von Prof. Dr. Mark A. Zöller, Dr. Ruben Doneleit, Isabella Klotz und Maximilian Schach
Abstract
Das BVerfG hat im Jahr 2022 zahlreiche Regelungen des 2016 reformierten Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) für verfassungswidrig erklärt. Diese Entscheidung ist wegweisend für die gesamte deutsche Sicherheitsgesetzgebung. Dem bayerischen Gesetzgeber ist es jedoch nicht gelungen, im Rahmen der erneuten Reform von 2023 das BayVSG vollumfänglich verfassungskonform auszugestalten. Insbesondere bei besonders eingriffsintensiven Maßnahmen und bei der Datenübermittlung an andere Behörden bestehen weiterhin erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit. Das BayVSG in seiner neuen Fassung kann somit allenfalls eingeschränkt als Vorbild für die derzeit laufenden Reformen des Nachrichtendienstrechts im Bund sowie in anderen Bundesländern dienen.
The German Federal Constitutional Court declared part of the regulations of the Bavarian Constitutional Protection Act (BayVSG) unconstitutional in 2022. This verdict is groundbreaking for German internal security legislation in general. However, the Bavarian legislature did not fully succeed in its attempt to adequately amend its intelligence law in order to make it constitutional. Especially in the case of particularly intrusive surveillance techniques and the transfer of personal data to other authorities, considerable concerns about constitutionality remain. Therefore, the BayVSG can only partially serve as a role model for the ongoing reform of the German intelligence law system on ederal and state level.
I. Verfassungsgerichtliche Vorgaben
Mit seiner Entscheidung vom 26. April 2022[1] hat das BVerfG zahlreiche Bestimmungen des im Jahr 2016 umfassend reformierten BayVSG[2] für verfassungswidrig erklärt. Damit wies es nicht nur den bayerischen Landesgesetzgeber deutlich in die (verfassungsrechtlichen) Schranken, sondern setzte auch seine bisherige Rechtsprechungslinie zum Sicherheitsrecht konsequent fort.
Schließlich hat das BVerfG auf die zunehmende Ausweitung der Eingriffsbefugnisse von Sicherheitsbehörden in der jüngeren Vergangenheit bereits unter anderem[3] in seinen Urteilen zum BKA-Gesetz[4] und zur nachrichtendienstlichen Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung[5] reagiert. Im BayVSG-Urteil machte der Erste Senat durch sehr grundsätzliche Ausführungen deutlich, dass über die Grenzen des Freistaats hinaus auch bundesweit dringender Reformbedarf für das Nachrichtendienstrecht und daran „angrenzende“ Rechtsgebiete besteht.[6] In diesem Grundsatzurteil entwickelt es detaillierte Anforderungen für die nachrichtendienstliche Beobachtung, was als „Gängelung aus Karlsruhe“ in Teilen des juristischen Schrifttums auf Widerstand und Kritik gestoßen ist.[7] Diese Kritik verkennt allerdings Ursache und Wirkung. Das BVerfG hat insbesondere in seiner Entscheidung zum BayVSG deutlich gemacht, dass seine Geduld mit Sicherheitsgesetzgebern in Bund und Ländern erschöpft ist, die immer wieder die von ihm markierten Grenzen überschreiten. Je unwilliger der Gesetzgeber, desto detaillierter die Vorgaben aus Karlsruhe.[8]
Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend der Frage nachgegangen werden, inwieweit das BayVSG nach der Reform im Jahr 2023 den verfassungsgerichtlichen Anforderungen genügt bzw. an welchen Stellen nach wie vor Bedenken gegen seine Verfassungsmäßigkeit bestehen. Mit Blick auf zentrale Gegenstände der Neuregelung soll dann untersucht werden, ob das umfassend überarbeitete bayerische Verfassungsschutzrecht auch ein geeignetes Regelungsvorbild für die auf Bundes- wie Landesebene erforderliche und derzeit bereits stattfindende Reform des deutschen Nachrichtendienstrechts zu bieten vermag. Aus einer Zusammenschau der in jüngerer Zeit ergangenen, bedeutendsten Entscheidungen des BVerfGzum Sicherheitsrecht lassen sich insoweit wichtige Vorgaben für eine verfassungskonforme Ausgestaltung des Nachrichtendienstrechts ableiten. Wegweisend sind dabei neben dem Urteil zum BayVSG auch der Beschluss zu den Übermittlungsbefugnissen nach §§ 20, 21 BVerfSchG vom 28. September 2022[9] sowie der Beschluss zu den polizeilichen Befugnissen nach dem Sicherheits- und Ordnungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV) vom 9. Dezember 2022[10].
1. Urteil zum BayVSG
In seinem BayVSG-Urteil arbeitet das BVerfG die strukturellen Unterschiede zwischen den Überwachungsbefugnissen der Verfassungsschutzbehörden einerseits und den Polizei- und Strafverfolgungsbehörden andererseits heraus und grenzt diese klar voneinander ab. Letztere dürfen basierend auf den aus der Überwachungsmaßnahme gewonnenen Informationen konkrete Gefahrenabwehr- oder Strafverfolgungsmaßnahmen gegen Einzelne unmittelbar mit Zwang durchsetzen.[11] Dass der Verfassungsschutz, dessen Aufgabenbereich die Beobachtung im Vorfeld der polizeilichen Gefahrenschwelle oder eines strafprozessualen Anfangsverdachts ist, dies nicht darf, ist konsequent. Denn zur Erfüllung seines Beobachtungsauftrags ist er gerade nicht an diese Eingriffsschwellen gebunden.[12] Der Verfassungsschutz „weiß“ also mehr als er „darf“, wohingegen Behörden mit operativen Anschlussbefugnissen mehr „dürfen“, als sie „wissen“.[13] Dennoch dürfen auch Verfassungsschutzbehörden nicht anlasslos tätig werden, sondern erst, wenn ein hinreichender verfassungsschutzspezifischer Aufklärungsbedarfbesteht.[14] Dieser setzt hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine beobachtungsbedürftige Bestrebung[15] sowie die Gebotenheit der Überwachungsmaßnahme zur Aufklärung im Einzelfall voraus[16]. Dabei ist nach dem Eingriffsgewicht der Maßnahme zu entscheiden – je tiefer die Maßnahme in Grundrechte der Bürger eingreift, desto dringender muss das Beobachtungsbedürfnis sein.[17] Zudem soll gerade bei heimlichen Überwachungsmaßnahmen eine Absenkung der Eingriffsschwelle für die Nachrichtendienste nur dann verhältnismäßig und damit verfassungsgemäß sein, wenn die Befugnisse für die Übermittlung der daraus gewonnenen Informationen an andere Stellen (z.B. Polizei und Staatsanwaltschaft) dem sog. „Kriterium der hypothetischen Datenneuerhebung“ gerecht werden. Das BVerfG betont damit noch einmal ausdrücklich die Geltung des informationellen Trennungsprinzips.[18] Nachrichtendienstliche Erkenntnisse dürfen also nicht ohne Weiteres an andere Behörden mit operativen Anschlussbefugnissen, wie Gefahrenabwehr- oder Strafverfolgungsbehörden, übermittelt werden.[19] Insoweit ist die Botschaft aus Karlsruhe unmissverständlich: Um dem Verdikt der Verfassungswidrigkeit zu entgehen, müssen jedenfalls die Übermittlungsvorschriften in den Nachrichtendienstgesetzen hinreichende Hürden für die Weitergabe von Erkenntnissen an andere Sicherheitsbehörden vorsehen. Kommt der jeweils zuständige Gesetzgeber dieser Aufforderung nicht nach, müssen die nachrichtendienstlichen Überwachungsbefugnisse denselben Eingriffsvoraussetzungen unterworfen werden wie die Überwachungsbefugnisse von Polizeibehörden.[20]
Diese Entscheidung vom April 2022 zielt erkennbar darauf ab, die Tätigkeit der Nachrichtendienste insgesamt verhältnismäßig auszugestalten und eine rechtsstaatlich ausgewogene Rechtsgrundlage für diese einzufordern. Im Ergebnis wurden daher auch zahlreiche, zu weit reichende Befugnisse des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutzes beanstandet, bei deren Schaffung im Jahr 2016 die Bayerische Staatsregierung – gegen entsprechenden Rat aus der Wissenschaft[21] – die verfassungsrechtlichen Grenzen überschritten hatte.
2. Beschluss zu den §§ 20, 21 BVerfSchG
In seinem Beschluss vom 28. September 2022 hatte das BVerfG anschließend auch die mittlerweile reformierten[22] § 20 Abs. 1 S. 1, 2 und § 21 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 20 Abs. 1 S. 1, 2 BVerfSchG für mit der Verfassung unvereinbar erklärt.[23] Zur Begründung griffen die Richter wesentliche Aussagen der BayVSG-Entscheidung nochmals auf.[24] Insbesondere forderten sie für Datenübermittlungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörden erneut eine verhältnismäßige Ausgestaltung, die sich am informationellen Trennungsprinzip, dem Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung und den Grundsätzen der Zweckbindung und Zweckänderung zu orientieren habe.[25] Wie schon im Urteil zum BayVSG, stehen die bei der Datenweitergabe konkret vorgegebenen Anforderungen an die Eingriffsschwellen und den damit korrespondierenden Rechtsgüterschutz im Zentrum der Betrachtung. Die Übermittlung zur Strafverfolgung kann demgemäß nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten zugelassen werden, wenn bestimmte, den Verdacht begründende Tatsachen gegeben sind.[26] Speziell eine Weitergabe an Gefahrenabwehrbehörden mit operativen Befugnissen muss von einer wenigstens konkretisierten Gefahr für ein besonders gewichtiges Rechtsgut getragen werden.[27]
3. Beschluss zum SOG MV
In seinem Beschluss zum SOG MV vom 9. Dezember 2022[28] hebt das BVerfG schließlich erneut[29] vor allem die strengen Anforderungen hervor, die an die Wohnraumüberwachung und die Online-Durchsuchung als besonders eingriffsintensive Maßnahmen zu stellen sind.[30] Zudem betont das BVerfG den Kernbereichsschutz im Zusammenhang mit Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen, da bei deren Einsatz eine vermeintliche Vertrauensbeziehung ausgenutzt wird,[31] und konkretisiert die Verpflichtung, diesen normenklar zu regeln[32]. Gleichzeitig wird deutlich, dass der Einsatz von Verdeckten Ermittlern bzw. Mitarbeitern oder Vertrauenspersonen als sicherheitsbehördliche Maßnahme nicht gänzlich unterbleiben muss.
