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Kollateralschäden nicht ausgeschlossen – Das „Rückführungsverbesserungsgesetz“, der „Schleusertatbestand“ und die zivile Seenotrettung

von Prof. Dr. Aziz Epik und Prof. Dr. Valentin Schatz 

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Abstract
Die Steuerung und Kontrolle von Migration ist eines der beherrschenden Themen unserer Zeit und erfasst alle Ebenen der Politik, von der Kommune, über Landes- und Bundesregierung bis nach Brüssel. Der Trend geht dabei unverkennbar in Richtung eines robusten Migrationsrechts, flankiert durch strafrechtliche Sanktionsnormen. Am 18. Januar 2024 hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung das sogenannte „Rückführungsverbesserungsgesetz“ beraten und verabschiedet. Diesem Beschluss war zum Jahresende 2023 eine Debatte über die mögliche Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung im Mittelmeer durch die geplante Novellierung des § 96 Abs. 4 AufenthG vorausgegangen. Die Koalitionsfraktionen hatten versucht, mit einem Änderungsantrag diese unerwünschte Folge rechtssicher auszuschließen, was ihnen jedoch nur partiell gelungen ist. Anhand des Rückführungsverbesserungsgesetzes lässt sich anschaulich nachvollziehen, vor welchen Herausforderungen die Kriminalpolitik derzeit – nicht nur im Bereich Migration – steht.

 Migration control is one of the dominant issues of our time and affects all levels of politics, from local authorities to the state and federal governments to the European Union. There is an unmistakable trend towards robust migration law, flanked by criminal sanctions. On January 18, 2024, the national parliament of Germany – the Bundestag – debated and passed the so-called “Repatriation Improvement Act”. This decision was preceded by a debate, at the end of 2023, on the possible criminalization of civil sea rescue in the Mediterranean by a planned amendment to
Section 96 (4) of the Residence Act contained in the Repatriation Improvement Act. The coalition parties had attempted to exclude this undesirable consequence by amending the initial proposal but were only partially successful. The Repatriation Improvement Act illustrates the challenges currently facing criminal policy, not limited to the policy area of migration.

I. Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung durch das Rückführungsverbesserungsgesetz?

Im Herbst 2023 legte das Bundesministerium des Inneren und Heimat (BMI) einen Entwurf für ein „Rückführungsverbesserungsgesetz“ vor. Das Gesetz wurde am 30. November 2023 in erster Lesung im Bundestag beraten und im Anschluss an die Ausschüsse verwiesen.[1] In einer zwischenzeitlich den Abgeordneten der die Regierungskoalition tragenden Fraktionen zur Verfügung gestellten Formulierungshilfe des BMI waren zahlreiche Änderungen am ursprünglichen Regierungsentwurf vorgesehen, unter anderem auch hinsichtlich der künftigen Ausgestaltung des § 96 AufenthG, dem sogenannten „Schleusertatbestand“.[2] Dieser kriminalisiert das „Einschleusen“ von Ausländer:innen. Im Folgenden wird dieser zunächst grob skizziert (dazu 1.), bevor die vom BMI zunächst vorgesehenen Änderungen vorgestellt und ihre potenziellen Auswirkungen auf die zivile Seenotrettung im Mittelmeer erörtert werden (dazu 2.). Sodann wird auf den „Reparaturversuch“ des Innenausschusses eingegangen, wie er letztlich beschlossen wurde (dazu 3.).

1. Das Einschleusen von Ausländern nach dem derzeit (noch) geltenden Aufenthaltsgesetz

§ 96 AufenthG kriminalisiert das Einschleusen von Ausländer:innen bereits in seiner gegenwärtig geltenden Fassung umfangreich. So wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer eine andere Person anstiftet oder ihr dazu Hilfe leistet, ohne erforderlichen Pass beziehungsweise Passersatz oder ohne erforderlichen Aufenthaltstitel (§ 95 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AufenthG) oder trotz eines Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 95 Abs. 2 Nr. 1 lit. a i.V.m. § 11 Abs. 1, 6 und 7 AufenthG) in das Bundesgebiet einzureisen, sofern der/die Täter:in dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AufenthG) oder aber wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländer:innen handelt (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 lit. b AufenthG). Was nach allgemeinen strafrechtsdogmatischen Grundsätzen eine Anstiftung oder Beihilfe zur unerlaubten Einreise wäre (§ 95 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Nr. 1 lit. a AufenthG, §§ 26 oder 27 Abs. 1 StGB), wird bei Vorliegen eines der sogenannten Schleusermerkmale[3] des § 96 Abs. 1 AufenthG zur Täterschaft. § 96 Abs. 1 AufenthG stellt aus strafrechtsdogmatischer Perspektive also eine tatbestandlich typisierte Teilnahme an der Haupttat des:der unerlaubt einreisenden Ausländers:in dar, weshalb nach ständiger Rechtsprechung des BGH der Grundsatz der limitierten Akzessorietät Anwendung findet. Voraussetzung für eine Strafbarkeit des:der Schleusers:in ist also eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat in Form der unerlaubten Einreise nach § 95 AufenthG.[4]

Schon nach der bislang geltenden Rechtslage machen sich daher auch altruistisch motivierte Hilfeleistende als „Schleuser“ strafbar, soweit sich ihre Hilfeleistung auf die Einreise in das Bundesgebiet bezieht. Da die Hilfeleistung nach Rechtsprechung des BGH aber auch weit im Vorfeld der eigentlichen Einreise erfolgen kann, also etwa im Herkunftsstaat oder an den europäischen Außengrenzen, solange sie nur final auf die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zielt, [5] ist der Anwendungsbereich des § 96 Abs. 1 AufenthG vergleichsweise weit.

