicht oder unmittelbar zum Verbrauch überlassen werden.“ An die Verschreibung werden keine besonderen Anforderungen gestellt, insb. gilt das im Kontext des Betäubungsmittelrechts zu beachtende Ultima-ratio-Gebot (§ 13 Abs. 1 BtMG) hier nicht. Damit unterscheidet sich die Verschreibung von Cannabis in Blütenform nicht mehr von derjenigen sonstiger rezeptpflichtiger Arzneimittel, wie zum Beispiel „Ibuprofen 600 mg“.[38] Eine Bindung an bestimmte Diagnosen existiert ebenso wenig wie eine Höchstverschreibungsmenge (wie man diese von der BtMVV kennt). Zudem entfällt die bisherige Pflicht, Cannabis zu medizinischen Zwecken auf dem besonderen („gelben“) Betäubungsmittelrezept zu verschreiben.[39] Als Zugangsbeschränkung bleibt es damit bei der allgemeinen bzw. „normalen“ Verschreibungspflicht i.S.d. § 48 AMG (also des Arzneimittelrechts). Wie bereits erläutert, wäre aber ein Verstoß gegen § 48 AMG nur dahingehend strafbar, dass Cannabis ohne Verschreibung aus der Apotheke abgegeben wird; nicht jedoch ist die unbegründete Verschreibung von Cannabis strafbar.

Hervorhebung verdient das in § 24 MedCanG normierte Einnahmeverbot für Patientinnen in der Öffentlichkeit: Hierbei handelt es sich – siehe oben – generell um ein Novum im Arznei- und Betäubungsmittelrecht, wobei schon auf den ersten Blick erstaunt, dass nicht zwischen Genusskonsum und ärztlich indizierter Einnahme differenziert wird (auch begrifflich nicht).[40] Generell mag ein öffentliches Konsumverbot beim Genusskonsum sicherlich noch legitimierbar sein, wirft aber bei der medizinisch indizierten Einnahme Probleme auf. Denn es dürfte eine Selbstverständlichkeit darstellen, dass Arzneimittel grundsätzlich ortsunabhängig eingenommen werden dürfen sollten. Der deutsche Gesetzgeber verweist aber auf Einnahme und Konsumanreize für Kinder- und Jugendliche: Diese könnten kaum zwischen Konsum und medizinischer Einnahme unterscheiden.[41] Daher verweist die zitierte Vorschrift auf § 5 Abs. 2 KCanG beim „öffentlichen Konsum von Cannabis zu medizinischen Zwecken mittels Inhalation“. Problematisch bleibt dieses Verbot, wenn man sich überlegt, dass dann auch konsequenterweise keine anderen Arzneien (z.B. Schmerztabletten) in der Öffentlichkeit geschluckt oder Insulinspritzen nicht gesetzt werden dürften. Außerdem erscheint das Argument der Verwechslungsgefahr nicht tragfähig, da der Normalfall des Genusskonsums nicht mittels eines Inhalationsgeräts erfolgt. Entschärft wird dieses Problem allerdings dadurch, dass das Einnahmeverbot jedenfalls derzeit nur sicherheitsrechtlich Bedeutung entfaltet, da die Sanktionsvorschriften des MedCanG nicht auf § 24 MedCanG Bezug nehmen (geplant ist allerdings eine Ahndung nach den Regeln des Bundesnichtraucherschutzgesetzes).