II. Gesetzgebungsverfahren
Das Gesetzgebungsverfahren, das schließlich zur aktuell geltenden Fassung des BayVSG führte, verlief außerordentlich holprig und ist derart komplex, dass die einschlägigen Gesetzgebungsmaterialien für Außenstehende kaum verlässlich nachvollziehbar sind. Nach der Reform des BayVSG im Jahr 2016[33], die noch mit der damaligen absoluten Stimmenmehrheit der CSU-Landtagsfraktion verabschiedet worden war[34], machten zunächst die BKAG-Entscheidung vom 20. April 2016[35] und anschließend der Bestanddatenauskunft-II-Beschluss des BVerfG vom 27. Mai 2020[36] eine Anpassung des Gesetzes erforderlich.[37] Hierfür brachte die Staatsregierung bereits am 2. März 2022 einen Entwurf in den Landtag ein.[38] Dieser wurde schon wenige Wochen später durch das BayVSG-Urteil vom 26. April 2022 überholt, das dem bayerischen Landesgesetzgeber eine Nachbesserungsfrist bis zum 31. Juli 2023 vorgab.[39] Infolgedessen wurden die Beratungen ausgesetzt, da nun ein Entwurf vorgelegt werden musste, der insgesamt den verfassungsgerichtlichen Maßstäben entsprach.[40] Die BayernSPD-Landtagsfraktion erarbeitete parallel dazu einen vollständigen eigenen Gesetzentwurf und brachte diesen am 20. Dezember 2020 als „Gesetzentwurf für ein modernes und rechtsstaatskonformes Bayerisches Verfassungsschutzgesetz“ (BayModVSG-E)[41] in den Landtag ein. Darauf folgte am 24. Januar 2023 ein Änderungsantrag der CSU-Fraktion zum ursprünglichen Gesetzentwurf der Staatsregierung.[42] In der darauffolgenden Sachverständigenanhörung im Innenausschuss des Bayerischen Landtags am 25. April 2023 äußerten jedoch die geladenen Sachverständigen vor dem Hintergrund des BayVSG-Urteils teilweise erhebliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des Entwurfs[43], sodass die Fraktionen der CSU und Freien Wähler sich gezwungen sahen, zwei weitere Änderungsanträge vom 15. Mai[44] und 28. Juni 2023[45] vorzulegen, die zu weiteren Anpassungen des Gesetzestextes führten.[46] Das neue BayVSG wurde letztendlich mit Beschluss vom 19. Juli 2023 verabschiedet und trat am 1. August 2023 in Kraft.[47] Der parallele BayernSPD-Entwurf, der die komplizierte Rechtsmaterie des Landesverfassungsschutzrechts deutlich übersichtlicher, strukturierter und sprachlich verständlicher aufbereitet hatte, fand – mit Blick auf die politischen Mehrheiten in Bayern wenig überraschend – im Bayerischen Landtag demgegenüber keine Mehrheit[48].
III. Datenerhebung durch das Landesamt für Verfassungsschutz
1. Eingriffsschwellen
Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz nimmt nach Art. 3 S. 1 BayVSG zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, des Bestandes und der Sicherheit des Bundes, der Länder sowie überstaatlicher und internationaler Organisationen, denen Deutschland angehört (Nr. 1), auswärtiger Belange der Bundesrepublik Deutschland vor einer Gefährdung durch Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen (Nr. 2) sowie des Gedankens der Völkerverständigung, insbesondere des friedlichen Zusammenlebens der Völker (Nr. 3) (sog. Verfassungsschutzgüter) die in § 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes (BVerfSchG) bezeichneten Aufgaben wahr. Es kümmert sich also im Wesentlichen um die Beobachtung, d.h. die Sammlung und Auswertung von Informationen über verfassungsfeindliche Bestrebungen. Hinzu kommt als landesspezifische Besonderheit die Beobachtung von Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität (Art. 3 S. 2 BayVSG). Unter welchen Voraussetzungen das Landesamt diesem Beobachtungsauftrag nachkommen darf, regelt Art. 5a Abs. 1 BayVSG. Danach müssen tatsächliche Anhaltspunkte für beobachtungsbedürftige Bestrebungen oder Tätigkeiten vorliegen. Für die Frage der Beobachtungsbedürftigkeit wird wiederum auf die Legaldefinition in Art. 4 Abs. 2 BayVSG verwiesen. Allerdings erweist sich die Überschrift des Art. 4 BayVSG („Begriffsbestimmungen“) schnell als Euphemismus. Tatsächlich inhaltlich bestimmt wird dort bei näherer Betrachtung kaum ein Begriff. Stattdessen wird die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Landesamt zu welchen Befugnissen greifen darf, eher vernebelt als geklärt. So entsteht der Eindruck, dass man sich in Verfassungsschutzfragen möglichst wenig „in die Karten“ schauen lassen und ein Höchstmaß an behördlicher Flexibilität ohne externe Kontrolle bewahren möchte.
Art. 4 Abs. 2 BayVSG verfolgt ein Drei-Stufen-Modell, das das Kriterium der Intensität der Beobachtungsbedürftigkeit von nachrichtendienstlich relevanten Bestrebungen und Tätigkeiten in den Mittelpunkt stellt. Dabei werden die Eingriffsschwellen abgestuft, je nachdem ob eine Bestrebung beobachtungsbedürftig (Nr. 1), erheblich beobachtungsbedürftig (Nr. 2) oder gesteigert beobachtungsbedürftig (Nr. 3) ist. So soll den Anforderungen des BVerfG entsprochen werden[49], denn Karlsruhe fordert, dass der Gesetzgeber mit steigender Eingriffsintensität höhere Anforderungen an die Beobachtungsbedürftigkeit vorsieht. Diese muss er selbst hinreichend bestimmt und normenklar regeln.[50]
Die gesetzestechnische Umsetzung dieser Anforderungen im neuen BayVSG ist allerdings klar misslungen, da die Norm wegen ihrer zahlreichen Verweisungen und der überbordenden Verwendung unbestimmter Begriffe an Unübersichtlichkeit kaum zu übertreffen ist. So muss sich der Rechtsanwender fragen, was genau eigentlich die erhebliche von der gesteigerten Beobachtungsbedürftigkeit unterscheidet. Schon die Einteilung in diese Intensitätsstufen scheint nicht ganz willkürfrei gewählt.[51] Eine eindeutige Abgrenzung zwischen Beobachtungsbedürftigkeit, erheblicher Beobachtungsbedürftigkeit und gesteigerter Beobachtungsbedürftigkeit scheint im Wege einer sauberen juristischen Subsumtion nach den im Gesetz angelegten Kriterien kaum möglich.
Nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 BayVSG sollen (einfach) beobachtungsbedürftig zunächst Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 BVerfSchG sein. Durch diesen Verweis aus dem Landes- in das Bundesrecht werden Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben, Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden sowie Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind, in die Basiskategorie der einfachen Beobachtungsbedürftigkeit eingestuft.
Erheblich beobachtungsbedürftig i.S.v. Art. 4 Abs. 2 Nr. 2 BayVSG sollen dann Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität im Sinne des Absatzes 4, Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG oder Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 BVerfSchG sein, die nach ihren Zielen oder dem Verhalten ihrer Mitglieder den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder sich kämpferisch-aggressiv gegen die Verfassungsschutzgüter richten, ihre Existenz, Organisation, Ziele oder Tätigkeit in erheblichem Maße zu verschleiern suchen, in erheblichem Maße oder in besonders wirkungsvoller Art Propaganda betreiben oder systematisch Fehlinformationen verbreiten oder Einschüchterung betreiben, um die öffentliche politische Willensbildung zu beeinträchtigen oder den öffentlichen Frieden zu stören.
Und schließlich sind gesteigert beobachtungsbedürftig Bestrebungen und Tätigkeiten nach Art. 4 Abs. 2 Nr. 3 BayVSG, die mit der Bereitschaft zur Begehung schwerer Straftaten im Sinne des Art. 4 Abs. 3 Nr. 1 BayVSG einhergehen oder nach Größe und gesellschaftlichem Einfluss, insbesondere auf Grund des Gesamtbilds von Mitglieder- und Unterstützerzahl, Organisationsstruktur, Mobilisierungsgrad, Aktionsfähigkeit und Finanzkraft, geeignet sind, ein Verfassungsschutzgut zu beeinträchtigen.
Die Unschärfe und Unbestimmtheit eines derart kompliziert ausformulierten Stufenkonzepts für Maßnahmen des Verfassungsschutzes ist nicht nur ein Beispiel für gesetzestechnisch verfehlte Gesetzgebung im Bereich des Sicherheitsrechts.[52] Sie lässt auch für die Anwendungspraxis im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz keine trennscharfe Abgrenzung zwischen den verschiedenen Intensitätsgraden der nachrichtendienstlichen Beobachtungsbedürftigkeit zu. Man kann allerdings davon ausgehen, dass es sich hier nicht um ein Versehen oder mangelhafte ministerielle Formulierungskunst handelt. Vielmehr dürfte die Intransparenz und das Fehlen einer klaren juristischen Überprüfbarkeit der Frage, wann das Landesamt in der Beobachtungspraxis zu welchen Überwachungsinstrumenten greifen darf, klarem politischen Kalkül entsprechen. Schließlich werden auf diese Weise nach innen der Handlungsspielraum für die Akteure des Landesamtes erweitert und nach außen ihr Rechtfertigungsdruck im Zusammenhang mit Grundrechtseingriffen vermindert.
