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Einschränkungen der Funktionalität des Zwischenverfahrens im Strafprozess und Möglichkeiten diesen zu begegnen

von Carla Ellbrück 

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Abstract
Das Zwischenverfahren steht als zweiter Verfahrensabschnitt an zentraler Stelle im Strafprozess. In seinem Rahmen kommt es zu den ersten Berührungspunkten des erkennenden Gerichts mit dem Sachverhalt. Inwieweit dies das weitere Verfahren sowie den Richter beeinflusst und welche Reformbedarfe und -möglichkeiten zur Diskussion stehen, wird im Beitrag betrachtet.

Comprimising the second stage of a criminal trial, the intermediate proceedings are of central importance. In this stage, the review court makes a initital assessment of the circumstances surrounding a case. This paper will discuss to what extent interlocutory proceedings influence subsequent proceedings and the presiding judge, as well as reforms currently under consideration.

I. Filterfunktion

Dem Zwischenverfahren wird vielfach ein „Schattendasein“[1], diagnostiziert. Es sei ein Mauerblümchen,[2] stelle eine „Durchlaufstation“[3] dar und beschränke sich auf „stereotype Schreibarbeit“[4]. Ebenfalls ist die Rede von einem „unverzichtbaren Ventil“[5], „hidden champion“[6] und „Gelenkstelle im Strafverfahren“[7]. Was aber trifft zu?

Neben verschiedenen fixierenden und organisatorischen Aspekten kommt dem Zwischenverfahren zuvorderst eine „Filterfunktion“ zu.[8] § 203 StPO regelt die richterliche Prüfung der staatsanwaltlichen Verdachtshypothese.[9] Ob es zur „stets diskriminierenden Hauptverhandlung“[10] kommt liegt in der Hand unabhängiger Richter.[11] Der Angeklagte soll mit den zeitlichen, finanziellen, sozialen und emotionalen Nachteilen, die der Hauptverhandlung innewohnen nur belastet werden, wenn eine richterliche Instanz eine weitere Strafverfolgung für notwendig und zulässig befunden hat.[12] Dies wird durch den semper-ali-quid-hearet-Gedanken gestützt, wonach auch ein Freispruch nicht vor sämtlichen negativen Folgen schützt.[13] Auch ist der Staat vor einer kostenintensiven überflüssigen Hauptverhandlung zu bewahren.[14]

II. Tatsächliche Realisierung dieser Funktion

1. Rechtstatsächliche Perspektive

Aus rechtstatsächlicher Perspektive ist zu konstatieren, dass im Jahr 2020 lediglich 0,312 % der erledigten Verfahren mit einem Nichteröffnungsbeschluss endeten.[15] Abgesehen von Akteneinsicht wird das Zwischenverfahren auch von Angeschuldigten und Verteidigern wenig genutzt.[16] An Amtsgerichten wird die Prüfung sogar bisweilen auf das Ausfüllen eines Formulareröffnungsbeschlusses beschränkt.[17] Zuzugeben ist, dass die organisatorischen Umstände im Zwischenverfahren nicht zu einer eingehenden Prüfung einladen.

2. Gesetzliche und organisatorische Rahmenbedingungen 

Gesetzlich vorgesehen ist lediglich eine Begründung des Nichteröffnungsbeschlusses (§ 204 Abs. 1 StPO). Eine Kontrolle der Eröffnungsentscheidung ist mithin weder für den Eröffnungsrichter, gegebenenfalls ein Rechtsmittelgericht, noch für die Verteidigung möglich.[18] Im Gegensatz zum Nichteröffnungsbeschluss, welcher durch die Staatsanwaltschaft sowie mögliche Nebenkläger angreifbar ist (§§ 210 Abs. 1, 400 Abs. 2 S. 1 StPO), hat der Angeklagte keine Möglichkeit eines Rechtsmittels gegen den Eröffnungsbeschluss (§ 210 Abs. 1 StPO).[19] Dieser Umstand fördert eine leichtfertige Zulassung der Anklage.[20] Zu diesem unterschiedlichem Arbeitsaufwand kommt, dass die Vorprüfungspflicht im Rahmen der Pensenberechnung herabgestuft ist.[21] Ein Kollegialspruchkörper mit entsprechender gegenseitiger Kontrolle[22] findet sich zwar im Hinblick auf die landgerichtlichen (sowie den seltenen oberlandesgerichtlichen) Tatsacheninstanzen, am Amtsgericht jedoch nicht. Insgesamt ist die Eröffnung des Hauptverfahrens mit weniger Anstrengung und Risiko der Rechtsmitteleinlegung verbunden und stellt so zunächst den Weg des geringeren Widerstands dar.

3. Sozialpsychologische und empirische Erkenntnisse

Über diese praktischen Aspekte hinaus, bedarf die adäquate Informationsaufnahme und ‑verarbeitung durch den erkennenden Richter besonderer Aufmerksamkeit. Hierzu sind Erkenntnisse aus dem Fachbereich der Psychologie einzubeziehen. Schließlich mündet der Strafprozess nach § 261 StPO im typischen Fall mit einem Urteil basierend auf der richterlichen Überzeugung, die er sich im Laufe des Verfahrens, also auch im Eröffnungsverfahren, anhand der an ihn herangetragenen Informationen gebildet hat.

a) Primacy-Effekt

Der Primacy-Effekt beschreibt das Phänomen, dass der Mensch, wenn konfrontiert mit einer Reihe an Informationen zur freien Wahrnehmung, die Erstgenannte gesondert verarbeitet.[23] Sie wird am besten behalten und dient zusätzlich als Maßstab für die ihr nachfolgenden Informationen.[24] Für das Strafverfahren bedeutet diese intuitive Gewichtung, dass die zuerst gewonnenen Kenntnisse des Richters über den Fall aus der Aktenlage heraus eine Gefährdung der Unvoreingenommenheit im Hauptverfahren befürchten lässt.[25] Damit beschränkt sich die Problematik aber keineswegs auf das Zwischenverfahren.

b) Theorie der kognitiven Dissonanz

Die Informationsaufnahme bedient sich eines Vorwissens, mit welchem die neue Wahrnehmung in Vergleich gesetzt werden kann.[26] Dabei liegt es in der menschlichen Natur, „eine Konsistenz unter den Kognitionen herzustellen“.[27] Im Fall dissonanter Eindrücke wird eine Auflösung der Widersprüche angestrebt. Hierzu dient der Inertia-Effekt: Eindrücke, welche eine zuvor aufgenommene Position stärken, werden systematisch überbewertet. Widersprüchliche Zweitinformationen haben den entgegengesetzten Effekt.[28]

