5. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste: Nachrichtendienste und bewaffnete Konflikte

von Jannik Luhm und Maximilian Schach

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I. Einleitung

Vom 21. bis 22. März 2024 fand in Berlin die bereits fünfte Ausgabe des Symposiums zum Recht der Nachrichtendienste statt. Dieses vom Bundeskanzleramt (BKAmt) und Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) veranstaltete Forum bietet Vertretern aus Wissenschaft, Praxis, Politik und Medien die Möglichkeit des Austausches über das Nachrichtendienstrecht. Das bewährte Format unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr. Jan-Hendrik Dietrich (Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung), Prof. Dr. Klaus Ferdinand Gärditz (Universität Bonn), Prof. Dr. Kurt Graulich (Richter am Bundesverwaltungsgericht a.D.), Prof. Dr. Christoph Gusy (Universität Bielefeld) und Prof. Dr. Gunter Warg (Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung), befasste sich im Angesicht des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine mit Nachrichtendiensten in bewaffneten Konflikten sowohl aus einer außen- als auch einer innenpolitischen Perspektive.

II. Erster Tag (21. März 2024)

Nach einer kurzen Begrüßung leitete Prof. Gusy kurz in die Thematik ein und stellte dabei die das gesamte Symposium prägende Frage nach der Erforderlichkeit einer Zeitenwende im Bereich der Nachrichtendienste. Anschließend richtete Dr. Irene Mihalic (MdB, Parlamentarisches Kontrollgremium) ein Grußwort an die Teilnehmer, in welchem sie die Zeitenwende für notwendig erachtete, indes betonte, die Rechtsstaatlichkeit müsse das Maß der Dinge bleiben.

1. Nachrichtendienste und Streitkräfte

Der erste Vortrag der Tagung von Prof. Dr. Johanna Schmidt-Räntsch (Unabhängiger Kontrollrat) widmete sich dem Thema „Der Bundesnachrichtendienst als militärischer Nachrichtendienst“. Sie führte anhand eines fiktiven Angriffs auf die ebenso fiktive deutsche Fregatte „Heiligenstadt“ durch eventuelle Aufklärungsmaßnahmen des Bundesnachrichtendienstes (BND), das Verhältnis zum Militärischen Nachrichtenwesen (MilNW) und den Einsatz des Unabhängigen Kontrollrates (UKRat). Dem MilNW obliege hier neben der „Baustelleneinrichtung“ aufgrund der hohen Geschwindigkeit modernder Angriffe auch die einsatznahe Aufklärung, während der BND sich auf den strategischen Teil konzentriere. Das Militär müsse den BND um Aufklärung ersuchen, anders liege es nur im Verteidigungsfall, weil die Bundeswehr dann ebenfalls dem Bundeskanzler untersteht. Prof. Schmidt-Räntsch ging näher auf den Ablauf nachrichtendienstlicher Informationsgewinnung des BND durch Signal Intelligence (SIGINT)- sowie CNE-Maßnahmen aus Sicht des UKRats ein. Hierbei unterteilte sie in die Vorabprüfung sowie die administrative Kontrolle und bekräftigte dessen Kontroll- und Funktionsfähigkeit. Im Bereich der Vorabprüfung appellierte sie, keine Furcht vor dem Vorbringen von Gefahrenbereichen i.S.d. § 19 Abs. 4 BNDG zu haben, soweit diese hinreichend begründet werden können. Weiterhin führte sie Möglichkeiten beschleunigter Verfahren durch den Kontrollrat und vorläufige Bestätigungen mittels eines „Notdienstes“ an, um nachrichtendienstliche Fähigkeiten in zeitkritischen Situationen zu gewährleisten.

