KriPoZ-RR, Beitrag 07/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 22.10.2019 – 1 StR 199/19: Zur Einziehung bei Verbrauch- und Warensteuerhinterziehung

Leitsatz der Redaktion:

Die verkürzte Steuer ist als ersparte Aufwendung ein erlangtes Etwas nach § 73 Abs. 1 StGB, wenn ein Vermögensvorteil beim Täter verblieben ist. Dies ist bei allen Verbrauch- und Warensteuern der Fall, wenn der Täter durch das Inverkehrbringen einen Vermögenszuwachs erzielt.

Sachverhalt:

Das LG Bielefeld hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung verurteilt und die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 1.472.555,19€ angeordnet.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte über einen längeren Zeitraum selbst oder unter Einschaltung einer Spedition unversteuerten Trinkbranntwein aus Italien und Bulgarien nach Deutschland eingeführt. Dadurch war nach den Feststellungen des LG insgesamt ein Steuerbetrag von 1.472.555,19€ verkürzt worden. 57.462,30€ waren dabei auf den letzten Transport entfallen. Dieser Transport hatte 30 Paletten mit je 750 Flaschen „Limoncello“ eingeführt, von denen allerdings 26 Paletten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sichergestellt worden waren.

Entscheidung des BGH:

Der BGH entschied, dass die Einziehungsentscheidung des LG Rechtsfehler aufweise.

Die Einziehung des Wertes von Taterträgen nach §§ 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB sei lediglich in Höhe von 1.442.754,53€ möglich, da die verkürzte Steuer, die auf die sichergestellten Paletten entfalle, unbeachtet bleiben müsse.

Die verkürzte Steuer könne im Rahmen der Steuerhinterziehungsdelikte ein erlangtes Etwas i.S.d. § 73 Abs. 1 StGB darstellen, da der Täter sich Aufwendungen für die Steuerzahlung erspare. Allerdings sei dafür erforderlich, dass sich ein Vermögensvorteil beim Täter realisiere, denn dies sei der Anknüpfungspunkt des Rechts der Einziehung, so der BGH.

Die Rechtsprechung des Senats zu Tabaksteuern, die auf einen Vermögenszuwachs durch das Inverkehrbringen abstelle, sei auf alle Verbrauch- und Warensteuern zu übertragen. Denn erst mit dem Eintritt in den Wirtschaftskreislauf werde die Verbrauchsteuer erhoben.

Da der Angeklagte die sichergestellten Paletten nicht mehr wirtschaftlich verwerten habe können, sei bei ihm kein Vermögenszuwachs entstanden. Dies führe dazu, dass eine Einziehung des Wertes von Taterträgen bezüglich der sichergestellten Paletten nicht gerechtfertigt sei, was ebenfalls von der Wertung des § 74c Abs. 1 StGB bestätigt werde.

 

Anmerkung der Redaktion:

Entscheidungen zur Einziehung von Taterträgen bei der Tabaksteuerhinterziehung finden Sie hier und hier.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 01/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 11.07.2019 – 1 StR 634/18: Verhältnis von Steuerhehlerei zur Anstiftung zur Steuerhinterziehung

Amtlicher Leitsatz:

Anstiftungshandlungen, die auf eine Verbringung von mit Verbrauchsteuern belasteten Waren gerichtet sind, an denen der Täter eine Steuerhehlerei begeht, sind regelmäßig nicht als Anstiftung zur Steuerhinterziehung strafbar; im Verhältnis zur Steuerhehlerei stellt sich die Anstiftung zur Steuerhinterziehung als mitbestrafte Vortat dar.

Sachverhalt:

Das LG Frankfurt (Oder) hat den Angeklagten jeweils in Tatmehrheit wegen Anstiftung zur Steuerhinterziehung, wegen Anstiftung zur Steuerhehlerei, wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei sowie wegen Steuerhinterziehung verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte bei mehreren Lieferanten, die teils in Polen und teils in Deutschland ansässig gewesen waren, unverzollte Zigaretten zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestellt und in den meisten Fällen auch innerhalb einer kurzen Zeitspanne geliefert bekommen.

Die Bestellvorgänge bei den Lieferanten in Polen hat das LG als Anstiftung zur Steuerhinterziehung gewertet, den Bestellvorgang bei den Lieferanten in Deutschland als Anstiftung zur Steuerhehlerei. Wegen der Fälle, bei denen eine Übergabe der Zigaretten stattgefunden hatte, hat das LG den Angeklagten zusätzlich tatmehrheitlich wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei (aufgrund des Ankaufens) sowie Steuerhinterziehung (aufgrund der unterlassenen Verwendung von Steuerzeichen) verurteilt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil teilweise auf, da die konkurrenzrechtliche Bewertung rechtsfehlerhaft gewesen sei.