Ein weiterer Mechanismus zur Herstellung von Widerspruchsfreiheit ist das Prinzip der selektiven Informationssuche. Der Mensch nimmt Informationen, die sich mit einer von ihm bereits akzeptierten Hypothese decken, nicht nur besser wahr, sondern sucht gezielt danach und gewichtet sie auch stärker als solche, die der Ausgangshypothese widersprechen. Diese werden vielmehr unterbewertet, nicht dokumentiert und nicht gesucht.[29]

Die ersten Berührungspunkte mit der Strafsache hat der Richter  durch die  Lektüre  der  staatsanwaltlichen  Anklageschrift sowie der diesbezüglichen Akten. Seine erste Hypothese bejaht mithin den von der Staatsanwaltschaft angenommenen (§ 170 Abs. 1 StPO) hinreichenden Tatverdacht und setzt damit einen Blickwinkel, unter dessen Maßstab der Richter den weiteren Verlauf des Verfahrens wahrnimmt.[30] Zwar kann der Angeschuldigte auch nach der richterlichen Lektüre Anträge und Einwendungen anbringen (§ 201 Abs. 2 S. 1) .[31] Diese praktisch selten wahrgenommene Maßnahme scheint jedoch bei Betrachtung der dargelegten anerkannten psychologischen Phänomene wenig erfolgsversprechend.[32] Auch bei ergänzenden Beweiserhebungen gem. § 202 S. 1 StPO steht zu befürchten, dass diese Informationen durch den Primacy-Effekt und im Wege der selektiven Informationssuche weniger zur Entlastung des Angeschuldigten eingeholt werden.[33]

c) Schulterschlusseffekt 

Ebenfalls einzubeziehen ist das Verhältnis zwischen Staatsanwalt und Richter. Die organisatorische Schnittmenge kann den Anschein erwecken, bei der Anklageschrift handle es sich um eine objektive Darstellung.[34] Ebenso kommt eine interkollegiale Hemmung des Gerichts in Betracht.[35] Die Erledigungsmuster gleichen sich, was auch auf die Parallelen im beruflichen Werdegang zurückzuführen ist.[36] Zudem finden sich in der StPO selbst verbindende Elemente zwischen Richter und Staatsanwaltschaft. § 170 Abs. 1 StPO und § 203 StPO setzen mit dem hinreichenden Tatverdacht denselben Prüfungsbegriff voraus.[37] Statt dem oft als erkauft subjektiv argumentierend wahrgenommenen Strafverteidiger, ist der Richter eher versucht der vorangegangenen Prüfung des als ebenbürtig und vertrauenswürdig wahrgenommenen Staatsanwalts Glauben zu schenken.[38] Dieses Phänomen wird als „Schulterschlusseffekt“ benannt.[39]

d) Gegenstimmen

Den Bedenken wird entgegengehalten, dass der Sinn des Zwischenverfahrens und damit auch die Einstellung des Richters gerade darauf basiere, die Theorie, die die Staatsanwaltschaft erarbeitet hat, zu widerlegen.[40] Der Ablehnung komme sogar der Anreiz zugute in diesem Fall keine Hauptverhandlung führen zu müssen, also eine Motivation zur Arbeitsentlastung, die für die Einheit von Eröffnungs- und Tatrichter spreche.[41]

1963 stufte der Deutsche Richterbund die Befangenheitsthese im Rahmen von Reformerwägungen als „unverdiente Diffamierung“ ein und beklagte eine „Atmosphäre des allgemeinem Misstrauens“[42]. Seitdem kam es jedoch zu empirischen Untersuchungen, welche einem solchen Misstrauen durchaus eine Berechtigung zusprechen.[43] Hier sei auf Schünemanns Untersuchungen[44] verwiesen, welche schließen lassen, dass die teilnehmenden Richter nach einer Bestätigung der der Anklageschrift entnommenen Hypothesen der Staatsanwaltschaft streben.[45]

4. Stellungnahme 

Die regelrecht systematische Ausblendung soziologischer und empirischer Erkenntnisse hinsichtlich der Wahrnehmungsmechanismen des Menschen macht die Befangenheit des Richters zur Figur der „Unmögliche(n) Tatsache“[46]. Die Begebenheit kann sich nicht tatsächlich zugetragen haben, da „nicht sein kann, was nicht sein darf“[47]. Die Selbstsicht großer Teile der Richterschaft sowie die Aufrechterhaltung der die lege lata befürwortende Literatur und Rechtsprechung erwecken den Eindruck, der Richter dürfe nicht befangen sein und sei es daher auch nicht.[48] Das blinde Vertrauen auf den normativen Richter, der sich über sozialpsychologisch anerkannte Automatismen schon hinwegsetzen könne, wird dem Angeklagten in seiner heutigen Betrachtung als Subjekt des Verfahrens nicht gerecht.

Befremdlich mutet zudem an, sämtliche arbeitsökonomische Aspekte für den Richter als nicht entscheidungsbeeinflussend einzustufen. Diese Denkart entbehrt bei den dargestellten Ausmaßen einer wirklichkeitsnahen Grundlage.

III. Verfassungsmäßigkeit und Rechtsprechung

1. Rolle des Zwischenverfahrens in der verfassungsmäßigen Ausgestaltung des Strafprozesses

Die umfassende Zuständigkeitsprüfung durch das erkennende Gericht von Amts wegen trägt zur Sicherung der Garantie des gesetzlichen Richters gemäß Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG bei.[49] Hierzu dient auch die Regelung der Ablehnung des Richters gem. §§ 22 ff. StPO.[50] Hiervon sind jedoch nur konkrete Konstellationen umfasst, zu denen die Vorbefassung im Zwischenverfahren nicht gehört.[51]