Im zweiten Vortrag des Themenblocks referierte Prof. Dr. Arne Pilniok (Universität Bielefeld) zu „Militärisches Nachrichtenwesen, Bundesnachrichtendienst und Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst in der deutschen Sicherheitsarchitektur“. Er bekräftigte zunächst die Notwendigkeit der Wissensgenerierung im militärischen Bereich und setzte sich anschließend mit dessen verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Rahmenbedingungen auseinander. Die Bedeutung der Arbeitsteilung und Koordination wurde herausgestellt und auf dieser Grundlage das Zusammenwirken herausgearbeitet. Während die Aktivitäten des Bundesamts für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) und des BND gesetzlich normiert sind, betonte Prof. Pilniok das Fehlen ausdrücklicher Regelungen für das MilNW und erwähnte politische und wissenschaftliche Forderungen nach einer Gesetzesgrundlage, die insbesondere eine institutionelle Kontrolle ermöglichen soll. Die Aufgabenabgrenzung sei zwischen BND und BAMAD hinreichend normiert, zwischen BND und MilNW indes unklar. Eine Differenzierung von operativer und strategischer Aufklärung sei schwierig. Ein ähnliches Bild zeige sich auch bei Kooperationsmaßnahmen. Während § 14 Abs. 6 MADG die Kooperation zwischen BND und MAD gesetzlich normiere, werden zwischen dem Verteidigungsministerium (BMVg) und dem Bundeskanzleramt lediglich fakultative Verwaltungsverträge und Rahmenvereinbarungen geschlossen, auch wenn faktisch eine enge Kooperationsbeziehung bestünde. Prof. Pilniok schloss mit der Feststellung eines Bedeutungszuwachses für das MilNW aufgrund der Zeitwende.

Die sich anschließende Diskussion, moderiert von Prof. Gusy, wurde durch Fragen nach einer konkreten Definition des MilNW sowie der Notwendigkeit von Rechtsgrundlagen dafür beherrscht. Prof. Schmidt-Räntsch verwies auf die Schwierigkeit, alles „in eine Schublade“ pressen zu wollen. Sie stellte auf den Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln ab. Falls solche eingesetzt würden, sei eine Rechtsgrundlage notwendig, die an die besonderen Gegebenheiten angepasst sein müsse. Auch Prof. Pilniok hielt eine exakte Definition aufgrund des aus der Außenperspektive unklaren Sachverhalts für problematisch. Das wirke sich auch auf die Frage nach der Rechtsgrundlage aus, weil die Fragen zusammenhingen. Prof. Gusy schlug eine funktionelle, statt einer organisatorischen Trennung vor. Soweit gleiche Aufgaben wahrgenommen werden, müsse man sich fragen, warum unterschiedliche Voraussetzungen gelten sollten. Eine Vertreterin des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) ergänzte, dass das MilNW regelmäßig durch den BfDI kontrolliert werde. Der Vizepräsident des BND Generalmajor Dag Baehr zeigte sich hingegen skeptisch gegenüber einer Gleichstellung des MilNW mit den Nachrichtendiensten.

Nach der Mittagspause führte Prof. Dr. Robert Frau (Technische Universität Bergakademie Freiberg) unter dem Thema „Nachrichtendienste im Spannungs-, Verteidigungs-, und Bündnisfall“ in die verfassungsrechtliche Unterscheidung dieser Fälle und deren Auswirkungen auf die Nachrichtendienste ein. Hierbei verwies er zunächst auf die Abstraktheit des Themas, das er auch als „theoretisch“ oder „phantastisch“ beschrieb. Prof. Frau differenzierte zwischen den einzelnen Fällen der Notstandsverfassung, zeigte das Verfahren sowie die Modifikationen der Rechtsordnung auf und ging auf einzelne ungeklärte Rechtsprobleme ein. Er problematisierte insbesondere, dass interne Bedrohungslagen nach herrschender Meinung keinen Spannungsfall begründen sowie die fehlende Erfassung der Nachrichtendienste durch die Notstandsverfassung. Weder verfassungsrechtliche Notstandsvorschriften noch deren einfachgesetzliche Konkretisierungen behandeln die nachrichtendienstliche Arbeit. In diesem Zuge überlegte er, ob nicht beispielsweise die Befehls- und Kommandogewalt über das BAMAD im Verteidigungsfall auf den Bundeskanzler übergehen sollte.

