DNA – Identitätsfestellung und DNA – Analyse

Gesetzenwürfe:

Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Umfangs der Untersuchungen von DNA-fähigem Material
 

Entwurf eines Gesetzes zur Angleichung von genetischem und daktyloskopischem Fingerabdruck im Strafverfahren

  • Gesetzantrag des Freistaates Bayern vom 21. März 2017: BR Drs. 231/17

Am 3. Februar 2017 beantragte das Land Baden-Württemberg (BR Drs. 117/17) die Änderung der strafprozessualen Vorschrift zur molekulargenetischen Untersuchung (§ 81e StPO). Dies ist die erste konkrete Initiative um die zulässigen Feststellungsmöglichkeiten auf Augen-, Haar- oder Hautfarbe sowie biologisches Alter zu erweitern. Der Gesetzantrag wird durch das Land Bayern unterstützt.

In einem eigenen Gesetzentwurf des Freistaates (BR Drs. 231/17) wird nun eine Änderungen der rechtlichen Grundlage zur DNA-Analyse angestrebt. Der Entwurf sieht vor, die Regelungen des genetischen Fingerabdrucks den Regelungen des klassischen Fingerabdrucks anzugleichen, indem der Anwendungsbereich der DNA-Analyse für die Zwecke künftiger Strafverfahren erweitert und den materiellen Voraussetzungen sonstiger erkennungsdienstlicher Maßnahmen angepasst wird. Damit würden besondere Verhältnismäßigkeitsvoraussetzungen und der Richtervorbehalt hinsichtlich der Erhebung des DNA-Identifizierungsmsuters entfallen.

Das Gesetz sieht eine Aufhebung, des § 81f Absatz 1 StPO vor, der die Anordnungsbefugnis der molekulargenetischen Untersuchung normiert. Außerdem soll der § 81g Absatz 1 neu gefasst werden. Die Änderung weitet den Anwendungsbereich der DNA-Identitätsfeststellung aus. Es genügt dem Gesetzentwurf zufolge, dass wegen der Art oder Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Beschuldigten oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung zu führen sind. Zudem soll den Behörden und Beamten des Polizeidienstes eine Antragsbefugnis zur DNA-Identitätsfestellung eingeräumt werden.

In seiner Plenarsitzung am 31. März 2017 hat der Bundesrat hinsichtlich des Antrags aus Baden-Württemberg per Abstimmung festgehalten, dass die Ausschussberatungen weiter fortgeführt werden und keine Sachentscheidung ergeht. Diese waren zum Zeitpunkt der Sitzung noch nicht abgeschlossen. Hinsichtlich des Antrags aus Bayern wurde der Entwurf ebenfalls zur weiteren Beratung an die Fachausschüsse überweisen.

Die erweiterte DNA-Analyse hat im Gesetz Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens (BGBl I 2019, S. 2121 ff.) Berücksichtigung gefunden. Mehr dazu finden Sie hier

 

 

Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens

Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017: BGBl I 2017 Nr. 58, S. 3202 ff.
 
Berichtigung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 1. November 2017: BGBl I 2017 Nr. 71, S. 3630

 

Gesetzentwürfe:

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 796/1/16
Stellungnahme des Bundesrates vom 10. Februar 2017: BR Drs. 796/16
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: BT Drs. 18/12785

Gesetzesbeschluss des Bundestages: BR Drs. 527/17
Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 527/1/17

 

Gesetzesinitiativen auf Länderebene:

  • Gesetzesantrag des Landes Baden-Württemberg zur Erweiterung des Umfangs der Untersuchungen von DNA-fähigem Material: BR Drs. 117/17

Anlagen:

 

Im Oktober letzten Jahres hatte die von Heiko Maas einberufenen Expertenkommission zur Reform des Strafverfahrens ihren umfangreichen Abschlussbericht vorgelegt. Am 27.5.2016 wurden einige der Empfehlungen im Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens umgesetzt. 

Der Referentenentwurf führt eine einzelfallbezogene Erscheinenspflicht von Zeugen bei der Polizei, Änderungen im Befangenheitsrecht und die Möglichkeit einer Fristsetzung im Beweisantragsrecht ein. Des Weiteren ist eine „moderat(e)“ Erweiterung des Einsatzes audiovisueller Aufzeichnungen von Vernehmungen im Ermittlungsverfahren vorgesehen. Daneben sollen Beschuldigtenrechte gestärkt werden. Ebenfalls vorgesehen sind Anpassungen der §§ 81e und 81h StPO, um die Erfassung von sog. DNA-Beinahetreffern bei der DNA-Reihenuntersuchung zu ermöglichen. Nach dem Fall der getöteten Studentin in Freiburg wurden Stimmen laut, die Auswertung von DNA Spuren noch umfassender zu erweitern. Bislang darf das DNA Material nicht auf Merkmale wie Augen-, Haar- oder Hautfarbe analysiert werden, auch wenn sich die Suche nach dem Täter dadurch eingrenzen ließe. Justizminister Heiko Maas will das Thema auf der nächsten Justizministerkonferenz zur Sprache bringen.

