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Integrität des Sports – Was sollen neue Tatbestände schützen?

von Prof. Dr. Carsten Momsen

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Der Duden bietet einige Synonyme für das Wort Integrität – Anständigkeit, Ehrlichkeit, Makellosigkeit etc. Wie aber kann nun der Sport in der heutigen Gesellschaft, welche von mitunter ungezügeltem Streben nach citius, altius, fortius, in sportlicher wie ökonomischer Hinsicht geprägt ist, anständig bleiben? 

I. Einführung

Nahezu jeder gerät mit Sport auf irgendeine Art in Berührung. Sei es als aktiver (Hobby) Sportler oder als Fan, der seine Mannschaft unterstützt. Jede Sportart folgt dabei gewissen Regeln, die den reibungslosen Spielablauf erst möglich machen und daher als wichtig eingeschätzt werden. Oft werden dem Sport auch Werte wie Fairness und Teamgeist zugeschrieben. Darüber hinaus kommt dem Sport jedoch auch eine wirtschaftliche Bedeutung zu. Dies findet neben gewaltigen, angesichts der sozialen Probleme auch in den westlichen Industrieländern geradezu obszönen, Transfersummen wie auch den Beträgen, welche für Übertragungsrechte aufgerufen und – jedenfalls in Deutschland aus Gebühren – bezahlt werden, nicht zuletzt auch Ausdruck in den weiterhin zunehmenden Wetten auf sportliche Ereignisse.

Nimmt man hinzu, dass die internationalen Spitzenverbände des Sports – IOC und FIFA seien nur als die prominentesten Beispiele herausgegriffen – in einer durch offene systemische Korruption gekennzeichneten Wirklichkeitsblase leben und zugleich mit nationalen und internationalen politischen Spitzenorganisationen und Staaten interagieren, so stellt sich die Frage, welche Interessen eigentlich tatsächlich durch die neuen Vorschriften zum Schutze des Sports gefördert werden.

Amerikanische Strafverfolgungsbehörden ermitteln gegen die FIFA (und andere Sportverbände) wegen diverser Wirtschaftsdelikte, wegen Korruption und wegen „Conspiracy“. Letzterer Tatbestand ähnelt in gewisser Weise unserem strafrechtlichen Verbot krimineller Vereinigungen, hat aber eine erheblich stärkere Klammerwirkung und erlaubt den Ermittlungsbehörden und Gerichten einen enormen  Spielraum bei der  Zielrichtung der  strafrechtlichen Ermittlung und Sanktionierung. Er findet auch Anwendung bei Verfahren gegen das organisierte Verbrechen, die Mafia – und deutsche Automobilhersteller. Wobei die Criminal Division des DoJ dazu neigt, die FIFA näher an die Mafia als an die Autokonzerne zu rücken[1] – soweit hier überhaupt differenziert wird. Läge es bei diesem Befund nicht nahe, die Organisation zu verbieten – anstatt daran zu glauben, man könne diese Geschäfte auch auf integre Weise ausüben? Eine Volte, die der amerikanisch-italienischen Mafia übrigens in geradezu bewunderungswürdiger Weise gelungen ist.[2]

Die Frage ist rhetorisch und angesichts der Bedeutung, die dem Spitzensport nicht nur hierzulande zugeschrieben wird, wohl auch obsolet.

Gleichwohl: Gibt es die in den Begründungen beider Gesetze, des „Anti-Doping-Gesetzes“ und des Gesetzes zur „Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben“, im Vordergrund stehende „Integrität“ des Sports?

Wenn es sie gibt – handelt es sich um ein strafrechtlich zu schützendes Interesse? Oder gar ein Rechtsgut?

II. Rechtsgüter und das Konzept strafrechtlich geschützter Interessen

Vorab sei klargestellt, dass zwei Diskussionen an dieser Stelle nicht geführt werden: Die Diskussion um den Rechtsgutsbegriff und die Diskussion darum, ob die staatliche Förderung des Spitzensports und der Sportorganisationen überhaupt sinnvoll bzw. legitimierbar ist. Letzteres wird als Prämisse unterstellt.

Der Begriff Rechtsgut wird hier synonym mit dem Begriff des strafrechtlich geschützten Interesses verwendet. Zur Kritik verweise ich auf die Ausführungen von Thomas Fischer in einer sehr aufschlussreichen Zeit-Kolumne[3] und auf den Beitrag von Hans Kudlich auf der Augsburger Strafrechtslehrertagung.[4]

Methodisch arbeite ich nachfolgend mit einem systemkritischen dualistischen Rechtsgutsbegriff, der sich als eher analytisches Konzept zur Differenzierung von Recht und diffusen Moralvorstellungen dem „Harm Principle“ annähert.[5]

Vor über 15 Jahren habe ich – gemeinsam mit Cherkeh – in jugendlichem Übermut formuliert, das Strafrecht dürfe den „Sportethos“ schützen, da es sich hierbei um ein Allgemeinrechtsgut handele.[6] Diese Bemerkung, deren Autorenschaft ich schon wenige Jahre später gern geleugnet hätte, hat sich als einflussreicher erwiesen als man hätte befürchten müssen.

Tatsächlich formuliert der Aufsatz aber, zugegebenermaßen etwas zaghaft, was aus meiner Sicht heute richtig ist: dass es in Wahrheit um andere Interessen gehen muss. Ein Rechtsgut, auch wenn es ein solches der Allgemeinheit ist, ist nur dann legitimierbar, wenn es sich auf Individualinteressen zurückführen lässt, letztlich mittelbar deren Schutz dient.

Doping, so der Ansatz, verzerre den sportlichen Wettbewerb. Dieser Wettbewerb ist als Ausschnitt eines allgemeinen Wettbewerbsgedankens nicht umfassend geschützt, sondern dort, wo er fremde geschützte Interessen tangiert. Dies, so formulierten wir damals, setze eine Vermögensrelevanz des Wettbewerbs voraus. Weitere Interessen wie Gesundheit oder Körperintegrität seien ausreichend durch das (2001) vorhandene strafgesetzliche Instrumentarium geschützt.