2. Nachrichtendienste in der bewaffneten Auseinandersetzung

Im nächsten Themenkomplex zu Nachrichtendiensten in bewaffneten Auseinandersetzungen, moderiert von Prof. Gärditz, trug Prof. Dr. Stefanie Schmahl, LL.M. (Julius-Maximilians-Universität Würzburg) zum Thema „Nachrichtendienste in bewaffneten Konflikten“ vor. Sie befasste sich dabei vor allem mit den Grundlagen der Nachrichtendienste im Völkerrecht. Hierbei betonte Prof. Schmahl die grundsätzliche Zulässigkeit der Spionage als solche in Friedens- wie in Kriegszeiten. Lediglich die eingesetzten Mittel und deren Folgen können ein völkerrechtliches Delikt begründen. Zudem ging sie auf die scheinbar inkongruente Situation ein, dass Spione zwar nationalstrafrechtrechtlich verfolgt werden dürfen, als Zivilisten indes grundsätzlich kein zulässiges Kriegsziel darstellen. Darüber hinaus bekräftigte Prof. Schmahl, dass die Kriegsspionage zugunsten Dritter, insbesondere als Teil der kollektiven Selbstverteidigung, zulässig ist. Die Frage des Eintritts als Konfliktpartei sei hiervon zu trennen und vielmehr anhand von unmittelbarem sowie substanziellem Bezug zu Schädigungen des Gegners zu beurteilen. Abschließend erläuterte Prof. Schmahl die Implikationen des völkerrechtlichen Menschenrechtssystems auf Spionagehandlungen gegenüber nichtstaatlichen Akteuren in Friedens- sowie Konfliktzeiten und plädierte für eine politische Entscheidung der Balance zwischen Sicherheit und Freiheit.

Der sich anschließende Vortrag von Dr. Werner Ader (BND) befasste sich unter dem Titel „Das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst im Auslandseinsatz“ mit der Aufgabe der Force Protection des BND im Verhältnis zu den Aufgaben des BAMAD. Dabei handele es sich um ein Gesamtpaket, welches akzessorisch zum Einsatz verstanden werden müsse. Im Vordergrund stehe dabei immer Leib, Leben und Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten zu schützen. Hierbei kläre der BND nicht ausschließlich strategisch, sondern auch konkrete Fälle auf und reiche diese meist als sog. finished intelligence weiter. Als All-Sources-Dienst, mit OSINT als wichtigster Erkenntnisquelle, sei der BND (nur) Informationsdienstleister, ohne operative Befugnisse. Nicht nur personenbezogene Daten, sondern auch Sachdaten, z.B. Informationen über Waffensysteme, seien im Rahmen der Force Protection von hoher Wichtigkeit. Zudem differenzierte Dr. Aderzwischen Einsatzgebieten wie Mali oder Afghanistan, denen eine relativ gut beherrschbare Gefahrenlage und konkrete geografische Begrenzung zugrunde liege und seit 2014 der Nato-Ostflanke, die andere Arten von Informationen für sichere Einsätze voraussetze. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund Deutschlands als „Drehscheibe“ der NATO von hoher Relevanz.

Oberst Thomas Nickel (BAMAD) ergänzte die Perspektive des BAMAD. Die Einsatzabschirmung durch den MAD wurde mit § 14 MADG im Jahr 2004 begründet. Während § 14 MADG lediglich für internationales Krisenmanagement anwendbar sei, stelle § 1 MADG die Rechtsgrundlage für Einsätze im Rahmen der Bündnisverteidigung dar – in Abhängigkeit von völkerrechtlichen Verträgen mit der „host nation“ als „red card holder“. Die Einsatzabsicherung des BAMAD beschreibt Oberst Nickel eindrücklich als Schutzschirm über der Bundeswehr. Zu diesem Zweck kümmert sich der Nachrichtendienst beispielsweise um den Liegenschaftsschutz in deutsch-geführten multinationalen Feldlagern, die Mitwirkung bei der Überprüfung von Personen, insbesondere Ortskräften, aber auch die technische Absicherung, wie die Aufklärung zu Gefährdungen bei der Smartphone-Nutzung im Auslandseinsatz.

In der Diskussion wurde unter anderem der mögliche Reformbedarf von § 14 MADG thematisiert. Nach Auffassung der Vertreter des BND und des BAMAD sei die Regelung grundsätzlich „lebbar“, man könne aber z.B. über die Liegenschaftsbindung durchaus diskutieren. Entscheidend sei, dass beide Nachrichtendienste zum Schutz der Truppe effektiv zusammenarbeiten, was praktisch gut funktioniere. Auf eine Frage zur Spionage in Liegenschaften der Bundeswehr verwies Oberst Nickel auf die Einschränkung der „doppelten Klammer“ für die Zuständigkeit des MAD im Inland, sodass in vielen Fällen das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) zuständig sei. Im Ausland sei ggf. der Nachrichtendienst der NATO zuständig. Dr. Ader betonte in diesem Zusammenhang, der BND verfüge über keine Kompetenzen zu staatsschutzrechtlichen Ermittlungen, was aus dem Publikum von einem Vertreter des Generalbundesanwalts mit Verweis auf das Weltrechtsprinzip ergänzt wurde.