Am 14. Dezember hat die Bundesregierung schließlich den vom BMJV vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens beschlossen.

Am 3. Februar 2017 beantragte das Land Baden-Württemberg (BR Drs. 117/17) die Änderung der strafprozessualen Vorschrift zur molekulargenetischen Untersuchung (§ 81e StPO). Dies ist die erste konkrete Initiative um die zulässigen Feststellungsmöglichkeiten auf Augen-, Haar- oder Hautfarbe sowie biologisches Alter zu erweitern. Der Gesetzantrag wird durch das Land Bayern unterstützt.

In seiner Sitzung vom 10. Februar 2017 hat der Bundesrat zum Gesetzentwurf der Bundesregierung Stellung genommen. Dabei ging der Bundesrat auch auf die Möglichkeit zur Änderung der strafprozessualen Vorschrift zur molekulargenetischen Untersuchung (§ 81e StPO) ein.

Am 9. März 2017 hat der Bundestag nach erster Beratung den Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT Drs. 18/11277) zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen. Dort fand am 29. März 2017 eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und ihre Stellungnahmen finden Sie hier.

Im Mittelpunkt der Anhörung stand der Aspekt der vermehrte Videoaufzeichnung von Vernehmungen. Ganz überwiegend stieß diese bei den Sachverständigen auf Zustimmung. Die Videoaufzeichnung ist derzeit nur bei Vernehmungen von Zeugen in Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs möglich. Nach dem Gesetzentwurf soll es in Zukunft eine verpflichtende Videoaufzeichnung von Beschuldigtenvernehmungen in Ermittlungsverfahren bei Tötungsdelikten geben oder in Fällen, in denen der Beschuldigte besonders schutzbedürftig sei. Dies soll der Optimierung der Wahrheitsfindung dienen und ggf. eine persönliche Ladung von Zeugen zur Hauptverhandlung verzichtbar machen. Die Sachverständigen begrüßten die angestrebte Neuregelung. Gerade in Fällen des sexuellen Missbrauchs sei es deswegen seltener zu Revisionsverfahren gekommen. Des Weiteren gebe es für die Vernehmungsprotokolle keinen Qualitätsmaßstab, was in der Hauptverhandlung gelegentlich zu Beweisproblemen führe. Zwei der Sachverständigen sprachen sich sogar dafür aus, die Videoaufzeichnung nicht nur auf die Tötungsdelikte zu beschränken, sondern auf alle Vernehmungen zu erstrecken. Gegenstimmen sind jedoch der Meinung, dass ein solches Vorgehen nicht der Verfahrensbeschleunigung diene und der Einsatz von Videotechnik bei der Vernehmung in das Ermessen der Vernehmungsperson zu stellen sei. Der Beschuldigte produziere bei der Aufzeichnung ein zusätzliches Beweismittel und schränke damit auch seine Verteidigungsmöglichkeit ein.

Ein weiterer zentraler Aspekt der Anhörung war die Möglichkeit von Verzögerungen des Hauptverfahrens durch Befangenheitsanträge. Dies wurde durch die Sachverständigen unterschiedlich bewertet, was nicht zuletzt auch an den verschiedenen Rollen von Richtern und Anwälten lag. Während die Sachverständigen auf der einen Seite darin eine sinnvolle Regelung sahen, um eine bewusste Verzögerung des Verfahrens durch schubweise eingebrachte Beweisanträge zu verhindern, sahen sie auf der anderen Seite darin eine Beschneidung eines ganz wesentlichen Instruments der Verteidigung.

Am 22. Juni 2017 wurde der Regierungsentwurf (BT Drs. 18/11277) in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 18/12785) in der zweiten und dritten Lesung gegen das Votum der Opposition und zweier SPD-Abgeordneter beschlossen. Der Regierungsentwurf „zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze“ (BT Drs. 18/11272) wurde einvernehmlich für erledigt erklärt. Die dort angestrebten Änderungen wurden in den ersteren Gesetzentwurf übernommen.

