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KriPoZ-RR, Beitrag 18/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 09.05.2019 – 4 StR 578/18: Sicherungsverwahrung im Staufener Missbrauchsfall

Leitsatz der Redaktion:

Die tatrichterliche Prüfung des Vorliegens eines Hangs i.S.v. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB ist strikt von der Gefahrenprognose zu trennen.

Sachverhalt:

Das LG Freiburg hat den Angeklagten u. a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern, Vergewaltigung, Zwangsprostitution und Herstellen kinderpornographischer Schriften verurteilt. Von einer Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat es abgesehen.

Der Angeklagte hatte nach den Feststellungen des Tatgerichts sein Opfer im Zeitraum von September 2016 bis August 2017 in 14 Fällen missbraucht, nachdem das Kind vom Lebensgefährten seiner Mutter im sog. Darknet gegen Entgelt zum sexuellen Missbrauch angeboten worden war.

Die Revision der Staatsanwaltschaft hat sich auf die Ablehnung der Anordnung der Sicherungsverwahrung beschränkt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob die Entscheidung des LG, insoweit sie die Anordnung der Sicherungsverwahrung betraf, auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung zurück an das LG Freiburg.

Als Begründung führte er an, dass das Tatgericht die Prüfung der Hangtäterschaft mit Elementen der Gefahrenprognose vermischt habe. Dadurch sei die umfassende Vergangenheitsbetrachtung der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Taten, die für die Annahme eines Hangs erforderlich sei, nicht mehr möglich gewesen.

Zwar habe das LG Risikofaktoren und prognostisch günstige Umstände im Rahmen der Prüfung des Vorliegens eines Hangs einander gegenübergestellt, allerdings seien die Hangtäterschaft und die Gefährlichkeit für die Allgemeinheit keine identischen Merkmale. Dies stelle schon die begriffliche Differenzierung in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB klar.

Der Hang sei ein gefestigter innerer Zustand, der den Täter immer wieder neue Straftaten begehen lasse, wohingegen die Gefährlichkeitsprognose die Wahrscheinlichkeit einer weiteren Tatbegehung in der Zukunft trotz des Hangs beschreibe. Der Hang sei innerhalb der Gefährlichkeitsprognose nur ein Kriterium, was für die Gefährlichkeit des Angeklagten spreche.

Aufgrund dieser Trennung habe das Tatgericht zunächst das Vorliegen eines Hangs festzustellen und sodann in einem zweiten Schritt prognostische Erwägungen im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose anzustellen. Da das LG Freiburg die Ablehnung eines Hangs mit prognostischen Erwägungen, wie z. B. der Therapiewilligkeit des Angeklagten, begründet habe, genüge das Urteil nicht dem Erfordernis der strikten Trennung zwischen den beiden Prüfungen.

Anmerkung der Redaktion:

Der Fall war als sog. Staufener Missbrauchsfall bundesweit bekannt geworden und hatte auch zu Ermittlungen gegen die zuständigen Jugendamtsmitarbeiter geführt. Eine Chronik der medialen Berichterstattung finden Sie hier.

 

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