Dass eine solche gesetzestechnische Vorgehensweise in der Sache keineswegs zwingend ist, belegt der parallele Gesetzesentwurf der BayernSPD.[53] In diesem waren gerade keine Intensitätsgrade der Beobachtungsbedürftigkeit vorgesehen, was verfassungsrechtlich ohnehin nicht gefordert wird. Stattdessen knüpft der Entwurf den Einsatz bestimmter nachrichtendienstlicher Mittel an generelle, auf die Gefährlichkeit der Bestrebung abstellende Voraussetzungen an[54] und führt infolgedessen zu weit weniger komplexen und intransparenten Regelungen, die auch eine angemessene Verhältnismäßigkeitsprüfung einzelner Maßnahmen ermöglichen.
2. Besonders eingriffsintensive Maßnahmen
Darf der Verfassungsschutz generell zur Erfüllung seiner Aufgaben tätig werden, stehen ihm hierfür im Einzelfall verschiedene Befugnisse zur Verfügung. Einige davon sind besonders eingriffsintensiv. Hierzu zählen vor allem der verdeckte Einsatz technischer Mittel zur Wohnraumüberwachung und der verdeckte Zugriff auf informationstechnische Systeme, die sog. Online-Durchsuchung.[55] Nach den Vorgaben des BVerfG gelten für diese Maßnahmen der Dienste die gleichen – aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleiteten – Anforderungen wie für polizeiliche Maßnahmen, wenn der Grundrechtseingriff bereits für sich genommen und nicht erst aufgrund sich daran anschließender Zwangsmaßnahmen so schwer wiegt, dass eine Differenzierung nach Folgeeingriffen nicht mehr möglich ist. Ist eine weitestgehende Erfassung der Persönlichkeit der Bürgerinnen und Bürger möglich, bleibt deshalb kein Raum für abgesenkte nachrichtendienstliche Eingriffsschwellen im Vorfeld.[56] Stattdessen setzt auch ein Rückgriff der Dienste auf solche Mittel voraus, dass bereits eine hinreichend konkretisierte Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung besteht.[57]
a) Wohnraumüberwachung und Online-Durchsuchung
Über besonders eingriffsintensive Überwachungsbefugnisse verfügt auch nach neuem Recht das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz. Art. 9 Abs. 1 S. 1 BayVSG ermächtigt es dazu, den Wohnraum der jeweiligen Zielperson akustisch und optisch zu überwachen. Hierfür darf bei ausdrücklicher Anordnung auch die Wohnung ohne Wissen betreten werden (Art. 9 Abs. 1 S. 2 BayVSG). Die Maßnahmen dürfen sich grundsätzlich nur gegen die Wohnung der Zielperson, also der Person, die aufgrund von tatsächlichen Anhaltspunkten für die Gefahr verantwortlich zu sein scheint, richten (Art. 9 Abs. 2 S. 1 BayVSG). In den Ausnahmefällen des Art. 9 Abs. 2 S. 2 BayVSG sind die Maßnahmen aber auch gegen Dritte zulässig. Als Eingriffsschwelle und Zwecksetzung ist in Art. 9 Abs. 1 S. 1 BayVSG verfassungskonform die Abwehr einer dringenden Gefahr genannt (vgl. Art. 13 Abs. 4 S. 1 GG). Hiermit wird zugleich das notwendige Erfordernis einer hinreichenden Finalität gewährleistet.[58] Die Wohnraumüberwachung ist jedoch nicht nur bei einer Gefährdung der vom bayerischen Gesetzgeber in Art. 3 S. 1 BayVSG statuierten Verfassungsschutzgüter möglich (Art. 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayVSG), sondern auch bei einer dringenden Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person (Art. 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayVSG) oder für Sachen, deren Erhaltung im besonderen öffentlichen Interesse geboten ist (Art. 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BayVSG). Dies geht teilweise über die von Seiten des BVerfG gezogenen Grenzen der Verhältnismäßigkeit hinaus.[59] So kann beispielsweise eine einfache Körperverletzung (z.B. nach einer leichten Ohrfeige) im Einzelfall nicht als gewichtige Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit genügen.[60] Die Pflicht einer richterlichen Anordnung und damit einer unabhängigen Vorabkontrolle[61] ergibt sich aus Art. 11 Abs. 1 S. 1 BayVSG. Aufgeweicht wird diese verfassungsgerichtliche Vorgabe – wohl mit Blick auf Art. 13 Abs. 4 S. 2 GG – aber durch Art. 11 Abs. 1 S. 2 BayVSG, der bei Gefahr im Verzug auch eine Anordnung durch die Behördenleitung oder deren Vertretung zulässt. In diesen Fällen ist die richterliche Entscheidung jedoch zwingend unverzüglich nachzuholen. Art. 9 Abs. 1 S. 3 BayVSG trägt dem Subsidiaritätserfordernis[62] Rechnung, indem eine Wohnraumdurchsuchung nur dann zulässig ist, „wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre und geeignete polizeiliche Hilfe für das bedrohte Rechtsgut ansonsten nicht rechtzeitig erlangt werden kann“.[63]
Bei den in Art. 10 BayVSG geregelten Online-Durchsuchungen, Art. 10 Abs. 1 BayVSG, genügt bereits eine konkretisierte Gefahr für die in Art. 9 Abs. 1 S. 1 BayVSG genannten Rechtsgüter, um durch technische Mittel beispielsweise verdeckt Zugangsdaten zu erheben. Der Begriff der konkretisierten Gefahr ist ein Novum im bayerischen Verfassungsschutzrecht, aber mittlerweile in der verfassungsgerichtlichen[64] und fachgerichtlichen Rechtsprechung[65] etabliert. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zum ersten Teil der Reform des Nachrichtendienstrechts vom 22. Dezember 2023 zum 30. Dezember 2023 wird er nunmehr auch in § 19 Abs. 2 BVerfSchG legal definiert. Nach dieser auch für das BayVSG heranzuziehenden Definition ist vom Vorliegen einer konkretisierten Gefahr auszugehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf zwar noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen im Einzelfall auf die Entstehung einer konkreten Gefahr für ein besonders gewichtiges Rechtsgut hinweisen. Auf diese Weise werden reduzierte Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs bei einer Gefahrenprognose beschrieben. Allerdings unterscheidet sich die „konkretisierte Gefahr“ nach dem ausdrücklichen Willen des Bundesgesetzgebers von dem das Gefahrenvorfeld kennzeichnenden Begriff der „drohenden Gefahr“, die mittlerweile insbesondere in Bayern als polizeirechtliche Eingriffsschwelle verbreitet ist (vgl. nur Art. 11a BayPAG) und deren Anwendungsvoraussetzungen im Vergleich zur konkretisierten Gefahr noch einmal deutlich reduziert sind.[66] Während der Bundesgesetzgeber allerdings durch die Einfügung des Zusatzes „zumindest“ (vgl. nur § 19 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG) in Umsetzung der Vorgaben des BVerfG[67] zutreffend zum Ausdruck gebracht hat, dass die konkretisierte Gefahr lediglich eine Mindestschwelle darstellt, hat der bayerische Gesetzgeber auf diese wichtige Klarstellung unerklärlicherweise verzichtet. Auch insoweit zeigt sich das Bestreben, dem Landesamt den größtmöglichen Handlungsspielraum zu gewähren. Art. 10 Abs. 1 S. 2 BayVSG verweist im Übrigen auf die Subsidiaritätsanordnung des Art. 9 Abs. 1 S. 3 BayVSG. Die richterliche Vorabkontrolle richtet sich ebenfalls nach Art. 11 Abs. 1 S. 1 BayVSG. Jedoch sieht Art. 11 Abs. 3 und 4 BayVSG zum Teil fragwürdige Ausnahmen vor.
b) Weitere Maßnahmen
Allerdings sind nicht allein die Wohnraumüberwachung und die Online-Durchsuchung mit intensiven Eingriffen in Grundrechte verbunden. Diese beiden Überwachungsbefugnisse erfassen diejenigen „Maßnahmen, die zu einer weitestgehenden Erfassung der Persönlichkeit führen können“, somit nicht abschließend.[68] Konsequenterweise hat deshalb auch der Entwurf der BayernSPD-Landtagsfraktion zusätzlich die längerfristige Observation, den Einsatz technischer Observationsmittel, den Einsatz von Verdeckten Ermittlern und Vertrauensleuten, Auskunftsersuchen, Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung, die Überwachung des gesprochenen Worts außerhalb von Wohnungen und die Asservatenauswertung als besonders eingriffsintensive Mittel eingestuft, die einer Sonderregelung bedürfen.[69] Die Bayerische Staatsregierung hat derartige Bedenken bedauerlicherweise beiseitegeschoben und damit die Chance verpasst, auch solche Überwachungsmaßnahmen zum Schutz der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger nur unter besonders engen Voraussetzungen zuzulassen und damit den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ernst zu nehmen. Einmal mehr hat man sich somit für maximalen Spielraum der Praxis und damit für das Risiko einer erneuten Verfassungswidrigkeit entschieden.
3. Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung
Der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung[70] soll nach dem neuen BayVSG vor allem durch Art. 8a Abs. 1 S. 1 BayVSG gewährleistet werden. Ergänzende Regelungen zum Kernbereichsschutz enthalten die Art. 9 Abs. 3, 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, 11 Abs. 2 S. 3, 18 Abs. 1 S. 6 und 7, 19 Abs. 3 BayVSG.
a) Erhebungsebene
Nach Art. 8a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayVSG ist die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel unzulässig, wenn hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte bestehen, dass durch sie allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung gewonnen werden. Während des Zeitraums, in dem diese Voraussetzungen vorliegen, sind nachrichtendienstliche Maßnahmen zu unterbrechen (Art. 8a Abs. 1 S. 2 BayVSG). Dies gilt aber nur, wenn eine Gefährdung von Leib und Leben oder die Enttarnung eingesetzter Personen ausgeschlossen ist. Erkenntnisse, die den Kernbereich betreffen, sind umgehend zu löschen (Art. 8a Abs. 1 S. 4 BayVSG). Beides muss nach Art. 8a Abs. 1 S. 6 BayVSG aktenkundig gemacht werden (Art. 8a Abs. 1 S. 6 BayVSG).