Die Durchführung des Hauptverfahrens ist ein Eingriff in die Grundrechte des Angeklagten.[52] Betroffen sind das Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG) sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG).[53] Grundsätzlich obliegt der Angeklagte der sogenannten Justizpflicht, das strafprozessuale Hauptverfahren zu erdulden.[54] Eingeschränkt wird die Justizpflicht materiell durch eine Eingriffsschwelle gemäß dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bezüglich des Tatverdachtes.[55] Darüber hinaus wird teilweise eine formelle Schwelle in der Bestätigung des hinreichenden Tatverdachts durch einen Richter als verfassungsmäßiges Mindestmaß gesehen.[56] Die gerichtliche Kontrolle der Anklage trage in wesentlicher Weise zu einem innerprozessualen Kontrollsystem bei und knüpfe somit an die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG an.[57] Andere schätzen die richterliche Überprüfung als nicht erforderlich ein.[58]

Zutreffenderweise ist hier anhand des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abzustufen. Während eine besonders belastende Hauptverhandlung, beispielsweise aufgrund hoher Straferwartung, sozial besonders geächteten Vorwürfen oder psychischer Verfassung des Angeschuldigten nur eröffnet werden sollte, nachdem ein Richter den hinreichenden Tatverdacht geprüft hat, ist ein solches Vorgehen bei weniger belastenden Umständen durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zwingend geboten.

2. Beschluss des BVerfG

Das BVerfG betrachtet den Erlass des Eröffnungsbeschluss nicht als Anlass für Zweifel an der Unparteilichkeit der beteiligten Richter. In Frage stand im Hinblick auf Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG und § 23 Abs. 2 S. 1 StPO die Beteiligung eines Richters im Hauptverfahren, der zuvor auch am Eröffnungsbeschluss mitwirkte.[59] Dem deutschen Verfahrensrecht liege die Prämisse zugrunde, „dass der Richter auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantrete, wenn er sich schon früher über denselben Sachverhalt ein Urteil gebildet hat“.[60] Der Neutralität und Distanz des Richters sei durch die einzelfallbezogene Nachprüfung im Ablehnungsverfahren genüge getan.[61] Einheitlich abgesprochen wurde das der Vorbefassung innewohnende Risiko jedoch nicht, die drei sondervotierenden Richter betrachteten „die heute kraft Gesetzes noch mögliche Mitwirkung des Eröffnungsrichters im Hauptverfahren eher als eine Ausnahme, über deren innere Berechtigung in Zukunft der Gesetzgeber zu befinden haben wird“[62].

3. Judikatur des EGMR

Der EGMR hat zur personellen Besetzung im deutschen Zwischenverfahren bisher nicht entschieden. Anhand vorangegangener thematisch angelehnter Entscheidungen soll dennoch ein Ausblick vorgenommen werden.

a) Ausmaß der Vorbefassung

Zunächst ist keineswegs jede Vorbefassung problematisch.[63] Zentral sind Ausmaß und Natur der durch den Richter vorgenommenen Maßnahme.[64] Ebenfalls ist der Verdachtsgrad einzubeziehen: Während „prima facie evidence“ zulässig ist, begründet „particularly confirmed suspicion“ einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK.[65] Jüngst führte der EGMR diese Rechtsprechung in der Meng-Entscheidung fort, wonach von einer unzulässigen Vorbefassung auszugehen ist, wenn in einem anderen Verfahren im Vorfeld detaillierte Feststellungen zu Tatmotiv und -ausführung getroffen wurden, welche aussagen, dass die Person die Kriterien einer Straftat erfüllt hat.[66]

Als maßgeblicher Unterschied zwischen der Feststellung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit gem. § 203 StPO und der Überzeugung des Tatrichters von der Schuld des Angeklagten wird angeführt, dass das Urteil auf Basis der Hauptverhandlung und damit dem Strengbeweisverfahren gefällt wird, während die Eröffnungsentscheidung auf der Aktenlage beruht.[67] Dies erfülle die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK.[68] Allerdings muss die erforderliche überwiegende Verurteilungswahrscheinlichkeit des § 203 StPO die Möglichkeit der Bestätigung im Strengbeweisverfahren einkalkulieren.[69] Der Eröffnungsbeschluss steht zwar unter dem Vorbehalt, dass sich in der Hauptverhandlung etwas anderes ergeben kann,[70] Freisprüche sind in der Verfahrensrealität allerdings Raritäten.[71] Zudem stimmen Aktenlage und Ergebnis der Hauptverhandlung überwiegend überein und können sogar identisch sein, so im Selbstleseverfahren nach § 249 Abs. 2 StPO bei Verzicht der Verfahrensbeteiligten auf die Zeugenvernehmung gem. § 251 ff. StPO.[72]

Im Fall eines Erlasses über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft im Zwischenverfahren gem. § 207 Abs. 4 StPO bedarf es eines dringenden Tatverdachts, also der Verurteilung mit großer Wahrscheinlichkeit.[73] An diesem Punkt ist der Sachverhalt ausermittelt, und der Richter zeigt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Täterschaft und Verurteilung des Angeschuldigten ausgeht. Es ist zu erwarten, dass der EGMRhierin einen besonders begründeten Verdachtsmoment im Sinne eines hohen Grades an Klarheit bezüglich der Schuld sieht,[74] was in vorangegangenen Entscheidungen als mit Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK unvereinbar eingestuft wurde.[75]

b) Anschein der Befangenheit

Ebenfalls Teil der Erwägungen des EGMR ist die Maxime „Justice must not only be done: it must also be seen to be done“ (Es ist erforderlich, dass der Gerechtigkeit nicht nur Genüge geschieht, sondern dass dies sichtbar geschieht).[76] Selbst bei Zugrundelegung eines, hier ausdrücklich angezweifelten, derart beeinflussungsresistenten Richterideals, ist die Außenwirkung nicht außer Acht zu lassen. In einer demokratischen, rechtsstaatlichen Gesellschaft ist auch das Vertrauen des Angeklagten in das über ihn urteilende Gericht ein wertvolles Gut. Den Angeklagten der Situation auszusetzen, dass sein Schicksal von der Überzeugung eines Richters abhängt, der im unmittelbaren Vorfeld die Verurteilung durch ihn selbst als überwiegend wahrscheinlich eingestuft hat, kann nur schwerlich den Eindruck der Unbefangenheit erwecken. Aufgrund dessen ist in diesem Punkt ein konventionsrechtlicher Konflikt erwartbar.

c) Ergebnis verfassungsrechtliche Betrachtung und Rechtsprechung

Es ist zu konstatieren, dass die Feststellung der Konventionswidrigkeit durch den EGMR, sollte es zu einer Entscheidung darüber kommen, besonders im Zusammenhang mit einem Erlass über die Fortdauer der Untersuchungshaft, naheliegt.

