„Korruptionsstrafrecht: Unerforschtes Terrain und neue Wege“ – Tagungsbericht zur Online-Tagung der FoKoS

von Wiss. Mit. Marie-Lena Marstaller, LL.M. (Edinburgh)

Beitrag als PDF Version 

Das deutsche Korruptionsstrafrecht ist in den vergangenen Jahren beständig ausgeweitet worden. Dabei war der Gesetzgeber immer nach dem Muster verfahren, die tradierte Deliktsstruktur der Bestechung von Amtsträgern (§§ 332, 334 StGB) bzw. Angestellten in der Privatwirtschaft (§ 299 StGB) auf weitere Gruppen von Entscheidungsträgern – etwa Ärzte (§§ 299a/b StGB), Sportler (§§ 265c/d StGB) und ausländische Staatsbedienstete (§ 335a StGB) – zu übertragen.

Keine Beachtung gefunden hatten in der deutschen Debatte demgegenüber Ansätze des ausländischen und internationalen Strafrechts, die dem Unrecht der Korruption mit neuartigen – aus deutscher Perspektive: unbekannten – Regelungsmodellen begegnen. Im Rahmen einer Online-Tagung am 16. und 17. September 2021 wurde untersucht, ob diese für das deutsche Strafrecht möglicherweise neue Wege aufzeigen können.

Veranstaltet wurde die Tagung von der Forschungsstelle für Deutsches, Europäisches und Internationales Korruptions-Strafrecht der Universität Trier (FoKoS), die unlängst in das Trierer Institut für Geldwäsche- und Korruptions-Strafrecht (TrIGeKo) integriert worden ist.

I. Themenblock: Generaltatbestände

1. Ein allgemeiner Korruptionstatbestand? (Dr. Kristina Peters, Ludwig-Maximilians-Universität München)

Eröffnet wurde die Tagung durch einen Vortrag zur Frage eines allgemeinen Korruptionstatbestands. Peters verwies auf die historische Entwicklung von der Vielzahl einzelner Tatbestände des preußischen Landrechts zum heutigen StGB und stellte sich die Frage, ob eine weitere Übersichtlichkeit und Vereinheitlichung durch einen einzigen Korruptionstatbestands wünschenswert sei. Sie näherte sich der Frage aus dem Blickwinkel der derzeitigen Kriminalisierungsniveaus in Deutschland und prüfte anhand des positivrechtlichen Korruptionsverständnisses des Gesetzgebers die Verallgemeinerungsfähigkeit der aktuellen Tatbestände.

Hierzu arbeitete sie die Strukturelemente der passiven Bestechung heraus und identifizierte die Elemente Funktionsträger, Tathandlung und eventuelle Genehmigungsfähigkeit, wobei sich die Tathandlung aus den Tatmodalitäten (Fordern, Sichversprechenlassen usw.) und dem Vereinbarungsinhalt zusammensetzt. Letzterer bezieht sich auf einen Vorteil, eine Bezugshandlung und Kopula. Bezogen auf diesen Vereinbarungsinhalt weisen die aktuell bestehenden Tatbestände vielfältige Variationen auf. Grund hierfür sei die gesetzgeberische Entscheidung, die Gefährdungsgrade hinsichtlich des Kernunrechts der Bestechung – das Peters darin sieht, dass eine Bezugshandlung entsprechend den Wünschen eines Vorteilsgebers vorgenommen wird, gerade weil der Funktionsträger dafür einen Vorteil erhält – in unterschiedlichem Maße zu kriminalisieren. Die Vorverlagerung der Kriminalisierung in den Bereich der Gefährdungen unterscheide sich danach, für wie wichtig und sensibel die Gesetzgebung den betroffenen Bereich und die tangierten Entscheidungen erachtet.

Diese Unterschiede bilden Peters zufolge Wertentscheidungen des Gesetzgebers nach. Korruption sei eine bloß formale Angriffsform und beziehe sich jeweils auf unterschiedliche Rechtsgüter, bei denen die prozedurale Richtigkeit der Entscheidung von Personen betroffen ist. Demnach kommen Korruptionstatbestände nur dann in Betracht, wenn der Entscheidung im Rechtverkehr auf Grund ihrer gesellschaftlichen Relevanz ein besonderer Wert zukomme. Das positivrechtliche Korruptionskonzept spreche daher gegen einen Einheitstatbestand, der das Kriminalisierungsniveau voraussichtlich erheblich ausweiten würde. Vereinheitlichungsbestrebungen könnten auch ohne Einheitstatbestand im geltenden System umgesetzt werden, indem die Strukturelemente der Bestechungstatbestände weiter vereinheitlicht würden.

