Editorial

 

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Unser erstes Heft in diesem Jahr beginnt mit einem grundlegenden Beitrag unseres Herausgebers Heinrich zum heutigen Zustand der Kriminalpolitik in Deutschland. Hierin werden allgemeine Entwicklungstendenzen der neueren Kriminalpolitik nachgezeichnet, kritisch gewürdigt und exemplarisch einige Problemfelder moderner Kriminalpolitik näher beleuchtet. Anschließend widmet sich Mitsch den geplanten Strafschärfungen beim Wohnungseinbruchdiebstahl. Zwar ist der bereits für Ende letzten Jahres von Bundesjustizminister Maas angekündigte Gesetzentwurf noch nicht verfügbar, gleichwohl sind die geplanten Änderungen bekannt und können somit einer kritischen Würdigung unterzogen werden. Zöller beschäftigt sich dann ganz aktuell mit dem aus Januar 2017 stammenden Regierungsentwurf zur Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Der Regierungsentwurf schlägt eine Legaldefinition des Vereinigungsbegriffs vor, der unionsrechtlich geprägt ist. Der Beitrag von Dahlke/Hoffmann-Holland nimmt den vom Bundesrat in den Bundestag eingebrachten Gesetzentwurf zu illegalen Autorennen in den Blick. Dabei unterziehen sie nicht nur den geplanten neuen Straftatbestand des § 315d StGB-E einer kritischen Prüfung, sondern stellen selbst Überlegungen de lege ferenda an. Abgerundet wird der Aufsatzteil von einer Darstellung der bereits Ende des letzten Jahres in Kraft getretenen Änderungen des BNDG, die Graulich umfassend erläutert und würdigt.

Im Rechtsprechungsteil finden Sie einen Abdruck der EuGH-Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung in Schweden und Großbritannien, in der das Gericht eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung – wieder einmal – für unzulässig erklärt hat. Daneben wird die Entscheidung des BVerfG wiedergegeben, inwieweit Identitätsfeststellung und Freiheitsentziehung durch sog. „Kesselbildung“ im Rahmen einer Versammlung zulässig sind. Abgerundet wird Heft 1 durch drei Buchbesprechungen sowie einen Tagungsbericht über das Symposium Cybercrime – Herausforderungen an die Ermittlungspraxis.

Da wir – wie im Editorial des letzten Heftes und im monatlichen Newsletter bekanntgegeben – den Erscheinungsturnus der KriPoZ-Hefte wegen der Feiertage am 1. Januar und am 1. Mai auf nunmehr 1. Februar, 1. April, 1. Juni, 1. August, 1. Oktober und 1. Dezember verschoben haben, ist der kriminalpolitische Rückblick in dieser Ausgabe ein wenig weiter und umfasst die Monate November, Dezember und Januar.

Neben den von Graulich besprochenen Änderungen des BNDG sind in den letzten drei Monaten eine Reihe von weiteren Gesetzen mit kriminalpolitischem Bezug in Kraft getreten. Ab November 2016 gilt das lang diskutierte Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung (BGBl. I 2016, 2460). Zur Vorgeschichte des Entwurfs, den Diskussionsansätzen und der entsprechenden Umsetzung hatten wir im ersten KriPoZ-Heft einen Beitrag von Hörnle veröffentlicht. Im zweiten KriPoZ-Heft folgte eine Darstellung des Gesetzentwurfs von Papathanasiou. Ebenfalls im November in Kraft getreten ist das Gesetz zur Bekämpfung und Verbreitung neuer psychoaktiver Stoffe (NpSG, BGBl. I 2016, 2615). Damit wurde die Strafbarkeitslücke geschlossen, die rechtsprechungsbedingt dadurch entstanden war, dass diese Substanzen nicht mehr unter das AMG subsumiert werden konnten und auch noch nicht in der Anlage zum BtMG aufgenommen waren.

Im Dezember trat das Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen in Kraft (BGBl. I 2016, 3152). Dieses Gesetz sieht die Umstellung von Registrierkassen auf ein fälschungssicheres System vor, um Steuerbetrug an Ladenkassen zu verhindern. Im Rahmen dessen können in Zukunft zahlreiche Verstöße gegen das Gesetz als Ordnungswidrigkeiten nach § 379 AO geahndet werden.

Schließlich trat am 1.1.2017 das Gesetz zur Änderung des Völkerstrafgesetzbuchs in Kraft (BGBl. I 2016, 3150), wodurch der Straftatbestand der Aggression mit § 13 VStGB in das Gesetz eingefügt wird. Hintergrund für die jetzige Änderung ist die Einigung der Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs über den Tatbestand des Aggressionsverbrechens in Art. 8bis IStGH-Statut. Nachdem Deutschland bereits im Juni 2013 die Änderungen angenommen hatte, sollten diese nun in deutsches Recht umgesetzt werden und zum frühestmöglichen Anwendungszeitpunkt des Aggressionstatbestands auf internationaler Ebene in Kraft treten. Mit § 13 VStGB wird das Vorbereiten oder Führen eines Angriffskriegs unter Strafe gestellt. § 80 StGB „Vorbereitung eines Angriffskriegs“ wird im Gegenzug gestrichen.