§ 96 Abs. 2 S. 1 AufenthG qualifiziert den Grundtatbestand des Einschleusens für Fälle des gewerbsmäßigen Handelns (Nr. 1), bei Bandentaten (Nr. 2), bei einem Beisichführen von Schusswaffen (Nr. 3), bei einem Beisichführen anderer Waffen in Verwendungsabsicht (Nr. 4), bei einer das Leben der Geschleusten gefährdenden, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung sowie bei Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung (Nr. 5). Einen weiteren Qualifikationstatbestand enthält – sofern sich der:die Täter:in einen Vorteil versprechen lässt oder einen solchen erhält – § 96 Abs. 2 S. 2 AufenthG, der das Einschleusen minderjähriger lediger Ausländer:innen, die ohne Begleitung einer personensorgeberechtigten Person oder einer dritten Person, die die Fürsorge oder Obhut übernommen hat, einreisen (sog. unbegleitete Minderjährige[6]), mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren bedroht.

§ 96 Abs. 4 Var. 1 AufenthG erstreckt sodann die Anwendbarkeit des § 96 Abs. 1 Nr. 1 lit. a, Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2 und 5 sowie Abs. 3 AufenthG auf „Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates“. Die Vorschrift setzt die Richtlinie 2002/90/EG[7] um, aus der sich eine Pönalisierungspflicht – allerdings unter expliziter Ausnahme humanitärer Hilfeleistung – für Unterstützungsleistungen bei der unerlaubten Einreise ergibt. Voraussetzung einer Strafbarkeit nach § 96 Abs. 4 AufenthG ist, dass die entsprechenden Zuwiderhandlungen der unerlaubten Einreise oder dem unerlaubten Aufenthalt[8] entsprechen (§ 96 Abs. 4 Nr. 1 AufenthG), wobei kein Verstoß gegen Strafvorschriften gefordert wird.[9] Die Unterstützung muss zudem zugunsten von Ausländer:innen geleistet werden, die nicht die Staatsangehörigkeit eines EU- oder EWR-Staates besitzen.[10] Nach der derzeitigen Gesetzeslage macht sich also auch strafbar, wer einem:einer Ausländer:in dabei Hilfe leistet, in das Gebiet eines EU- oder Schengen-Staates einzureisen, sofern er:sie dafür einen Vorteil erhält oder sich versprechen lässt. Die altruistische Hilfeleistung zur Einreise in den EU- oder Schengen-Raum ist dagegen bislang grundsätzlich nicht strafbar, da § 96 Abs. 4 AufenthG gerade nicht auf § 96 Abs. 1 Nr. 1 lit. b AufenthG verweist.

Etwas anderes gilt nach Auffassung des BGH allerdings schon nach der derzeitigen Gesetzeslage, wenn einer der von § 96 Abs. 4 AufenthG in Bezug genommenen Qualifikationstatbestände (§ 96 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 AufenthG) verwirklicht ist. Nach Ansicht des BGH führt der ausdrückliche Verweis auf diese Qualifikationstatbestände nämlich dazu, dass § 96 Abs. 4 AufenthG in diesen Fällen sowohl für altruistische wie auch für eigennützige Hilfeleistungen gilt, obwohl der Verweis des § 96 Abs. 4 AufenthG hinsichtlich des Grundtatbestandes ausdrücklich auf eigennützige Hilfeleistungen beschränkt worden ist.[11] Daraus folgt, dass die eigentlich tatbestandslose altruistische Hilfeleistung zur Einreise in den EU- oder Schengen-Raum in dem Moment tatbestandsmäßig wird, in dem sie qualifiziert ist. Für diese Position spricht prima facie, dass der Gesetzgeber die Qualifikationstatbestände ausdrücklich in § 96 Abs. 4 AufenthG aufgenommen hat. Hieraus könnte geschlussfolgert werden, dass der Gesetzgeber den Unrechtsgehalt in diesen Fällen als so schwerwiegend bewertet, dass es auf die Täter:innenmotivation nicht ankommen soll. Diesem Begründungsansatz, für den sich in den Gesetzesmaterialien kein eindeutiger Anhaltspunkt findet, lassen sich freilich zwei Argumente entgegenhalten: Zum einen ist der Verweis auf die Qualifikationstatbestände zwingend, wenn der Gesetzgeber deren erhöhten Strafrahmen im Anwendungsbereich des § 96 Abs. 4 AufenthG zur Anwendung bringen will, worum es ihm mit dem Verweis primär gegangen sein dürfte.[12]Zum anderen widerspricht es der Gesetzessystematik, den explizit beschränkten Verweis auf den Grundtatbestand durch einen Rückgriff auf den Qualifikationstatbestand auszuweiten. Obschon damit strafrechtsdogmatische Bedenken gegenüber der vom BGH vertretenen Auffassung bestehen, dürfte sie die Praxis der Rechtsanwendung prägen und muss daher die Bewertung der Gesetzeslage informieren.

2. Die Formulierungshilfe des BMI und das Risiko einer Kriminalisierung ziviler Seenotrettung im Mittelmeer

Eine vom BMI den Koalitionsfraktionen noch vor der ersten Lesung zum „Rückführungsverbesserungsgesetz“ zur Verfügung gestellte Formulierungshilfe sah eine im Regierungsentwurf noch nicht enthaltene erhebliche Verschärfung der Gesetzeslage im Blick auf die Einschleusung von Ausländer:innen (§ 96 AufenthG) vor. So sollte der Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe im Grundtatbestand des § 96 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe verdoppelt werden. Für die Qualifikationstatbestände sollte eine Hochstufung zum Verbrechen mit einer Strafdrohung von „nicht unter einem Jahr“ Freiheitsstrafe erfolgen. Im Blick auf die Schleusung nicht handlungsfähiger oder unvorsätzlich handelnder Kinder sah die Formulierungshilfe ferner vor, die von der Rechtsprechung angenommene limitierte Akzessorietät zu durchbrechen. Dazu sollte in § 96 Abs. 1 AufenthG der folgende Satz 2 eingefügt werden: „Ebenso wird bestraft, wer zugunsten eines Ausländers handelt, der keine vorsätzliche rechtswidrige Tat im Sinne des Satzes 1 Nr. 1 oder 2 begangen hat.“ Auch die Qualifikationstatbestände des § 96 Abs. 2 AufenthG sollten ausgeweitet werden. Unter anderem sollte mit einer neuen Nummer 6 der Versuch, sich im Straßenverkehr in grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Weise einer polizeilichen Kontrolle zu entziehen, erfasst werden, wenn dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. Zudem sah die Formulierungshilfe vor, in Fällen der Schleusung unbegleiteter Minderjähriger künftig an den Grundtatbestand des § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG insgesamt anzuknüpfen und damit auch eine altruistische Hilfeleistung ausreichen zu lassen.[13]