Im Rahmen der Diskussion erläuterte Peters, dass international bestehende Einheitstatbestände häufig ausführliche Regelungen etwa zu den betroffenen Funktionsträgern enthalten, sodass sich der Zugewinn an Übersichtlichkeit in Grenzen halte. Es wurde aber auch auf mögliche Vorteile einer Vereinheitlichung der Tatbestände für verweisende Normen, etwa § 335a StGB, eingegangen.  

2. Ergänzung der Bestechungsdelikte durch einen Tatbestand des Amtsmissbrauchs? (Prof. Dr. Frank Zimmermann, Universität Münster)

Zimmermann lud auf eine „touristische Reise in andere Länder“ ein. Mit § 302 des österreichischen StGB, Art. 312 des schweizerischen StGB, Art. 404 des spanischen Código Penal, Art. 323 des italienischen Codice Penale und ch. 40 s. 7 des finnischen StGB stellte Zimmermann Tatbestände vor, die die Vornahme einer pflichtwidrigen Diensthandlung unter Strafe stellen. Die UNCAC richtet in Art. 19 den Auftrag an die Vertragsstaaten, die Einführung eines derartigen Tatbestands zu prüfen.

Die dargestellten Rechtsordnungen lassen sich nach Zimmermann grob in drei Regelungsmodelle unterteilen. Das Modell „Pflichtverstoß“ in Österreich, der Schweiz und Finnland sieht als das zentrale objektive Tatbestandsmerkmal eine Amtspflichtverletzung unterschiedlicher Schwere vor. Dagegen verlangt das Modell „Rechtsbeugung“ der spanischen Regelung eine objektiv willkürliche Entscheidung. Im Gegenzug ist kein überschießendes subjektives Element vorgesehen. Das Modell „Erfolgsdelikt“ in Italien fordert die tatsächliche Erlangung eines rechtswidrigen Vermögensvorteils bzw. Zufügung eines rechtswidrigen Nachteils.

Zimmermann bezweifelt, dass eine strafrechtliche Absicherung der Gesetzesbindung der Verwaltung über das Disziplinarrecht und die besonderen Tatbestände hinaus in Deutschland erforderlich ist. Als relevante Lücke zeigen sich nur bewusst pflichtwidrige Verhaltensweisen, die keine strafrechtlich geschützten Rechtsgüter treffen. Erwägenswert sei eher eine punktuelle Neukriminalisierung, beispielsweise zur Amtsträgerverantwortung im Umweltstrafrecht.

In der anschließenden Diskussion wurde darauf eingegangen, dass die dargestellten Tatbestände Grundfragen des Verhältnisses zwischen Staat und Bürger sowie der Gewaltenteilung berühren. Auch wenn ein Tatbestand des Amtsmissbrauchs einige Probleme im Bereich des Strafanwendungsrechts und der Verjährung lösen könnte, hält Zimmermann die Weite des Tatbestands zur Lösung der Probleme für übertrieben. Eher sollten Einzelprobleme da gelöst werden, wo sie entstehen.

3. Tatbestand der Unerlaubten Bereicherung (Dr. Oliver Landwehr, Delegation der EU bei den Vereinten Nationen in Wien)

An der Grenze zwischen Korruptionsstrafrecht und Vermögensabschöpfung bewegte sich das Thema des folgenden Vortrags, in dem sich Landwehrmit dem Tatbestand des illicit enrichment nach Art. 20 UNCAC beschäftigte. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, die Einführung dieses Tatbestands zu erwägen.

Zentrales Element ist die erhebliche Zunahme von Vermögensgegenständen eines Amtsträgers. Vom persönlichen Anwendungsbereich sind auch Abgeordnete erfasst. Da nach dem Tatbestand der UNCAC die Staatsanwaltschaft diese Zunahme nachweisen muss, sei der Straftatbestand nur sinnvoll neben einer Asset Declaration denkbar. Der Tatbestand ist in den meisten westlichen Staaten aufgrund der mit Blick auf das nemo tenetur-Prinzip problematischen Veränderung der objektiven Beweislast nicht umgesetzt worden: Sofern die erhebliche Zunahme nachgewiesen werden kann, muss der Amtsträger eine plausible Erklärung für die Zunahme abgeben, um der Strafbarkeit zu entgehen.