Bereits im Januar 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet, aber noch nicht in Kraft getreten, ist das vierte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (BGBl. I 2017, 31). Bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 22.5.2017 muss die Richtlinie 2014/41/EU über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen in nationales Recht umgesetzt werden. Dazu regelt das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen in Abschnitt 2 die §§ 91a ff. neu. Diese neuen Einfügungen im Gesetz werden im nächsten KriPoZ-Heft vorgestellt.

In den letzten drei Monaten seit Erscheinen unseres letzten KriPoZ-Heftes 3/2016 sind zudem viele Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht worden, vom Bundestag beschlossen und/oder vom Bundesrat gebilligt oder in den Ausschüssen beraten worden.

Bereits im November hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf zur Medienöffentlichkeit im Strafverfahren dem Bundestag zugeleitet. Im Dezember hat der Bundestag den Entwurf zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Das EMöGG soll zu einer moderaten Lockerung des bisherigen Verbots der Medienübertragung aus Gerichtsverhandlungen führen und die Vorgaben für Audio- und Videoübertragungen von Gerichtsverhandlungen an die Bedeutung moderner Medien und des neuen Medienverständnisses anpassen.

Ebenfalls im November 2016 fand eine öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses zu dem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung statt (BT-Drs. 18/9525). Diesen Regierungsentwurf hatte Bittmann in der KriPoZ 2/2016 vorgestellt. Die angehörten Sachverständigen beurteilten den Gesetzentwurf sehr unterschiedlich. Neben positiven Stimmen zur Verfahrensvereinfachung wurde die Praktikabilität und Verfassungsmäßigkeit einzelner Regelungen kritisch gesehen.

Nachdem im November eine öffentliche Anhörung des Finanzausschusses zum Gesetzentwurf zur weiteren Bekämpfung der Schwarzarbeit stattgefunden hat, wurde diesem Gesetzentwurf der Bundesregierung nach einigen Änderungen durch die Koalitionsfraktionen zugestimmt. Der Entwurf sieht neue Kompetenzen für die Schwarzarbeitsbekämpfungsbehörden der Länder vor. Außerdem sollen Zollbehörden in Zukunft Daten aus dem Zentralen Fahrzeugregister des Kraftfahrt-Bundesamtes abfragen dürfen.

Im Dezember beschloss die Bundesregierung den vom BMJV vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens. Über den Referentenentwurf hatten Basar/Schiemann in KriPoZ 3/2016 berichtet. Der Regierungsentwurf bleibt noch einmal weit hinter den im Referentenentwurf geplanten Änderungen zurück. Der Regierungsentwurf wird im nächsten KriPoZ-Heft vorgestellt.

Ebenfalls im Dezember fand eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz zum zweiten Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts statt. Die dabei angehörten Sachverständigen begrüßten die angestrebten Änderungen. Auch zu diesem Gesetz werden wir im nächsten KriPoZ-Heft zwei Beiträge abdrucken.

Nachdem im November in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses die Experten zu durchaus kontroversen Betrachtungen des Regierungsentwurfs zum „Stalking“ kamen, nahm der Bundestag am 15.12.2016 gegen das Votum der Opposition den Gesetzentwurf zur Verbesserung des Schutzes gegen Nachstellungen in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung an (BT-Drs. 18/10654). Die geänderte Fassung hat die noch im Referenten- und Regierungsentwurf vorgesehene Streichung des § 238 Abs. 1 Nr. 5 StGB wieder zurückgenommen. Gegen eine Streichung waren auch Kubiciel/Borutta in ihrem Beitrag in KriPoZ 2016, 194.

Im Dezember beschloss das Bundeskabinett das Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes und der Strafprozessordnung. Der Gesetzentwurf sieht neben einer Lockerung des Richtervorbehalts bei Blutprobenentnahmen wegen Straßenverkehrsdelikten unter anderem vor, den Katalog strafrechtlicher Sanktionen um die Möglichkeit der generellen Verhängung eines Fahrverbots als Nebenstrafe zu erweitern. Das Fahrverbot als Nebenstrafe soll nicht – wie bisher – nur bei Straftaten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz oder einer Pflichtverletzung im Straßenverkehr verhängt werden können, sondern nach § 44 Abs. 1 StGB-E generell bei allen Straftaten. Diese vielfach kritisierte Ausdehnung wurde vom 25.-27.1.2017 auch auf dem 55. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar behandelt. Der Arbeitskreis 1, der sich ausschließlich der Frage nach dem Fahrverbot als Nebenstrafe bei allgemeiner Kriminalität widmete, lehnte mit einer weit überwiegenden Mehrheit den Gesetzentwurf ab.[1]

Nachdem der Bundesrat anlässlich der „Böhmermann-Affäre“ die Einbringung eines Gesetzes zur Streichung des    § 103 StGB in den Bundestag beschlossen hatte, hat die Bundesregierung im Januar selbst den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Straftaten gegen ausländische Staaten vorgelegt und darin die Aufhebung des § 103 StGB vorgesehen. Mitsch hatte bereits in Heft 2/2016 der KriPoZ zur geplanten Streichung unter dem Titel „§ 103 StGB – Ist das noch Recht oder kann das weg?“ Stellung bezogen.

