Mani Jaleesi: Die Kriminalisierung von Manipulationen im Sport – Eine Untersuchung zum Sportwettbetrug und der Manipulation von berufssportlichen Wettbewerben gem. § 265c und § 265d StGB

von Dipl.-Jur. Till Pörner

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2020, Nomos Verlag, Baden-Baden, ISBN: 978-3-8487-6662-8, S. 321, Euro 84,00

I. Einleitung

Mani Jaleesi widmete sich in seinem Promotionsvorhaben mit den Strafvorschriften zum Sportwettbetrug und Manipulationen im Sport einem Untersuchungsgegenstand, welcher in der jüngeren Vergangenheit Inhalt einer Vielzahl weiterer Publikationen war. So wurde die Einfügung der §§ 265c ff. StGB in das Kernstrafrecht seitens der Rechtswissenschaft von Beginn an kontrovers diskutiert. An dieser Stelle setzt daher auch Jaleesi an, dessen 321 Seiten langes Werk unter der Betreuung von Prof. Dr. Gereon Wolters 2019 an der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen wurde.

II. Aufbau und Schwerpunkte der Arbeit

Schwerpunktmäßig stellt der Verfasser in seiner Arbeit zwei Aspekte in den Mittelpunkt. Dabei handelt es sich einerseits um die Frage der Legitimation eigener Strafvorschriften zur Sanktionierung des Wettbetruges und der Manipulation im Sport (S. 19) und andererseits um die Frage, ob der Gesetzgeber seinen Gestaltungsspielraum diesbezüglich mit dem 51. Strafrechtsänderungsgesetz sinnvoll ausgestaltet hat. Hinsichtlich letzterem Untersuchungsgegenstand geht es daher um die Fragen, wie die Tatbestände in ihrer jetzigen Form auszulegen sind und ob einzelne Merkmale „modifiziert werden könnten und sollten“ (S. 20).

Im Rahmen dieser Untersuchung gliedert Jaleesi seine Arbeit in drei Kapitel. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit den Grundlagen der Thematik. Es skizziert, wie üblich, zunächst den Gegenstand und Gang der Untersuchung (A.) und zeigt im Anschluss die Hintergründe für bzw. von Manipulationshandlungen im Sport auf (B.), ehe ein Überblick über das 51. Strafrechtsänderungsgesetz, in dessen Zuge die §§ 265c ff. StGB den Weg in das Strafrecht fanden, gewährt wird (C.). Dabei nähert sich der Verfasser den Normen zunächst einmal nur oberflächlich, soll eine ausführliche und detailgetreue Auseinandersetzung mit den einzelnen Merkmalen der Normen doch noch an späterer Stelle im Hauptteil des Werkes folgen (S. 20 und 32). Zum Abschluss des ersten Kapitels folgt die Darstellung der Gesetzeslage bis zur Inkorporierung der §§ 265c ff. StGB im Jahre 2017 (D.), wobei der Autor die Frage in den Mittelpunkt stellt, ob Manipulationshandlungen im Sport nicht bereits vor der Reform adäquat mit Strafe bedroht waren (S. 38). Im zweiten Kapitel,

das den Hauptteil des Werkes bildet, setzt sich Jaleesi sodann schwerpunktmäßig mit seinen beiden zentralen Untersuchungsgegenständen auseinander. Er beginnt mit der Prüfung der verfassungsrechtlichen Konformität des Gesetzes (A.) und geht dabei nicht nur auf einen möglichen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Bewegungsfreiheit in Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG ein (S. 57 ff.), sondern untersucht auch die Übereinstimmung mit den verfassungsrechtlichen Grundpfeilern des Bestimmtheitsgebotes (S. 54 ff.), der sog. systemkritischen Rechtsgutslehre (S. 76 ff.) sowie des ultima-ratio-Prinzips (S. 79 ff.). Im Nachgang widmet sich Jaleesi sodann der Frage, ob unter Umständen sogar eine Gesetzgebungspflicht zur strafrechtlichen Sanktionierung von Manipulationen im Sport besteht (B.), ehe er mit dem Abschnitt zur „Gestaltung und Anwendung der Straftatbestände im Rahmen der gesetzgeberischen Einschätzungsprärogative“ (C.) zum umfangreichsten Teil seiner Arbeit kommt. An dieser Stelle untersucht der Verfasser zunächst einige Grundfragen und überprüft unter anderem die strafrechtliche Legitimation des Gesetzes im Lichte des mit diesem verfolgten Schutzzweckes (S. 85 ff.). Daneben geht er auch auf die tatbestandliche Grundausrichtung (S. 105 ff.) sowie deren amtlichen Bezeichnungen und Lozierung (S. 111 ff.) ein.