Der wirtschaftliche bzw. wirtschaftsstrafrechtliche Zugang prägt meinen Blick auf die neuen Gesetze auch weiterhin. Dementsprechend ist vorauszuschicken, dass meiner Ansicht nach Doping nur als eine Form der Wettbewerbsverzerrung zugleich eine spezifische Erscheinungsform der Korruption bzw. der korruptiven Wettbewerbsstörung darstellt.

Daraus folgt, wie ich vor gut einem Jahr hier in Köln auf der Tagung zu Korruption im Sport näher ausgeführt habe, dass die Normen der beiden neuen Gesetze, wenn überhaupt, dann nur im Zusammenhang mit den §§ 299 und 331 ff. ein tragfähiges Schutzkonzept darstellen können. Ferner folgt daraus, dass Korruption immer einen zumindest potentiellen Wettbewerbsbezug voraussetzt, was für die Interpretation des sog. „Geschäftsherrnmodells“ § 299 Abs. 1 und 2 jeweils Nr. 2 StGB eine Rolle spielt – aber auch Rückwirkung auf die Bekämpfung der Korruption im Sport hat. Auch hier ist ein Wettbewerbsbezug mit wirtschaftlicher Konnotation vorauszusetzen. Für Näheres darf ich auf den sicher bald erscheinenden Tagungsband der vorgenannten Tagung verweisen. Die individuelle Gesundheit kann namentlich durch Doping beeinträchtigt werden. Hier jedoch stellt Doping ebenso wenig wie der Betäubungsmittelmissbrauch eine spezifische Rechtsgutsschädigung dar. Bei genauer Betrachtung liegt auch keine in strafrechtlichen Kategorien spezifische Angriffsmodalität vor. Dementsprechend ist insoweit – isoliert betrachtet – das Schutzsystem der §§ 223 ff. StGB vorrangig.

Last but not least resultiert aus diesem Ansatz auch eine prozessuale Konsequenz, welche mit den neuen Gesetzen umgesetzt wurde: Es geht nicht um die Beeinträchtigung verbandsinterner Rechtsgüter im Schutzbereich des Art. 9 GG – soweit dies überhaupt denkbar ist. Dementsprechend gibt es keinen Primat sportgerichtlicher bzw. schiedsgerichtlicher Konfliktlösung, sofern auch strafrechtliche Rechtsgüter betroffen sind.

Schauen wir uns vor diesem Hintergrund die neuen Regelungen an. Was ist die „Integrität des Sports“? 

III. Das Anti-Doping-Gesetz

Am 18.12.2015 trat das Anti-Doping-Gesetz (AntiDopG) in Kraft – ­­die Aushängeschilder des Sports – Chancengleichheit, Vertrauen und Fair Play erschienen gerettet – die Zahl der Verurteilungen seit 2015: Null. Doping werde durch die innere Systemlogik des Sports provoziert.[7] Noch-Justizminister Heiko Maas findet Doping in seiner rechtspolitischen Bilanz der 18. Legislaturperiode „unfair, unsportlich und gefährlich“.[8] Sucht man in den FIFA Statuten von 2012[9] nach dem Wort Doping so erscheinen sechs Treffer – in den aktuellen Statuten von 2016[10] erzielt man bereits fast das doppelte – nämlich elf Treffer. Eine Sensibilisierung für das Thema Doping ist zweifelsfrei durch die neue Möglichkeit der Strafbarkeit nach einem formellen Gesetz geschaffen worden. Wie aber sind die sich daraus resultierenden tatsächlichen Möglichkeiten zu beurteilen?

Nach § 1 AntiDopG ist der Zweck des Gesetzes die Bekämpfung der Verwendung von Dopingmitteln um die Gesundheit der Sportler*innen zu schützen, die Fairness und Chancengleichheit bei Sportwettbewerben zu sichern sowie die Integrität des Sportes zu wahren. Bei den Rechtsgütern „Fairness und Chancengleichheit“ sowie „Integrität des Sports“ handelt es sich um sprachlich wie strafrechtlich unbestimmte Begriffe, welche Rechtsunsicherheit nach sich ziehen. Insoweit wurde diskutiert, den Gesetzeszweck doch auf den Schutz der Athleten-gesundheit zu fokussieren und nur mittelbar den Wettbewerb zu schützen.

Im Hinblick auf die Chancengleichheit bei Wettbewerben wird man schwerlich ein entsprechendes Individualrechtsgut formulieren können, genauso wenig, wie sich niemand eine strafbewehrte unbestimmte Verpflichtung zur Fairness wünschen wird. Fairness und Chancengleichheit können sich also nur als Allgemeinrechtsgut auf den Wettbewerb beziehen.

Da der Wettbewerb genauso wenig wie das Vertrauen in das Funktionieren desselben um seiner selbst in allen Erscheinungsformen geschützt ist, bedarf es der Eingrenzung des Schutzbereiches auf den sportlichen Wettbewerb, soweit dieser geeignet ist, strafrechtlich geschützte Interessen Dritter zu tangieren, im Falle der Aushebelung des Wettbewerbs zu verletzen. Gefragt ist also in erster Linie eine Vermögensrelevanz. Selbstdoping müsste strukturell als Selbstverletzung straflos bleiben, die Gesundheit ist nach Maßgabe der §§ 223 ff. StGB geschützt. Der oben beschriebene Ansatz weist also in die falsche Richtung. Ein eigenständiges Rechtsgut „Integrität“ ist durch § 1 des Gesetzes nicht geschaffen worden. 