Neben diesen Änderungsvorschlägen, die bereits für sich genommen weitreichende Folgen hätten und eine kritische Auseinandersetzung herausfordern, sah die Formulierungshilfe auch vor, den Anwendungsbereich der Auslandsschleusung in § 96 Abs. 4 AufenthG erheblich auszuweiten. So sollte § 96 Abs. 4 AufenthG künftig auf § 96 Abs. 1 Nr. 1 insgesamt und damit auch auf Fälle altruistischer Hilfeleistung verweisen sowie auf § 96 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 2, 3, 5 und 6 sowie S. 2 AufenthG. Dieser Änderungsvorschlag soll im Folgenden näher betrachtet werden, weil er das Risiko einer Kriminalisierung ziviler Seenotrettung barg.[14]

Denn in der nach der Formulierungshilfe geplanten Gesetzesfassung hätte für die Verwirklichung des Tatbestandes des § 96 Abs. 4 AufenthG ausgereicht, dass der:die Täter:in wiederholt oder zugunsten mehrerer Nicht-EWR-Ausländer:innen Hilfe zu Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise von Ausländer:innen in das Hoheitsgebiet eines EU- oder Schengen-Staates leistet, sofern diese der unerlaubten Einreise nach dem AufenthG entsprechen. In den Fällen ziviler Seenotrettung liegt angesichts der Vielzahl geretteter Menschen regelmäßig ein Handeln zugunsten mehrerer Ausländer:innen vor.[15] Ein tatbestandliches Hilfeleisten liegt in jeder die unerlaubte Einreise objektiv fördernden oder sie erleichternden, nicht notwendigerweise kausalen Handlung.[16] Seenotrettungsorganisationen, welche Menschen auf dem Mittelmeer aufnehmen und in einen europäischen Hafen transportieren, leisten in objektiver Hinsicht tatbestandlich Hilfe. Diese Hilfeleistung wäre – abhängig von der konkreten Ausgestaltung des nationalen Rechts im Zielstaat des Seenotrettungsschiffes – mit großer Wahrscheinlichkeit auch als Hilfe zu einer Zuwiderhandlung gegen Rechtsvorschriften über die Einreise von Ausländer:innen in das Hoheitsgebiet eines EU- oder Schengen-Staates anzusehen. Denn zur Erfüllung des Merkmals der Zuwiderhandlung genügt nach Rechtsprechung des BGH grundsätzlich, dass die geschleusten Personen kein gemäß Art. 1 Abs. 1 Anlage I der Verordnung (EU) 2018/1806[17] für das Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten des Schengen-Raumes erforderliches Visum besitzen.[18] Tatbestandsmäßig ist also bereits die visumslose Einreise. Die von Seenotrettungsorganisationen geretteten Menschen werden ein solches Visum regelmäßig nicht besitzen.

Fraglich könnte dann allenfalls das Merkmal der Einreise sein. Der BGH bejaht dieses bereits mit Passieren der seewärtigen Grenze, jedenfalls sofern beabsichtigt ist, das Land unter Umgehung der Grenzübergangsstellen zu betreten.[19] In der spezifischen Situation der zivilen Seenotrettung liegen die Sachverhalte typischerweise so, dass die Menschen ihre Überfahrt in nicht seetüchtigen Booten begonnen haben und sich spätestens in „internationalen Gewässern“ (also seewärts des Küstenmeers in der ausschließlichen Wirtschaftszone oder in der Hohen See) in Seenot befinden. Dort findet auch ihre Rettung statt. Im Anschluss werden die Geretteten regelmäßig in Absprache mit und auf Anordnung der Behörden des zuständigen Küstenstaates – derzeit faktisch stets Italien – in einen zugewiesenen Ausschiffungshafen verbracht. Die seewärtige Grenze wird dementsprechend erst auf dem Seenotrettungsschiff passiert, sodass sich die Frage stellt, ob die Geretteten damit in das Hoheitsgebiet eines EU- oder Schengen-Staates einreisen. Dies beurteilt sich nach dem Recht des jeweiligen EU- oder Schengen-Staates, wobei allerdings nicht erkennbar ist, dass die entsprechenden staatlichen Rechtsordnungen eine Einreise erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt annehmen.[20]Spätestens zum Zeitpunkt der Ausschiffung erfolgt jedoch nach der derzeitigen Praxis eine Einreise der Geretteten. Der Umstand der Seenotrettung und der mit dem Ausschiffungsstaat koordinierten Verbringung der Menschen in einen Ausschiffungshafen ändert dabei grundsätzlich nichts an der Visumslosigkeit der Einreise. Ob diese an sich unerlaubte Einreise durch Asylantragstellung legalisiert werden kann, sodass im Ergebnis keine unerlaubte Einreise vorläge,[21] ist wiederum vom Recht des entsprechenden Staates abhängig. Zudem ist nicht sicher, dass alle Geretteten einen solchen Antrag stellen werden, insbesondere wenn sie eine Weiterreise beabsichtigen. Nach alledem wird auch in Fällen ziviler Seenotrettung regelmäßig eine Hilfeleistung zu einer Zuwiderhandlung gegen Rechtsvorschriften über die Einreise von Ausländer:innen in das Hoheitsgebiet eines EU- oder Schengen-Staates vorliegen. Insoweit wird sich auch ein bedingter Vorsatz der Beteiligten weder im Blick auf die Zuwiderhandlung noch im Blick auf die Hilfeleistung verneinen lassen.