Damit ist man bei den Sanktionsvorschriften des MedCanG angekommen, die ebenfalls „zweistufig“ konzeptioniert sind, d.h. schwerwiegendere Verstöße gegen verwaltungsrechtliche Verbote werden mit der Kriminalstrafe sanktioniert (§ 25 MedCanG), während weniger gravierende Verstöße gegen Überwachungs- und Dokumentationspflichten als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden sollen. Dabei ähnelt der Grundtatbestand des § 25 MedCanG in seiner Ausgestaltung und Reichweite seinen konsumcannabisrechtlichen und betäubungsmittelrechtlichen Geschwistern: Aufgelistet sind zahlreiche Verhaltensformen in Bezug auf Medizinalhanf, deren Vornahme außerhalb des „Vertriebswegs“ zu einer Strafbarkeit führt. Im Absatz 2 wird lediglich ein „Gleichklang“ zum KCanG hergestellt, indem der Besitz einer Menge, die auch nach dem KCanG nicht verboten wäre, aus dem Bereich des Strafbaren herausgenommen wird. Auch hier finden sich in den weiteren Absätzen die (meist praktisch kaum relevante) Anordnung der Versuchsstrafbarkeit sowie Strafschärfungen für besonders gefährliche Begehungsweisen (z.B. die Abgabe an Minderjährige oder die bandenmäßige Begehung).[42]

V. Änderungen weiterer Gesetze

In den Art. 3-14 des Cannabisgesetzes sind umfassende Änderungen weiterer Gesetze vorgesehen, wobei es sich vielfach um redaktionelle Anpassungen aufgrund der Herausnahme von Cannabis aus dem BtMG handelt. Im Folgenden soll lediglich auf besonders relevante Änderungen etwas detaillierter eingegangen werden.

1. Amnestieregelung für laufende Vollstreckungsverfahren

In Art. 316p EGStGB hat der Gesetzgeber eine (kontrovers beurteilte) Amnestieregelung für laufende Vollstreckungsverfahren eingefügt: Demnach ist im Hinblick auf vor dem 1. April 2024 verhängte Strafen nach dem Betäubungsmittelgesetz, die nach dem Konsumcannabisgesetz oder dem Medizinal-Cannabisgesetz nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, Artikel 313 entsprechend anzuwenden. Nach Art. 313 Abs. 1 EGStGB werden rechtskräftig verhängte Strafen wegen solcher Taten, die nach neuem Recht nicht mehr strafbar und auch nicht mit Geldbuße bedroht sind, mit Inkrafttreten des neuen Rechts erlassen, soweit sie noch nicht vollstreckt sind. Der Straferlass erstreckt sich dabei auf Nebenstrafen und Nebenfolgen – mit Ausnahme der Einziehung und Unbrauchbarmachung –, Maßregeln der Besserung und Sicherung, Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nach dem Jugendgerichtsgesetz sowie auf rückständige Geldbußen und Kosten, auch wenn die Strafe bei Inkrafttreten des neuen Rechts bereits vollstreckt war.

Die Vorschrift hilft also grundsätzlich nur dann, wenn die nach dem BtMG abgeurteilte Tat nun weder eine Straftat noch eine Ordnungswidrigkeit nach dem KCanG darstellt. Bei allen Verurteilten, bei denen die Strafe aufgrund der bisher im BtMG geltenden Regelung im Vergleich zum nun nach dem KCanG anzuwendenden Maßstab lediglich „zu hoch“ ausgefallen ist, kommt die Vorschrift nicht zur Anwendung.[43]

Enthält eine Gesamtstrafe jedoch Einzelstrafen im Sinne des § 313 Abs. 1 S. 1 EGStGB und andere – weiter strafbare – Einzelstrafen, so ist die Strafe nach § 313 Abs. 4 EGStGB neu festzusetzen. Dies ist bei einer Gesamtstrafe aus zwei oder drei Einzelstrafen verhältnismäßig einfach, kann bei mehreren nun wegfallenden Einzelstrafen aber auch durchaus komplex werden. Noch schwieriger ist eine solche Neufestsetzung im Jugendstrafrecht, weil hier gerade keine Einzelstrafen für einzelne Taten, sondern in der Regel über § 31 JGG eine einheitliche Sanktion festgesetzt wird. Für die Neufestsetzung ist im Erwachsenenstrafrecht das erkennende Gericht zuständig.[44] Im Jugendstrafrecht besteht grundsätzlich auch eine Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts, welche jedoch bei teilweiser Verbüßung der Jugendstrafe nach § 66 Abs. 2 Nr. 4 JGG an den Vollstreckungsleiter übergeht und von dort im Regelfall nicht wegen § 85 Abs. 5 JGG zurückübertragen werden kann.[45]

Auch wenn die nun nicht mehr strafbare Cannabistat in Tateinheit mit einer anderen Straftat abgeurteilt wurde, kann nach § 313 Abs. 3 EGStGB eine angemessene Ermäßigung erfolgen.