Konkret wurde beschlossen, die Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entlasten um „eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann“. Dazu wird bspw. die Nötigung zum Privatklagedelikt.
In Ermittlungsverfahren werden die Zeugen nun verpflichtet bei der Polizei zu erscheinen. Zwecks einer verbesserten Dokumentation werden Vernehmungen in Zukunft vermehrt aufgezeichnet. Dies soll die Wahrheitsfindung optimieren und das Erscheinen von Zeugen  vor Gericht u.U. nicht erforderlich machen. Dies beschleunige das Verfahren, ebenso, wie die künftige alleinige Zuständigkeit zur Bestellung von Pflichtverteidigern durch den Ermittlungsrichter.
Des Weiteren sollen mehrere Änderungen helfen, dass Hauptverfahren schneller durchführen zu können. Befangenheitsanträge kurz vor Beginn der Hauptverhandlung schließen den abgelehnten Richter zunächst nicht mehr aus. Auch das Beweisantragsrecht erfährt Neuerungen um eine Konfliktverteidigung zu vermeiden, wird aber nicht eingeschränkt.
Die vehement geforderte Erweiterung der DNA-Analyse ist nun ebenfalls beschlossene Sache. In Zukunft werden auch Beinahetreffer, die ein Verwandtschaftsverhältnis aufzeigen, als Beweismittel verwendbar sein.
Aber nicht nur das Hauptverfahren wird vereinfacht. An vielen Stellen werden auch die  Revisions- und Strafvollstreckungsverfahren modifiziert und damit beschleunigt.

Hinsichtlich des für erledigt erklärten Gesetzentwurfs wurden folgende Teile in das beschlossene Änderungsgesetz aufgenommen:
Das Fahrverbot ist künftig auch im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität als Nebenstrafe möglich, auch wenn das begangene Delikt nicht im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen steht. Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung wird § 266a StGB um zwei Regelbeispiele für besonders schwere Fälle erweitert. Zum Schutz der Umwelt wird nun das „leichtfertige Töten und Zerstören von streng geschützten wildlebenden Tier- und Pflanzenarten und von bestimmten besonders geschützten wildlebenden Vogelarten“ unter Strafe gestellt.
Der zuletzt in der öffentlichen Anhörung vom 30. Mai 2017 sehr umstrittene Einsatz von Spionage-Software zwecks Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung wird nun ebenfalls gesetzlich verankert.
Verfahrensrechtlich besteht für Bewährungshelfer demnächst die Möglichkeit, wichtige Erkenntnisse über einen Verurteilten an die Polizei und andere staatliche Stellen weiterzuleiten.

Am 7. Juli 2017 hat der Bundesrat in seiner Plenarsitzung die umfangreichen Änderungen im Straf- und Strafprozessrecht gebilligt, die der Bundestag zuvor am 22. Juni 2017 beschlossen hatte.

Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 wurde am 23. August im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt vorbehaltlich des Art. 3 Nr. 17 lit. b und Nr. 23 tritt am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Art. 3 Nr. 17 lit. b und Nr. 23 tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.

Am 8. November 2017 wurde eine Berichtigung des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens im Bundesgesetzblatt verkündet.

 

 

Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes und der Strafprozessordnung

Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017: BGBl I 2017 Nr. 58, S. 3202 ff.

 

Gesetzentwürfe:

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 792/1/16
Stellungnahme des Bundesrates vom 10. Februar 2017: BR Drs. 792/16
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: BT Drs. 18/12785

 

Auch dieser Gesetzentwurf vom 6.6.2016 dient der Steigerung der Effizienz der Strafverfolgung. Im materiellen Strafrecht ist vorgesehen, den Katalog strafrechtlicher Sanktionen um die Möglichkeit der generellen Verhängung eines Fahrverbots als Nebenstrafe zu erweitern. Die Nebenstrafe soll nicht nur bei Straftaten im Zusammenhang mit dem Führen eines Kfz oder einer Pflichtverletzung im Straßenverkehr verhängt werden können, sondern nach § 44 Abs. 1 StGB-E bei allen Straftaten. Insofern wird auf die lebhaft diskutierte und umstrittene Anhebung der Verhängung eines Fahrverbots zur Hauptstrafe verzichtet.