Damit hängt die Strafbarkeit der Beteiligten im Wesentlichen von der Frage einer Rechtfertigung ihres Verhaltens ab. Insoweit ist zwar nach auch vom BMI geteilter Auffassung[22] anzunehmen, dass regelmäßig ein rechtfertigender Notstand gemäß § 34 StGB anzunehmen sein wird, und zwar sowohl hinsichtlich der unmittelbaren Rettung durch Aufnahme auf das Seenotrettungsschiff als auch hinsichtlich des Transports zum Ausschiffungshafen.[23] Gerade die rechtliche Beurteilung des Weitertransports ist jedoch mitunter intrikat und wird nicht einheitlich beurteilt.[24] Die im Rahmen des § 34 StGB stets erforderliche Interessenabwägung eröffnet der Justiz einen Wertungsspielraum und bewirkt damit, dass jede Prognose bezüglich der künftigen Rechtsanwendung mit erheblichen Unsicherheiten belastet ist. Eine Rechtfertigung gemäß § 34 StGB kommt nämlich nur in Betracht, wenn das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.

Geht man davon aus, dass auch im Anschluss an die unmittelbare Rettung und Aufnahme auf das Seenotrettungsschiff die durch die Seenot begründete Notstandslage fortdauert, wofür eine völkerrechtskonforme Auslegung des § 34 StGB streitet,[25] überwiegen die Rechtsgüter der Geretteten – namentlich Leben und Gesundheit – das Interesse an einer effektiven Kontrolle der europäischen Außengrenzen und damit verbunden einer Kontrolle der Zuwanderung.[26] Dies gilt selbst dann, wenn auf ein „Eigenverschulden“ der in Seenot geratenen Menschen abgestellt wird, die sich trotz der Gefährlichkeit auf den Weg über das Mittelmeer gemacht haben.[27] Die Rechtfertigung aus diesem Grunde zu versagen, blendete die komplexen Hintergründe für die Entscheidung zur Überfahrt aus,[28] die das Argument des „Eigenverschuldens“ regelmäßig als unterkomplex entlarven dürften.[29] Erfolgt die Einfahrt in den Hafen und die Ausschiffung der Geretteten entsprechend den Anordnungen des die Rettungsoperation koordinierenden Staates (meist identisch mit dem Ausschiffungsstaat), ist dieses Ergebnis angesichts bestehender öffentlich-rechtlicher Pflichten, diesen Anordnungen Folge zu leisten,[30] zudem zur Vermeidung widersprüchlicher Normbefehle innerhalb einer Rechtsordnung geboten. Denn das Verhalten der Seenotretter:innen steht in diesen Fällen im Einklang mit (ausländischen) staatlichen Anordnungen, die innerhalb der deutschen Rechtsordnung nach der Verordnung über die Sicherung der Seefahrt (SeeFSichV) sanktionsbewehrte Bindungswirkung entfalten.[31]

Hier ließe sich freilich auch die entgegengesetzte Position vertreten: Im Rahmen der Interessenabwägung ist nämlich auch der Grad der dem geschützten Rechtsgut drohenden Gefahr zu berücksichtigen. Nach der Aufnahme der Menschen an Bord und ihrer Erstversorgung auf dem Seenotrettungsschiff ist der Grad der drohenden Gefahr tatsächlich anders zu beurteilen als in der Situation akuter Seenot. So ließe sich argumentieren, dass das durch Ansteuern des europäischen Hafens und der dort erfolgenden Ausschiffung der Geretteten akut bedrohte Schutzgut des § 96 Abs. 4 AufenthG nicht mehr hinter dem Schutz von Leib und Leben zurücktreten müsse, da insofern von einem deutlich reduzierten Gefahrgrad auszugehen wäre. Dementsprechend ließe sich ein wesentliches Überwiegen des geschützten Interesses gegenüber dem beeinträchtigten Interesse verneinen, sodass eine Rechtfertigung entfiele. Zwar liegt diese Auffassung angesichts des völkerrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtsrahmens nicht nahe; es ist jedoch keinesfalls sicher, dass deutsche Gerichte der hier vertretenen Rechtsansicht folgen werden.

3. Der Reparaturversuch des Innenausschusses

Im Blick auf das – medial thematisierte und durch zahlreiche Stellungnahmen bekräftigte[32] – Risiko, durch die Ausweitung des § 96 Abs. 4 AufenthG auf altruistische Hilfeleistungen die zivile Seenotrettung im Ergebnis zu kriminalisieren, kündigten die die Regierungskoalition tragenden Fraktionen an, sicherzustellen, dass eine solche Kriminalisierung nicht erfolgt.[33] Der über den Jahreswechsel 2023/2024 erarbeitete Änderungsantrag der Regierungsfraktionen sah zu diesem Zweck vor, die Ausweitung des Verweises in § 96 Abs. 4 Var. 1 AufenthG auf altruistische Hilfeleistungen auf Einreisen auf dem Landweg zu beschränken.[34] Die übrigen Änderungen des § 96            AufenthG, welche in der Formulierungshilfe vorgesehen waren, wurden dagegen in der vorgeschlagenen Form übernommen. Nach der Lösung des Innenausschusses unterfällt die altruistische Hilfeleistung zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines EU- oder Schengen-Staates auf dem Seeweg – und auch auf dem Luftweg – unmittelbar nicht mehr dem Tatbestand. § 96 Abs. 4 AufenthG soll danach im maßgeblichen Teil künftig lauten:

„Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a und Nummer 2, Satz 2, Absatz 2 Satz 1 Nummer 1, 2, 3, 5 und 6, Satz 2 und Absatz 3 sowie bei Einreise auf dem Landweg auch Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b sind auf Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften über die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder eines Schengen-Staates anzuwenden, wenn […].“[35]

Die strafrechtsdogmatisch stringente Lösung eines Tatbestandsausschlusses für Fälle humanitärer Hilfeleistung, die in der entsprechenden EU-Richtlinie ausdrücklich vorgezeichnet wird,[36] wurde – soweit ersichtlich – nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Stattdessen hat der Bundestag die oben aufgeführte Gesetzesfassung am 18. Januar 2024 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen verabschiedet.[37]

II. Verbleibende Kriminalisierungsrisiken

Der kurzfristige Reparaturversuch des Innenausschusses hat das Kriminalisierungsrisiko für zivile Seenotretter:innen zwar reduziert, jedoch nicht beseitigt. Denn die Beschränkung des Verweises auf § 96 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. b AufenthG in § 96 Abs. 4 AufenthG auf Einreisen auf dem Landweg schließt lediglich eine Strafbarkeit wegen altruistischer Hilfeleistung zugunsten Erwachsender und begleiteter Minderjähriger, die auf dem Luft- oder Seeweg einreisen, aus. Übersehen wurde nämlich, dass die nunmehr verabschiedete Gesetzesfassung bewirkt, dass § 96 Abs. 4 AufenthG künftig auch auf § 96 Abs. 2 S. 2 AufenthG verweist. Dieser nimmt aber nach der neuen Fassung seinerseits auf § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG insgesamt Bezug, also nicht mehr nur auf die eigennützige Hilfeleistung in Nr. 1 lit. a. Dadurch bewirkt § 96 Abs. 4 AufenthG in der vom Bundestag verabschiedeten Fassung, dass zwar die Rettung Erwachsener und begleiteter Minderjähriger nicht von § 96 Abs. 4 AufenthG erfasst wird, sehr wohl aber die Rettung unbegleiteter Minderjähriger.[38] Dieses Ergebnis widerspricht zwar ersichtlich dem gesetzgeberischen Willen, der die altruistische Hilfeleistung zur Einreise auf dem See- und Luftweg aus dem Tatbestand ausklammern wollte.[39] Sie ist allerdings eine Konsequenz aus der oben dargestellten Rechtsprechung des BGH, der den Verweis des § 96 Abs. 4 AufenthG auf § 96 Abs. 2 AufenthG so liest, dass die Verwirklichung eines Qualifikationstatbestandes – trotz der in § 96 Abs. 4 AufenthG bislang enthaltenen Beschränkung des Verweises auf eigennützige Hilfeleistungen (§ 96 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AufenthG) – einen tauglichen Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit nach § 96 Abs. 4 AufenthG bildet, selbst wenn hinsichtlich des Grundtatbestandes lediglich eine altruistische Hilfeleistung anzunehmen ist (siehe dazu bereits oben I.1.). Mit anderen Worten: Der Verweis im geänderten § 96 Abs. 4 AufenthG auf den gleichfalls geänderten § 96 Abs. 2 S. 2 AufenthG bewirkt die eigentlich unerwünschte Konsequenz, dass das Kriminalisierungsrisiko für zivile Seenotretter:innen immer dann bestehen bleibt, wenn sie unbegleitete minderjährige Personen aus Seenot retten und in den Hafen eines EU- oder Schengen-Staates verbringen. Dem Gesetzgeber war dieses Risiko vor der finalen Abstimmung im Bundestag deutlich vor Augen geführt worden.[40] Gleichwohl entschied sich die Mehrheit der Abgeordneten, dem Änderungsantrag zuzustimmen – freilich nicht, ohne eine erneute Prüfung anzukündigen.[41] Es bleibt der Befund, dass die Parlamentsmehrheit offenbar bereit war, die partielle Kriminalisierung der Seenotrettung vorläufig in Kauf zu nehmen, um die Verabschiedung des Gesamtpakets des Rückführungsverbesserungsgesetzes nicht zu gefährden.

III. Ausblick

Die Genese der Änderung des § 96 AufenthG verdeutlicht, vor welchen Herausforderungen die Kriminalpolitik dieser Tage steht. Schon der Umstand, dass massive Strafverschärfungen und Tatbestandserweiterungen im Wege einer Formulierungshilfe in das parlamentarische Verfahren eingebracht, also nach Verabschiedung des Regierungsentwurfs nachgeschoben wurden, begegnet im Blick auf Transparenz, Nachvollziehbarkeit und daraus resultierender Normakzeptanz erheblichen Bedenken. Das Postulat von der ultima ratio des Strafrechts leitet den Gesetzgeber dabei offenkundig nicht an. Vielmehr scheint der Rückgriff auf das Strafrecht selbstverständlich und nicht im Einzelnen begründungsbedürftig. So wird etwa eine Verdoppelung der Strafrahmen ohne jede Bezugnahme auf empirische Erkenntnisse zu den Folgen einer solchen Maßnahme vorgesehen und – soweit ersichtlich – nicht einmal kontrovers diskutiert. Stattdessen dominiert die seit längerem bekannte „Bekämpfungsrhetorik“.[42] Dies ist sicher auch dem Narrativ geschuldet, dass Täter:innen des § 96 AufenthG nun einmal die bekanntermaßen „rücksichtslosen“ Schlepper seien, deren Geschäftsmodell nachhaltig bekämpft werden müsse. Wie schon aus den vorangegangenen Ausführungen deutlich geworden sein sollte, ist diese Erzählung aber jedenfalls im Blick auf altruistisch Hilfeleistende mindestens schief, wenn nicht gar ganz falsch. Das medial verbreitete und im politischen Diskurs regelmäßig in Bezug genommene Schleusungsunrecht manifestiert sich daher auch weniger im Grundtatbestand des § 96 Abs. 1 AufenthG; dieses spiegelt sich viel eher in den durch die Qualifikationstatbestände des § 96 Abs. 2 AufenthG erfassten Verhaltensweisen.[43] Das Etikett „Schleuserparagraph“ ist aber höchst wirkungsvoll, wenn es darum geht, empfindliche Strafverschärfungen im Aufenthaltsstrafrecht durchzusetzen.