In den Fällen, die das LG als Anstiftung zur Steuerhinterziehung und gewerbsmäßiger Steuerhehlerei gewertet habe, stelle sich die Anstiftung zur Steuerhinterziehung lediglich als mitbestrafte Vortat dar.

Als Begründung führt der BGH an, dass die Bestellung der Zigaretten als Durchgangsdelikt für die darauffolgende Steuerhehlerei zu werten sei. Die Anstiftung zur Steuerhinterziehung weise keinen höheren Unrechtsgehalt auf, als die Steuerhinterziehung selbst und bereite damit lediglich einen intensiveren Angriff auf dasselbe Rechtsgut vor. Außerdem habe ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Bestellung und Lieferung bestanden und beide Taten seien von einem einheitlichen Willen getragen gewesen. In dieser Betrachtungsweise liege auch kein Widerspruch zur konkurrenzrechtlichen Behandlung der allgemeinen Hehlerei nach § 259 StGB, da beide Vorschriften unterschiedliche Rechtsgutsinhaber schützten, so der BGH.

Ebenfalls halte die tatmehrheitliche Verurteilung wegen Anstiftung zur Steuerhehlerei und Steuerhehlerei, bezüglich der in Deutschland bestellten und gelieferten Zigaretten, der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

In diesen Fällen habe es mangels Verbringung der Zigaretten ins Inland schon an einer teilnahmefähigen Steuerhinterziehung des Lieferanten gefehlt. Die Anstiftung zu der Steuerhehlerei des Lieferanten sei alleinig auf die Besitzverschaffung ausgerichtet und greife daher kein zusätzliches Rechtsgut an. Somit komme es auch nicht darauf an, ob die Absatzhandlungen des Verkäufers tatbestandslos oder als mitbestrafte Nachtat anzusehen seien.

Denn jedenfalls sei eine tatmehrheitliche Verurteilung des Käufers wegen Anstiftung zur Steuerhehlerei und seiner späteren eigenen Steuerhehlerei nicht möglich, da entweder eine teilnahmefähige Haupttat fehle oder die Anstiftung lediglich eine mitbestrafte Vortat darstelle.

Schließlich halte auch die tatmehrheitliche Verurteilung wegen Steuerhinterziehung (aufgrund des Unterlassens der Verwendung von Steuerzeichen) nicht stand, da der Tatbestand der Steuerhehlerei entwertet würde, würde dieser Sachverhalt alleinig für eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung genügen.

Daher sprach der BGH den Angeklagten vom Vorwurf der Steuerhinterziehung frei und verwies die Sache im Umfang der restlichen Aufhebungen zurück an das LG.

 

Anmerkung der Redaktion:

Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 TabStG kam ebenfalls nicht in Betracht, da der BGH bereits im Mai 2019 entschieden hatte, dass das Unterlassen der Abgabe einer Tabaksteuererklärung nach einer schon begangenen Steuerhehlerei nicht strafbar ist. Die Entscheidung finden Sie hier.

KriPoZ-RR, Beitrag 20/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 24.04.2019 – 1 StR 81/18: Keine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung bei Besitzbegründung nach Beendigung des Verbringungsvorgangs

Amtlicher Leitsatz:

Nur der vor Beendigung des Verbringungsvorgangs erlangte Besitz an unversteuerten Tabakwaren kann die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG begründen; der nach Beendigung des Verbringungsvorgangs begründete Besitz an unversteuerten Tabakwaren wird durch den Tatbestand der Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 AO) strafrechtlich erfasst (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Februar 2010 –1StR 635/09 zu § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG nF).

Sachverhalt:

Das LG Lübeck hat die Angeklagten wegen versuchter Steuerhehlerei verurteilt.

Der Angeklagte P hatte nach den tatrichterlichen Feststellungen im Oktober 2016 zwei Container an den Bekannten V seines Freundes K vermietet, der darin ohne Wissen des Angeklagten unversteuerte Zigaretten russischer Herkunft eingelagert hatte. Im Dezember 2016 war er dann von seinem Freund K gebeten worden beim Transport der Zigaretten zu helfen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt war ihm bekannt gewesen, was in seinem Container gelagert worden war. Dennoch hatte der Angeklagte P im Januar 2017 als Fahrer des Transport-LKW zusammen mit dem Mitangeklagten J bei der Verbringung der Zigaretten geholfen. Während dieses Transports waren die Zigaretten vom Zoll entdeckt worden.