Der Kernbereichsschutz besitzt einen absoluten Achtungsanspruch, der aufgrund seiner Verankerung in Art. 1 Abs. 1 GG hinsichtlich jedweden staatlichen Handelns gilt und abwägungsresistent ist.[71] Somit ist der Schutz des Kernbereichs bei der Erhebung, Auswertung und Verwertung von Daten durch das Landesamt stets zu berücksichtigen. Eingriffe darin sind von vornherein zu minimieren.[72] Auch eine unbeabsichtigte Miterfassung ist soweit wie möglich zu vermeiden.[73] Nach der Konzeption des BayVSG ist eine nachrichtendienstliche Maßnahme aber nur dann von vorneherein unzulässig, wenn sie „allein“ Erkenntnisse aus dem Kernbereich einer Person enthält. Da solche ausschließlich kernbereichsrelevanten Informationen in der Lebenswirklichkeit nur ausgesprochen selten vorkommen dürften, läuft ein derartiges Erhebungsverbot faktisch nahezu leer.[74] Immerhin findet sich in Art. 9 Abs. 3 S. 1 BayVSG die gesetzliche Vermutung, dass Konversationen mit Personen des besonderen persönlichen Vertrauens in Privatwohnungen dem Kernbereichsschutz unterfallen.[75]
Im Übrigen reicht die vorgeschriebene Dokumentation nicht weit genug. Es ist vielmehr erforderlich auch zu dokumentieren, wenn durch eine Maßnahme in den Kernbereich vorgedrungen wurde, ohne dass Daten aufgezeichnet oder sonst gespeichert wurden.[76] Hinsichtlich der Löschungspflichten wird außerdem nicht hinreichend klar, dass auch Informationen zu tilgen sind, die vor allem von Vertrauenspersonen selbst festgehalten worden sind.[77]
b) Auswertungs- und Verwertungsebene
Für die Wohnraumüberwachung und die Online-Durchsuchung regelt Art. 11 Abs. 2 S. 3 BayVSG, dass alle personenbezogenen Daten aus diesen Maßnahmen unverzüglich der richterlichen Entscheidung über die Verwertbarkeit zuzuführen sind, sofern sie nicht ohne inhaltliche Kenntnisnahme unmittelbar nach Erhebung gelöscht wurden. Damit normiert das Gesetz – etwas kryptisch und versteckt – die vom BVerfG für diese besonders intensiven Eingriffe geforderte[78] unabhängige Vorabkontrolle auf Kernbereichsrelevanz.[79]
Für den Einsatz von V-Personen sowie Verdeckten Mitarbeitern ist eine vollumfängliche unabhängige Kernbereichskontrolle aber grundsätzlich nicht erforderlich.[80] Deshalb bleibt es hier bei der allgemeinen Regelung aus Art. 8a Abs. 1 S. 5 BayVSG, nach der lediglich bei Zweifeln über die Tangierung des Kernbereichs eine richterliche Entscheidung über die Verwertbarkeit herbeizuführen ist. Die Vertrauensleute oder Verdeckten Mitarbeiter haben aber jeweils selbstständig die Voraussetzungen der Unterbrechung zu prüfen und gegebenenfalls für eine Einhaltung der Lösch- und Dokumentationspflichten zu sorgen (Art. 18 Abs. 1 S. 6 BayVSG, ggf. i.V.m. Art. 19 Abs. 1 S. 1 BayVSG). Außerdem ist in Art. 19 Abs. 3 BayVSG vorgesehen, dass Informationen von Vertrauenspersonen erst verarbeitet werden dürfen, wenn zuvor ihre Verwertbarkeit geprüft wurde. Damit ist keine unabhängige Kontrolle gemeint, sondern der bayerische Gesetzgeber versucht augenscheinlich, die Vorgaben des BVerfGumzusetzen, wonach der V-Person-Führer die Daten noch einmal selbst auf Kernbereichsrelevanz zu prüfen hat, bevor sie der restlichen Behörde zugänglich gemacht werden.[81] Trotz der Formulierung im Passiv wird die Regelung wohl in diesem Sinne auszulegen sein und hat damit durchaus mehr als eine deklaratorische Wirkung.[82]
4. Schutz der Daten Minderjähriger
Regelmäßig kommt es auch vor, dass Minderjährige in den Fokus der Verfassungsschutzbehörden rücken und sich so die Frage stellt, welche Besonderheiten zu beachten sind, wenn sie von Datenverarbeitungsmaßnahmen des Landesamtes betroffen sind. Art. 5 Abs. 1 S. 3 BayVSG normiert lediglich, dass die Daten Minderjähriger zu kennzeichnen und besonders gegen unbefugten Zugriff zu sichern sind. In Art. 21 Abs. 1 S. 2 BayVSG findet sich zudem ein Verweis auf § 63 Abs. 1 BZRG, wonach die Daten grundsätzlich mit Vollendung des 24. Lebensjahres gelöscht werden müssen. Außerdem schreibt das Gesetz eine regelmäßige Prüfung vor, ob Daten zu berichtigen oder zu löschen sind, wobei es für Minderjährigendaten eine Halbierung der entsprechenden Prüffrist auf zwei Jahre vorsieht (Art. 21 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 BayVSG). Damit ist der Schutz der Daten Minderjähriger auch nach der Reform unzureichend ausgestaltet.[83] Die bayerischen Regelungen bleiben weit hinter denen des Bundes zurück, wo in §§ 11, 24 BVerfSchG ein nach Alter und Art der Speicherung oder Übermittlungsziel abgestuftes Schutzkonzept vorgesehen ist.[84] Bereits mit der Novelle des BayVSG im Jahr 2016 hatte der bayerische Gesetzgeber bedauerlicherweise eine zuvor auch in Bayern geltende, ähnlich differenzierende Ausgestaltung[85] aufgegeben und durch die zuvor genannte pauschale Regelung ersetzt.[86] Trotz der Anregung, zum alten Rechtszustand zurückzukehren[87] verzichtet das neue BayVSG überdies weiterhin auf verkürzte Löschfristen. Die Kombination aus der nach Art. 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BayVSG grundsätzlich 15-jährigen Speicherdauer und dem sachlich eher unpassenden Verweis auf das BZRG wird der besonderen Schutzbedürftigkeit Minderjähriger jedenfalls nicht gerecht.[88] Schließlich ist der Verweis auf das Bundeszentralregister schon deshalb problematisch, weil dort in der Regel nur rechtskräftige Verurteilungen und keine „weichen Tatsachen“ wie verfassungsfeindliche Aktivitäten eingetragen werden.
Minderjährige sind als natürliche Personen unabhängig von ihrem Alter Träger des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.[89] Die besondere Rechtfertigungsbedürftigkeit von Informationseingriffen ergibt sich bei ihnen daraus, dass sie in ihrer Persönlichkeit noch nicht ausgereift sind und die Tragweite ihrer Handlungen altersbedingt regelmäßig nicht überblicken können[90]. In der Folge können sie beispielsweise leichter in die Fänge von Extremisten geraten. Zudem begründet Art. 24 GRCh einen besonderen Schutzanspruch von Kindern. Daraus folgt, dass personenbezogene Daten von Minderjährigen zwar grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen gespeichert werden können, es müssen aber aus Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsentwicklung verkürzte Löschfristen gelten.[91] Das Erfordernis, Daten Minderjähriger im Vergleich zu Daten Erwachsener früher zu löschen, verfolgt dabei den gewichtigen Zweck, ein „Mitschleppen von Jugendsünden“ zu verhindern und auf Resozialisierung hinzuwirken.[92] Im Vergleich zu den jüngst ebenfalls reformierten Nachrichtendienstgesetzen auf Bundesebene (vgl. §§ 24, 25 Abs. 5 BVerfSchG, §§ 9f, 9g BNDG) trägt das neue BayVSG dem nicht hinreichend Rechnung.
IV. Datenübermittlung durch das Landesamt
Die Vorschriften zur Datenübermittlung durch das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz finden sich nun in Art. 24 bis 28 BayVSG. Die praktisch bedeutsamste Norm dürfte dabei Art. 25 BayVSG sein, der die Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landesamt im Inland an öffentliche oder nicht-öffentliche Stellen betrifft. Diese Norm hat im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens durch die hierzu gehörten Sachverständigen nicht unerhebliche Kritik erfahren und wurde infolge dessen im Laufe des parlamentarischen Beratungsverfahrens im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag der Bayerischen Staatsregierung noch einmal deutlich verändert.[93] Die Übermittlung nicht personenbezogener Daten soll sich demgegenüber nach der allgemeinen Datenverarbeitungsbefugnis aus Art. 5 BayVSG richten.[94]
1. Übermittlung an öffentliche Stellen zur Gefahrenabwehr
Zulässig ist eine Übermittlung an öffentliche Stellen nach Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG zunächst zur Abwehr einer konkretisierten Gefahr für ein Verfassungsschutzgut aus Art. 3 S. 1 BayVSG, für Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit oder sexuelle Selbstbestimmung einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im besonderen öffentlichen Interesse geboten ist. Dieser Rechtsgüterkatalog geht zwar über diejenigen Güter hinaus, welche das BVerfG explizit als besonders gewichtig benennt,[95] dürfte aber die Grenze der Verfassungswidrigkeit noch nicht überschreiten[96]. Ähnliches gilt auch für die Übermittlungsschwelle selbst. Allerdings hat es der bayerische Gesetzgeber auch in diesem Kontext versäumt, die konkretisierte Gefahr durch einen Zusatz wie „zumindest“ oder „mindestens“ als absolute Untergrenze für Datenübermittlungen zu Gefahrenabwehr auszuweisen.[97] Auch eine Legaldefinition der konkretisierten Gefahr fehlt im Gegensatz zum neuen § 19 Abs. 2 BVerfSchG.