Die Bedenken am Vorgehen des Gesetzgebers werden verstärkt, wenn in den Blick genommen wird, dass Formulierungshilfen ohne Gesetzessynopse – wie sie vorliegend zum Einsatz gekommen sind – nur durch einige wenige, mit juristischem Expertenwissen ausgestattete, Personen zu dechiffrieren sind. Eine taugliche Grundlage für eine informierte parlamentarische und erst recht öffentliche Diskussion fehlt bei einem solchen Vorgehen. Wenn dann noch handwerkliche Mängel hinzutreten, die – wie im Falle der Seenotrettung – potenzielle Kollateralschäden verursachen, hat sich das Schadenspotenzial eines übermäßig beschleunigten Verfahrens, das kaum Zeit für eine Reflexion über die Gesetzesfolgen und mögliche Lösungen lässt, realisiert. Spätestens nachdem den Abgeordneten des Innenausschusses das Kriminalisierungsrisiko gewahr wurde, hätte das Gesetz, jedenfalls soweit es § 96 AufenthG betraf, einer grundsätzlichen Überprüfung unterzogen werden müssen. Stattdessen einigten sich die Koalitionsfraktionen auf einen strafrechtsdogmatisch inkonsistenten und überdies unzureichenden Kompromiss: Die Beschränkung des Verweises in § 96 Abs. 4 AufenthG auf § 96 Abs. 1 S. 1 lit. b AufenthG auf Einreisen auf dem Landweg ist nicht mehr als eine mit heißer Nadel gestrickte Notlösung, die den in der Öffentlichkeit besonders akut vorgetragenen Bedenken der Seenotrettungsorganisationen Rechnung tragen und die rasche Verabschiedung des Gesetzespakets sicherstellen sollte. Weshalb das Unrecht der Schleusung bei Einreisen auf dem Landweg abweichend von Einreisen auf dem Luft- oder Seeweg zu beurteilen sein sollte, ist nicht dargelegt. Dass in diesem Zusammenhang übersehen wurde, dass die gewählte Notlösung die Schleusung unbegleiteter Minderjähriger nicht in gleicher Weise von der Strafbarkeit ausnimmt, dürfte auch auf die zahlreichen Verweise (von § 96 Abs. 4 n.F. auf § 96 Abs. 2 S. 2 n.F. und von dort auf § 96 Abs. 1 S. 1 lit. b n.F. AufenthG), die – insbesondere ohne Synopse – kaum nachzuvollziehen sind, sowie eine mögliche Unkenntnis der zuvor dargestellten BGH-Rechtsprechung zurückzuführen sein. Beide Fehlerquellen hätten sich bei einer auch in zeitlicher Hinsicht ausreichenden Befassung mit den zu ändernden Strafvorschriften vermeiden lassen.

Es bleibt abzuwarten, ob der Ankündigung, die Rechtslage noch einmal prüfen zu wollen, weitere Schritte folgen werden. Sollte eine solche Initiative ergriffen werden, liegt es nahe, Fälle humanitärer Hilfeleistung generell aus dem Tatbestand auszuklammern (was dann im Übrigen auch für die Beihilfe zu Taten nach § 95 Abs. 1 AufenthG geboten wäre). Darin liegt die systematisch konsequente, strafrechtsdogmatisch unangreifbare, unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten unproblematische und unionsrechtlich ausdrücklich gebilligte Lösung. Sie stellt nicht nur sicher, dass die zivile Seenotrettung im Mittelmeer nicht kriminalisiert wird, sondern darüber hinaus, dass auch andere humanitäre Helfer:innen mitmenschliche Solidarität ohne Sorge vor strafprozessualen Ermittlungen wegen Einschleusens von Ausländer:innen (oder wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise) ausüben können. Sollte eine solche Lösung unterbleiben, müssen Seenotretter:innen darauf hoffen, dass die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte vor dem Hintergrund des deutlichen gesetzgeberischen Willens, die Seenotrettung nicht zu kriminalisieren, die bisherige Rechtsprechung des BGH zu § 96 Abs. 4 AufenthG nicht auf die altruistische Hilfeleistung zur Einreise auf dem Seeweg übertragen.

Im Übrigen bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber sich künftig in Erinnerung ruft, dass er nicht nur, aber insbesondere auch im Bereich des Strafrechts schwerwiegende Grundrechtseingriffe legitimiert, weshalb entsprechende Gesetze in besonderem Maße am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu messen sind, dem nur durch eine materielle Würdigung entsprechender Gesetzesvorhaben im parlamentarischen Verfahren angemessen Rechnung getragen werden kann. Der dem Gesetzgeber vom BVerfG eingeräumte weite Beurteilungsspielraum[44] beruht auf der Grundannahme, dass die Ausübung dieses gesetzgeberischen Privilegs im Bewusstsein um die Verantwortung für die Konsequenzen und nicht vorschnell erfolgt.