IV. Möglichkeiten Funktionalität (wieder-) herzustellen

Der Status de lege lata wird dennoch häufig, wenn auch teilweise mit Vorbehalten, als bestandsfähig eingestuft.[77] Es sind jedoch auch verschiedene Reformansätze zu betrachten.

1. Verzicht auf das Zwischenverfahren

a) Abschaffung des Zwischenverfahrens in Gänze

In Teilen der Debatte wird sich für die Abschaffung des Zwischenverfahrens ausgesprochen.[78] Schünemann zufolge führe dies immerhin zu besseren Ergebnissen als seine Beibehaltung.[79] Andere schließen aus der rechtstatsächlichen Ineffektivität auf die Entbehrlichkeit des Instituts.[80] Der Richter habe ohnehin zu jeder Zeit das Vorliegen  der  Prozessvoraussetzungen  zu  prüfen, umfasst  sei also ebenfalls der Zeitraum vor Terminierung der Hauptverhandlung, dies genüge als Filterfunktion.[81] Bezieht man die Prozessökonomie und finanzielle Aspekte aus staatlicher Perspektive mit in die Abwägung ein, erscheint die Abschaffung sinnvoll.

b) Beschränkung auf erstinstanzliche LG- und OLG-Verfahren

Um zumindest in den gravierendsten Fällen, in welchen überdies kein Berufungsverfahren möglich ist, eine zusätzliche Schutzmöglichkeit zu schaffen, wird diskutiert das Zwischenverfahren auf erstinstanzliche Verfahren am Oberlandesgericht und Landgericht zu beschränken.[82] Dieses Vorgehen entspräche sowohl anderen europäischen Herangehensweisen[83] als auch der RStPO von 1877.[84]

c) Gegenposition bezüglich Abschaffungsmaßnahmen

Bei Betrachtung der rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Strafprozessrechts muss der Überlegung jedoch Einhalt geboten werden. Da ein Großteil der Ermittlungsarbeit in Händen der Polizei liegt, ist zu befürchten, dass das Stattfinden der Hauptverhandlung gänzlich abhängig von der Qualität polizeilicher Arbeit wäre.[85] Zwar obliegt die Herrschaft über das Ermittlungsverfahren nach Konzeption des Gesetzgebers gemäß § 152 und § 161 StPO der Staatsanwaltschaft als Justizbehörde, allerdings ist dies faktisch selten gegeben.[86] Aufgrund erheblich erhöhter Aufklärungsanforderungen im Einzelfall sowie quantitativem Anstieg ist die Einbindung der Staatsanwaltschaft in jedes gewöhnliche Ermittlungsverfahren praxisfern.[87] Die Polizei ist sachlich wie personell besser ausgerüstet[88] und gezielter ausgebildet.[89] Hinzu kommt die zunehmende Verbindung der präventiven und repressiven polizeilichen Tätigkeit,[90] wobei erstere keinerlei Handhabe der Staatsanwaltschaft unterliegt.[91] Besonders in weniger bedeutenden Fällen führt die Polizei die Ermittlungen also eigenständig zur Anklagereife, um dann die Sache an die Staatsanwaltschaft zu übergeben.[92]  Zu befürchten ist die Gewöhnung der Staatsanwaltschaft an die faktische Übermacht der Polizei mit dem Resultat ihr in großen Kriminalitätsbereichen die Initiative zur Strafverfolgung zu überlassen.[93]

Es bedarf also einer „zweiten Barriere“[94] hinter der Staatsanwaltschaft, eine Forderung die sich auch aus der deutschen Geschichte begründen lässt.[95] Zur Zeit der Abschaffung des Zwischenverfahrens während der nationalsozialistischen Diktatur führte die mangelhafte Sorgfalt der Staatsanwaltschaft zu Kritik, auch vonseiten der Richter.[96] Den Grundrechtseingriffen im Rahmen der Hauptverhandlung muss eine richterlichen Überprüfung vorausgehen.[97]

Hinsichtlich der Fokussierung auf Verfahren am Oberlandesgericht und Landgericht wird eingewendet, dass die Kompetenz der Amtsgerichte seit 1877 gravierend erweitert wurden.[98] Auch stelle die Möglichkeit der Berufung schon aus finanziellen und zeitlichen Aspekten keinen adäquaten Ersatz für das Zwischenverfahren dar.[99] Von einer generellen Bagatellisierung der Verfahren vor dem Amtsgericht sollte also ebenfalls abgesehen werden.[100]

d) Fazit Abschaffung

Auch bei Anerkennung der Gefahr eines Bumerangeffekts des Zwischenverfahrens kann in der großflächigen Abschaffung der rechtsstaatlichen Barriere nicht die Lösung liegen. Statt des Zwischenverfahrens an sich sollten die Probleme, die es in der aktuellen Ausgestaltung mit sich bringt, beseitigt werden.

2. Verbesserung der negativen Kontrolle

Hierzu könnte zunächst der Gesetzgeber gefragt sein, die Wirksamkeit des Kontrollinstruments durch Vorgaben der Überprüfungsmaßnahmen zu erhöhen.

a) Obligatorische Anhörung

Schon seit Beginn des letzten Jahrhunderts wird ein obligatorischer Erörterungstermin mit den Angeschuldigten vorgeschlagen.[101] Das persönliche Zusammentreffen von Richter und Angeschuldigtem soll das Zwischenverfahren beleben.[102] Ebenso könne die Strukturierung des weiteren Verfahrens besprochen werden.[103]

b) Begründungspflicht

Eine Verbesserung der Effektivität und Kontrollwirkung wird teilweise durch eine Begründungspflicht auch bezüglich des Eröffnungsbeschlusses erwartet.[104] Die durch die Begründungspflicht geschaffene Kontrollmöglichkeit der gerichtlichen Entscheidung konkretisiert den Anspruch auf rechtliches Gehör.[105] Ebenso ist der Richter gezwungen, sich vor Eröffnung des Hauptverfahrens inhaltlich zumindest mit dem ihm durch die Aktenlage präsentierten Sachverhalt zu beschäftigen.