2. Änderung in der StPO

Konsequenzen hat die Herausnahme von Cannabis auch auf das Strafverfahrensrecht: Da insoweit viele Ermächtigungsgrundlagen und Zwangsmaßnahmen an BtMG-Vorschriften als Katalogtaten anknüpfen, „mussten“ – um eine Kontinuität im Hinblick auf die Strafverfolgung zu wahren – die jeweiligen Tatbestände mit hoher Strafandrohung (§ 34 Abs. 3 und Abs. 4 KCanG) als „Anknüpfungstaten“ in die einschlägigen Vorschriften aufgenommen werden (§ 112a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO sowie §§ 100a, § 100b Abs. 2 StPO). Die divergierende Struktur der Qualifikationsvorschriften hat aber zur Folge, dass nicht alle BtMG-Katalogtaten denjenigen des KCanG entsprechen. In EncroChat-Verfahren kann dies die Unverwertbarkeit der Beweisergebnisse zur Folge haben: Der BGH hatte entschieden, dass die im Wege europäischer Rechtshilfe erlangten Beweisergebnisse aus dem EncroChat-Komplex in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der überwachten Person nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer eine Maßnahme nach § 100b StPO hätte angeordnet werden können, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden (und hierbei v.a. auf die Wertung des § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO abgestellt).[46] Da nunmehr nur bestimmte Verbrechenstatbestände des § 34 Abs. 4 KCanG dem Katalog des § 100b StPO unterfallen, jedoch nicht ein Handeltreiben oder eine Einfuhr von Cannabis in nicht geringer Menge, könnte man annehmen, dass es an dieser Voraussetzung fehlt und insofern in Fällen, in denen keine bandenmäßige Begehung o.Ä. festgestellt ist, eine Unverwertbarkeit der EncroChat-Daten anzunehmen ist (so das LG Mannheim und KG Berlin).[47] Das LG Köln indessen lehnt solch eine Unverwertbarkeit unter Hinweis darauf ab, dass der BGH lediglich den Grundgedanken des § 100e Abs. 6 StPO herangezogen habe, aber zu berücksichtigen sei, dass die vorgenommene Maßnahme nach deutschem Recht „jedenfalls teilweise nach § 100a Abs. 1 StPO gerechtfertigt wäre“ und insofern eine Verwertbarkeit angenommen werden könne.[48] Die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten.

3. Änderung im StVG

Von Änderungen ist auch das Straßenverkehrs- und Fahrerlaubnisrecht betroffen: Während im Hinblick auf Alkohol mit dem 0,5-Promille-Grenzwert (§ 24a Abs. 1 StVG) schon immer eine eindeutige Grenze existiert, sieht der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 24a Abs. 2 StVG bezüglich einer Fahrt unter Einfluss von Cannabis keinen solchen gesetzlichen Grenzwert vor. Die Rechtsprechung ging seit Jahren von 1,0 ng/ml an aktivem THC als Grenzwert aus. Dies führte aufgrund des im Vergleich zu Alkohol nicht linear verlaufenden und nicht einschätzbarem Abbau von THC vielfach dazu, dass Personen noch Tage nach dem letzten Konsum über dem angenommenen Grenzwert von 1,0 ng/ml lagen und damit den Tatbestand des § 24a Abs. 2 StVG verwirklichten, obwohl zum Zeitpunkt der Fahrt keinerlei Rauschwirkung mehr gegeben war. Schon vor der Diskussion rund um die Legalisierung und das CanG wurde daher eine Erhöhung des Grenzwerts in Erwägung gezogen. Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, eine Arbeitsgruppe damit zu beauftragen, bis zum 31.3.2024 einen neuen Grenzwert vorzuschlagen (§ 44 KCanG). Diese hat sich nunmehr für einen neuen Grenzwert von 3,5 ng/ml aktives THC ausgesprochen.[49] Die Fraktionen der Bundesregierung haben in der Folge einen Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und weiterer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften[50] eingebracht, dessen erste Lesung im Bundestag am 16.5.2024 stattfand. Der Entwurf sieht die Schaffung eines § 24a Abs. 1a StVG vor, wonach ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 3,5 ng/ml oder mehr Tetrahydrocannabinol im Blutserum hat.[51] In der Rechtsprechung wurde der Vorschlag des neuen Grenzwerts von 3,5 ng/ml durch die Arbeitsgruppe teilweise schon als antizipiertes Sachverständigengutachten ausgelegt und zur Anwendung gebracht.[52] Dem traten allerdings andere Gerichte bereits entgegen.[53]