 

 

[1]      BT-Plenarprotokoll 20/141, S. 17767 ff.
[2]      Vgl. Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung, online abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/sonstige-downloads/formulierungshilfen/rueckverbge.html (zuletzt abgerufen am 26.1.2024), 3, Nr. 1 c) cc).
[3]      BGH, Beschl. v. 23.9.2021 – 1 StR 173/21 = BeckRS 2021, 32624.
[4]      St. Rspr., siehe nur BGH, NStZ 2013, 483; 2015, 399; NJW 2017, 1624; 2018, 3658 (3659); BGH, Beschl. v. 23.9.2021 – 1 StR 173/21 = BeckRS 2021, 32624, Rn. 9; vgl. Gericke, in: MüKo-StGB, Bd. 9, 4. Aufl. (2022), § 96 AufenthG Rn. 2 f.; Trinh, Die Strafbarkeit der Fluchthilfe, 2021, S. 168.
[5]      BGH, Urt. v. 15.3.2021 – 5 StR 627/19, Rn. 25 f.
[6]      Vgl. dazu BAMF, Unbegleitete Minderjährige, 7.6.2023, online abrufbar unter: https://www.bamf.de/DE/Themen/AsylFluechtlingsschutz/UnbegleiteteMinderjaehrige/unbegleiteteminderjaehrige-node.html (zuletzt abgerufen am 26.1.2024).
[7]      Richtlinie 2002/90/EG des Rates vom 28.11.2002 zur Definition der Beihilfe zur unerlaubten Ein- und Durchreise und zum unerlaubten Aufenthalt, ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2002/90/oj (zuletzt abgerufen am 26.1.2024).
[8]      Also den in § 95 Abs. 1 Nr. 2 oder 3, Abs. 2 Nr. 1 AufenthG bezeichneten Handlungen.
[9]      BGH, NStZ 2015, 399 (401); NStZ-RR 2020, 184 (185); BGH, Beschl. v. 6.10.2021 – 6 StR 371/21; enger Gericke, in: MüKo-StGB, § 96 AufenthG Rn. 43 (mit Sanktion belegt).
[10]    § 96 Abs. 4 Nr. 2 AufenthG.
[11]    BGH, Urt. v. 15.3.2021 – 5 StR 627/19 = BeckRS 2021, 6675, Rn. 24: „[…] vielmehr erfasst § 96 Abs. 4 AufenthG auch uneigennützige Einreiseschleusungen, wenn sie unter den qualifizierenden Voraussetzungen des § 96 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder 5 AufenthG begangen werden […].“ So bereits implizit BGH, Urt. v. 14.11.2019 – 3 StR 561/18, Rn. 19 ff.; anders dagegen Gericke, in: MüKo-StGB, 4. Aufl. (2022), § 96 AufenthG Rn. 42.
[12]    Vgl. die Begründung für die Ausweitung des Verweises in § 96 Abs. 4 AufenthG auf § 96 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 5 AufenthG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union v. 19.8.2007 (BGBl. I, S. 1970), BT-Drs. 16/5065, S. 200: „Um der Strafbemessung im Sinne des Rahmenbeschlusses zu genügen, ist der für Inlandstaten geltende Absatz 2 Nr. 1, 2 und 5 auch auf Auslandstaten zu beziehen.“
[13]    Vgl. Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung, 2 f., Nr. 1 c).
[14]    Ausführlich Epik/Schatz, Gutachten, 2023, S. 7 ff.; Epik/Schatz, Neue Kriminalpolitik 2024, Heft 1, im Erscheinen.
[15]    Zu diesem Merkmal Epik/Schatz, Gutachten, 2023, S. 14.
[16]    BGH, NStZ-RR 2020, 184 (185); vgl. Gericke, in: MüKo-StGB, § 96 AufenthG Rn. 15 m.w.N.
[17]    Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, ELI: http://data.europa.eu/eli/reg/2018/1806/oj (zuletzt abgerufen am 26.1.2024).
[18]    BGH, Beschl. v. 6.10.2021 – 6 StR 371/21.
[19]    BGH, NStZ-RR 2020, 184 (185).
[20]    Zur Auseinandersetzung mit dem Argument des BMI, es liege formal keine Einreise vor, im Einzelnen Epik/Schatz, Gutachten, 2023, S. 10 ff.; Epik/Schatz, Neue Kriminalpolitik 2024, Heft 1, im Erscheinen.
[21]    Für den Fall der geplanten Einreise aus einem Nicht-Schengen-Staat in die Bundesrepublik auf dem Luftweg hat der BGH auf Grundlage der deutschen Rechtslage entschieden, dass es bis zum Passieren der Grenzübergangsstelle an einer Einreise fehle und dass ein entsprechend dort gestellter Asylantrag bewirke, dass die sich anschließende Einreise nicht mehr unerlaubt im Sinne der §§ 95 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. 14 Abs. 1 Nr. 2, 4 Abs. 1 AufenthG sei. Dementsprechend entfalle die für § 96 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG notwendige Haupttat, vgl. BGH, NStZ 2022, 239 (240 f.).
[22]    Vgl. Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (überarbeitete Fassung, den Bundestagsabgeordneten am 20. November 2023 zugleitet), 8.
[23]    Vgl. Epik/Schatz, Gutachten, 2023, S. 16 ff.
[24]    Vgl. dazu Epik/Schatz, Gutachten, 2023, S. 31 ff.; Epik/Schatz, Neue Kriminalpolitik 2024, Heft 1, im Erscheinen.
[25]    Vgl. eingehend zu dieser Epik/Schatz, Gutachten, 2023, S. 22 ff. m.w.N.; vgl. auch Trinh, Die Strafbarkeit der Fluchthilfe, 2021, 257 (289 f.) in Bezug auf die Interessenabwägung.
[26]    Enger Trinh, Die Strafbarkeit der Fluchthilfe, 2021, S. 290.
[27]    Vgl. Lenk, ZaöRV 79 (2019), 713 (721 ff.), der davon spricht, dass das „Notstandsrecht geradezu rechtsmissbräuchlich in Anspruch“ genommen werde. Zur Minderung der Schutzbedürftigkeit in solchen Fällen Erb, in: MüKo-StGB, Bd. 1, 4. Aufl. (2020), § 34 StGB Rn. 189. Eine Minderung der Schutzbedürftigkeit mindestens in Fällen einer drohenden Zurückschiebung nach Libyen ablehnend Hahn/Schatz, ZIS 2020, 537 (546 f.) – allerdings im Kontext der Notwehr.