2. Übermittlung an öffentliche Stellen zur Strafverfolgung
Eine Übermittlung an öffentliche Stellen ist auch dann möglich, wenn dies erforderlich ist zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht einer solchen begründen (Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 BayVSG). Mit diesem Erfordernis des Vorliegens
„bestimmter Tatsachen“ ist gemeint, dass konkrete und in gewissem Umfang verdichtete Umstände als Tatsachenbasis für einen strafprozessualen Anfangsverdacht bestehen müssen.[98] Das steht insoweit in Einklang mit den Vorgaben des BVerfG.[99]
a) Begriff der besonders schweren Straftaten
Bezugspunkt des konkretisierten Anfangsverdachts ist der Begriff der besonders schweren Straftat, wie er in Art. 4 Abs. 3 Nr. 2 BayVSG legaldefiniert ist. Diese Norm beruht wiederum auf einem dualistischen Konzept.[100] Es rekurriert zum einen auf die Rechtsgüter, gegen die sich die Straftat richtet. Zum anderen findet aber auch das für das jeweilige Delikt abstrakt angedrohte Höchstmaß der Freiheitsstrafe Eingang in die Definition, wobei eine geringere Höchststrafe teilweise durch einen konkretisierten Begehungsbezug ausgeglichen werden kann. Nach der gesetzlichen Konzeption müssen alle besonders schweren Straftaten gegen ein Verfassungsschutzgut (Art. 3 S. 1 BayVSG), Leib, Leben oder Freiheit von Personen oder gegen Sachen, deren Erhaltung im besonderen öffentlichen Interesse liegt, gerichtet sein. Eine hiergegen gerichtete Tat ist dann besonders schwer, wenn sie entweder mit einer Höchststrafe von mindestens zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist (Art. 4 Abs. 3 Nr. 2 lit. a BayVSG) oder eine Höchststrafe von mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe aufweist und im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer beobachtungsbedürftigen Bestrebung oder in Ausführung einer beobachtungsbedürftigen Tätigkeit begangen wird.
Damit wird das Gesetz den Anforderungen nicht gerecht, die das BVerfG noch zum Begriff der besonders schweren Straftat aus Art. 13 Abs. 3 S. 1 GG aufstellte, also für die akustische Wohnraumüberwachung. Hier forderte es eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe.[101] Betrachtet man aber den Aufgabenbereich des Landesamts für Verfassungsschutz, dann wird klar, dass es dabei nicht für den Bereich der gesamten nachrichtendienstlichen Übermittlung bleiben kann. Vor allem in der Spionageabwehr fallen regelmäßig Erkenntnisse an, die für die Verfolgung von Staatsschutzdelikten zentrale Bedeutung haben, deren Strafrahmen aber nicht immer über fünf Jahre Freiheitsstrafe hinausreicht. Das gilt z.B. prominent für den einfachen Fall der Geheimdienstlichen Agententätigkeit (§ 99 Abs. 1 StGB). Eine verfassungsschutzspezifische Ausgestaltung des Begriffs der besonders schweren Straftaten erscheint deshalb im Ergebnis durchaus vertretbar.[102]
Allerdings fordert das BVerfG, dass Übermittlungen durch eine Verfassungsschutzbehörde stets dem Schutz eines besonders gewichtigen Rechtsguts[103] bzw. herausragenden öffentlichen Interesses[104] dienen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Ausgestaltung des neuen Art. 25 Abs. 1 S. 2 BayVSG zu weit geraten. Durch die vom Landesgesetzgeber gewählte Mischlösung gelten nun auch
Straftaten aus dem Bereich der einfachen und mittleren Kriminalität, wie einfache Körperverletzungen (§ 223 Abs. 1 StGB), Diebstähle (§ 242 Abs. 1 StGB) oder Betrugstaten (§ 263 Abs. 1 StGB), als besonders schwere Straftaten, wenn diese nur im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer beobachtungsbedürftigen Bestrebung begangen werden.[105] Dies gilt insbesondere, da ein solcher Zusammenhang von Seiten des Landesamtes regelmäßig ungeprüft durch unabhängige Dritte unterstellt werden kann, um eine Übermittlung an die Strafverfolgungsbehörden erst einmal zu ermöglichen.[106] Jedenfalls die Nutzung solcher personenbezogener Informationen aus dem Verfassungsschutzkontext als Spurenansatz für weitere Ermittlungen durch die Strafverfolgungsbehörden steht dann als Option regelmäßig offen.
b) Weitere Probleme repressiver Übermittlung
Eine verfassungsschutzspezifische Ausgestaltung der besonders schweren Straftaten ist zu Recht nicht vorgesehen, wenn Daten aus einer Wohnraumüberwachung oder einer Online-Durchsuchung betroffen sind. Im Übrigen sind hier auch die Anforderungen an die präventive Übermittlung verschärft. Nach Art. 25 Abs. 6 S. 3 i.V.m. Art. 9 Abs. 1 S. 4, 5 und Art. 10 Abs. 1 S. 3 BayVSG ist hier die Übermittlung nur zur Verfolgung einer Straftat im Sinne des § 100b StPO, ggf. i.V.m. § 100c StPO zulässig. Verwiesen wird also auf die strafprozessualen Anforderungen der entsprechenden Maßnahmen.[107] Eine vergleichbare Regelung findet sich nunmehr auch in § 21 Abs. 3 BVerfSchG und § 11a Abs. 2 BNDG. Der Sache nach wird auf diese Weise dem Prinzip der hypothetischen Datenneuerhebung Rechnung getragen. Schließlich ist im Strafverfahren vor dem Hintergrund von Art. 13 Abs. 3 GG („akustische Überwachung“) die Anfertigung von Bildaufnahmen aus Wohnungen zu Ermittlungszwecken de lege lata ausgeschlossen. Zudem sind die Straftaten, zu deren Aufklärung auf solche Maßnahmen zurückgegriffen werden kann, durch einen eigenständigen Katalog umgrenzt.
Darüber hinaus existiert mit Blick auf den Rechtsgüterschutz ein Unterschied zwischen der Übermittlung zu präventiven und derjenigen zu repressiven Zwecken, die sich letztlich mit Blick auf die grundrechtlichen Schutzpflichten legitimieren lässt. Erstere ist unter anderem zum Schutz der Gesundheit oder sexuellen Selbstbestimmung möglich (Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 lit. b Alt. 3, 5 BayVSG), nicht aber die Strafverfolgungsübermittlung (Art. 25 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Art. 4 Abs. 3 Nr. 1 lit. a BayVSG). Da die Polizeibehörden jedoch eine Pflicht aus dem Legalitätsprinzip zur Verfolgung der in den übermittelten Sachverhalten regelmäßig enthaltenen Straftaten trifft (§§ 152 Abs. 2, 163 Abs. 1 S. 1 StPO)[108], kommt es faktisch auch im Anschluss an Übermittlungen zu Gefahrenabwehrzwecken zur Strafverfolgung.[109]
Darüber hinaus sieht Art. 28 BayVSG Übermittlungsverbote vor, die für alle Übermittlungstatbestände des Gesetzes gelten. Die Norm entspricht weitgehend § 23 BVerfSchG, weicht aber vor allem in einem entscheidenden Punkt ab. Die überwiegenden Sicherheitsinteressen aus Art. 28 Abs. 1 Nr. 2 BayVSG können nach Art. 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BayVSG nämlich grundsätzlich nicht vorliegen, wenn die Übermittlung zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat erforderlich ist. Von vornherein darf aber nur zur Verfolgung einer besonders schweren Straftat übermittelt werden. Einer Strafverfolgungsübermittlung können daher nie beispielsweise Erfordernisse des Quellenschutzes oder des Schutzes operativer Maßnahmen entgegengehalten werden. Eine Ausnahme bildet insoweit lediglich die unmittelbare Gefährdung von Leib oder Leben. Angesichts des klaren Wortlauts des Gesetzes kann das auch nicht durch das Übermittlungsermessen aus Art. 25 BayVSG umgangen werden.[110]
3. Übermittlung an öffentliche Stellen zu sonstigen Zwecken
Art. 25 Abs. 2 BayVSG regelt die Übermittlung an öffentliche Stellen zu einer Vielzahl von weiteren Zwecken. Hierfür sind weder das Vorliegen einer zumindest konkretisierten Gefahr noch ein durch bestimmte Tatsachen konkretisierter Anfangsverdacht erforderlich.
a) Regelungskonzept von Art. 25 Abs. 2 BayVSG
Die Vorschrift erklärt zunächst eine Weitergabe der Daten zum Zwecke eines Vereinsverbots nach § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG, einer Entscheidung zur Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 S. 2 GG oder eines Verfahrens zum Parteiverbot oder zum Ausschluss von der Parteienfinanzierung nach Art. 21 Abs. 4 GG für zulässig (Art. 25 Abs. 2 Nr. 1 BayVSG). Voraussetzung ist lediglich, dass dies dem Schutz eines derjenigen Rechtsgüter dient, zu denen auch eine Übermittlung zur Gefahrenabwehr möglich wäre und zum angestrebten Zweck erforderlich ist. In gleicher Weise wird die Übermittlung zur Strafvollstreckung, zum Vollzug von Straf-, Untersuchungs- und Sicherungsverwahrungshaft oder Jugendarrest sowie zu Zwecken eines Gnadenverfahrens privilegiert (Art. 25 Abs. 2 Nr. 2 BayVSG).