Gegen das Urteil des LG hat der Angeklagte P Revision eingelegt. Die Staatsanwaltschaft hat zudem zuungunsten beider Angeklagten Revision eingelegt, da sie eine Verurteilung wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG oder § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO als verwirklicht angesehen hat.

Entscheidung des BGH:

Der BGH änderte den Schuldspruch der beiden Angeklagten zu Beihilfe zur versuchten Steuerhehlerei (§ 374 Abs. 1 Var. 4, Abs. 3 AO, §§ 22, 23, 27 StGB).

Zur Revision des Angeklagten P führte der Senat aus, dass das Verhalten des P gerade nicht darauf gerichtet gewesen sei dem Vortäter der Steuerhinterziehung V Absatzhilfe zu leisten, sondern lediglich den K bei seiner Hilfe für V zu unterstützen. Für eine Absatzhilfe i.S.d. § 374 Abs. 1 Var. 4 AO sei es erforderlich, dass sich der Täter an den Absatzbemühungen des Vortäters (hier V) oder eines Zwischenhehlers in dessen Interesse und auf dessen Weisung unselbstständig beteilige und dadurch im Lager des Vortäters stehe. Werde allerdings nicht der Vortäter, sondern lediglich ein Absatzhelfer unterstützt, wie in diesem Fall, handele es sich nur um eine Beihilfe zu dessen Tat.

Auch das Wissen um die und Billigen von der notwendigerweise verwirklichten Unterstützung des V durch Ps Handlung rechtfertige keine andere Bewertung, da diese zwangsweise während der Hilfe für K mitverwirklicht worden sei und es zudem am Einvernehmen zwischen P und dem ihm unbekannten V gefehlt habe, so der BGH.

Auch die Revision der Staatsanwaltschaft führe nicht zu einer Verschärfung der Urteile gegen die Angeklagten, denn eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen sei nicht gegeben.

Es fehle an einer Strafbewehrung etwaiger verbrauchssteuerlicher Erklärungspflichten nach Beendigung des Verbringungsvorgangs, denn nur wer vorsätzlich seine Verpflichtung, eine Steuererklärung über ins Steuergebiet verbrachte Tabakwaren abzugeben, verletze und dadurch Steuern nicht abführe, mache sich wegen Hinterziehung der Tabaksteuer strafbar.

In diesem Fall hätten die Angeklagten den Besitz an den Zigaretten allerdings erst erlangt, nachdem der Verbringungsvorgang in deutsches Steuergebiet bereits beendet gewesen sei. Dadurch seien sie nicht Steuerschuldner nach § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG geworden, was somit auch keine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung ausgelöst haben könne.

Steuerschuldner werde nur, wer als Lieferant oder sonstiger Beteiligter vor Beendigung des Verbringungsvorgans Besitz an den Tabakwaren erlangt habe, was sich aus dem Wortlaut und der Systematik des § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG ergebe. Da die Norm auf den Satz 1 bezugnehme, der die Entstehung des Steueranspruchs bei Verbringung der Tabakwaren ins Steuergebiet und erstmaliger Besitzbegründung regle, sei ersichtlich, dass mit Besitz i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 2 TabStG nur ein Besitz im Zusammenhang mit dem Verbringungsvorgang nach Satz 1 gemeint sein könne.

Dies stehe auch im Einklang mit der historischen und teleologischen Auslegung der Norm, denn sowohl die Richtlinie 92/12/EWG als auch die neue Systemrichtlinie (2008/118/EG), auf denen § 23 TabStG beruhe, bezweckten eine effektive, sichere und einheitliche Durchsetzung des Verbrauchsteueranspruchs in den Mitgliedstaaten. Zu diesem Zweck regle die Systemrichtlinie in Art. 33 Abs. 3, dass derjenige Steuerschuldner sei, der die Lieferung der Waren vornimmt oder in dessen Besitz sich die Waren bei der Lieferung befinden.

Schließlich ließe diese Auslegung auch keine Strafbarkeitslücken entstehen, da derjenige, der Tabakwaren illegal ins Steuergebiet verbringe nach § 370 Abs. 1 Nr. 3 AO strafbar sei. Derjenige, der die Waren nicht selbst ins Steuergebiet verbringe aber vor Beendigung des Verbringungsvorgangs Besitz begründe, nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 2 und 3 TabStG und derjenige, der den Besitz erst nach Beendigung des Vorgangs begründe, über den Tatbestand der Steuerhehlerei nach § 374 Abs. 1 Var. 1, 2 AO.

Anmerkung der Redaktion:

Die neue Systemrichtlinie finden Sie hier.

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