§ 2 Abs. 3 AntiDopG sowie § 3 Abs. 4 AntiDopG stellen allein den Besitz von Dopingmitteln unter Strafe – was in Sportlerkreisen zu Aufregung führt. Silke Kassner, stellvertretende Vorsitzende der Athletenkommission des DOSB und Olympiateilnehmerin äußerte beim Kölner Kolloquium zur Wirtschaftskriminalität[11] Anfang 2017 ihre Bedenken: Sportler hätten große Sorge, kriminalisiert und vorbestraft zu werden – das Schmuggeln von Dopingsubstanzen in fremde Sporttaschen sei nun einmal ein leichtes Spiel. Schutzzweck dieser Bestimmung soll die Allgemeingesundheit sein – eine Strafbarkeit soll somit bereits vor Inverkehrbringen begründet werden können. § 2 Abs. 3 AntiDopG ersetzt das bisherige Verbot des § 6a Abs. 2 lit. a AMG.[12] Der Schutzzweck des § 2 Abs. 3 AntiDopG ist nicht beim Besitz von geringen Mengen, die als Eigenverbrauch zu verbuchen und nicht zur Weitergabe bestimmt sind, erfüllt – vielmehr behält der Gesetzgeber die Grauzone der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung im Auge und stellt auf die Strafbarkeit des Besitzes als zwingendes Durchgangsstadium sowie mit § 3 Abs. 4 auf die Integrität des organisierten Sports ab. Ab wann die Grenze der geringen Menge überschritten ist, soll im Einzelfall ein Sachverständiger unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Datenlage klären.[13] Frau Kassners Bedenken können vermutlich ausgeräumt werden – bei § 3 Abs. 4 AntiDopG handelt es sich nach überwiegender Auffassung um eine Norm, welche einer Verfassungsbeschwerde nicht standhalten würde.[14] Die Norm dient schon qua Begründung weniger der Integrität des Sports als dem ebenfalls ominösen Rechtsgut der „allgemeinen Gesundheit“. Die Nähe zum BtMG und dem dort geschützten Rechtsgut der „Volksgesundheit“ ist nicht nur zufällig, die Formulierung etwas weniger vorbelastet. Allerdings ist es schwer vorstellbar – auch nicht im BtMG – dass ein Einzelner verantwortlich sein soll für die Gesundheit aller – es müsste sich ja zumindest der Hauch einer garantenähnlichen Pflicht finden lassen. Ein solcher ist jedoch nicht zu spüren. Genauso wenig wie es vorstellbar ist, dass die Gesundheit aller durch den Besitz von Dopingmitteln einzelner Sportler gefährdet werden könnte. Die Idee eines sog. „Kumulationsdelikts“ geht hier ebenfalls ins Leere. Sinn ergibt die Norm dort, wo das Umfeld an der Vorbereitung und Durchführung von korruptiven Verzerrungen des Wettbewerbs durch Doping gehindert werden soll. Der Sache nach haben wir es mit einem Vorfeldtatbestand zu tun.

Gem. § 3 AntiDopG ist Selbstdoping strafbar – dies gilt für alle Sportler*innen, die an einem Wettbewerb des organisierten Sports teilnehmen. Nach § 3 Abs. 3 AntiDopG ist ein Wettbewerb des organisierten Sports eine Sportveranstaltung, die von einer nationalen oder internationalen Sportorganisation oder in deren Auftrag oder mit deren Anerkennung organisiert wird und bei welcher Regeln – gestellt von eben einer solchen Organisation – einzuhalten sind. Es handelt sich somit grds. um Sportler, die sich als Mitglied eines Testpools im Rahmen des Dopingkontrollsystems Trainingskontrollen unterziehen müssen und/oder durch ihre sportliche Leistung eine Einnahmequelle für sich schaffen.

Die erste Reihe beim Marathon muss also vorsichtig sein – die anderen Läufer können sich auf ihrer EPO-Behandlung ausruhen? Sanktionierung von Vorbildversagen? – argumentativ durchaus vertretbar … wie aber ließe sich sonst der so kritisch beäugte Aspekt der Selbstgefährdung relativieren?

Tathandlungsvarianten sind das Bei-Sich-Anwenden und das Bei-Sich-Anwendenlassen bspw. durch einen Arzt/Trainer etc. Erfolgt die Anwendung durch eine dritte Person, so ist es irrelevant, ob diese gut- oder bösgläubig ist.[15] Einziges Ausschlusskriterium ist, wenn es sich bei der Anwendung um eine medizinische Indikation handelt. Angewendet werden muss das Mittel zu dem Zweck, sich in einem Wettbewerb des organisierten Sports einen Vorteil zu verschaffen – ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang muss nicht bestehen – soweit das Mittel angewendet wird, um bei einem späteren Wettbewerb die beabsichtigte Leistungssteigerung zu erzielen. Widerspricht aber nun die ausschließliche Strafbarkeit von Vorbildversagen Art. 3 Abs. 1 GG? Vermutlich nicht. Dieser Frage schließt sich denklogisch die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Selbstdopings an. So ist und muss es straffrei bleiben, wenn sich der oder die Sportler*in privat dazu entscheidet leistungsunterstützend Dopingmittel zu nutzen und dabei eigenverantwortlich seine bzw. ihre Gesundheit zu schädigen. Zwingend muss jedoch zum organisierten Sport unterschieden werden – in welchem Fairness und Chancengleichheit herrschen – sowie das exponentiell viel höhere Risiko besteht andere Sportler mittelbar zum Doping zu zwingen – damit auch diese dem unmenschlichen Leistungsniveau ihrer gedopten Konkurrenz standhalten können. Auch hier lässt sich kein konkretisierender Hinweis auf ein Rechtsgut „Integrität“ des Sports finden. Vielmehr kann Selbstdoping nur deshalb strafbar sein, weil und soweit es sich eine Angriffsmodalität auf eine strafrechtlich geschützte Erscheinungsform des sportlichen Wettbewerbs handelt. Erforderlich ist also die Rückbindung auf individuelle Rechtsgüter, die durch die Funktionsstörung des Wettbewerbs beeinträchtigt werden können. In der Regel das Vermögen.[16] Die individuelle Gesundheit des Sportlers ist hier nicht Gegenstand eines spezifischen Angriffs, daher sind auch insoweit die § 223 ff. angesprochen.[17]

Nach § 4 AntiDopG wird die Strafbarkeit für Hintermänner, die das Doping initiieren, verschärft. Trainer, Betreuer, Mannschaftsärzte und Funktionäre können sich danach auch nach dem AntiDopG strafbar machen.[18] Um es mit Heiko Maas zu sagen „nur fair“…und alles andere als selbstgefährdend. In Bezug auf die individuelle Gesundheit greifen hier die § 223 ff. StGB unmittelbar ein. Die Zielrichtung liegt in der Organisation von und Beteiligung an korruptiven Eingriffen in den geschützten Wettbewerb.