c) Beschwerderecht

Darüber hinaus könnte ein Beschwerderecht gegen den Eröffnungsbeschluss geschaffen werden.[106] Dies würde die angesichts des Grundsatzes der Waffengleichheit bedenklich ungleichen Beschwerdemöglichkeiten ausgleichen.[107] Es ist zu erwarten, dass die Aussicht einer möglichen Beschwerde auch vonseiten des Angeschuldigten den Richter zu einer gründlicheren Beurteilung bewegen würde.[108] Allerdings muss auch anerkannt werden, dass diese Maßnahme häufig ein weiteres schriftliches Verfahren hervorrufen würde, welches zum Inhalt hat, was eigentlich in der Hauptverhandlung thematisiert werden sollte und diese damit möglicherweise nennenswert entwerten würde.[109] Darin liegt auch der wesentliche Unterschied, im Fall des Nichteröffnungsbeschlusses besteht diese Möglichkeit nicht.[110]

d) Fazit Verbesserung negativer Kontrolle 

Begründungspflicht, Beschwerderecht und obligatorische Anhörung sind sinnvolle Möglichkeiten die mangelhafte negative Kontrolle effektiver zu gestalten, die mögliche Befangenheit des Richters im Hauptverfahren vermag jedoch keiner der Ansätze zu entkräften. Die Begründungspflicht birgt durch die Verschriftlichung des hinreichenden Tatverdachts vielmehr die Gefahr, die emotionale Bindungswirkung noch zu verschärfen. Eine ähnliche Einschätzung ist auch durch den EGMR zu erwarten, diese Problematik bleibt also ebenfalls bestehen.

3. Befangenheitsreduzierung

Ein zwar funktional nicht zu beanstandendes Zwischenverfahren, was aber zu einem befangenen oder doch Anlass zur Befangenheitsbefürchtung bietenden Richter führt, mag eine Teilproblematik lösen, eine andere jedoch eher verschärfen. Entsprechend bedarf auch dieser Aspekt einer Umgestaltung.

a) Trennung der Richter

aa) Historische Bemühungen

In diesem Sinne kommt als erstes in Betracht, entsprechend der Reichsstrafprozessordnung von 1877, den Richter, der das Zwischenverfahren durchführt von der Hauptverhandlung auszuschließen, also den Status quo ante vor der Emminger Notverordnung wiederherzustellen. Was in Zeiten größter finanzieller Notlagen möglicherweise als legitime Einsparung erschien, ist seitdem trotz wirtschaftlicher Regeneration nicht wieder in den Ursprungszustand zurückversetzt worden.[111] Bereits Anfang der 1960er Jahre gab es Bestrebungen, nicht weiter an der durch die Lex Emminger gesetzten Zusammenführung der Richter festzuhalten.[112] Verhindert wurden diese Pläne durch Missbilligung vonseiten des Richterbundes, demzufolge der Richter unter Generalverdacht gestellt werde.[113] So wurde aus der bis dahin vorgenommenen „positiven Kontrollfunktion“ einer gerichtlichen Bestätigung des hinreichenden Tatverdachts in der Reform 1964 die negative Kontrolle der Zulassung der Anklage,[114] wobei von einem „Etiketten-Schwindel“[115] die Rede ist.

bb) Heutige Betrachtung

Überwiegend wird die Personenidentität als grundsätzlich unproblematisch eingestuft.[116] Es wird argumentiert, dass in den weit überwiegenden Fällen die gleich ausgebildeten Staatsanwälte und Richter zu dem gleichen Ergebnis gelangen würden und in zweifelhaften Fällen der erkennende Richter eher zur genauen Prüfung neigen wird als der „Eröffnungsrichter“, der im Anschluss nicht mit der komplizierten Hauptverhandlung belastet ist.[117] Darüber hinaus komme es durch die Trennung zu erheblichem Mehraufwand.[118] Dies betreffe finanzielle Aspekte sowie Verfahrensverzögerungen was im Fall von Haftsachen besonders belastend wirkt.[119] Ebenso übersehe dieser Ansatz, dass auch unter den Richtern Austausch besteht.[120] Denkbar wäre in dieser Hinsicht auch, dass eine von einem direkten Kollegen vorab getroffene Entscheidung beeinflussend wirkt. Befürworter der Trennung führen dagegen an, dass auch der erkennende Richter sich erneut in eine Akte einarbeiten müsse und der Mehraufwand zur Eliminierung der Sorge um die richterliche Befangenheit in Kauf zu nehmen sei.[121]

b) Modifikation des Kriteriums „hinreichender Tatverdacht“

aa) Retrospektive Verurteilungswahrscheinlichkeit

Es wird vorgeschlagen, den Begriff des hinreichenden Tatverdachts statt auf die prospektive Verurteilungswahrscheinlichkeit auf die retrospektive Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung zu beziehen.[122] Dies mindere den Befangenheitsanschein, da keine Festlegung hinsichtlich der zukünftigen Verurteilung unternommen wird.[123] Dem muss entgegengehalten werden, dass nicht ausreichend fundierte Anklagen nicht zu einer Hauptverhandlung führen dürfen, weshalb auch die prospektive Wahrscheinlichkeit essentiell ist.[124]

bb) Änderung Verdachtsgrad

Weiterhin wird hinsichtlich des erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrads in Teilen der Literatur eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit gefordert, um den Angeschuldigten besser vor der belastenden Hauptverhandlung zu schützen.[125] Andere verlangen im Gegenteil nur einen Nichteröffnungsbeschluss, wenn eine Verurteilung mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist. Dadurch soll die Besorgnis der Befangenheit gemildert werden.[126] Nach dem erstgenannten Ansatz ist der Richter bei Beginn der Hauptverhandlung schon sehr überzeugt von der Schuld des Angeklagten, im gegensätzlichen Konzept kommt es zu unnötigen belastenden Hauptverhandlungen. Neben anderen Kritikpunkten[127] sind beide Ansätze schon aufgrund dessen nicht geeignet, das Zwischenverfahren aufzuwerten. Mithin ist der hinreichende Tatverdacht als Mittelmaß sinnvoll und beizubehalten.

c) Zwischenbilanz bezüglich Befangenheitsreduzierung

Die beiden letztgenannten Lösungsvorschläge werfen mehr Fragen auf, als sie lösen. Das einzig effektive Mittel zur Reduzierung der Befangenheit, die Trennung von Tat- und Eröffnungsrichter, ist einschneidend und kostenintensiv. Dafür darf hinsichtlich der Problematik der Vorbefassung von einer hohen Wirksamkeit ausgegangen werden. Die mögliche Problematik der EGMR-Rechtsprechung wäre behoben. Es ist jedoch keineswegs gesagt, dass der Eröffnungsrichter das Zwischenverfahren mit mehr Engagement und größerer Sorgfalt betreibt als es aktuell geschieht. Entsprechend ist auch diese Lösung nicht umfassend wirksam.