Als Alternativen kommen die strafbewehrte Offenlegung der Vermögensverhältnisse, verwaltungsrechtliche Sanktionen, aber auch Instrumente der Vermögensabschöpfung, wie etwa die erweiterte Einziehung, die in vielen Ländern mit einer Beweislastumkehr einhergeht oder non-conviction based confiscation in Betracht. Abschließend stellte Landwehr fest, dass die weitreichende Beweislastumkehr zwar in Deutschland zu „Bauchschmerzen“ führe, dass aber in manchen Staaten anders keine Strafverfolgung möglich sei, da Strafverfolgungsbehörden unterfinanziert oder verfolgungsunwillig sind.

In der Diskussion überwog die Kritik an dem Tatbestand, insbesondere auch an dessen Rolle nach Regimewechseln als „Normen für Verlierer“. Als mögliche Korrektive wurden Beschränkungen auf bestimmte Länder oder Personengruppen nach Schweizer Vorbild diskutiert. Zudem wurde auf die problematische Struktur des Tatbestands hingewiesen, bei dem sich die Frage stelle, was die Tathandlung ist und worauf sich der Vorsatz beziehe.

II. Themenblock: Spezialtatbestände

1. Die Strafbarkeit verbotener Intervention (Einflusshandel) – entbehrlich oder notwendig? (Dr. Martin Stricker, Universität Wien)

Nach einem Überblick über das österreichische Korruptionsstrafrecht stellte Stricker den Straftatbestand der verbotenen Intervention in § 308 des österreichischen StGB vor. Der Grundtatbestand in § 308 Abs. 1 stellt den sog. Intervenienten unter Strafe, der für sich oder einen Dritten vom sog. Hintermann einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, dass er einen ungebührlichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung eines Amtsträgers nimmt. Der Hintermann ist nach § 308 Abs. 2 ebenfalls strafbar. Eine Beziehung zwischen dem Hintermann und dem Amtsträger ist gerade nicht erforderlich ist. Für die Ungebührlichkeit der vereinbarten Einflussnahme kommt es entweder auf die Pflichtwidrigkeit des angestrebten Amtsgeschäfts oder das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines ungebührlichen Vorteils an.

Das österreichische Recht sei eine überschießende Umsetzung internationaler Abkommen, da im Verhältnis Hintermann/Intervenient jeder Vorteil ausreicht, während die UNCAC dies auf ungerechtfertigte Vorteile beschränkt. Der Tatbestand habe in Österreich nur eine geringe praktische Bedeutung, was sich einerseits aus der Subsidiarität des Straftatbestands ergeben könne. Es bestehen aber nur wenige Anwendungsfälle, die ohne den Tatbestand straflos wären. Viele Fälle seien dagegen auch Beteiligungsformen an anderen Korruptionstatbeständen. Wesentliches Beispiel sei etwa, dass die tatsächliche Einflussnahme nicht stattfindet, der Intervenient aber nicht selbst Amtsträger ist.

Das Verhältnis des Tatbestands zum Amtsmissbrauch wurde in der anschließenden Diskussion näher beleuchtet. Aufgrund des unterschiedlichen Unrechtsgehalts tritt hier keine Subsidiarität ein, sondern es wird in Tateinheit verurteilt. Die Tathandlung der strafbaren Intervention könne daher nicht abschließend als Beteiligung an einem Amtsmissbrauchsdelikt erfasst werden. Es wurde bezweifelt, ob der Straftatbestand tatsächlich eine Strafbarkeitslücke strafwürdigen Verhaltens schließt. Eine mögliche Kon-stellation wäre etwa die Einflussnahme von Parlamentariern, die keine Amtsträger sind.

2. Concussion – Bedrückungskorruption (Prof. Dr. Dr. h.c. Lothar Kuhlen, Universität Mannheim)

Nach Art. 317 des italienischen Strafgesetzbuchs macht sich ein Amtsträger wegen concussione strafbar, der jemanden zwingt, ihm oder einem Dritten in unzulässiger Weise Vorteile zu geben oder zu versprechen. Der Behandlung dieser Konstellation im deutschen Recht widmete Kuhlen seinen Vortrag (vorab veröffentlicht in JR 2021, 295-305) und stellte dazu Fälle vor, in denen sich die Rspr. mit dem Verhältnis von Nötigung und Bestechlichkeit zu beschäftigen hatte und teilweise Tateinheit zwischen den Tatbeständen annahm.