 Mit § 8 AntiDopG ist nun der Austausch zwischen Nationaler Anti Doping Agentur Deutschland (NADA), Gerichten und Staatsanwaltschaft gesetzlich geregelt worden – die Regelung soll sicherstellen, dass die NADA auch von Amts wegen die nötigen Informationen erhält. Hauptanzeiger von Missbrauchsfällen ist nach wie vor die NADA. Positiver Nebenaspekt des Gesetzes könnte die Weiterentwicklung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften sein – nach 2009 in München und 2012 in Freiburg folgen vermutlich zeitnah weitere.

§ 11 AntiDopG stellt nun die Anwendbarkeit einer Schiedsgerichtsbarkeit gem. §§ 1029, 1030 ZPO gesetzlich fest. Wesentliche Vorteile des Schiedsgerichtsverfahrens liegen auf der Hand – jene Verfahren sind nicht öffentlich, die Schiedsrichter sind Experten – Schiedssprüche sind vollstreckbar und last but not least sparen die Verfahren Zeit und Kosten. Sportverbände regeln vermehrt rechtliche Auseinandersetzungen mit den ihren Statuten unterworfenen Athleten, Vereine oder Clubs exklusiv durch die Vereinbarung eben solche vor Schiedsgerichten auszutragen. Letztinstanzlich entscheidend werden dann bspw. national das Deutsche Sportschiedsgericht in Köln oder international der Court of Arbitration for Sport in Lausanne tätig.[19] Wie aber gestaltet sich nun die Konkurrenz von Schiedsgerichten zu ordentlichen Gerichten? Grundsätzlich sind Schiedsverfahren endgültig bindend. Sie können nur unter besonderen Umständen vor staatlichen Gerichten angefochten werden – bspw. wenn die Vereinbarung der Parteien auf Durchführung eines Schiedsverfahrens unwirksam waren. Nicht jedoch, wie sich aus neuster Rechtsprechung ergibt, wenn dem Verband eine derartige Monopolstellung zugewiesen werde, dass der Sportler als sein Gegenüber keine andere Wahl hätte als der Schiedsvereinbarung zuzustimmen.[20] Begründet wird dies mit den sich schlussendlich deckenden Interessen von Verband und Sportler*in – welche doch an einem Strang ziehen würden. Des Weiteren würden die Schiedsgerichte die Rechte des Athleten in hinreichendem Umfang wahren – somit sei eine Zwangssituation bzw. eine nur einseitig profitable Lage abzulehnen. Es ist zusammenzufassen, dass Art. 6 I EMRK dem Ausschluss der Anrufung staatlicher Gerichte durch Übereinstimmung zu einer schiedsgerichtlichen Vereinbarung nicht im Wege steht – solange die Vereinbarung wirksam erfolgte.[21] Ferner bleibt die Überprüfung durch staatliche Gerichte vorhanden – was auch im Hinblick auf die Auswirkungen von Schiedssprüchen auf das Arbeitsverhältnis des Sportlers unabdingbar ist.

Problematisch stellt sich das Beweisverwertungsverbot der im sportrechtlichen Verfahren erzielten Erkenntnisse im gerichtlichen Verfahren dar. Grundsätzlich gilt das nemo tenetur se ipsum prodere Prinzip. Im verbandsrechtlichen Verfahren ist der Athlet faktisch gezwungen zur Sache auszusagen – die Aussage dürfte im gerichtlichen Verfahren nicht verwendet werden. Sogleich stellt sich die Frage der Doppelbestrafung –  Art. 103 Abs. 3 GG steht dem insoweit nicht entgegen – da dies nur für die Verhängung zweier Kriminalstrafen beruhend auf den allgemeinen Gesetzen gilt. Die Verurteilung nach Vereinsrecht beispielsweise auf Rückzahlung von Preisgeldern oder Verhängung einer Wettkampfsperre einerseits, schließt einen Freispruch im gerichtlichen Verfahren andererseits nicht aus. Dem lässt sich dennoch entgegenhalten, dass eine solche „Aufteilung“ von Sanktionen bspw. im Straßenverkehrsrecht durchaus üblich ist.

Diese Normen geben für eine rechtsgutsbezogene Analyse unmittelbar nichts her. Allerdings könnte man aus der unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sehr positiv zu bewertenden Verlagerung des Anti-Doping-Kampfs auf die staatliche Strafjustiz schlussfolgern, dass sich das Gesetz eben nicht nur mit einem sportlichen bzw. sportrechtlichen Internum befasst – was die „Integrität des Sports“ wohl wäre.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Sensibilisierung für das Thema Doping seit Einführung des Gesetzes enorm gestiegen ist. Nicht nur bei den Athleten – auch bei der Gesellschaft, welche den Sportler und die Sportlerin nun noch kritischer beäugt. Sogar Netflix ist aufgesprungen und hat mit der Produktion von „Icarus“ einiges zur Diskussion in den Medien beigetragen.

In der olympischen Geschichte mussten bislang 74 Gold- Silber- und Bronzemedaillen zurückgegeben werden – das Dunkelfeld ist vermutlich doppelt bis dreimal so groß. Die Erweiterung der Strafbarkeit von Verbandskontrolle auf gesetzliche Kontrolle und die damit verbundene Möglichkeit Aufklärungs- und Ermittlungsarbeit der Exekutive zu übergeben – selbstredend mit fortlaufender Unterstützung der NADA – welche primärer Hinweisgeber bleibt – stellt eine enorme Verbesserung der heutigen Lage im Vergleich zu vor 2015 dar.

IV. Korruption – Gesetz zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben

Wie einleitend erwähnt, dominieren ökonomische Interessen den Sport, insbesondere den Leistungssport stark und in weiter zunehmendem Maße. Ein Indikator dafür ist auch das schon seit Jahren verzeichnete hohe Volumen an Sportwetten. Anders als im Bereich der korruptiven Wettbewerbsverzerrung durch Doping sind die Wetten gar nicht so sehr an den Leistungssport im engeren Sinne geknüpft. Gerade im Bereich der Commonwealth-Staaten kann man im praktisch zu jedem Zeitpunkt auf alles und jeden wetten.