Der in der Praxis zu Anwendungsschwierigkeiten führende Richtervorbehalt bei der Blutprobenentnahme nach § 81a Abs. 2 StPO wird entschärft durch eine vorrangige Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft bei Straßenverkehrsdelikten. Für Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft besteht die Anordnungsbefugnis dann fort, wenn der Untersuchungserfolg durch Verzögerung gefährdet würde.
Des Weiteren wird eine Ausnahmevorschrift von der nach § 454b Abs. 2 StPO zwingend vorgesehenen Unterbrechung der Strafvollstreckung zum Halb- oder Zweidrittelstrafzeitpunkt geschaffen, um die vollständiger Vorabverbüßung nicht suchtbedingter Freiheitsstrafen für eine Zurückstellung der suchtbedingten Freiheitsstrafen unter den Voraussetzungen des § 35 BtMG zu ermöglichen.
Außerdem werden in Bezug auf die Erteilung von Auskünften, Akteneinsicht und Datenverwendung für verfahrensübergreifende Zwecke die Normen im 8. Buch der StPO um Regelungen ergänzt, die die Befugnisse des Bewährungshelfers klarstellend präzisieren.

Am 21. Dezember 2016 hat das Bundeskabinett den vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf beschlossen. Bundesjustizminister Heiko Maas: „Die Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten erweitert die Möglichkeiten strafrechtlicher Sanktionen. Dadurch geben wir den Strafgerichten ein zusätzliches Mittel an die Hand, um zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken.“

In seiner Sitzung vom 10. Februar 2017 hat der Bundesrat keine grundlegenden Bedenken gegen die Pläne der Bundesregierung geäußert. In seiner Stellungnahme schlug er lediglich kleinere Änderungen vor, um das Gesetz noch praxistauglicher zu gestalten. Des Weiteren regte der Bundesrat an eine Klarstellung zum geplanten Wegfall des Richtervorbehalts zur Blutprobenentnahme vorzunehmen. Die Stellungnahme wird nun der Bundesregierung zwecks Gegenäußerung zugeleitet. Anschließend werden die Dokumente dem Bundestag zur weiteren Entscheidung vorgelegt.

Am 2. März 2017 hat die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf (BT Drs. 18/11272) in den Bundestag eingebracht. Die vorgeschlagenen Änderungen des Bundesrates lehnt sie überwiegend ab. Der Entwurf wurde am 9. März 2017 erstmals im Bundestag beraten und zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen.

Am 22. März 2017 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen finden Sie hier. Die Regelungen zum Fahrverbot als Nebenstrafen wurden dabei größtenteils positiv bewertet. Ein Experte empfahl eine Ergänzung des Entwurfs aus Verfassungsgründen. Der Bestimmtheitsgrundsatz erfordere, dass der Gesetzgeber ausdrücklich das Ziel angeben soll, kurze Freiheitsstrafen zu vermeiden beziehungsweise Geldstrafen zu reduzieren. Die Sachverständigen merkten positiv an, dass die Sanktionsmöglichkeit insbesondere im Jugendstrafrecht eine besondere erzieherische Wirkung entfalten könne. Zudem ginge von ihr eine „erhebliche individualabschreckende und generalpräventive Wirkung“ aus. Kritische Stimmen bezeichnen das Fahrverbot als „untaugliches Mittel“ und weisen auf die Bedenken hin, die im Rahmen des Fahrverbots bei Straftaten im Zusammenhang mit Kraftfahrzeugen geltend gemacht werden.

Deutlich kontroverser stehen sich die Sachverständigen gegenüber, die die Regelung zur Blutprobenentnahme bewerten. Ein Experte bezweifelt den praktischen Sinn, die Anordnungskompetenz auf die Staatsanwaltschaft zu übertragen, da die Argumente, die gegen den Richtervorbehalt sprechen, ebenso gegen eine staatsanwaltschaftliche Anordnungskompetenz sprechen würden. Faktisch würde die Polizei während 22 – 06 Uhr die Blutprobenentnahme selbst anordnen, sodass für eine polizeiliche Anordnungskompetenz plädiert werde. Dem wird entgegen gehalten, dass die Blutprobenentnahme mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen verbunden sei, den man auch durch die nachträgliche richterliche Überprüfung nicht rückgängig machen könne. Deshalb müsse am Richtervorbehalt festgehalten werden.