Zu einer Überschneidung der Deliktsbereiche kommt es, wenn eine bedingte Drohung ausgesprochen wird, in der ein nachteiliges Tun oder Unterlassen in Aussicht gestellt werden. Bedingte Drohungen lassen sich in bedingte Versprechen umformulieren, die die Voraussetzungen der §§ 333, 334 StGB erfüllen können. Die h.M. der sog. „Verwerflichkeitstheorie“ nimmt seit dem „Kaufhausdetektiv“-Fall des BGH an, dass ein bedingtes Versprechen auch eine Nötigung durch Drohung mit Unterlassen sein kann, sofern dessen Androhung verwerflich ist.

Kuhlen sieht in seiner „Vereinigungstheorie“ eine Ankündigung nur entweder als bedingtes Versprechen eines Vorteils oder als bedingte Drohung mit einem Übel. Nur so würden der normativen Unterschied zwischen der Ankündigung eines verbotenen oder gebotenen Verhaltens und der naturalistische Unterschied zwischen einem Tun und Unterlassen, der bei freigestelltem Verhalten relevant ist, berücksichtigt. Eine Drohung mit einem Unterlassen sei nur bei dessen Pflichtwidrigkeit ausreichend. Tateinheit zwischen Nötigung und Bestechlichkeit komme nur in Betracht, wenn mit positiven und negativen Anreizen gearbeitet wird.

In der Diskussion wurde erörtert, inwieweit eine normative Unterscheidung im psychosozialen Miteinander möglich sei, wenn sie sich in manchen Kontexten automatisch ergebe, was laut Kuhlen aber Aufgabe des Tatrichters sei. Zudem wurde besprochen, ob ein Spezialtatbestand, nach dem der Bedrohte „Opfer“ der Concussion – und nicht Täter eines Bestechungsdelikts – ist, zugleich eine entkriminalisierende Privilegierung für diesen darstellen könnte.

III. Themenblock: Fighting Grand Corruption

1. Korruption als völkerrechtliches Verbrechen (Prof. Dr. Stefanie Bock, Universität Marburg)

Trotz internationaler Übereinkommen und den darin enthaltenen Verpflichtungen zur Pönaliserung von Korruption und zur Kooperation bei der Korruptionsbekämpfung bestehen in der Praxis Durchsetzungsdefizite. Da lediglich mit dem Mittel des „Naming & Shaming“ reagiert werden könne, stellt sich die Frage, ob das Völkerstrafrecht eine Rolle bei der Korruptionsbekämpfung spielen kann.

Wäre Korruption hingegen ein echtes völkerrechtliches Verbrechen, wie es etwa das Malabo-Protokoll zum African Court of Justice and Human Rights vorsieht, hätte dies die Möglichkeit der Strafverfolgung nach dem Universalitätsprinzip zur Folge. Diese Hochzonung sei laut Bock aber nur dann legitim, wenn der verfolgende Staat als „Stellvertreter“ der Weltgemeinschaft auftritt, etwa bei staatsdestabilisierender grand corruption, die mit massenhaften Verletzungen grundlegender Menschenrechte einhergeht und so die Wertgrundlage der internationalen Staatengemeinschaft erschüttert.

Nach dem bestehenden Regelungssystem könnten bestimmte Korruptionshandlungen den Tatbestand eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit erfüllen, insbesondere als „sonstige unmenschliche Handlung ähnlicher Art“, wenn sie etwa systematisch das Gesundheitssystem oder die Versorgung mit Lebensmitteln beeinträchtigen und Teil einer allgemeinen Politik des Staates sind. Daneben könnten Korruptionshandlungen möglicherweise nach manchen Ansätzen in der Rspr. des IStGH auch als Beteiligung an völkerrechtlichen Verbrechen strafbar sein. Außerhalb dieser Fälle sei die grand corruption mit den Kernverbrechen jedoch nicht vergleichbar. Auch der Ansatz des Malabo-Protokolls sei hier zu weit, da er keinen vergleichbar konkreten Menschenrechtsbezug der Korruption voraussetzt. Als eigenständiges völkerrechtliches Verbrechen sollte grand corruption daher nicht anerkannt werden.