4. Kumulative Lösungsansätze

Notwendig ist eine kumulative Lösung, die beider Problemlagen Herr wird.

a) Optative Vornahme des Zwischenverfahrens

Vorgeschlagen wird eine Durchführung des Zwischenverfahrens nur auf Antrag des Angeschuldigten.[128] So sei davon auszugehen, dass die Möglichkeiten des Zwischenverfahrens durch die Verteidigung wahrgenommen werden und damit bereits eine effektivere Durchführung gewährleistet ist.[129] Ebenso könne durch das häufige Ausbleiben des Zwischenverfahrens in den beantragten Fällen mehr Zeit und Engagement vonseiten des Richters aufgewandt werden.[130] Dem Angeschuldigten bliebe selbst überlassen, ob er eine Vorbeschäftigung des Richters wünscht, was auch diese Problematik sicherlich abmildert. Obgleich dieser Ansatz schon einige Kritik am Zwischenverfahren zu mildern vermag, sollte der Angeschuldigte in Fällen, in denen ein Zwischenverfahren potentiell ergiebig erscheint, nicht zwischen Ausbleiben der Filterfunktion und einem möglicherweise vorbelasteten Richter wählen müssen. Gerade einem unverteidigten Angeschuldigten ist diese Entscheidung nicht zuzutrauen.

b) Eigener Ansatz: „qualifiziertes Zwischenverfahren“

Um die Befangenheit des Richters oder auch nur deren Eindruck beim Angeklagten zu umgehen, ist die Hinzuziehung eines weiteren Richters unumgänglich. Gleichzeitig ist anzuerkennen, dass die Beschäftigung und Einarbeitung mehrerer Richter – gerade im Bereich von Alltagskriminalität – nicht effizient sein kann.[131] Dies ist einerseits unter prozessökonomischen Gesichtspunkten zutreffend, ebenso allerdings auch aus Perspektive des Angeschuldigten wünschenswert. Diesem sollten zu lange Verfahrensverzögerungen nicht zugemutet.

aa) Beschränkung des herkömmlichen Zwischenverfahrens

Nach dem hier angedachten System ist das Zwischenverfahren durch den erkennenden Richter auf prozessuale Überprüfungen zu beschränken. Eine inhaltliche Wertung des hinreichenden Tatverdachts findet gerade nicht statt. So kommt der erkennende Richter nicht vor Beginn der Hauptverhandlung zu einer inneren Bindung an einen von ihm gefassten und geäußerten Beschluss.

bb) Einführung eines qualifizierten Zwischenverfahrens

Handelt es sich allerdings um einen Fall der zu erwartenden besonderen Belastung des Angeschuldigten in Form von besonders einschneidenden sozialen Stigmata durch das Hauptverfahren, muss ein qualifiziertes Zwischenverfahren eingeleitet werden. Dieses darf nur durch einen nicht weiter an der Hauptverhandlung beteiligten Eröffnungsrichter beschieden werden, was durch eine Ergänzung des § 23 StPO realisierbar wäre. Anknüpfungspunkt für einen Katalog von Taten, welche die Eröffnung des Hauptverfahrens durch einen unbeteiligten zusätzlichen Richter erfordern, könnten die Kriterien für die Herbeiziehung eines Pflichtverteidigers gem. § 140 StPO darstellen. Der Regelung dieses Verfahrens sollte zudem eine Generalklausel angehören, welche die Möglichkeit für zusätzliche Fälle, in denen die Durchführung vielversprechend erscheint, eröffnet.

Seit Einführung der RStPO sind mit den §§ 153 ff. StPO maßgebliche Einstellungsmöglichkeiten geschaffen worden.[132] Diese Handlungsalternativen machen eine Einschränkung des Zwischenverfahrens in den genannten Ausmaßen akzeptabel. Dieser Gedanke deckt sich in den Grundstrukturen mit gängigen Wertungen in der Literatur. Das Zwischenverfahren ist für den Strafprozess nicht unverzichtbar, bei Anwendung ist die Durchführung durch einen gesonderten Eröffnungsrichter jedoch notwendig.[133]

cc) Effizienz dieses Verfahrens

Damit der Eröffnungsrichter nicht die derzeit lethargisch hingenommene Praxis der Formulareröffnungsbeschlüsse beibehält, müssen die Vorgaben im Personalbedarfsberechnungssystem[134] für diesen Vorgang erhöht werden und durch eine Dokumentationspflicht hinsichtlich der Ergebnisse des Zwischenverfahren mit der Intention der Selbstkontrolle abgesichert werden.

4. Bilanz bezüglich Verbesserungsmöglichkeiten

Neben einigen zu kurz greifenden, einseitigen Lösungsansätzen sind Kombinationen verschiedener Maßnahmen denkbar, um die Kernprobleme des Zwischenverfahrens, die mangelhafte Betreibung sowie die Besorgnis der Befangenheit zu lösen. Das vorgestellte System des qualifizierten Zwischenverfahrens ist hierzu geeignet und prozessökonomisch zumutbar. Es könnte mithin die Grundlage der Regelung des Zwischenverfahrens de lege ferenda darstellen.

V. Fazit

Das Zwischenverfahren hat durchaus das Potential, einen „Filter“ im  Strafprozess  darzustellen. In Fällen in denen es eines solchen bedarf, muss das Verfahren allerdings mit empirischen Erkenntnissen zur Informationsverarbeitung und -bewertung sowie der EMRK in Einklang gebracht und gewissenhaft betrieben werden. Die de lege lata bestehende Gefahr, dem Betroffenen ein Danaer-Geschenk zu übergeben, welches ihm einen voreingenommenen Richter beschert, kann nicht im Sinne des Gesetzgebers sein. Statt im Zuge des Gießkannenprinzips großflächig aber mit fragwürdigem Erfolg Zwischenverfahren durchzuführen, soll mit dem hier vorgestellten Ansatz punktuell und sorgfältig gearbeitet werden. Bei den energischen Ankündigungen der Regierung, das Strafverfahren „noch effektiver, schneller, moderner und praxistauglicher“[135] zu gestalten, ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber dies nicht nur erfüllt „ohne die Rechte der Beschuldigten und deren Verteidigung zu beschneiden“[136], sondern auch bestehende Rechtseinschnitte, wie sie in der Hemmung eines funktionierenden Zwischenverfahrens gegeben sind, korrigiert.