Nachdem diese Fragen allgemeiner Natur geklärt wurden, widmet sich Jaleesi in diesem Teil seiner Arbeit den einzelnen Tatbestandsmerkmalen der Normen sowie deren Auslegung (S. 116 ff.). Dabei geht der Verfasser detailgetreu und sehr ausführlich vor. Besondere Bedeutung widmet er an dieser Stelle den Merkmalen, bei deren Handhabung Probleme zu erwarten seien und spart in diesem Zusammenhang auch nicht daran, alternative Formulierungsvorschläge zu bereiten (S. 116). So diskutiert er unter anderem die tatbestandliche Neufassung des Sportbegriffes (S. 166 ff.) und plädiert für eine Einbeziehung neutraler Beeinflussungen als Gegenstand der Unrechtsvereinbarung (S. 197 ff.). Das zweite Kapitel schließt sodann mit dem Abschnitt unter dem Titel „Annex“ (S. 276 ff.), in dem konkurrenzrechtlichen Fragen (S. 276 ff.) sowie Auslandsbezüge (S. 279 ff.) bearbeitet werden und eine Beleuchtung des ultima-ratio-Prinzips aus kriminalpolitischer Sicht (S. 285 f.) erfolgt. Im dritten Kapitel (S. 287 ff.) vervollständigt der Autor das Werk schließlich mit einer Zusammenfassung seiner Ergebnisse.

III. Wesentliche Aussagen anhand ausgewählter Inhalte

Nachdem nun der Untersuchungsgang, der Aufbau und die Schwerpunkte des Werkes skizziert wurden, sollen nachfolgend einige wesentlichen Aussagen und Erkenntnisse der Arbeit aufgezeigt werden. Hierbei handelt es sich um ausgewählte Inhalte, die die zentralen Untersuchungsfragen der verfassungsrechtlichen sowie strafrechtlichen Legitimation einer- und die tatbestandliche Ausformulierung andererseits betreffen.

So ergründet Jaleesi etwa die Hintergründe und Motive von Manipulationshandlungen im Sport. Hinsichtlich der daran beteiligten Personengruppen, ihren Interessenlagen sowie der „Logik der Tat“ existierten bei Manipulationen mit (§ 265c StGB) und ohne Wettbezug (§ 265d StGB) grundlegende Unterschiede, was auch in der weiteren rechtlichen Untersuchung der Normen Niederschlag finden müsse (S. 21). So stünden bei Wettsetzung die Gewinnerzielung und Möglichkeit der Geldwäsche im Mittelpunkt (S. 24), während Manipulationen ohne Wetthintergrund gewissermaßen „sportimmanent“ seien (S. 21 ff.). Insofern begrüßt der Verfasser den Umstand, dass derartige Verhaltensweisen in zwei separaten Tatbeständen geregelt wurden (S. 21, Fn. 19).

Im Hinblick auf ihre verfassungsrechtliche Legitimation sieht Jaleesi in den §§ 265c ff. StGB keine Verstöße gegen das Grundgesetz (S. 82).  Dabei verweist der Verfasser auf die bisherige Rechtsprechung des BVerfG. So hätten die Karlsruher Richter in der Vergangenheit nur äußerst selten die Bestimmtheit eines Gesetzes beanstandet (S. 56 f.) und auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip (S. 75 f.), die Rechtsgutslehre (S. 78) sowie das ultima-ratio-Prinzip (S. 80 f.) stellten in praktischer Hinsicht keinerlei Begrenzungsmaßstab für die materielle Gesetzgebung dar. Wenngleich mit Blick auf die praktische Handhabung dieser Prinzipien seitens des BVerfG der Mutmaßung des Autors („… Verhältnismäßigkeit und das ultima-ratio-Prinzip sind Leerformeln.“, S. 288), dass die Normen wohl kaum für verfassungswidrig erklärt werden dürften, gefolgt werden kann, sollte die rechtspolitische und rechtstheoretische Bedeutung dieser Prinzipien, insbesondere unter Berücksichtigung der einschneidenden Wirkung einer Kriminalstrafe, keineswegs außer Acht gelassen werden. Auch diesen Gedanken nimmt der Verfasser aber an späterer Stelle auf und plädiert aufgrund der deutlich geminderten Strafbedürftig- und -würdigkeit für eine Entkriminalisierung von Manipulationen im Sport, die über keinen Wetthintergrund verfügen (S. 286.).  

Erhebt Jaleesi unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten daher keine Einwände gegen die §§ 265c ff. StGB, kommt er an anderer Stelle zu dem überzeugenden Ergebnis, dass eine Pönalisierungspflicht des Gesetzgebers bei Manipulationen im Sport von Verfassung wegen nicht angezeigt sei (S. 82 ff.). Gleichwohl bewege er sich mit dem 51. Strafrechtsänderungsgesetz innerhalb seines gesetzgeberischen Entscheidungsspielraumes und habe daher die Möglichkeit, ein Gesetz gegen Manipulationen im Sport zu erlassen (S. 84). Da dem Gesetzgeber diesbezüglich ein grundsätzlich weiter Spielraum zur Verfügung stünde, untersucht Jaleesi im Fortgang, wie ein solches Gesetz im Detail am sinnvollsten auszugestalten ist (S. 84.).