Das internationale Reaktionsbedürfnis könnte bei Korruptionsfällen unterhalb der Schwelle von Art. 7 IStGHSt durch hybride Strafverfahren wie z.B. in Guatemala erfüllt werden. So könnte eine Einbindung in den internationalen Kontext und die damit einhergehende Unabhängigkeit unter gleichzeitiger Rückkopplung an den Tatortstaat gewährt werden.

Im Rahmen der Diskussion stellte sich die Frage der Bestimmtheit der Einzelakte des Art. 7 IStGHSt, unter die bei entsprechender Auslegung auch Umweltzerstörung oder Terrorismus fallen könnten. Bock wies darauf hin, dass völkerrechtliche Verbrechen nicht stets unmittelbar durch Gewalt geschehen und insoweit auch typischerweise gewaltfreie korruptive Handlungen nicht von vornherein vom Tatbestand ausgenommen sind.

2. Non-conviction-based confiscation als Mittel der internationalen Korruptionsbekämpfung (Prof. Dr. Frank Meyer, Universität Zürich)

Meyer stellte anhand konkreter Fallbeispiele das Phänomen der grand corruption vor und widmete sich der Frage, wie verurteilungsunabhängige Einziehungen (NCBC) zur Rückführung von ins Ausland verbrachten korruptiv erhaltenen Gelder eingesetzt werden können.

Auch wenn wissenschaftlich belastbaren Zahlen zum Schadensumfang in den Tatortstaaten fehlen, bestehe international Einigkeit, dass ein Handlungsbedürfnis existiert. Mehrere internationale Übereinkommen verpflichten die Staaten, die Einführung von NCBC und die Möglichkeit der Rückführung der Erträge an den Herkunftsstaat zu erwägen. Meyer unterscheidet drei Modelle der Erscheinungsformen der NCBC: das italienische polizeirechtliche Modell, das „zivilrechtliche Modell“ in Deutschland und der Schweiz und das „verwaltungsrechtliche Modell“. Das Einziehungsverfahren wird dabei stets gegen die Sache selbst geführt. Es bedarf aufgrund von Beweiserleichterungen keines konkreten Tatnachweises. Die NCBC stellt nach Meyer keine strafrechtliche Sanktion im engeren Sinne dar. Entsprechend seien strafprozessuale Garantien nicht anwendbar.

Die praktischen Schwierigkeiten der Einziehung bei grand corruption unterscheiden sich je nach Ermittlungsphase und danach, zu welchem Zeitpunkt die Einziehung eingesetzt werden soll. So haben Ermittler während des Fortbestehens einer Kleptokratie mit Obstruktion zu rechnen, da im Herkunftsland kein Interesse an einer Zusammenarbeit besteht. Während eines politischen Wandels besteht die Gefahr des Missbrauchs der Einziehung aus politischen Motiven. In beiden Phasen ist auch eine Rückführung der Vermögenswerte in die Herkunftsländer im Rahmen der Rechtshilfe wenig wahrscheinlich. Problematisch ist auch, an wen die eingezogenen Vermögenswerte zurückgegeben werden sollen und dass die Rückführung hohe Verwaltungskosten verursacht.

Praktische Erfahrungen mit der Rückführung von Einziehungsgegenständen bei grand corruption bestehen in Deutschland nicht. Die rechtlichen Möglichkeiten sind hier auch eingeschränkt. In der Schweiz ist eine Rückführung subsidiär nach dem sog. Potentatengeldergesetz möglich und wurde bislang einmal durchgeführt.

Diskutiert wurde vor allem, dass sich bei der Rückführung von Vermögenswerten kaum ein „Füttern“ der neuen Eliten mit den Geldern der alten Eliten vermeiden lasse. Die eigentliche Wurzel des Problems, so Meyer, liege schließlich nicht zuletzt in der faktischen Duldung illegaler Finanzflüsse durch die EU und ihre Mitgliedstaaten, da diese im (vermeintlichen) wirtschaftlichen Interesse europäischer Länder sind.

Ein die Ergebnisse der Tagung festhaltender Sammelband wurde für 2022 in Aussicht gestellt.

 

 

Unsere Webseite verwendet sog. Cookies. Durch die weitere Verwendung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Informationen zum Datenschutz

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen.
Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Weitere Informationen zum Datenschutz entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hier können Sie der Verwendung von Cookies auch widersprechen.

Schließen