[28]    Vgl. Madjidian/Wissmann, Seenotrettung? Frag doch einfach!, 2023, S. 121 f.; Funke/Madjidian, LogR 2023, 133 (137).
[29]    Der Vorwurf, Geflüchtete würden sich „teils vorsätzlich in Seenot begeben“ (Lenk, ZaöRV 79 [2019], 713 [721]), ist zwar ein gängiges Argumentationsmuster, empirisch jedoch nicht belegt. Zudem stellt sich die Frage nach dem hier angelegten Maßstab für die Beurteilung von Freiwilligkeit.
[30]    Dazu ausführlich Epik/Schatz, Gutachten, 2023, S. 19 ff.
[31]    Vgl. § 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 3 S. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 1 SeeFSichV.
[32]    Vgl. Werdermann, It’s Called Saving Lives: Zur Kriminalisierung von Fluchthilfe, Verfassungsblog, 9.11.2023, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/its-called-saving-lives/ (zuletzt abgerufen am 26.1.2024); Werdermann, Faktencheck Seenotrettung, Volksverpetzer, 15.11.2023, online abrufbar unter: https://www.volksverpetzer.de/faktencheck/faktencheck-seenotrettung-innenministerium/ (zuletzt abgerufen am 26.1.2024); Steinke, Drohen Seenotrettern bald Strafen?, sueddeutsche.de, 8.11.2023, online abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/politik/ampel-koalition-gesetzentwurf-seenotretter-strafen-schleuser-1.6300208 (zuletzt abgerufen am 26.1.2024); Ärzte ohne Grenzen, Kriminalisierung von Seenotretter*innen verhindern!, 22.11.2023, online abrufbar unter: https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/presse/kriminalisierung-seenotrettung-verhindern (zuletzt abgerufen am 26.1.2024); PRO ASYL, Zivilgesellschaftliches Bündnis warnt vor Kriminalisierung von Seenotretter*innen, 21.11.2023, online abrufbar unter: https://www.proasyl.de/pressemitteilung/zivilgesellschaftliches-buendnis-warnt-vor-kriminalisierung-von-seenotretterinnen/ (zuletzt abgerufen am 26.1.2024).
[33]    Vgl. die Rede des Abgeordneten Limburg anlässlich der ersten Lesung am 30.11.2023, BT-Plenarprotokoll 20/141, S. 17780.
[34]    Vgl. Ausschuss für Inneres und Heimat, Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung – BT-Drs. 20/9463, 20/9642 – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz), BT-Drs. 20/10090, S. 20.
[35]    Vgl. Ausschuss für Inneres und Heimat, Beschlussempfehlung, BT-Drs. 20/10090, S. 9, 2. i) cc).
[36]    Dazu bereits Epik/Schatz, Gutachten, 2023, S. 43; Epik/Schatz, Neue Kriminalpolitik 2024, Heft 1, im Erscheinen.
[37]    Vgl. Plenarprotokoll zur 147. Sitzung am 18.1.2024, BT-Plenarprotokoll 20/147, S. 18737.
[38]    Vgl. zu dieser Konsequenz bereits Epik/Schatz, Kurzstellungnahme, Update: Kriminalisierung der Seenotrettung?, Punkt 2., online abrufbar unter: https://www.jura.uni-hamburg.de/die-fakultaet/professuren/professur-epik/aktuelles/20240117-update-kriminalisierung-der-seenotrettung/kurzstellungnahme.pdf (zuletzt abgerufen am 26.1.2024).
[39]    Vgl. Ausschuss für Inneres und Heimat, Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung – BT-Drs.  20/9463, 20/9642 – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz), BT-Drs. 20/10090, S. 3, 27.
[40]    Vgl. Epik/Schatz, Kurzstellungnahme, Punkt 2.; vgl. auch die Medienberichterstattung im Vorfeld der Abstimmung, etwa Betschka/Hackenbruch, Zwei Rechtsgutachten warnen. Ausgerechnet die Seenotrettung Minderjähriger könnte doch strafbar werden, Tagesspiegel v. 17.1.2024, online abrufbar unter: https://www.tagesspiegel.de/politik/zwei-rechtsgutachten-warnen-ausgerechnet-die-seenotrettung-minderjahriger-konnte-doch-strafbar-werden-11065984.html (zuletzt abgerufen am 26.1.2024); Biselli, Eingeschleuste Staatstrojaner, netzpolitig.org v. 18.1.2024, online abrufbar unter: https://netzpolitik.org/2024/rueckfuehrungsverbesserungsgesetz-eingeschleuste-staatstrojaner/ (zuletzt abgerufen am 26.1.2024), jeweils unter Bezugnahme auf ein weiteres Gutachten von Werdermann/Keller (unveröffentlicht).
[41]    Vgl. die Rede des Abgeordneten Limburg anlässlich der zweiten und dritten Lesung am 18.1.2024, BT-Plenarprotokoll 20/147, S. 18728 (C).
[42]    Vgl. Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag der Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP – Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung, online abrufbar unter: https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/gesetzgebungsverfahren/DE/Downloads/sonstige-downloads/formulierungshilfen/rueckverbge.pdf__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 26.1.2024), S. 7: „Zur Bekämpfung der (organisierten) Schleuserkriminalität müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um diese besonders sozialschädliche Form kriminellen Verhaltens mit allen verfügbaren Mitteln zurückzudrängen.“
[43]    Vgl. zutreffend Jeßberger, GS Weßlau, 2016, S. 507, 517.
[44]    Zum großzügigen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers BVerfG v. 9.3.1994 – 2 BvL 43/92 = BVerfGE 90, 145 (173); BVerfG v. 26.2.2008 – 2 BvR 392/07 (1) = BVerfGE 120 (224, 240 f.).

 

 

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