Wird der Wettbewerb im Zusammenhang mit Wetten korrumpiert, so sind gerade Veranstaltungen in niedrigeren Ligen für die Täter interessant, da diese nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit und der Aufsichtsinstitutionen stehen. Zudem lassen sich die Akteure aufgrund der geringeren Saläre häufig mit weniger Kapitaleinsatz kaufen.[22]

Eben jene korruptive Verhaltensweisen, welche sich ungezügelt durch alle Ligen schleichen und Akteure sowie Funktionäre beschämend bereichern verdeutlichen, dass Korruption im Sport nicht nur Schummeln ist, sondern wirtschaftlich kriminelles Verhalten. Tatbestandserfüllend fungiert der Sport als Instrument derer, die wettbewerbsverzerrend Vermögensschädigungen initiieren.

Korruption im Sport stellt sich hier als gewinnbezogene Wirtschaftskriminalität im eigentlichen Sinne dar, welche sich des Sports als Instrument zur Wettbewerbsverzerrung und in aller Regel intendierten Vermögensschädigung bedient.

Insbesondere der Fußballsport war in den letzten Jahren von Spielmanipulationen geprägt.[23] Problematisch war die Erfassung der evidenten Vermögensverschiebungen mit den vorhandenen vermögensschützenden Tatbeständen. Im Bereich des Betrugs wurde die Rechtsfigur des Quotenschadens entwickelt. Eine weitgehende Ablösung von der bisherigen Ausformung des Schadensbegriffs, im Bereich der Wortlautgrenze und der Unrechtskonkretisierung höchst problematisch.

Vor diesem Hintergrund traten am 19.4.2017 mit § 265c StGB (Sportwettbetrug) und § 265d StGB (Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben) zwei Straftatbestände in Kraft, die nach der Einführung des AntiDopG im Jahr 2015 ebenfalls unter anderem die Integrität des Sports schützen sollen. Beide Tatbestände stellen jeweils Manipulationsabsprachen zwischen einem Vorteilsnehmer und einem Vorteilsgeber in Bezug auf den Verlauf oder das Ergebnis eines Sportwettbewerbs unter Strafe. Der Unterschied liegt darin, dass § 265c StGB Sportwettbewerbe, die Gegenstand einer öffentlichen Sportwette sind, schützt, während § 265d StGB auch Sportwettbewerbe ohne Bezug zu einer Sportwette einschließt. Mit der Einführung der beiden Tatbestände wird nun erstmals korruptives Verhalten, das sich auf die Manipulation von Sportwettbewerben richtet, sanktioniert. Die Bestechung im Sportbereich war bisher nicht von § 299 StGB erfasst, da diese nicht den geschäftlichen Verkehr betrifft. Bislang konnte nur der im Zusammenhang mit der Manipulation eventuell ebenfalls vorliegende Betrug nach § 263 StGB bestraft werden. Da in vielen Fällen die exakte Höhe des Vermögensschadens nicht genau beziffert werden konnte, schied eine Bestrafung wegen vollendeten Betrugs oftmals aus.[24] Stellt die Einführung der §§ 265c und 265d StGB nun eine sinnvolle Ergänzung der bisherigen Regelungen dar?

§ 265c StGB und § 265d StGB liegt eine weitgehend gleiche Konzeption zugrunde. Beide Tatbestände sollen die Integrität des Sports sowie das Vermögen als Individualrechtsgut schützen.[25]

Der Vermögensschutz ist im Wesentlichen unproblematisch, wie aber lässt sich „Integrität“ hier interpretieren?

In der Entwurfsbegründung heißt es, die gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung des Sports seien durch Sportwettbetrug und Spielmanipulation gefährdet. Der Sport verliere dadurch seine Faszination und könne Werte wie Leistungsbereitschaft, Fairness und Teamgeist nicht mehr vermitteln.[26] Was genau Sportintegrität jedoch ist, bleibt völlig unklar und lässt sich beliebig mit Wertvorstellungen füllen. Allein, dass die Integrität des Sports zu den wichtigsten Werten unserer Gemeinschaft gehöre, erscheint zweifelhaft. Sicherlich sind Fairness und Teamgeist positive Werte, die gewiss erstrebenswert sind – es stellt sich jedoch die Frage, ob dies den Einsatz strafrechtlicher Mittel rechtfertigt.[27] Vor dem Hintergrund der Ultima-Ratio-Funktion des Strafrechts können nicht alle Vorstellungen, die Einzelnen erstrebenswert erscheinen, strafrechtlich geschützt werden. Würde man dies jedoch annehmen, so müsste konsequenterweise jeder erhebliche Regelverstoß im Sport, wie beispielsweise das Foulspiel, das evident gegen das Gebot des Fairplays verstößt, strafrechtlich verfolgt werden können oder zumindest in abgestufter Form eine „Ordnungswidrigkeit“ darstellen.

Aus dem Ultima-Ratio-Prinzip ergibt sich zudem die primäre Verantwortlichkeit der Veranstalter der Sportwettbewerbe, für die Integrität des Sportes zu sorgen.

Trotz aller positiver Attribute sportlicher Wettbewerbe bleibt die Bedeutung für die Werte der Gesellschaft als Gesamtheit fraglich. Die „Werte“ des Sports können eine Strafbarkeit legitimieren, insoweit Sport ein Wirtschaftsbereich von zentraler gesellschaftlicher Bedeutung ist. Darüber hinaus allerdings bleiben die positiven Attribute stets äußert vage. Nicht zufällig bemühen deren Protagonisten immer ausgesprochen schnell das Argument der Evidenz, gern angereichert um persönliche Erfahrungen oder Erlebnisse, die sich kaum ohne gleichzeitig die betreffende Person in ihrer Integrität infrage zu stellen, relativieren lassen. Ansonsten, außerhalb vieler moralischer Wertungen, bleibt häufig das meiste hinter einem Nebelschleier der Vagheit. In einem rationalen Diskurs, geführt mit überprüfbaren Argumenten, ergibt sich, dass die Integrität des Sports auch hier kein Interesse beschreibt, das die für eine Strafnorm nötige Rechtsgutsqualität aufweist. Vage Allgemeininteressen gehören nicht zu dem Kern strafrechtlich zu schützender Interessen. Vielmehr dient der Begriff letztlich der moralischen Aufwertung des Wettbewerbs- und Vermögensschutzes, für die ein rationaler Anlass nicht erkennbar ist.