Daneben ermöglicht das Gesetz eine Weitergabe an öffentliche Stellen zu einer unbegrenzten Vielzahl an sonstigen Zwecken. Voraussetzung hierfür ist, dass die Übermittlung zur Erfüllung eigener Aufgaben des Landesamts oder von Aufgaben des Datenempfängers dient und eine Verwendung der Daten für Maßnahmen, die unmittelbar mit Zwangswirkung vollzogen werden, ausgeschlossen ist (Art. 25 Abs. 2 Nr. 3 BayVSG).
b) Relevanz operativer Befugnisse
Hintergrund der Regelung des Art. 25 Abs. 2 BayVSG ist, dass das BVerfG in seinem Urteil zum BayVSG vom 26. April 2022 in Bezug auf die Übermittlung an inländische Behörden nur explizit auf die Übermittlung an Gefahrenabwehr- oder Strafverfolgungsbehörden eingegangen ist. Für sonstige Zwecke hat der Erste Senat nur festgestellt, dass nach dem Kriterium der hypothetischen Datenneuerhebung auch hier die Datenweitergabe dem Schutz eines Rechtsguts von besonderem Gewicht dienen müsse. Die maßgebliche Eingriffsschwelle könne aber abgesenkt werden, wenn die empfangende Stelle keine operativen Befugnisse habe.[111] Was operative Befugnisse genau ausmacht, haben die Karlsruher Richter jedoch nicht definiert, sodass der Gehalt dieses Begriffs umstritten ist.[112] Das BayVSG in der nun in Kraft getretenen Version verzichtet deshalb gänzlich auf dessen Verwendung.[113]
Gesetzestechnisch kann man eine Definition des Begriffs zwar umgehen, materiell aber nicht – zumindest nicht, soweit das BayVSG die verfassungsrechtlichen Spielräume umfassend nutzen will. Für die inhaltliche Bewertung der Übermittlungsnormen spielt er dann nämlich weiterhin eine Rolle. Richtigerweise wird man unter operativen Befugnissen solche zu verstehen haben, „mit denen behördliche Aufgaben der Gefahrenabwehr oder der Strafverfolgung unmittelbar erfüllt und notfalls mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden können.“[114]
c) Folgeprobleme
Auf dieser Basis bleibt bestenfalls unklar, ob beispielsweise die Privilegierung einer Übermittlung zum Zwecke eines Vereinsverbots verhältnismäßig ist. Die Verbotsbehörden haben nach § 4 VereinsG diverse Ermittlungsbefugnisse, die teilweise strafprozessualen Befugnissen entsprechen. Sie können so unter anderem Beschlagnahmen vornehmen, die als typisches Beispiel für eine operative Befugnis gelten können.[115] Problematisch erscheint die pauschale Begründung des Gesetzgebers, ein zu verbietender Verein stelle stets eine konkretisierte Gefahr für die Verfassungsschutzgüter dar[116]. Die Verbotsgründe aus § 3 Abs. 1 S. 1 VereinsG umfassen auch die bloße Strafgesetzwidrigkeit des Vereins.
Art. 25 Abs. 2 Nr. 3 BayVSG nutzt hingegen letztlich die obige, weite Definition, indem dort die Nutzung „für Maßnahmen, die unmittelbar mit Zwangswirkung vollzogen werden“ ausgeschlossen sein muss.[117] Das ist im Grundsatz zu begrüßen. Allerdings soll ein Ausschluss unmittelbarer Zwangsmaßnahmen nicht nur dann gegeben sein, wenn die Empfangsbehörde generell über solche rechtlich nicht verfügt. Vielmehr entspricht es der Konzeption des Gesetzes, dass ein hinreichender Ausschluss auch vorliegen soll, wenn der Empfänger solche Befugnisse aufgrund der Verwendungsbeschränkungsregelung aus Art. 25 Abs. 5 S. 1 BayVSG nicht einsetzen können soll.[118] Das wiederum erscheint aus kompetenzrechtlichen Gesichtspunkten äußerst problematisch, soweit als Datenempfänger Behörden anderer Länder oder des Bundes betroffen sind und die jeweiligen Gesetzgeber keine Öffnungsklauseln vorgesehen haben.[119] Konsequenterweise hat deshalb auch der Bundesgesetzgeber in den jüngst reformierten Datenübermittlungsregelungen der Nachrichtendienste im BVerfSchG, BNDG und MADG auf das verfassungsrechtlich zweifelhafte und praktisch kaum kontrollierbare Konzept verzichtet, Übermittlungsbefugnisse durch Zweckbindungsvorgaben hinsichtlich der übermittelten Informationen an die Datenempfänger weiter auszudehnen. Außerdem bleibt im Rahmen des Art. 25 Abs. 2 Nr. 3 BayVSG fraglich, wann z.B. das Ordenswesen dem Schutz der Verfassungsschutzgüter, von Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit oder sexueller Selbstbestimmung einer Person oder von Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im besonderen öffentlichen Interesse geboten ist, dienen soll.
Auf die Regelung einer echten Übermittlungsschwelle wurde im gesamten Art. 25 Abs. 2 BayVSG verzichtet. Das soll angeblich der besseren Lesbarkeit der Vorschrift dienen, denn die Vorschrift sei aufgrund der Rechtsprechung des BVerfG hochkomplex. Die Schwelle ergebe sich ohnehin aus dem Merkmal der „Erforderlichkeit“.[120] Das kann als Begründung kaum überzeugen und ist außerdem von gesetzlicher Bestimmtheit und Anwenderfreundlichkeit weit entfernt. Auch der pauschale Verweis auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 28 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG[121] hilft nicht weiter. Das BVerfG hat klargestellt, dass allgemeine Verhältnismäßigkeitsvorbehalte den Anforderungen an Normenklarheit und -bestimmtheit nicht gerecht werden.[122]
4. Übermittlung von Daten, die nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden oder allgemein zugänglich sind
Art. 25 Abs. 3 BayVSG stellt klar, dass die strengen Anforderungen zur Übermittlung personenbezogener Daten an öffentliche Stellen aus den Absätzen 1 und 2 der Norm nur gelten, wenn die Daten mit – in Art. 8 Abs. 2 BayVSG nicht abschließend definierten, sondern weitgehend in einer Dienstvorschrift „versteckten“ – nachrichtendienstlichen Mitteln erhoben wurden oder nicht allgemein zugänglich sind. Ansonsten ist die Übermittlung schon zulässig, wenn dies zur Erfüllung eigener Aufgaben des Landesamts oder von Aufgaben des Empfängers erforderlich ist. Die Regelung geht insofern über Art. 25 Abs. 2 Nr. 3 BayVSG hinaus, als sie einen Ausschluss operativer Befugnisse nicht voraussetzt und keinen konkreten Rechtsgutsbezug aufweist. Das wird den einschlägigen verfassungsgerichtlichen Vorgaben nicht gerecht. Das BVerfG hat gerade nicht ausgeführt, dass die Übermittlung von nicht mit nachrichtendienstlichen Mitteln erhobenen personenbezogenen Informationen generell an geringere Voraussetzungen gebunden werden kann. Es hat vielmehr umgekehrt bei der Übermittlung von Informationen, die mit nachrichtendienstlichen Mitteln gewonnen wurden, das zusätzliche Erfordernis des hypothetischen Ersatzeingriffs aufgestellt.[123]
5. Übermittlung an nicht-öffentliche Stellen
Art. 25 Abs. 4 BayVSG regelt die Datenübermittlung an nicht-öffentliche Stellen. Dies setzt immer den Schutz eines Rechtsguts aus Art. 25 Abs. 1 Nr. 1 BayVSG voraus, also eines solchen, zu dessen Schutz auch eine Gefahrenabwehrübermittlung möglich wäre. Zudem darf sie nur vorgenommen werden, wenn dies erforderlich ist, entweder zur Verhütung oder Beseitigung sonstiger erheblicher Nachteile für das Gemeinwohl (Art. 25 Abs. 4 Nr. 1 lit. a BayVSG) oder zur Wahrung schutzwürdiger Interessen des Empfängers, wenn der Betroffene kein schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Übermittlung hat (Art. 25 Abs. 4 Nr. 1 lit. b BayVSG). Zudem muss das Staatsministerium des Innern der Übermittlung zugestimmt haben, was aber auch antizipiert für eine Mehrzahl von Fällen erfolgen kann (Art. 25 Abs. 4 Nr. 2 BayVSG).
Das BVerfG hat sich nicht explizit zu den Anforderungen der Informationsweitergabe an private Stellen geäußert. Doch wird man ein Bedürfnis danach nicht per se verneinen können. Zu denken ist etwa an den Schutz kritischer Infrastruktur.[124] Dennoch kann die bayerische Regelung nicht überzeugen. Das liegt schon an der massiven Kumulation bereits für sich genommen unbestimmter Begriffe: sonstiger erheblicher Nachteil, Gemeinwohl, Verhütung, schutzwürdige Interessen des Empfängers und schutzwürdige Interessen des Betroffenen. Grundsätzlich zu begrüßen ist, dass eine Stelle jenseits des Landesamtes der Übermittlung an Private zustimmen muss. Warum allerdings das Bayerische Staatsministerium des Innern als oberste Dienstbehörde ohne gesetzlich festgelegte Kriterien in diese operative Entscheidung eingeschaltet werden muss, bleibt unklar. Im Übrigen bleibt auch die inhaltliche Frage offen, was einen erheblichen Nachteil von einem sonstigen erheblichen Nachteil unterscheiden soll. Bei der Übermittlung von personenbezogenen Daten an private Stellen ist sachlich eine besondere Zurückhaltung geboten. Private sind rechtlich nicht an gesetzliche Tätigkeitsvoraussetzungen gebunden und faktisch auch im Umgang mit Vertretern der Dienste nicht geübt und infolgedessen leicht überfordert. Überzeugender ist deshalb der diesbezügliche Ansatz des Bundesgesetzgebers. In den neuen
§ 22a BVerfSchG, § 11c BNDG wird der Grundsatz aufgestellt, dass die Übermittlung personenbezogener Daten an inländische nichtöffentliche Stellen unzulässig ist. Von diesem Grundsatz werden dann in einem abschließenden und eng begrenzten Katalog Ausnahmen zugelassen, etwa beim Schutz der Infrastruktur, des Kindeswohls oder von Präventions-, Ausstiegs- oder Deradikalisierungsprojekten (§ 22a Nr. 3 lit a, e, f BVerfSchG).
6. Übermittlung an ausländische oder über- und zwischenstaatliche Stellen
Art. 26 Abs. 1 BayVSG regelt schließlich die Übermittlung personenbezogener Daten an ausländische, über- und zwischenstaatliche Stellen. Hierfür gelten die Voraussetzungen des Art. 25 BayVSG entsprechend. Daher ist eine Übermittlung nur dann möglich, wenn sie dem Schutz eines Rechtsguts von herausragendem öffentlichen Interesse dient und auch dieselben Übermittlungsschwellen wie im Inland eingehalten werden.[125] Davon ungeachtet erlangen deshalb auch bei Art. 26 BayVSG die zuvor genannten Kritikpunkte im Rahmen der Übermittlung an inländische Stellen Geltung.