Am 31. Mai 2017 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz erneut eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Den Schwerpunkt der Anhörung bildeten die neuen Eingriffsbefugnisse der Quellen-TKÜ und der Online-Durchsuchung sowie die zu deren Realisierung notwendige Infiltration technischer Geräte mithilfe des sogenannten Staatstrojaners. Beide Maßnahmen wurden sehr ambivalent betrachtet. Besonders kritisch wurde dabei die Reichweite der Eingriffsbefugnisse bewertet, die innerhalb der Strafprozessordnung beispiellos wäre. Einige Experten halten die Regelung bisher für zu unbestimmt und bemängeln, dass der Wortlaut zu viel Auslegungsspielraum lasse. Darüber hinaus wird ebenfalls vorgebracht, dass die geplante Gesetzesänderung eine Gefahr für die IT-Sicherheit darstelle. Vertreter der Strafverfolgungsbehörden halten die Erweiterung der Maßnahmen für geboten, um ihre Aufgaben effektiv erfüllen zu können.

Am 22. Juni 2017 wurde der Regierungsentwurf „zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze“ (BT Drs. 18/11272) einvernehmlich für erledigt erklärt. Die dort angestrebten Änderungen wurden in einen anderen Entwurf der Bundesregierung zur „effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“ in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 18/12785) aufgenommen. Jener Entwurf wurde  in der zweiten und dritten Lesung gegen das Votum der Opposition und zweier SPD-Abgeordneter angenommen.

Konkret wurde beschlossen, die Gerichte und Staatsanwaltschaften zu entlasten um „eine funktionstüchtige Strafrechtspflege zu gewährleisten, ohne die der Gerechtigkeit nicht zum Durchbruch verholfen werden kann“. Dazu wird bspw. die Nötigung zum Privatklagedelikt.
In Ermittlungsverfahren werden die Zeugen nun verpflichtet bei der Polizei zu erscheinen. Zwecks einer verbesserten Dokumentation werden Vernehmungen in Zukunft vermehrt aufgezeichnet. Dies soll die Wahrheitsfindung optimieren und das Erscheinen von Zeugen  vor Gericht u.U. nicht erforderlich machen. Dies beschleunige das Verfahren, ebenso, wie die künftige alleinige Zuständigkeit zur Bestellung von Pflichtverteidigern durch den Ermittlungsrichter.
Des Weiteren sollen mehrere Änderungen helfen, dass Hauptverfahren schneller durchführen zu können. Befangenheitsanträge kurz vor Beginn der Hauptverhandlung schließen den abgelehnten Richter zunächst nicht mehr aus. Auch das Beweisantragsrecht erfährt Neuerungen um eine Konfliktverteidigung zu vermeiden, wird aber nicht eingeschränkt.
Die vehement geforderte Erweiterung der DNA-Analyse ist nun ebenfalls beschlossene Sache. In Zukunft werden auch Beinahetreffer, die ein Verwandtschaftsverhältnis aufzeigen, als Beweismittel verwendbar sein.
Aber nicht nur das Hauptverfahren wird vereinfacht. An vielen Stellen werden auch die  Revisions- und Strafvolstreckungsverfahren modifiziert und damit beschleunigt.

Hinsichtlich des für erledigt erklärten Gesetzentwurfs wurden folgende Teile in das beschlossene Änderungsgesetz aufgenommen:
Das Fahrverbot ist künftig auch im Bereich der kleineren und mittleren Kriminalität als Nebenstrafe möglich, auch wenn das begangene Delikt nicht im Zusammenhang mit dem Führen von Kraftfahrzeugen steht. Zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und der illegalen Beschäftigung wird § 266a StGB um zwei Regelbeispiele für besonders schwere Fälle erweitert. Zum Schutz der Umwelt wird nun das „leichtfertige Töten und Zerstören von streng geschützten wildlebenden Tier- und Pflanzenarten und von bestimmten besonders geschützten wildlebenden Vogelarten“ unter Strafe gestellt.
Der zuletzt in der öffentlichen Anhörung vom 30. Mai 2017 sehr umstrittene Einsatz von Spionage-Software zwecks Quellen-TKÜ und Onlinedurchsuchung wird nun ebenfalls gesetzlich verankert.
Verfahrensrechtlich besteht für Bewährungshelfer demnächst die Möglichkeit, wichtige Erkenntnisse über einen Verurteilten an die Polizei und andere staatliche Stellen weiterzuleiten.

Am 7. Juli 2017 hat der Bundesrat in seiner Plenarsitzung die umfangreichen Änderungen im Straf- und Strafprozessrecht gebilligt, die der Bundestag zuvor am 22. Juni 2017 beschlossen hatte.

Das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. August 2017 wurde am 23. August im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt vorbehaltlich des Art. 3 Nr. 17 lit. b und Nr. 23 am Tag nach seiner Verkündung in Kraft. Art. 3 Nr. 17 lit. b und Nr. 23 tritt am 1. Januar 2020 in Kraft.

 

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