Schließlich macht die Teillegalisierung auch eine Änderung des Fahrerlaubnisrechts unumgänglich. Die maßgebliche Anlage 4 zur FeV sah bis zum 31.3.2024 unter Ziff. 9.2.1. nämlich vor, dass bereits die regelmäßige Einnahme von Cannabis – ohne jeglichen Bezug zu einer Fahrt mit einem Kraftfahrzeug oder einer sonstigen Teilnahme am Straßenverkehr – zur Annahme einer fehlenden Fahreignung führte. Dies hätte zu einer Verlagerung von der bisherigen Strafverfolgung hin zu einer faktischen fahrerlaubnisrechtlichen Sanktionierung von Cannabiskonsumenten geführt. Die Neuregelung der Anlage 4 FeV sieht (seit dem 1.4.2024) eine fehlende Fahreignung lediglich bei einem Missbrauch von Cannabis vor (d.h., wenn das Führen von Fahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Cannabiskonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann, oder bei einer Abhängigkeit von Cannabis). Dabei wird, jedenfalls nach Verabschiedung des neuen § 24a Abs. 1a StVG, auch der Grenzwert von 3,5 ng/ml maßgeblich sein. Aufgrund des ebenfalls neu eingeführten § 13a FeV wird eine Medizinisch-Psychologische-Untersuchung zur Klärung von Eignungszweifeln in der Regel auch erst bei wiederholten Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Cannabiseinfluss angeordnet werden können.

VI. Fazit

Das Cannabisgesetz ist nicht das, was man sich womöglich als Befürworter einer evidenzbasierten und rationalen Drogenpolitik gewünscht hat; doch handelt es sich dennoch um eine Errungenschaft, welche in erster Linie auch zu einer Verbesserung der empirischen Datenlage führen wird, als nunmehr beobachtet werden kann, ob und wie sich bereits kleinere Lockerungen des Rechts kurz-, mittel- und langfristig auf die Konsumprävalenzen auswirken. Ärgerlich bleiben die vermeidbaren technischen Mängel des Regelwerks sowie die mit der gesetzgeberisch veränderten Risikobewertung kaum in Einklang zu bringende ausufernde Bestrafung von bloßem Verwaltungsungehorsam (bspw. in Form der nicht gewinnorientierten Weitergabe von Cannabis in Mengen, die ein Dritter besitzen dürfte). Der häufige Rückgriff auf die Termini und Handlungsmodalitäten des BtMG lädt – wie erste Entscheidungen bereits demonstrieren – dazu ein, das Betäubungsmittelstrafrecht als Blaupause heranzuziehen, obwohl eine Abschaffung des Stigmas im Hinblick auf Cannabis angestrebt wird.