§ 265c StGB schützt in erster Linie die Vermögensinteressen der Wettanbieter sowie das der redlichen Wettteilnehmer. § 265d hingegen zielt insbesondere auf den Schutz von Sportlern und Vereinen ab.[28] Unklar ist jedoch, warum gerade im Sportbereich derartige strafrechtliche Sonderregeln aufgestellt werden sollen. Mit welchem Grund verdienen Sportwettanbieter oder Akteure im Bereich des Profisports Sonderbehandlungen? Die Entwurfsbegründungen verweisen immer wieder auf die mit dem Sport verbundenen Vermögensinteressen ohne diese jedoch genauer auszuführen und ihre Schutzbedürftigkeit zu begründen.[29] Weshalb diese indes einen weiterreichenden Schutz als sonstige Vermögensinteressen erfahren sollten, bleibt offen.

Systemkohärent wäre es vielmehr, auch hier den Wettbewerb als Allgemeinrechtsgut in den Vordergrund zu stellen, dessen Funktionieren die Vermögensinteressen Dritter befördert.

§ 265c StGB erstreckt sich auf sämtliche Akteure, die auf den Verlauf oder das Ergebnis eines Sportwettbewerbs unmittelbar Einfluss nehmen können. Problematisch erscheint hier die Regelung des § 265c Abs. 6 S. 2 StGB. Demnach werden einem Trainer Personen gleichgestellt, die aufgrund ihrer beruflichen oder wirtschaftlichen Stellung wesentlichen Einfluss auf den Einsatz oder die Anleitung von Sportlern nehmen können. Im Gesetzestext lässt sich jedoch kein Anhaltspunkt finden, was genau unter „wesentlichem Einfluss“ zu verstehen ist. Dies ist gleichwohl für die Bestimmung der Tätereigenschaft von herausragendem Interesse. Insbesondere in Hinsicht auf das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG erscheint dies nicht unproblematisch.

Das strafbare Verhalten in § 265c Abs. 1 und 3 StGB knüpft an das Fordern, Sich-Versprechen-Lassen oder Annehmen eines Vorteils – wie bereits aus § 299 StGB bekannt – an. Spiegelbildlich dazu wird in § 265c Abs. 2 und 4 StGB das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils unter Strafe gestellt. Hier orientiert sich § 265c StGB an den Tatbestandsvarianten des § 299 StGB, sodass auf die hierzu entwickelten Grundsätze verwiesen werden kann.[30]

Auch in Bezug auf den Vorteilsbegriff greift die Entwurfsbegründung auf die Grundsätze der §§ 299 und 331 ff. StGB zurück. Sozialadäquate Zuwendungen unterfallen auch hier nicht dem Begriff des Vorteils.[31]

Zwischen Vorteilszuwendung und Manipulationshandlung muss ein Zusammenhang bestehen. Der Vorteil muss also gerade die Gegenleistung für eine zukünftige Spielmanipulation darstellen. Die Unrechtsvereinbarung muss sich zudem auf einen Wettbewerb des organisierten Sports beziehen. Unter den Begriff der Sportveranstaltung fallen sowohl Turniere mit mehreren zusammengehörigen Wettkämpfen als auch Einzelwettkämpfe, unabhängig davon, ob sie unter Profi- oder Amateursportlern ausgetragen werden.[32] Wie auch beim Erlass des Anti-Doping-Gesetzes wird hier seitens des Gesetzgebers auf eine Definition von „Sport“ verzichtet. Es soll vielmehr auf das allgemeine Verständnis von Sport abgestellt werden.[33] Im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG erscheint der Verzicht auf eine Legaldefinition des Sportbegriffs höchst problematisch. Besonders die Abgrenzung des Sports zum bloßen Spiel oder Zeitvertreib dürfte im Einzelfall Probleme bereiten. Ein Kriterium zur Bestimmung des Begriffs Sport könnte der Leistungsgedanke sein, der im Vordergrund stehen muss. Wäre Schach demnach ein Sport? Im Allgemeinen würde man dies wohl bejahen. Eine Begründung nach dem gesellschaftlichen allgemeinen Verständnis von Sport zu finden, fällt jedoch nicht leicht. Argumentiert man, die Einbeziehung von Schach begründet sich in der zu erbringenden Denkleistung, so folgt darauf die Frage, warum andere Denkspiele nicht geschützt sein sollen. Skat erfordert sicherlich auch einiges an Denkleistung, wird aber im Gegensatz zu Schach gemeinhin eher weniger als Sport betrachtet. Wo lässt sich also die Grenze zwischen Spiel und Sport ziehen?

Nebenbei: Zudem stellt sich die Frage, ob sogenannter eSport – elektronischer Sport – auch vom Sportbegriff umfasst ist. Auch bei den eSports gibt es internationale Wettbewerbe wie die World Cyber Games und die Möglichkeit, Wetten auf eSport-Wettkämpfe abzuschließen. Ob § 265c StGB diese Form des „Sports“ umfasst, ist noch völlig offen.

Eine Grenzziehung über den Bereich des strafrechtlich geschützten Wettbewerbs ist denkbar, steht jedoch auch vor dem Problem, dass definiert werden muss, warum dieses Wettbewerbssegment schutzwürdig ist. Die Frage, ob es sich um Sport handelt, könnte in den Hintergrund treten, wenn es sich um wirtschaftliche Betätigung im Sinne des § 299 handeln würde.