 

[1]      Wehnert, in: MAH Strafverteidigung, 3. Aufl. (2022), § 5 Rn. 8.
[2]      Koch, StV 2002, 222 (222).
[3]      Ostendorf/Brüning, Strafprozessrecht, 4. Aufl. (2021), § 15 Rn. 1.
[4]      Schmidt, NJW 1963, 1081 (1081).
[5]      Rosenau, in: SSW-StPO, 4. Aufl. (2020), § 199 Rn. 4.
[6]      Mavany, JA 2015, 448 (448).
[7]      Vormbaum, ZIS 2015, 328 (328).
[8]      Paeffgen, in: SK-StPO, 5. Aufl. (2015), Vor §§ 198 ff. Rn. 5; Wehnert, in: MAH Strafverteidigung, § 5 Rn. 5.
[9]      Wenske, in: MüKo-StPO, Band 1, 2017, § 199 Rn. 4; Nierwetberg, NStZ 1989, 212 (212); Rieß, JURA 2002, 735 (736).
[10]    Roxin/Schünemann, Strafverfahrensrecht, 30. Aufl. (2022), § 42 Rn. 2.
[11]    Krey/Heinrich, Deutsches Strafverfahrensrecht, 2. Aufl. (2018), Rn. 539.
[12]    Mavany, JA 2015, 488 (489).
[13]    Ulsenheimer, NStZ 1984, 440 (444).
[14]    Kindhäuser/Schumann, Strafprozessrecht, 6. Aufl. (2022), § 16 Rn. 2.
[15]    Justizstatistik (Stat. Bundesamt, Fachserie 10 Reihe 2.3 – 2020 Strafgerichte), S. 28.
[16]    Dölling/Laue, in: Die Dauer von Strafverfahren vor den Landgerichten, eine empirische Analyse zur Rechtswirklichkeit in der Bundesrepublik Deutschland, 2000, S. 288.
[17]    BGH, NStZ 2012, 225; OLG Düsseldorf, StV 1983, 408.
[18]    Wickel, Das strafprozessuale Zwischenverfahren, 2021, S. 183.
[19]    Eschelbach, in: FS Richter II, 2006, S. 113 (120 f.).
[20]    Eschelbach, GA 2019, 593 (604).
[21]    Eisenberg, Beweisrecht der StPO, 10. Aufl. (2017), Rn. 749a.
[22]    Sowada, Der gesetzliche Richter im Strafverfahren, 2002, S. 415.
[23]    Abele-Brehm in: Bierhoff/Frey/Bengel, Handbuch der Sozialpsychologie und Kommunikationspsychologie, 2006, S. 397.
[24]    Fischer/Wiswede, Grundlagen der Sozialpsychologie, 3. Aufl. (2009), S. 250.
[25]    Grassberger, Psychologie des Strafverfahrens, 2. Aufl. (1968), S. 331; Schünemann, StV 2000, 159 (160).
[26]    Schünemann, GA 1978, 161 (168 f.).
[27]    Festinger, Theorie der kognitiven Dissonanz, 1978, S. 253.
[28]    Momsen/Washington, in: FS Eisenberg, 2019, S. 453 (467).
[29]    Bandilla/Hassemer, StV 1989, 551 (552 f.).
[30]    Pfundmair, in: 43. Strafverteidigertag, S. 129 (130); Bandilla/Hassemer, StV 1989, 551 (553).
[31]    Momsen/Washington, in: FS Eisenberg, 2019, S. 453 (466).
[32]    Dahs, Handbuch des Strafverteidigers, 2015, Rn. 384.
[33]    Wickel, S. 95.
[34]    Schünemann, StV 2000, 159 (162).
[35]    Schünemann, StV 2000, 159 (162 f.).
[36]    Eisenberg, Rn. 749a.
[37]    Gorf, in: BeckOK-StPO, 44. Ed. (Stand: 1.7.2022), § 170 Rn. 2.
[38]    Schünemann, StV 2000, 159 (162).
[39]    Schünemann, StV 2000, 159 (162).
[40]    Rieß, in: FS Rolinski, 2002, S. 239 (242).
[41]    Gössel, in: FS Meyer-Goßner, 2001, S. 187 (203 f.); Meyer-Goßner, ZRP 2000, 345 (347).
[42]    DRB, DRiZ 1963, 115 (118).
[43]    Vormbaum, ZIS 2015, 328 (330).
[44]    Schünemann, StV 2000, 159 (165).
[45]    Vormbaum, ZIS 2015, 328 (330).
[46]    Morgenstern, 1909, „Unmögliche Tatsache“.
[47]    Morgenstern, 1909, „Unmögliche Tatsache“ Strophe 6, Vers 4.
[48]    Wickel, S. 95.
[49]    Stuckenberg, in: LR-StPO, 27. Aufl. (2018), Vor § 198 Rn. 10.
[50]    Mosbacher, JuS 2021, 749 (750).
[51]    Fischer/Kudlich, JA 2020, 641 (643).
[52]    Greco, Strafprozesstheorie und materielle Rechtskraft, 2015, S. 118.
[53]    Wickel, S. 62.
[54]    Schmidt-Aßmann in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 95. EL (2021), Art. 19 Abs. 4 Rn. 16.
[55]    Gaede, ZStW 2017, 911 (928).
[56]    Wickel, S. 71.
[57]    Stuckenberg, in: LR-StPO, Vor § 198 Rn. 11.
[58]    von Galen/Wattenberg, ZRP 2001, 445 (447).
[59]    BVerfGE 30, 149 (149 f.).
[60]    BVerfGE 30, 149 (153).
[61]    BVerfGE 30, 149 (154).
[62]    BVerfGE 30, 157 (160).
[63]    EGMR, Urt. v. 24.2.1993 – 14396/88, Ziff. 30; Urt. v. 22.4.1994 – 15651/89, Ziff. 35.
[64]    EGMR, Urt. v. 24.2.1993 – 14396/88, Ziff. 30.
[65]    EGMR, Urt. v. 24.5.1989 – 10486/83, Ziff. 52.
[66]    EGMR, Urt. v. 16.2.2021 – 1128/17, Ziff. 60.
[67]    Wohlers, in: FS Roxin, 2011, S. 1313 (1313).
[68]    Wenske, in: MüKo-StPO, § 199 Rn. 38.