Der Tag endete mit einem gemeinsamen Dinner. Rita Schwarzelühr-Sutter (Parlamentarische Staatssekretärin, BMI) bezog sich in ihrem Grußwort auf Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ und betonte, dass Krieg als solcher bezeichnet und bei Entscheidungen immer mitgedacht werden müsse. Die Dinner Speech von Prof. Dr. Sönke Neitzel (Universität Potsdam) stand unter der Frage der „Zeitenwende auch für Nachrichtendienste?“. Er unternahm als Militärhistoriker mit den Dinnergästen zunächst einen Ausflug in die Entstehungsgeschichte der modernen Nachrichtendienste und widmete sich anschließend dem im Vergleich zum Vereinigten Königreich niedrigen Stellenwert von Nachrichtendiensten in der deutschen Gesellschaft. Er appellierte für eine Zeitenwende in der deutschen Bevölkerung.

III. Zweiter Tag (22. März 2024)

Der zweite Tag des Symposiums teilte sich in zwei gleichzeitig laufende Panels und eine anschließende Podiumsdiskussion auf.

1. Hybride Bedrohungen – die äußere Dimension

Das erste Panel zur äußeren Dimension hybrider Bedrohungen wurde von Prof. Dietrich moderiert und startete mit einem völkerrechtlichen Vortrag („Hybride Bedrohungen, Nachrichtendienste und Völkerrecht“) von Prof. Dr. Paulina Starski (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg). Prof. Starski wies zunächst auf die Komplexität hin, die das Thema hybride Bedrohungen kennzeichnet. Sodann widmete sie sich der Definition der Hybridität und differenzierte zwischen Urheberfrage und Wirkungsweise. Hierbei verwies Prof. Starski darauf, dass sich hybride Bedrohungen oftmals in Grauzonen des Völkerrechts befänden, welchen mit dynamischer Auslegung zu begegnen sei. Völkerrecht als träges Recht sei daher Problem, aber auch Lösung zugleich. Als besondere Problemkreise identifizierte sie den Begriff der Gewalt i.S.d. Art. 2 Nr. 4 UN-Charta und den hiervon zu trennenden Terminus der bewaffneten Konflikte des Art. 51 UN-Charta. Sie plädierte für den sog. effect based approach und verwies ferner auf bestehende Unklarheiten bei hybriden Bedrohungen, insbesondere der Anwendung der „accumulation of events doctrine“, wobei sie ein mögliches Missbrauchspotenzial betonte. Zudem ging sie auf mögliche Maßnahmen unterhalb bzw. oberhalb der Schwelle der Gewaltanwendung ein und beleuchtete ebenfalls die menschenrechtliche Dimension hybrider Bedrohungen. Zum Schluss hob Prof. Starski die entscheidende Bedeutung von nachrichtendienstlichen Tätigkeiten für die Aufklärung von Zurechnung und Überprüfung der Erfüllung von Sorgfaltspflichten hervor, die als Vorfrage der rechtlichen Bewertung zu klären sind.