Für die Strafbarkeit nach § 265c StGB genügt bereits bedingter Vorsatz. Der Vorteilsnehmer muss es zumindest billigend in Kauf nehmen, dass der Vorteilsgeber oder ein Dritter aufgrund der Spielmanipulation einen Wettgewinn erzielen soll – eine konkrete Vorstellung des Vorteilnehmers hinsichtlich Zeit, Ort und Form der Wettsetzung ist nicht nötig.[34]

§ 265d StGB setzt im Gegensatz zu § 265c StGB nicht voraus, dass ein Zusammenhang zu einer Sportwette besteht. Jedoch bezieht sich § 265d StGB lediglich auf berufssportliche Wettbewerbe. Erforderlich hierfür ist, dass die sportliche Betätigung für die Mehrzahl der teilnehmenden Sportler eine Einnahmequelle im Sinne eines wiederholten Erlangens wirtschaftlicher Vorteile darstellt. Preisgelder sind dabei ebenso wenig ausreichend wie eine bloße Kostenerstattung.[35] Kritisch zu sehen ist an dieser Stelle die Zufälligkeit des Vorliegens einer solchen Professionalisierung. Ob an einer Sportveranstaltung überwiegend Sportler teilnehmen, die durch ihre sportliche Betätigung Einnahmen von erheblichem Umfang erzielen, könnte von dem jeweils zufälligen Gegner abhängen.[36] Auch die verschiedenen Spielerkonstellationen durch Verletzungen oder Sperren haben dadurch Einfluss darauf, ob eine Sportveranstaltung zu einem berufssportlichen Wettbewerb gezählt wird.

Vor der Gesetzesbegründung, die Integrität des Sports schützen zu wollen, erscheint die Nichterfassung des Amateursports inkonsequent. Besonders beim Fußball sind auch die Oberliga und Landesliga von erheblichem öffentlichen Interesse, sodass auch dem Amateursport eine wichtige Rolle bei der Vermittlung von Werten wie Teamfähigkeit und Fairplay zukommt.[37] Zudem sind auch häufig Wettbewerbe des Amateursports Gegenstand von Sportwetten und können Opfer der Spielmanipulation sein. Als organisierte Sportwettbewerbe sind Wettbewerbe des Amateursports zwar von § 265c StGB erfasst. In der Praxis wird es jedoch oftmals schwer sein, den Nachweis über den Zusammenhang zwischen Spielmanipulation und einer Wettsetzung zu erbringen. Somit kann der § 265d StGB als Auffangtatbestand betrachtet werden. Sind Wettbewerbe des Amateursports von diesem jedoch nicht erfasst, so kann er diese Funktion nur unzureichend erfüllen.[38]

Tatsächlich dürfte sich wiederum zeigen, dass es nicht um eine wie auch immer geartete „Integrität des Sports“ geht. Ganz offensichtlich besteht der Zweck des Gesetzes darin, erwerbswirtschaftliche Vermögensinteressen vor einer Gefährdung durch manipulative Beeinflussung sportlicher Wettbewerbe abzusichern. Nur dann lässt sich schlüssig erklären, warum eine Erheblichkeit dieser Interessen gefordert ist.

Im Rahmen des § 265d StGB muss sich die Unrechtsvereinbarung auf eine wettbewerbswidrige Beeinflussung von Verlauf oder Ergebnis des Wettbewerbs beziehen. Ausgenommen werden sollen solche Einflussnahmen auf den Wettbewerb, bei denen lediglich wettbewerbsimmanente Vorteile gewährt werden und die Manipulation zumindest mittelbar dem eigenen sportlichen Erfolg dient. Aufgeführt wird hier die Vereinbarung eines Unentschiedens, da dies zwar eine Beeinflussung des Wettbewerbs zugunsten des Gegners darstellt, jedoch für beide Teilnehmer im weiteren Turnierverlauf und somit im Gesamtwettbewerb vorteilhaft sei.[39] Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass bei einem Turnier wie beispielsweise einer Fußballeuropameisterschaft nicht nur zwei Mannschaften gegeneinander antreten, sondern eine Vielzahl von Mannschaften beteiligt sind. Wenn auch ein Unentschieden für Vorteilsgeber und -nehmer günstig sein mag, so sind dennoch die Interessen der anderen Mannschaften zu berücksichtigen, auf die sich die Manipulationsabrede unter Umständen nachteilig auswirkt. 

Hier findet sich der Versuch einer Angleichung an § 299 StGB. Die Parallele ist im Grundsatz, wenn auch nicht in allen gesetzestechnischen Einzelheiten, konsequent zum Wettbewerbsmodell der Nr. 1 gezogen. Positiv ist auch, dass man hier auf ein „Geschäftsherrnmodell“ verzichtet. Dennoch bleibt hier ein Nachbesserungsbedarf, um den relevanten sportlichen Wettbewerb besser abzubilden. Es scheint so zu sein, dass der Gesetzgeber versehentlich wettbewerbsneutrale Handlungsmotive berücksichtigt hat, um die Grenze des Wettbewerbs zu definieren. Fragen einer weitergehenden „Integrität“ des Sports spielen jedenfalls keine Rolle.

V. Fazit

Insgesamt sind die neu eingeführten Tatbestände der §§ 265c und 265d StGB kritisch zu sehen. Die Korruptionsvorschriften weisen sowohl hinsichtlich des Bestimmtheitsgebots des Art. 103 Abs. 2 GG, als auch angesichts offener Begriffe Bedenken auf. Ein derartig weitgehender Schutz des sportlichen Wettbewerbs ist wie oben gezeigt letztlich nicht zu rechtfertigen. Die tatsächliche praktische Bedeutung der eingeführten Tatbestände bleibt jedoch abzuwarten.

Problematisch ist die zentrale Legitimation durch die „Integrität des Sports“. „Integer“ kann nur eine Person sein, nicht aber ein Bereich gesellschaftlichen Lebens. Spricht man von der Integrität des Sports, meint man also die individuelle Integrität aller Akteure. Dann aber hieße Integrität in etwa „wettbewerbsgemäßes Verhalten aus innerer Überzeugung“. Genau diese innere Überzeugung ist aber nicht Gegenstand des Strafrechts. Nicht „verhalte dich moralisch korrekt“ lautet die Grundnorm, sondern „beeinträchtige keinen anderen“. Integrität ist dann nichts Anderes als Moralität.

