KriPoZ-RR, Beitrag 25/2022

Die Pressemitteilung finden Sie hier. Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 30.09.2022 – 2 BvR 2222/21: Verfassungsbeschwerde im „NSU-Prozess“ nicht zur Entscheidung angenommen

Leitsatz der Redaktion:

Aus Art. 103 Abs. 1 GG ergibt sich nicht unmittelbar ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung. Dem stehen auch die Grundsätze der EMRK nicht entgegen.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin wurde vom OLG München zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Daneben stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest. Die vor dem OLG München Angeklagte hat sich nach den tatgerichtlichen Feststellungen unter anderem wegen mittäter- und mitgliedschaftlicher Beteiligung an mehreren Mordtaten einer rechtsterroristischen Vereinigung schuldig gemacht. Die gegen das Urteil eingelegte Revision der Beschwerdeführerin hat der BGH, ebenso wie die anschließende Anhörungsrüge verworfen. Die Beschwerdeführerin erhob daraufhin Verfassungsbeschwerde. Hierin rügt sie insbesondere, dass in der Revisionsinstanz von einer mündlichen Verhandlung abgesehen wurde.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen zur Annahme nicht erfüllt seien. Weder sei eine Verletzung in Art. 103 Abs. 1 GG noch in Art. 3 Abs. 1 GG oder Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ersichtlich. 

I. Rechtliches Gehör

Die Zweite Kammer des Zweiten Senats stellt in ihrer Begründung zum Einen darauf ab, dass durch die Revisionsbegründung die Möglichkeit gegeben sei, sich umfassend zu äußern. Ein Anspruch auf eine mündliche Verhandlung bestehe nicht. Auch gegen die EMRK verstoße diese Auslegung nicht, da für Rechtsmittelverfahren eine eingeschränkte Auslegung des Art. 6 Abs. 1 EMRK gelte. Im Übrigen sei ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden, da Folgen und Inhalt des Vortrags nur fragmentarisch mitgeteilt worden seien. Dass der BGH von seiner bisherigen Rechtsprechung zur Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme abgewichen sei, treffe nicht zu, sodass auch in der Sache kein Gehörverstoß vorliege. 

II. Willkürverbot

Die Feststellungen des OLG München warum die Beschwerdeführerin als Mittäterin einzuordnen sei, habe der Senat in verfassungsgemäßer Weise ausgeführt. Der Verwerfungsbeschluss – gegen den sich die Beschwerdeführerin ebenfalls wendet – ist nach dem BVerfG in die höchstrichterliche Rechtsprechung einzuordnen. Eine willkürliche Anwendung des § 349 Abs. 2 StPO sei nicht erkennbar und der Vortrag der Beschwerdeführerin auch nicht geeignet.

III. Gesetzlicher Richter

Zuletzt macht die Beschwerdeführerin geltend, der Begriff der „kriminellen Vereinigung“ sei nicht unionsrechtlich ausgelegt worden. Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG kann auch verletzt sein, wenn eine gebotene Zurückweisung unterlassen wird, so das BVerfG. Eine eigene Feststellung durch den BGH habe allerdings nicht vorgelegen.

KriPoZ-RR, Beitrag 03/2022

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BGH, Urteil v. 15.12.2021 – 3 StR 441/20: Urteil im NSU-Verfahren auch bezüglich des Angeklagten André E. rechtskräftig

 

Sachverhalt:

Das OLG München hat den Angeklagten wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Von weiteren Vorwürfen wurde der Angeklagte freigesprochen.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hat der Angeklagte den Mitangeklagten Böhnhardt, Mundlos und Beate Z. zwischen den Jahren 2009 bis 2011 Bahncards der Deutschen Bahn verschafft. Er habe es dabei für möglich gehalten, dass es sich bei dem Trio um eine Vereinigung handeln könnte, die sich verbunden hat, um Tötungsdelikte und Sprengstoffanschläge zu begehen. Auch war die Möglichkeit der Bahncards (herabgesetzter Preis, hilfsweise Ausweisung unter falscher Identität) dem Angeklagten bewusst.

Freigesprochen wurde der Angeklagte vom Tatvorwurf der Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit Herbeiführen einer schweren Sprengstoffexplosion, zweifacher Beihilfe zum Raub und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung zwischen den Jahren 2000 und 2007.

Sowohl der Generalbundesanwalt als auch der Angeklagte haben Revision eingelegt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hat beide Rechtsmittel verworfen. Das Urteil weise weder bezüglich der Verurteilung noch im Hinblick auf den Teilfreispruch einen Rechtsfehler auf (§ 337 StPO). Die tatrichterliche Beweiswürdigung sei im Umfang der gebotenen Darstellung und damit gemäß § 261 StPO erfolgt. Es müssten nicht „(…) alle irgendwie denkbaren Gesichtspunkte und Würdigungsvarianten ausdrücklich abgehandelt werden.“ Möglichkeiten und Ressourcen der Gerichte ließen dies nicht zu, so der BGH.

Die weitere Verfahrensbeanstandung des Angeklagten wurde wegen Formfehlern verworfen.

Anmerkungen der Redaktion:

Der BGH hat am 12.08.2021 auch die Revision gegen die Hauptangeklagte Beate Z. verworfen. Mit der Verurteilung gegen André R. ist das gesamte Urteil im NSU-Prozess nun rechtskräftig.

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