Zunächst stößt an dieser Stelle der vom Gesetzgeber gewählte Schutzzweck, der in der Integrität des Sports und dem Schutz des Vermögens gesehen wird (S. 86 f.), beim Verfasser auf Gegenliebe. Diesem komme insofern entscheidende Bedeutung zu, als dass er die Reichweite der Kriminalisierung bestimme und damit auch unmittelbaren Einfluss auf die konkrete Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale habe (S. 85.). Dabei sieht der Autor auch die Integrität des Sportes, welche in der Rechtswissenschaft besonders kontrovers diskutiert wurde, als taugliches Schutzgut an. Auch wenn im Einzelfall wenig klar sei, was sich dahinter verberge, erhalte die Integrität aufgrund der tatbestandlichen Eingrenzungen eine hinreichende Konturenschärfe und werde darüber hinaus auch nicht allumfassend, sondern nur in ihrem Kernbestand geschützt (S. 91).

Besonders gelungen ist die detailgetreue Analyse der Tatbestände. Aufgrund der Fülle an problematischen Merkmalen kann dabei an dieser Stelle nur auf einen kleinen Teil der bearbeiteten Punkte eingegangen werden. Es sollen daher exemplarisch zwei Aspekte besprochen werden, die besonders lesenswert erscheinen. Dies gilt allen voran für die Frage, wie der Begriff des Sportes, der nicht legal definiert wird, in den beiden Tatbeständen zu verstehen ist (S. 144 ff.). Dabei unterliege das Tatbestandsmerkmal „Sport“ in einem besonderen Maße dem gesellschaftlichen Wandel (S. 149), wobei Jaleesi exemplarisch auf den in diesem Zusammenhang immer wieder vorgebrachten E-Sport verweist (S. 146 f.). Im Rahmen seiner Untersuchung auf die Übereinstimmung des Merkmals mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot gelangt er dabei zu der wohl berechtigten Annahme, dass dessen fehlende Konkretisierung aufgrund der Wandlungsfähigkeit durchaus bedenklich sei (S. 159). So streitet der Verfasser im Bewusstsein, dass hierdurch Strafbarkeitslücken entstehen werden, für eine verfassungskonforme Auslegung des Begriffes (S. 166). Danach soll Sport nur das sein, was offenkundig und allgemein von der Gesellschaft als solcher anerkannt werde (S. 164). Sei dies der Fall, dann sollten derartige Betätigungen nicht schon sofort, sondern erst mit zeitlicher Verzögerung den Tatbeständen unterworfen werden, um „Überraschungsstrafbarkeiten“ zu vermeiden (S. 164 f.).  De lege ferenda plädiert Jaleesi indes für die Ausgestaltung der Normen als Blankettstraftatbestände, wobei der Gesetzgeber in regelmäßigen Abständen auf der Grundlage von Erhebungen einen Listenblankettstraftatbestand als formelles Gesetz erlassen solle (S. 167).

Beachtenswert ist auch die Passage, in der der Verfasser die Beschränkung des § 265d StGB auf berufssportliche Wettbewerbe und die damit einhergehend tatbestandliche Ausnahme des Amateursports rechtfertigt (S. 253 ff.). Diese resultiere letztlich konsequenterweise aus einem Schutzzweck-Dualismus (S. 255). So reiche die Betroffenheit der Sportintegrität isoliert betrachtet zur Verwirklichung des tatbestandlichen Unrechts nicht aus. Die Schwelle der Strafwürdigkeit werde vielmehr erst dort erreicht, wo zusätzlich auch erhebliche Gefahren für Vermögensinteressen existierten (S. 254). Im Hinblick auf das ultima-ratio-Prinzip und den geringeren Unrechtsge-halt des § 265d StGB sei diese Tatbestandsbeschränkung insofern zu begrüßen (S. 255).

IV. Fazit

Jaleesi leistet mit seiner Dissertation zu einem von Beginn an kontrovers diskutierten Strafrechtsreformgesetz einen äußerst lesenswerten Beitrag mit einer detailgetreuen Analyse und enormen Tiefgang. Er bietet dabei Impulse für unweigerlich auftretende Auslegungsfragen und Anstöße  zur  weiterführenden  Diskussion.  Seine  Rechtsansichten dürften nicht uneingeschränkt auf Gegenliebe stoßen. Dies ist jedoch keinesfalls Versäumnissen des Autors geschuldet, sondern liegt bei einem solch umstrittenen Untersuchungsgegenstand vielmehr in der Natur der Sache. So bezieht Jaleesi in seiner Dissertation klar Stellung und schließt sich dem Lager an, das das Reformgesetz zwar nicht als durchweg gelungen ansieht, der Kriminalisierung von Manipulationen im Sport in Form eigener Straftatbestände jedoch zustimmend gegenübersteht. Dabei versäumt er es nicht, konkrete Modifizierungsvorschläge für einzelne Tatbestandsmerkmale zu bereiten, deren Auslegung Probleme bereitet. Insofern dürfte Jaleesi mit seiner Arbeit so manchen Stein ins Rollen gebracht haben, der in der Diskussion um die §§ 265c ff. StGB noch das ein oder andere Mal aufgenommen werden könnte. 

 

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