[69]    Wickel, S. 127.
[70]    Miehe, in: FS Grünwald, 1999, S. 379 (387).
[71]    Paeffgen, in: SK-StPO, § 203 Rn. 11; Wohlers, in: FS Roxin, S. 1313 (1324).
[72]    Wohlers, in: FS Roxin, S. 1313 (1324).
[73]    Lind, in: LR-StPO, § 112 Rn. 19.
[74]    Wickel, S. 131.
[75]    EGMR, Urt. v. 24.5.1989 – 10486/83, Ziff. 52.
[76]    EGMR, Urt. v. 17.1.1970 – 2689/65, Ziff. 31; Urt. v. 9.11.2006 – 33949/02, Ziff. 53.
[77]    Miehe, in: FS Grünwald, 1999, S. 379 Fn. 3; Volk/Engländer, Grundkurs StPO, 8. Aufl. (2013), § 16 Rn. 1.
[78]    Weigend, ZStW 113 (2001), 271 (285).
[79]    Schünemann, GA 1978, 161 (173).
[80]    Linden, in: Verhandlungen des 60. Deutschen Juristentages, Münster 1994, Band II/1, M 35 – M 59. 60. DJT, M 43 f.
[81]    Linden, M 44.
[82]    Bericht der Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendlichen Verfahrens, 2015, S. 93 ff.
[83]    Kühne, Strafprozessrecht, 9. Aufl. (2015), Rn. 1157 ff., 1256 ff., 1404.
[84]    Vgl. § 176 RStPO 1877.
[85]    Stuckenberg, in: LR-StPO, Vor § 198 Rn. 18; Schünemann, StV 2000, 159.
[86]    Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, 15. Aufl. (2020), Rn. 105.
[87]    Roxin/Schünemann, § 9 Rn. 21.
[88]    Schaefer, StraFo 2002, 118 (119).
[89]    Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Aufl. (2022), § 161 Rn. 11.
[90]    Beulke/Swoboda, Strafprozessrecht, Rn. 104.
[91]    Baumann, JuS 1987, 681 (687).
[92]    Roxin/Schünemann, § 9 Rn. 21.
[93]    Vgl. Lilie, NStZ 2003, 568 (568) zu LG Berlin, NStZ 2003, 504.
[94]    Paeffgen, in: SK-StPO, Vor §§ 198 ff. Rn. 18.
[95]    Loritz, Kritische Betrachtungen zum Wert des strafprozessualen Zwischenverfahrens, 1996, S. 74 ff.
[96]    Biechtler, NJW 1950, 530 (530).
[97]    Mavany, JA 2015, 488 (489).
[98]    Vormbaum, ZIS 2015, 328 (332).
[99]    Vormbaum, ZIS 2015, 328 (332).
[100]   Paeffgen, in: SK-StPO, Vor §§ 198 ff. Rn. 6a.
[101]   Hofer, Zur Zukunft des strafprozessualen Zwischenverfahrens, 2005, S. 37; Koch, StV 2002, 222 (224).
[102]   Koch, StV 2002, 222 (223).
[103]   Bericht der Expertenkommission zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des allgemeinen Strafverfahrens und des jugendlichen Verfahrens, 2015, S. 95.
[104]   Momsen/Washington, in: FS Eisenberg, 2019, S. 453 (473).
[105]   Graf, in: KK-StPO, 8. Aufl. (2019), § 114 Rn. 4.
[106]   Vormbaum, ZIS 2015, 328 (335).
[107]   Loos, in: AK-StPO, 3. Aufl. (1996), Vor § 199 ff. Rn. 1.
[108]   Vormbaum, ZIS 2015, 328 (333).
[109]   Meyer-Goßner, ZRP 2000, 345 (345).
[110]   Roxin/Schünemann, § 42 Rn. 17.
[111]   Paeffgen, in: SK-StPO, Vor §§ 198 ff. Rn. 1b.
[112]   BT-Drs. IV/1020, S. 20.
[113]   Schmidt, NJW 1963, 1081 (1082).
[114]   Rieß, in: FS Rolinski, 2002, S. 239 (243).
[115]   Paeffgen, in: SK-StPO, Vor §§ 198 ff. Rn. 6a.
[116]   RGSt 65, 332 (329); BVerfGE 30, 149 (153 ff.); Volk/Engländer, § 16 Rn. 1.
[117]   Gössel, in: FS Meyer-Goßner, 2001, S. 187 (203 f.); Meyer-Goßner, ZRP 2000, 345 (347).
[118]   Meyer-Goßner, in: Meyer-Goßner/Schmitt, Vor § 198 Rn. 2.
[119]   Volk/Engländer, § 16 Rn. 1.
[120]   Volk/Engländer, § 16 Rn. 1.
[121]   Vormbaum, ZIS 2015, 328 (333).
[122]   Miehe, in: FS Grünwald, 1999, S. 379 (379 ff.).
[123]   Miehe, in: FS Grünwald, 1999, S. 379 (401).
[124]   Wenske, in: MüKo-StPO, § 203 Rn. 20.
[125]   Kühne, NJW 1979, 617 (622).
[126]   Ernst, Das gerichtliche Zwischenverfahren nach Anklageerhebung, 1968, S. 224.
[127]   Siehe nur Wenske, in: MüKo-StPO, 2. Band, 2015, § 203 Rn. 14 f.
[128]   Hofer, S. 102 f.
[129]   Wickel, S. 197.
[130]   Ernst, S. 227.
[131]   So auch Rieß, in: FS Rolinski, 2002, S. 239 (247).
[132]   Peters, in: MüKo-StPO, § 153 Rn. 1; Beukelmann, in: BeckOK-StPO, § 153a Rn. 1.
[133]   So auch Weigend, ZStW 113 (2001), 271 (285).
[134]   Genauer: Erarbeitung eines Systems der Personalbedarfsberechnung für den richterlichen, staatsanwaltlichen und Rechtspflegerdienst in der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
[135]   Koalitionsvertrag 2021-2025, S. 85.
[136]   Koalitionsvertrag 2021-2025, S. 85.

 

 

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