Eine Übermittlung ins Ausland ist ausgeschlossen, wenn auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen (Art. 26 Abs. 2 Nr. 1 BayVSG) oder ein datenschutzrechtlich angemessener und ein die elementaren Menschenrechte wahrender Umgang mit den Daten beim Empfänger nicht hinreichend gesichert ist (Art. 26 Abs. 2 Nr. 2 BayVSG). Insbesondere hinsichtlich des letztgenannten Ausschlussgrundes hat der bayerische Gesetzgeber nahezu wortgleich und damit zumindest inhaltlich nicht kritikwürdig die einschlägigen Vorgaben des BVerfG in das einfache Recht überführt.[126] Allerdings müssen im Einzelfall stets die jeweils bestehenden Besonderheiten der ausländischen Rechtsordnung, die eine Abweichung vom nationalen Recht nicht generell verbieten, berücksichtigt werden.[127] Immer unzulässig ist jedoch die Datenübermittlung beispielsweise zum Zwecke der politischen Verfolgung.[128]
Die vom BVerfG statuierte Anforderung einer „Vergewisserung“ der Einhaltung dieser Standards durch die Bundesrepublik[129] wird formal durch das dem Landesamt vorbehaltene Auskunftsrecht bezüglich der Datenweiterverarbeitung durch den Empfänger gewahrt. Unabhängig davon gilt zudem nach Art. 26 Abs. 3 BayVSG das Zustimmungserfordernis des Landesamtes für Datenübermittlungen durch den nicht-inländischen Empfänger an Dritte[130], das gerade nicht das Verhältnis zwischen dem Landesamt und den nicht-inländischen Stellen betrifft.
V. Fazit und Ausblick
Die jüngste Reform des BayVSG, die hier nur ausschnittsweise dargestellt werden konnte, ist nach alledem von wenig Licht und viel Schatten geprägt. Die Aufgabe, ein modernes und verfassungskonformes Nachrichtendienstrecht zu schaffen, welches das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Sicherheit auch in Zeiten verschärfter Bedrohungslagen und zunehmender technischer Eingriffsmöglichkeiten in einen angemessenen Ausgleich bringt,[131] hat der bayerische Gesetzgeber nur teilweise erfüllt. Zu groß war bei der Reform des BayVSG im Jahr 2023 das Bestreben, Wege an den als zu eng empfundenen Vorgaben des BVerfG vorbei zu finden, um ein Höchstmaß an Flexibilität für das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz zu bewahren. Das Risiko, dass auch Teile dieser gesetzlichen Neuregelung erneut keinen Bestand vor den Schranken des BVerfG haben könnten, wurde dabei erkennbar in Kauf genommen. Insbesondere die Datenübermittlungsvorschriften sind teilweise deutlich zu weit geraten, wie auch der Vergleich mit den jüngst reformierten Bestimmungen hierzu im BVerfSchG und im BNDG zeigt. Teilweise erscheint es auch, etwa bei der intransparenten und teilweise schlicht unverständlichen Ausgestaltung des dreistufigen Konzepts zur Beobachtungsbedürftigkeit, bewusst unpraktikabel formuliert, um dem Landesamt im Dickicht unklarer Eingriffsbefugnisse ein Maximum an Handlungsspielraum zu gewähren. Das neue BayVSG ist damit weder hinsichtlich der gewählten Herangehensweise im Gesetzgebungsverfahren noch bezüglich der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung ein umfassend brauchbares Vorbild für laufende oder künftige Reformen der Sicherheitsgesetze auf Landes- oder Bundesebene.
[1] BVerfGE 162, 1.
[2] GVBl. 2016, S. 145.
[3] Vgl. auch BVerfGE 133, 277 (Antiterrordateigesetz); 155, 119 (Bestandsdatenauskunft II); BVerfG BeckRS 2022, 41609 (SOG MV); BVerfG NJW 2023, 1196 („Hessen Data“) sowie zuletzt BVerfGE 163, 43 (Datenübermittlungsbefugnisse im BVerfSchG).
[4] BVerfGE 141, 220.
[5] BVerfGE 154, 152.
[6] S. Bantlin/Graulich, GSZ 2023, 179 (182): trotz intendiertem Wettbewerbsföderalismus lassen sich der Rspr. des BVerfG „wiederkehrende Grundsätze für normative Kontrollen der Nachrichtendienste entnehmen“.
[7] Etwa Gärditz, GSZ 2022, 161 (170); Unterreitmeier, GSZ 2023, 34 (40); Aicher/Unterreitmeier, BayVBl. 2023, 617 (622 f.).
[8] Zöller, StV 2022, 693 (700); ferner Gärditz, GSZ 2022, 161 (170).
[9] BVerGE 163, 43 (88 ff. Rn. 120 ff.).
[10] BVerfG, BeckRS 2022, 41609.
[11] BVerfGE 162, 1 (75 Rn. 154).
[12] BVerfGE 162, 1 (79 Rn. 163).
[13] Gusy, KritV 1994, 242 (243).
[14] BVerfGE 162, 1 (87 Rn. 181).
[15] BVerfGE 162, 1 (90 Rn. 187); dazu Zöller, StV 2022, 693 (695).
[16] BVerfGE 162, 1 (98 Rn. 206).
[17] BVerfGE 162, 1 (87 Rn. 181).
[18] BVerfGE 162, 1 (82 f. Rn. 170 f.).
[19] BVerfGE 162, 1 (84 Rn. 173).
[20] BVerfGE 162, 1 (83 Rn. 172).
[21] Löffelmann, BayVBl. 2017, 253 ff.
[22] Durch Art. 1 des Gesetzes zum ersten Teil der Reform des Nachrichtendienstrechts vom 22.12.2023 (BGBl. I Nr. 413), in Kraft seit 30.12.2023.
[23] BVerfGE 163, 43 (105 Rn. 164).
[24] Vgl. Eichenhofer, NVwZ 2023, 41 (42).
[25] Zu den Grundsätzen BVerfGE 163, 43 (88 ff. Rn. 120 ff. m.w.N.); näher dazu Löffelmann/Zöller, Nachrichtendienstrecht, 2022, Rn. A.1, 35, 60, 91 f.
[26] BVerfGE 162, 1 (118 f. Rn. 249 ff.); 163, 43 (95 Rn. 153 ff.).
[27] BVerfGE 162, 1 (111 ff. Rn. 235 ff.); 163, 43 (90 ff. Rn. 124 ff.).
[28] BVerfG, BeckRS 2022, 41609.
[29] Schon BVerfGE 162, 1 (80 ff. Rn. 165 ff.).
[30] BVerfG, BeckRS 2022, 41609 Rn. 124 ff.
[31] BVerfG, BeckRS 2022, 41609 Rn. 105 ff.
[32] BVerfG, BeckRS 2022, 41609 Rn. 108.
[33] Vgl. LT-Drs. 17/10014.
[34] Plenarprotokoll 17/78 v. 7.7.2016, S. 6698.
[35] Dazu Rusteberg, KritV 2017, 24.
[36] Dazu Löffelmann, GSZ 2020, 182.
[37] Vgl. LT-Drs. 17/20763, S. 1. Zur Entstehungsgeschichte s. auch Aicher/Unterreitmeier, BayVBl. 2023, 617 (617 f.).
[38] LT-Drs. 18/21537.
[39] BVerfGE 162, 1 (176 Rn. 403).
[40] Vgl. Aicher/Unterreitmeier, BayVBl. 2023, 617.
[41] LT-Drs. 18/25825.
[42] LT-Drs. 18/26159.
[43] Vgl. Zöller, Schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes und des Bayerischen Datenschutzgesetzes v. 2.3.2023, online abrufbar unter: https://cms-cdn.lmu.de/media/03-jura/02-lehrstuehle/zoeller/downloads/stellungnahme-zoeller-innenausschuss-25.04.23.pdf (zuletzt abgerufen am 15.1.2024). Insofern waren sich die Experten auch nicht „ganz überwiegend“ darin einig, dass sowohl der SPD-Entwurf als auch der Änderungsantrag der CSU den gerichtlichen Vorgaben „im Wesentlichen Rechnung“ tragen, so aber Aicher/Unterreitmeier, BayVBl. 2023, 617 (618).
[44] LT-Drs. 18/29057.
[45] LT-Drs. 18/29650.
[46] Weitere Änderungsanträge wurden von Bündnis 90/Die Grünen, LT-Drs. 18/28899, und FDP-Fraktion, LT-Drs. 18/29007, 18/29008, 18/29009 am 11.5.2023 eingebracht, außerdem von der AfD am 16.5.2023, LT-Drs. 18/29058. Im Plenum am 19.7.2023 wurden letztere Änderungsanträge jedoch abgelehnt und der angepasste Gesetzentwurf der Staatsregierung letztlich mit 86 zu 41 Stimmen bei 25 Enthaltungen angenommen.
[47] LT-Drs. 18/30352, S. 1, 13.
[48] Der Entwurf wurde im Plenum mit 40 zu 104 Stimmen abgelehnt, Anlage 1 zum Plenarprotokoll 18/151 v. 19.7.2023, S. 21781.
[49] Vgl. Aicher/Unterreitmeier, BayVBl. 2023, 617 (620).
[50] BVerfGE 162, 1 (91 Rn. 190).
[51] So schon Zöller (Fn. 43), S. 10 f.
[52] Zu Kriterien für gute Gesetzgebung im Bereich des Sicherheitsrechts Zöller/Esser/Voigt/Gerson/Niedernhuber (Hrsg.), Sicherheitsgesetzgebung und Überwachungsgesamtrechnung, 2023, S. 41 ff. m.w.N.
[53] LT-Drs. 18/25825.
[54] LT-Drs. 18/25825, S. 5, vgl. auch S. 30 ff.