Der zweite Vortrag des Panels befasste sich mit der Aufklärung von Cyberangriffen durch den BND und stammte von der dort tätigen Dr. Hannah Haupt. Zu Beginn ihres Vortrags wies Dr. Haupt auf die steigende Bedrohungslage durch Cyberangriffe – insbesondere von KRITIS – hin, die seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine weiter zugenommen hat. 200 Mrd. EUR entstünden jedes Jahr als Schaden, hauptsächlich durch Ransomware, obgleich die Angriffsvektoren komplexer würden. Hauptsächlich seien Cyberangriffe der Wirtschaftsspionage zuzuordnen, wobei China, Russland, Nordkorea und der Iran bedeutende Rollen einnehmen. Hierbei betonte Dr. Haupt, dass die Cyberabwehr gemeinschaftliche Aufgabe einer Vielzahl von Stellen sei, wie dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe oder CERT (Computer Emergency Response Team). Auch der Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr, das Auswärtige Amt und polizeiliche Strukturen seien Teil der Cyberabwehr. Der BND ist hierbei, so Dr. Haupt, ein wesentlicher Akteur mit singulären Befugnisnormen. Insbesondere strategische Auslandsfernmeldeaufklärung und CNE-Maßnahmen, Social Media Intelligence (SOCMINT), aber auch der Austausch mit ausländischen Diensten würden die einzigartige Rolle des BND prägen. Die notwendige Koordination sei durch das Nationale Cyberabwehrzentrum ermöglicht. Als ihre persönliche Auffassung stellte Dr. Haupt unter Darlegung verschiedener Problemlagen indes heraus, dass die Übermittlungsvorschriften in einem heterogenen Arbeitskreis, derzeitig auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners unter Beachtung des Trennungsgebots, angepasst werden müssten. Auch die in § 12 Abs. 4 BNDG normierte Befristung der gemeinsamen Dateien sei für die Daueraufgabe der Cybersicherheit nicht zweckmäßig. Zudem seien aktive Cybermaßnahmen denkbar und würden diskutiert. Letztendlich seien diese Novellierungen notwendig, um ein einheitliches und schnelles Lagebild zu erstellen.

2. Hybride Bedrohungen – die innere Dimension

Das zweite Panel befasste sich unter Moderation von Prof. Warg mit der inneren Dimension hybrider Bedrohungen. Ministerialdirigent Heinz Huber (Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration) sprach in diesem Rahmen über „Aufklärung und Abwehr von Desinformationskampagnen als Aufgabe des Verfassungsschutzes“. Er schätze die Miss- und Desinformation als großes Risiko ein, die zunehmende Generierung von Deepfakes wirke als Brandbeschleuniger. Ziel davon sei es, Schaden anzurichten und Einfluss auf Staat und Gesellschaft zu nehmen. Zu diesem Zweck werden von Falschmeldung bis hin zu subtileren Formen der Diskursbeeinflussung alle Methoden eingesetzt, die sich sowohl auf migrantische und extremistische Milieus als auch auf elitäre Kreise richten können. Huber sah die Grundlage für die verfassungsschützende Tätigkeit in der Extremismus- oder Spionageabwehr begründet, allerdings lägen nicht alle in der Öffentlichkeit diskutierten Ansätze zur Bekämpfung dieser Phänomene im Aufgabenbereich der Nachrichtendienste (z.B. Medienkompetenz). Lösungsansätze für effektiveres Vorgehen gegen Desinformation könnten laut Huber in der Schaffung einer Zentralstelle auf Bundesebene liegen oder gar in einem Fusion Center unter Beteiligung weiterer Behörden. Man könne auch eine Webpräsenz des Bundes schaffen, auf der aktueller Desinformation entgegengewirkt wird. Die Rechtslage sei mit Blick auf die Bekämpfung an einigen Stellen defizitär. So forderte der Referent eine Änderung des Strafrechts, um Desinformation zu erfassen. Diese ziele auf eine Schädigung des öffentlichen Friedens ab.

Dr. Thomas Siems, LL.M. aus dem Geschäftsbereich des BMVg referierte zu „Sabotageschutz nach der Zeitenwende: Neue Befugnisse für alte Gefahren?“. Er unterteile seine Ausführungen zunächst in die klassischen Bereiche des personellen und funktionalen Sabotageschutzes. Letzterer sei erforderlich, weil sich der personelle Sabotageschutz auf Personen begrenzt, die bewusst und gewollt im Schutzbereich tätig werden. Dabei sei es zwar bereits heute möglich, öffentliche Social-Media-Accounts einzusehen. Das Problem des BfV und BAMAD bestehe daher nicht in einer mangelnden Erkenntnislage, sondern vielmehr in der Identifizierbarkeit der Accounts für die Nachrichtendienste. In der Sicherheitserklärung sind jedoch ausschließlich die Netzwerke selbst, nicht aber die User-Names anzugeben. Hier bestehe gesetzlicher Änderungsbedarf. Des Weiteren ging Dr. Siems auf das hohe Risiko der Cybersabotage ein, das aus der gesellschaftlichen Abhängigkeit von bestimmten Strukturen herrühre. Hier sei Handlungssicherheit für die Nachrichtendienste wichtig.