 

 

[1]      Sobota, NJW 2024, 1217.
[2]      Koalitionsvertrag der Bundesregierung 2021, S. 68; online abrufbar unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf (zuletzt abgerufen am 18.5.2024).
[3]      Oğlakcıoğlu/Sobota, ZRP 2023, 194 (197).
[4]      Zum Beispiel das Problem rund um die Ernte als verbotene Herstellung (siehe hierzu Oğlakcıoğlu/Sobota, ZRP 2023, 194 [197]), aber auch den Rat, die nicht geringe Menge vorab selbst festzulegen (Stellungnahme der Fachgruppe Strafrecht des Neue Richtervereinigung e.V. vom 26.10.2023, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/974202/d254999e001ded594d750a95e2786d04/20_14_0154-7-_Neue-Richtervereinigung_Cannabis_nicht-barrierefrei.pdf (zuletzt abgerufen am 20.5.2024).
[5]      Das Bild stammt ursprünglich von Paeffgen, in: Geis/Nehm/Brandner/Hagen, FS-BGH II, 2000, S. 695 (717).
[6]      Man könnte angesichts der prozessualen Folgewirkungen eines exzessiven Normbefehls auch sagen: „verwöhnten“.
[7]      Diese treten gem. Art. 15 Abs. 2 CanG erst zum 1.7.2024 in Kraft.
[8]      BT-Drs. 20/10426, S. 130.
[9]      BT-Drs. 20/10426, S. 130.
[10]    BayObLG, NStZ-RR 2011, 56. Zum Ganzen auch Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, Bd. 7, 4. Aufl. (2022), § 29 BtMG Rn. 1081 f.
[11]    Einzuräumen ist, dass diese vom OLG Stuttgart (NStZ 2002, 154) konzipierte Figur des gebundenen Anteilsmitbesitzes vereinzelt geblieben ist.
[12]    Oğlakcıoğlu/Sobota, ZRP 2023, 194 (196).
[13]    BT-Drs. 20/8704, S. 94. In § 2 Abs. 1 Nr. 4 BtMG ist Herstellen als das Gewinnen, Anfertigen, Zubereiten, Be- oder Verarbeiten, Reinigen und Umwandeln legaldefiniert.
[14]    Patzak, in: Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, § 29 Rn. 121.
[15]    BGH, NStZ-RR 2015, 14 (15).
[16]    BT-Drs. 20/8704, S. 96.
[17]    Oğlakcıoğlu/Sobota/Diebel, Toxichem Krimtech 2024, 32 (39).
[18]    Sobota, NJW 2024, 1217 (1219): Teleologische Reduktion.
[19]    BT-Drs. 20/8704, S. 131.
[20]    BayObLG, Beschl. v. 8.4.2024 – 203 StRR 39/24.
[21]    Vgl. Oğlakcıoğlu, in: MüKo-StGB, Vorb. § 29a Rn. 24.
[22]    Cassardt, NStZ 1995, 257 (262); ders., NStZ 1997, 135. Hierfür wird zunächst die äußerst gefährliche Dosis der entsprechenden Droge oder, wenn eine solche nicht feststellbar ist, die durchschnittliche Konsumeinheit bestimmt, die dann mit einer an der Rauschwirkung und der Gefährlichkeit des Betäubungsmittels orientierten Maßzahl zu multiplizieren ist. Diese Methode stößt an ihre Grenzen, wenn noch keine klaren Vorstellungen bezüglich der Gefährlichkeit des entsprechenden Wirkstoffs bestehen (so bei neuen psychoaktiven Substanzen) oder das Präparat so beschaffen ist, dass es nur in Ausnahmefällen überhaupt toxisch bzw. besonders gefährlich wirken kann (so bei Medikamenten als „Ersatzdrogen“).
[23]    BGHSt 33, 8; 42, 255 m. Anm. Cassardt, NStZ 1997, 132.
[24]    BGHSt 33, 8 = NStZ 1984, 556.
[25]    BT-Drs. 20/8704, S. 132.
[26]    Krumm, NJ 2024, 151 (153).
[27]    Sobota, NJW 2024, 1217 (1220).