[55] Zur nicht abschließenden Einordnung von nachrichtendienstlichen Mitteln als besonders eingriffsintensiv bereits Zöller, StV 2022, 693 (696). Eine solche Kategorisierung wird ohnehin dadurch erschwert, dass die Liste zulässiger nachrichtendienstlicher Mittel nicht im BayVSG direkt, sondern in einer Dienstvorschrift geregelt ist (Art. 8 Abs. 2 BayVSG). Auch dahingehend wäre eine abschließende Aufzählung, wie in Art. 5 Abs. 1 BayModVSG-E, vorzugswürdig.
[56] BVerfGE 162, 1 (80 ff. Rn. 165 ff.).
[57] Zöller, StV 2022, 693 (696).
[58] Hierzu BVerfGE 162, 1 (135 f. Rn. 301).
[59] BVerfGE 162, 1 (135 Rn. 299).
[60] Kluckert, in: BeckOK-GG, 56. Ed. (Stand 15.8.2023), Art. 13 Rn. 19a.
[61] Bantlin/Graulich, GSZ 2023, 179 (182) halten eine gerichtliche Vorabkontrolle nicht für zwingend nötig.
[62] Hierzu BVerfGE 162, 1 (86 f. Rn. 180).
[63] Krit. zu den Vorgaben des BVerfG diesbezüglich Aicher/Unterreitmeier, BayVBl. 2023, 617 (622 f.).
[64] BVerfGE 141, 220 (272 f.); BVerfG, Beschl. v. 28.9.2022 – 1 BvR 2354/13, Rn. 134; Beschl. v. 9.12.2022 – 1 BvR 1345/21, Rn. 91.
[65] BGH, Beschl. v. 10.6.2020 – 3 ZB 1/20, Rn. 27; BVerwG, Vorlagebeschl. v. 31.5.2022 – 6 C 2.20, Rn. 37 m.w.N.; VG Ansbach, Urt. v. 19.1.2022 – AN 1 K 21.30046, Rn. 81; OVG Hamburg, Urt. v. 31.1.2022 – 4 Bf 10/21, Rn. 40 m.w.N.
[66] So explizit BT-Drs. 20/9345, S. 22.
[67] BVerfGE 162, 1 (85 Rn. 176).
[68] Zöller, StV 2022, 693 (696).
[69] LT-Drs. 18/25825, S. 7 ff.; zu den Kriterien, die die Schwere solcher Maßnahmen bestimmen, Löffelmann/Zöller, Rn. B.79 m.w.N.
[70] BVerfGE 162, 1 (126 ff. Rn. 275 ff.); BVerfG, BeckRS 2022, 41609 (99 f. Rn. 100 ff.).
[71] BVerfGE 141, 220 (277 f. Rn. 123 f.); 162, 1 (126 f. Rn. 275, 278).
[72] BVerfGE 141, 220 (278 f. Rn. 126); 162, 1 (127 Rn. 277); BVerfG, BeckRS 2022, 41609 Rn. 108 ff.
[73] BVerfGE 161, 1 (127 Rn. 277).
[74] Zöller, in: Zöller/Esser/Voigt/Gerson/Niedernhuber (Hrsg.), Sicherheitsgesetzgebung und Überwachungsgesamtrechnung, 2023, S. 249 (257 f.); Gercke, in: HK-StPO, 7. Aufl. (2023), § 100d Rn. 3 m.w.N.
[75] Mit dieser Forderung BVerfGE 162, 1 (137 f. Rn. 305).
[76] BVerfG, BeckRS 2022, 41609 Rn. 119.
[77] Vgl. BVerfG, BeckRS 2022, 41609 Rn. 123.
[78] BVerfGE 109, 279 (333 f.); 141, 220 (301 Rn. 200, 307 Rn. 220); 162, 1 (129 Rn. 282, 130 Rn. 286).
[79] LT-Drs. 18/29057, S. 25.
[80] BVerfG, BeckRS 2022, 41609 Rn. 117 ff.
[81] BVerfG, BeckRS 2022, 41609 Rn. 118.
[82] A.A. LT-Drs. 18/29057, S. 36.
[83] Vgl. Petri, GSZ 2022, 137 (144) zum BayVSG a.F.
[84] Ausf. dazu Zöller (Fn. 43), S. 13 f.
[85] Art. 7 Abs. 2 S. 3 und 4 BayVSG a.F.
[86] Zur Begründung LT-Drs. 17/10014, S. 45.
[87] Zöller (Fn. 43), S. 14 f.
[88] Zöller (Fn. 43), S. 14 f.
[89] Statt vieler Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. (2022), Art. 2 Rn. 56; Di Fabio, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 101. EL Mai 2023, Art. 2 Abs. 1 Rn. 223.
[90] Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. (2019), § 24 BVerfSchG Rn. 1; Dieterle, in: BeckOK-Polizei- und Sicherheitsrecht, 23. Ed. (Stand 15.4.2023), Art. 21 BayVSG Rn. 12; Zöller (Fn. 43), S. 13.
[91] Zöller (Fn. 43), S. 13.
[92] Vgl. BT-Drs. 11/4306, S. 62; LT-Drs. 17/10014, S. 45.
[93] Vgl. LT-Drs. 18/29057, S. 38 ff.
[94] LT-Drs. 18/29057, S. 38.
[95] BVerfGE 162, 1 (115 Rn. 243); 163, 43 (92 Rn. 130).
[96] Vgl. Löffelmann, JR 2023, 195 (204).
[97] BVerfGE 162, 1 (115 ff.); 163, 43 (93 ff. Rn. 132 ff.); Zöller (Fn. 43), S. 8.
[98] BVerfGE 154, 152 (270 Rn. 222); 156, 11 (56 Rn. 120); 162, 1 (118 Rn. 252); 163, 43 (95 Rn. 137); vgl. auch BT-Drs. 20/9345, S. 27.
[99] Vgl. BVerfGE 162, 1 (118 Rn. 252); 163, 43 (95 Rn. 137).
[100] Schach, in: Dietrich/Gärditz (Hrsg.), Spionageabwehr und Sabotageschutz, 2024 (i. Ersch.).
[101] BVerfGE 109, 279 (347 f.).
[102] Zum Ganzen Löffelmann, JR 2022, 433 (439 f.); Gärditz, GSZ 2022, 161 (168 f.); Unterreitmeier, GSZ 2023, 34 (39 f.); Schach (Fn. 100); ferner LT-Drs. 18/29057, S. 21 f. m.w.N. zu den Sachverständigen.
[103] BVerfGE 162, 1 (111 Rn. 236); 163, 43 (91 Rn. 125).
[104] BVerfGE 162, 1 (118 Rn. 250); 163, 43 (95 Rn. 136).
[105] A.A. Unterreitmeier, GSZ 2023, 34 (39).
[106] So Zöller (Fn. 43), S. 6 zur in Art. 17 Abs. 1 Nr. 3 BayModVSG-E vorgesehenen Abhängigkeit von Tätermotiven.
[107] Insoweit im Einklang mit der Empfehlung von Zöller (Fn. 43), S. 7; näher Schach (Fn. 100).
[108] Zur Verfolgungspflicht Zöller, in: HK-StPO, 7. Aufl. (2023), § 163 Rn. 1, 6 ff.
[109] So zur Übermittlung bei Vereinsverbotssachverhalten auch Unterreitmeier, GSZ 2023, 34 (37).
[110] Ausf. zum Ganzen Schach (Fn. 100).
[111] BVerfGE 162, 1 (119 ff. Rn. 254 ff.).
[112] S. dazu Zöller (Fn. 43) S. 7 f.; ausf. zum Begriff Unterreitmeier, GSZ 2023, 34 (34 ff.); vgl. auch Gärditz, GSZ 2022, 161 (166); krit. Löffelmann, JR 2022, 433 (436); Müller/Schwabenbauer, GSZ 2023, 1 (5).
[113] LT-Drs. 18/29057, S. 38, 43 m.w.N.
[114] Zöller (Fn. 43), S. 8.
[115] Insoweit auch LT-Drs. 17/29057, S. 41; Unterreitmeier, GSZ 2023, 34 (37); zu Beispielen für operative Befugnisse Zöller (Fn. 43), S. 7; vgl. zum Problem ferner Löffelmann, JR 2023
195 (202); Aicher/Unterreitmeier, BayVBl. 2023, 617 (624).
[116] LT-Drs. 18/29057, S. 41; Entwicklung dieser Begründung bei Unterreitmeier, GSZ 2023, 34 (37 f.).
[117] LT-Drs. 18/29057, S. 43.
[118] LT-Drs. 18/29057, S. 43.
[119] Zöller (Fn. 43), S. 18; für bundesgesetzliche Regelung der Verwendungsbeschränkung aufgrund des bundesrechtlichen Legalitätsprinzips Bund-Länder-AG, Abschlussbericht, S. 7, online abrufbar unter: www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2022/abschlussbericht-bund-laender-ag.pdf?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 16.1.2024).
[120] LT-Drs. 18/29057, S. 41.
[121] LT-Drs. 18/29057, S. 43.
[122] BVerfGE 162, 1 (164 Rn. 367).
[123] BVerfGE 162, 1 (108 f. Rn. 231 ff.).
[124] Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, 2. Aufl. (2019) § 19 BVerfSchG Rn. 36.
[125] BVerfGE 162, 1 (121 f. Rn. 261).
[126] BVerfGE 162, 1 (121 f. Rn. 260, 264 f.); zuvor bereits BVerfGE 141, 220 (344 Rn. 332 ff.).
[127] BVerfGE 162, 1 (121 f. Rn. 266); ebenso bereits zur Beurteilung der ausländischen Eingriffsschwellen im Rahmen der hypothetischen Datenneuerhebung: BVerfGE 162, 1(121 f. Rn. 263).
[128] BVerfGE 162, 1 (124 Rn. 268); LT-Drs. 18/29057, S. 46 nennt zudem das Verbot von Folter als absolute Grenze des zulässigen Übermittlungszwecks.
[129] BVerfGE 162, 1 (122, 124 Rn. 264, 269).
[130] Damit soll die „Third Party Rule“ als anerkannte Regelung im Bereich der internationalen Kommunikation im Sicherheits- und Nachrichtendienstrecht umgesetzt werden, LT-Drs. 18/29057, S. 46 f.
[131] Vgl. Ogorek, NJW 2022, 1570 (1572).