Zum Schluss erhielt das Panel mit dem Vortrag „Spionageabwehr als Staats- und Verfassungsschutz“ von Prof. Dr. Mark A. Zöller (Ludwig-Maximilians-Universität München) einen strafrechtlichen Einschlag. Prof. Zöller erörterte nach der Einführung anhand aktueller Beispiele die fehlende Verwendung des Begriffs der Spionage sowohl im Nachrichtendienst- als auch im Strafrecht. Während ersteres von „geheimdienstlichen Tätigkeiten für eine fremde Macht“ spricht (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2      BVerfSchG), wird die Spionage strafrechtlich in § 99 StGB umschrieben. Es ergäben sich hier einige Unterschiede im Begriffsverständnis. § 99 StGB erfasse nur die Tätigkeit „für einen Geheimdienst“ also für staatliche Stellen, sowie „gegen die Bundesrepublik“. Subjektiv müsse sie auf Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet sein. Diese Differenzen sind, so Prof. Zöller, aber sachlich gerechtfertigt. Einen zweiten Schwerpunkt der Betrachtung bildete die verfassungs- und völkerrechtliche Verankerung der Spionageabwehr. Die rechtliche Legitimation derselben leite sich aus staatlichen Schutzpflichten zugunsten Privater, teilweise dem Schutz der Souveränität sowie der Wahrung des Interventionsverbots her. Als „Elephant in the Room“ bezeichnete Prof. Zöller die Tatsache, dass der deutsche Staat Spionage immer nur dann missbillige, wenn sie von anderen begangen wird und diskutierte die Zulässigkeit dieser einseitigen Behandlung des Phänomens.

3. Podiumsdiskussion

Als letzter Teil der Veranstaltung folgte eine Podiumsdiskussion zwischen Dr. Bruno Kahl (Präsident des BND), Dr. Bertold Huber (Vorsitzender der G10 Kommission), Martina Rosenberg (Präsidentin des BAMAD), Ministerialdirektor Dr. Jan Stöß (BMVg), Dr. Silke Willems(Vizepräsidentin des BfV) und Dr. Helene Bubrowski (Stellv. Chefredakteurin Table.Media). Moderiert wurde sie von Prof. Graulich. Die Podiumsdiskussion wurde in die Themenkomplexe „Der Zusammenhang von staatlichen Sicherheitsinteressen und militärischen Konflikten“ (1), „Erfolgreiche Prävention gegen hybride Gefährdungen erfordert staatliche und gesamtgesellschaftliche Resilienz“ (2) und „Zur Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr“ (3) geteilt. Sie wurde von der allgemeinen Auffassung begleitet, dass die Zeitwende der Nachrichtendienste zwar begonnen habe, jedoch erst am Anfang stehe. Insbesondere die Notwendigkeit des Werbens in der Bevölkerung wurde von mehreren Teilnehmenden betont. Zudem wurde die Kooperation innerhalb der deutschen Sicherheitsarchitektur hervorgehoben sowie einzelne Novellierungen angemahnt, auch wenn Kritik an dem „alternativen Gesetzgeber“ aus Karlsruhe laut wurde. Auch das Erfordernis einer gesamtgesellschaftlichen Resilienz, insbesondere vor dem Hintergrund hybrider Bedrohungen, wurde betont. Sicherheit sei als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu betrachten. Die Veranstaltung endete sodann mit einem Schlusswort der Ministerialdirektorin Dagmar Busch (BKAmt).

IV. Fazit

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und Bedrohungen im Zuge fortschreitender Digitalisierung (z.B. Desinformation) zeigen eindrucksvoll die Bedeutung der Nachrichtendienste für die Bundesrepublik Deutschland. Die Belange der Landes- und Bündnisverteidigung sind im Zuge des Ukrainekriegs wieder in den Vordergrund des öffentlichen Bewusstseins gerückt und haben das Potenzial, das Verhältnis der Bevölkerung zu den deutschen Diensten nachhaltig zu verändern. Die Vernetzung aus Rechtswissenschaft und nachrichtendienstlicher Praxis durch das Symposium zum Recht der Nachrichtendienste erwies sich insbesondere unter diesen Vorzeichen auch in diesem Durchgang als außerordentlich wertvoll. Den Veranstaltern und der wissenschaftlichen Leitung gebührt dafür großer Dank.

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