Nach Billigung des Gesetzes zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher und anderer Vorschriften durch den Gesundheitsausschuss, hat der Bundestag am 19.1.2017 den Gesetzentwurf verabschiedet. Dieser sieht vor, dass Cannabisarzneimittel zu Therapiezwecken eingesetzt werden können.

Ebenfalls im Januar dieses Jahres hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Fahndung bei besonderen Gefahrenlagen und zum Schutz von Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei durch den Einsatz von mobiler Videotechnik vorgelegt (BT-Drs. 18/10939). Darin ist die Einfügung von drei Paragrafen in das Bundespolizeigesetz vorgesehen. §§ 27a – 27c enthalten danach Regelungen zu mobilen Bild- und Tonaufzeichnungsgeräten, zur anlassbezogenen automatischen Kennzeichenerfassung und zu Gesprächsaufzeichnungen. Der Gesetzentwurf wurde am 27.1.2017 in erster Lesung beraten.

Die Bundesregierung hat im Januar zudem den Entwurf eines Videoüberwachungsverbesserungsgesetzes vorgelegt (BT-Drs. 18/10941). Danach wird § 6b BDSG ergänzt und für Videoüberwachungen von öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs festgestellt, dass der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit der sich dort aufhaltenden Personen als ein besonders wichtiges Interesse gilt. Diese Ergänzung wird dazu führen, dass die Videoüberwachung erheblich ausgeweitet werden kann. Auch dieses Gesetz stand am 27.1.2017 in erster Lesung zur Debatte.

Das Bundeskabinett hat im Januar einen Gesetzentwurf zum automatisierten Fahren auf den Weg gebracht, der auch unter dem Schlagwort „Autopilot-Gesetz“ in der Presse bekannt wurde. Leider ist dieser Gesetzentwurf noch nicht online verfügbar (Stand: 29.1.2017). Gleichwohl hat Spiegel-Online am 25.1.2017 § 1b dieses Gesetzes zitiert: „Der Fahrzeugführer ist verpflichtet, die Fahrzeugsteuerung unverzüglich wieder zu übernehmen, wenn er erkennt oder aufgrund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen“. Dies macht deutlich, dass die letzte Verantwortung grundsätzlich beim Menschen verbleibt.

Neben diesen Regierungsentwürfen wurden im Dezember und Januar auch mehrere Referentenentwürfe veröffentlicht. Am 15.12.2016 wurde der Referentenentwurf des BMJV zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen bekanntgemacht. Der Gesetzentwurf sieht eine Einschränkung der Strafbarkeit nach § 203 StGB für den Berufsgeheimnisträger und eine Einbeziehung weiterer mitwirkender Personen vor.

Am 23.12.2016 veröffentlichte das BMJV einen Referen-tenentwurf zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften. Der Entwurf sieht vor, die Begehungsform des tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte aus § 113 StGB herauszulösen und in § 114 StGB-E als selbstständigen Straftatbestand zu regeln. Der Strafrahmen soll dabei verschärft werden.

Ebenfalls aus dem BMJV stammt ein Referentenentwurf zur Ausweitung des Maßregelrechts bei extremistischen Straftätern. Das Gesetz sieht vor, sowohl die elektronische Aufenthaltsüberwachung nach der Haft im Rahmen der Führungsaufsicht als auch die faktische Sicherungsverwahrung bei solchen Straftätern zu ermöglichen, die wegen schwerer Vergehen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, der Terrorismusfinanzierung oder der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verurteilt wurden. Dazu werden in § 66 Abs. 3 StGB die entsprechenden Straftatbestände eingefügt.

Noch ohne Gesetzentwurf wird derzeit über die Thematik der Fake-News diskutiert. Der Deutsche Bundestag hat mit dem Ausschuss „Digitale Agenda“ erstmals ein ständiges parlamentarisches Gremium geschaffen, das sich aktuellen netzpolitischen Themen widmet. Am 25.1.2017 fand dort ein Fachgespräch mit Experten zu regulatorischen Eingriffen im Kampf gegen Fake News, Social Bots, Hacks und Hate Speech statt. Die Stellungnahmen der Sachverständigen fielen unterschiedlich aus.

 

Prof. Dr. Anja Schiemann

 

[1]      Abrufbar unter: http://www.deutscher-verkehrsgerichtstag.de /images/empfehlungen_pdf/empfehlungen_55_vgt.pdf.

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