Die „Integrität des Sports“ ist also eine strafrechtliche Chimäre, genau so wenig ein Rechtsgut wie das „Sportethos“. Sie vernebelt als strafrechtlich irrelevante diffuse Moralität den Zugang auf die schützenswerten Rechtsgüter, die im Umfeld des Sports durch spezifische Angriffsmodalitäten verletzt werden können: Individuelle Gesundheit, wenngleich nicht durch spezifisch sportkorruptives Verhalten, sondern insoweit als „Kollateralschaden“. In der Hauptsache geht es um Vermögensschutz und um einen ausschnitthaften Wettbewerbsschutz. Die neuen Tatbestände stehen damit vor allem in einem funktionalen Paradigma mit den §§ 299, 299a, 299b, 331 ff. StGB.

Versteht man Rechtsgut und Harm Principle als, wie Dubber[40] es formuliert, „Analyse Tools“, so kann man zwar sagen,  dass  der  Gesetzgeber  weitgehend  frei  darin  ist, Rechtsgüter zu formulieren. Wenn das Ziel dieser Analyse ist, die Grenzen zu benennen, innerhalb derer ein verfassungsgemäßes Strafrecht sich bewegen muss, so befindet sich der Topos „Integrität des Sports“ mangels Bestimmtheit und Unterlegung durch konkret schützenswerte Individualinteressen jenseits dieser Grenze. Die vorstehend diskutierten Gesetze sind jedoch gleichwohl verfassungsgemäß, soweit sie andere legitimierte Rechtsgüter schützen, wie beispielsweise das Vermögen oder abgrenzbare Formen des wirtschaftlichen Wettbewerbs.

 

[1]      DoJ- „A 47-count indictment was unsealed early this morning in federal court in Brooklyn, New York, charging 14 defendants with racketeering, wire fraud and money laundering conspiracies, among other offenses (…)”: https://www.justice.gov/opa/pr/nine-fifa-officials-and-five-corporate-executives-indicted-racketeering-conspiracy-and (zuletzt abgerufen am 11.12.2017).
[2]      Holder-Memo, Organized Crime, 2012; https://www.justice.gov/sites/default/files/usao/legacy/2012/10/31/usab6006.pdf, zuletzt abgerufen am 11.12.2017.
[3]      Thomas Fischer, „Was ist ein Rechtsgut“, Zeit online v. 2.6.2015, abrufbar unter: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-06/strafrecht-tierschutz-fischer-im-recht/komplettansicht (zuletzt abgerufen am 31.10.2017).
[4]      Kudlich, ZStW 127 (2015), 635 ff.
[5]      Vgl. Dubber, 53 American Journal of Comparative Law 2006, 679: “Rechtsgut as Analytical Tool – In the end, the most important function of the concept of legal good may well be the facilitation of critical analysis, rather than critique itself. The very existence of the concept stands for the proposition that there are limits within which modern criminal law must operate if it is to claim legitimacy, and ultimately obedience, and therefore effectiveness. The notion of legal goods provides critical analysis of German criminal law with a language for expressing itself, no less, but also not much more (…).“
[6]      Cherkeh/Momsen, NJW 2001, 1745 ff.
[7]      Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2013, S. 26.
[8]      Maas, ZRP 2017, 130.
[9]      https://resources.fifa.com/mm/document/affederation/bodies/01/62/05/99/eanlagedeutsch.pdf (zuletzt abgerufen am 24.10.2017).
[10]    https://resources.fifa.com/mm/document/affederation/generic/02/78/29/07/fifastatutsweben_neutral.pdf (zuletzt abgerufen am 24.10.2017).
[11]    Streitner, ZIS 2015, 277.
[12]    Momsen/Grützner, Wirtschaftsstrafrecht, 2013, Rn. 56 ff.
[13]    Striegel, in: NK- AntiDopG, 1. Aufl. (2017), § 2 Rn. 85.
[14]    Greco, GA 2010, 62.
[15]    Putzke, in: NK-AntiDopG, § 3 Rn. 8.
[16]    Vgl. näher Cherkeh/Momsen, NJW 2001, 1745 ff.
[17]    Vgl. Momsen/Momsen-Pflanz, in: SSW-StGB, 3. Aufl. (2017), § 223 Rn. 54 ff.
[18]    Putzke, in: NK-AntiDopG, § 4 Rn. 11.
[19]    Heermann, SchiedsVZ 2014, 66.
[20]    BGH, Urt. v. 12.7.2016 – KZR 6/15; NJW 2016, 2266.
[21]    Heermann, SchiedsVZ 2014, 66.
[22]    Näher Momsen, Sciamus 3/2013, 27 ff.; Momsen/Vaudlet, in: Emrich/Pierdzioch/Pitsch, Falsches Spiel im Sport – Analysen zu Wettbewerbsverzerrungen, 2015, S. 219 ff.
[23]    So beispielsweise der Skandal um den Schiedsrichter Hoyzer 2005, BGHSt 51, 165 ff.
[24]    Zum Schadensbegriff BVerfGE 130, 1 (47).
[25]    BT-Drs. 18/8831, S. 1, 10 ff.
[26]    A.a.O., S. 13, 18.
[27]    Jahn, SpuRt 2015, 149.
[28]    BT-Drs. 18/8831, S. 20.
[29]    A.a.O., S. 1, 8, 13, 18.
[30]    BT-Drs. 18/8831, S. 13.
[31]    A.a.O., S. 13.
[32]    A.a.O., S. 17.
[33]    A.a.O., S. 17.
[34]    A.a.O., S. 14.
[35]    A.a.O., S. 20.
[36]    Pfister, StraFo 2016, 441 (447).
[37]    Satzger, JA 2016, 1142 (1151).
[38]    Kubiciel, jurisPR-StrafR 3/2016, Anm. 1.
[39]    BT-Drs. 18/8831, S. 19.
[40]    Dubber, 53 American Journal of Comparative Law (2006), 679.

 

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