[28]    AG Karlsruhe, Urt. v. 9.4.2024 – 1 Ls 610 Js 32177/23, Pressemitteilung online abrufbar unter: https://amtsgericht-karlsruhe.justiz-bw.de/pb/,Lde/Startseite/Aktuelles/Erste+Entscheidung+zum+neuen+Cannabisgesetz/?LISTPAGE=1162367 (zuletzt abgerufen am 18.5.2024).
[29]    BGH, Beschl. v. 18.4.2024 – 1 StR 106/24; BGH, Beschl. v. 23.4.2024 – 5 StR 153/24; Hanseatisches OLG Hamburg, Beschl. v. 9.4.2024 – 5 Ws 19/24, KG Berlin, Beschl. v. 30.4.2024 – 5 Ws 67/24.
[30]    Mewes/Giannini: Half-baked decision: THC als unzulässiger Bezugsmaßstab der „nicht geringen Menge“, Verfassungsblog, 14.5.2024, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/half-baked-decision/ (zuletzt abgerufen am 18.5.2024).
[31]    Patzak, Das neue Cannabisgesetz – Teil 6: Die nicht geringe Menge im KCanG, online abrufbar unter: https://community.beck.de/2024/04/18/das-neue-cannabisgesetz-teil-6-die-nicht-geringe-menge-im-kcang (zuletzt abgerufen am 18.5.2024).
[32]    Bayern hat als erstes Bundesland einen eigenen Bußgeldkatalog „Konsumcannabis“ eingeführt, der für die beispielhaft hier genannten Ordnungswidrigkeiten Bußgelder im Bereich zwischen 500 € und 1000 € vorsieht, vgl. Bußgeldkatalog „Konsumcannabis“, online abrufbar unter: https://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayVV_2125_G_14409/true (zuletzt abgerufen am 18.05.2024.)
[33]    BT-Drs. 20/8704, S. 97.
[34]    BT-Drs. 20/8704, S. 95.
[35]    BT-Drs. 20/8704, S. 99.
[36]    Sobota, NJW 2024, 1217 (1220).
[37]    BGBl. 1973 II, S. 1354.
[38]    Vgl. Diebel, in: Jahn/Oğlakcıoğlu, 2. Symposium zum Betäubungs- und Arzneimittelstrafrecht, 2024, im Erscheinen.
[39]    Zu den Unterschieden zwischen Arznei- und Betäubungsmittelstrafrecht im Kontext der medizinischen Versorgung der Bevölkerung vgl. Oğlakcıoğlu, MedR 2019, 450 (451 f.).
[40]    Kritisch Diebel, in: Jahn/Oğlakcıoğlu, 2. Symposium zum Betäubungs- und Arzneimittelstrafrecht, 2024, im Erscheinen, die daher vorschlägt, im Kontext des medizinisch indizierten Konsums von einer „Einnahme“ zu sprechen (wie hier geschehen).
[41]    BT-Drs. 20/8704, S. 147.
[42]    Umfassend hierzu Diebel, in: Jahn/Oğlakcıoğlu, 2. Symposium zum Betäubungs- und Arzneimittelstrafrecht, 2024, im Erscheinen.
[43]     So auch LG Karlsruhe, 15.5.2024 – 20 StVK 228/24 -, juris.
[44]    LG Aachen, Beschl. v. 29.4.2024 – 69 KLs 17/19.
[45]    OLG Hamm, Beschl. v. 23.4.2024 – 4 OGs 10/24.
[46]    BGHSt 67, 29.
[47]    KG Berlin, Beschl. v. 30.4.2024 – 5 Ws 67/24; LG Mannheim, Urt. v. 12.4.2024 – 5 KLs 804 Js 28622/21.
[48]    LG Köln, Beschl. v. 16.4.2024 – 323 Qs 32/24 (bzgl. Sky-ECC); So auch: Schubert, jurisPR-StrafR 8/2024 Anm. 3.
[49]    Pressemitteilung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, online abrufbar unter: https://bmdv.bund.de/SharedDocs/DE/Pressemitteilungen/2024/018-expertengruppe-thc-grenzwert-im-strassenverkehr.html (zuletzt abgerufen am 18.5.2024).
[50]    BT-Drs. 20/11370.
[51]    BT-Drs. 20/11370, S. 3.
[52]    AG Dortmund, Urt. v. 11. April 2024 – 729 OWi-251 Js 287/24-27/24.
[53]    BayObLG, Beschl. v. 2.5.2024 – 202 ObOWi 374/24.

 

 

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