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Kriminalpolitik bis 2025 – Erwartungen und Wünsche

von Prof. Dr. Thomas Weigend

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Abstract
Der Beitrag beschäftigt sich mit den Vereinbarungen im Koalitionsvertrag von 2021, die die Kriminalpolitik betreffen. Die Koalitionspartner möchten generell die Rationalität und Transparenz der Kriminalpolitik erhöhen. Im Einzelnen haben sie sich sowohl im materiellen Strafrecht als auch im Strafverfahrensrecht eine Reihe wichtiger und schwieriger Aufgaben vorgenommen, die auch kontroverse Fragen wie die Sterbehilfe oder die Tatprovokation durch V-Leute betreffen. Dennoch bleiben noch ein paar Wünsche offen, insbesondere für eine Gesamtrevision der Tötungs- und Sexualdelikte.

This article deals with the contents of the coalition agreement of 2021 to the extent that it concerns issues of criminal policy. The parties wish to generally raise the level of rationality and transparency of criminal policy. They plan to address several important and difficult issues of substantive and procedural law, including the problems of euthanasia and of the consequences of entrapment by agents of the state. Some further questions remain to be resolved, however, including a general reform of homicide and sexual offenses.

I. Erwartungen – was steht im Koalitionsvertrag?

In den beiden vergangenen Legislaturperioden war die Kriminalpolitik insgesamt eher von Stillstand und punktuellen Maßnahmen geprägt als von mutigen neuen Entwürfen. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass einzelne Bereiche – wie etwa die Sexualdelikte oder die Gewinnabschöpfung – weitreichend umgestaltet wurden. Mit dem Übergang von einer konservativ geprägten Großen Koalition zu einer „Ampel“ mit mindestens zwei in kriminalpolitischer Hinsicht eher liberal orientierten Parteien verbindet sich die Hoffnung, dass Verkrustungen und Erstarrungen aufgebrochen und auch in dem hier interessierenden Bereich der Kriminalpolitik „mehr Fortschritt“ gewagt wird. Wünsche wurden unmittelbar nach den Wahlen von verschiedenen Seiten formuliert, insbesondere vom Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins[1] und vom Kriminalpolitischen Kreis von Strafrechtsprofessoren und -professorinnen.[2] Ob diese Wünsche tatsächlich in Erfüllung gehen, kann erst die Zukunft zeigen. Der Koalitionsvertrag[3] der neuen Regierungsparteien, der Gegenstand einer ersten Analyse ist, gibt jedoch durchaus Anlass zu einem gewissen Optimismus.

1. Allgemeine Leitlinien für die Kriminalpolitik

In den allgemeinen Leitlinien für den Bereich „Innere Sicherheit, Bürgerrechte, Justiz, Verbraucherschutz, Sport“ werden gegensätzliche Akzente miteinander verbunden. Als Ziele werden der „Schutz vor Kriminalität und die Bewahrung der bürgerlichen Freiheitsrechte“ in einem Atemzug genannt. Den Begriff der Rechtsstaatlichkeit interpretieren die Vertragspartner als die Aufgabe, die „Regeln unseres Gemeinwesens gegen Angriffe“ zu verteidigen;[4] andererseits bekennen sie sich jedoch zu dem Grundsatz, dass Strafrecht „immer nur Ultima Ratio“ sei.[5] Aus dem ultima-ratio-Gedanken leiten die Regierungsparteien zwei wichtige programmatische Folgerungen ab: Das Strafrecht soll im Austausch mit Wissenschaft und Praxis „systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche“ überprüft werden; und die Kriminalpolitik soll sich an „Evidenz“ orientieren.[6] Dies lässt darauf hoffen, dass Entscheidungen über neue strafrechtliche Vorschriften in Zukunft nicht „auf Zuruf“ aus interessierten Gruppen getroffen werden, sondern dass das Für und Wider sorgfältig und im Lichte kriminologischer Erkenntnisse abgewogen wird.

2. Transparenz

Die Koalitionsparteien wollen sich auch darum bemühen, (unter anderem) die Strafgesetzgebung und die Rechtsanwendung transparenter zu machen. Nicht nur für die Forschung, sondern auch für die gerichtliche Praxis von großer Bedeutung ist das Vorhaben, Gerichtsentscheidungen grundsätzlich in anonymisierter Form in einer Datenbank öffentlich und maschinenlesbar zur Verfügung zu stellen.[7] Dies würde es beispielsweise Tatgerichten ermöglichen, bei der Entscheidung über das Strafmaß zu ermitteln, wie andere deutsche Gerichte die Strafe in ähnlich gelagerten Fällen festgesetzt haben.[8] Ein willkommener Beitrag zur Transparenz und zugleich zum Dialog mit der Zivilgesellschaft ist auch der Plan, ein digitales Portal mit Informationen über laufende Gesetzgebungsvorhaben mit der Möglichkeit zur Kommentierung zu schaffen.[9]  Ein großer Gewinn für die kriminologische Forschung ist schließlich die Zusicherung, die Fortschreibung des Periodischen Sicherheitsberichts gesetzlich zu verankern und die Aussagekraft der Kriminal- und Strafrechtspflegestatistiken nachhaltig zu verbessern.[10]

3. Materielles Strafrecht

Im Bereich des materiellen Strafrechts enthält der Koalitionsvertrag sowohl Vorhaben der Entkriminalisierung als auch Pläne für die Ausweitung des Bereichs strafbaren Verhaltens.

a) Entkriminalisierung

Zu einem insgesamt sparsameren Einsatz des Strafrechts dürfte die allgemeine Zielsetzung führen, Strafnormen auf ihre „Berechtigung“ zu überprüfen und dabei den Fokus auf überkommene, möglicherweise aber „historisch überholte“ Straftatbestände zu richten.[11] Vorschläge zur „Entrümpelung“ des Strafrechts liegen seit einiger Zeit auf dem Tisch,[12] und es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber sie aufgreift und damit ein Gegengewicht zu der kontinuierlichen Ausweitung des Strafrechts in den vergangenen Jahren schafft. Zu erwägen wäre insbesondere eine außerstrafrechtliche Lösung für das soziale Problem des Fahrens ohne Fahrschein im ÖPNV, aber auch eine Entschärfung der Strafbarkeit der Entwendung noch brauchbarer Lebensmittel aus Abfallcontainern von Supermärkten.[13] Zugleich können Beschränkungen des materiellen Strafrechts auch zu der von der Koalition angestrebten „Entlastung der Justiz“[14] beitragen. In diesem Zusammenhang sollte auch die Entscheidung des Gesetzgebers noch einmal überprüft werden, jeden Fall des Besitzes kinderpornographischer Inhalte ohne Milderungsmöglichkeit als Verbrechen einzustufen (§ 184b StGB);[15] diese Regelung stellt nicht zuletzt die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte vor praktische Probleme, da damit Verfahrenseinstellungen auch in geringfügigen Fällen ausgeschlossen sind. 

Zwei konkrete Pläne zur Entkriminalisierung werden in dem Koalitionsvertrag genannt: die Streichung von § 219a StGB (Werbung für Schwangerschaftsabbruch)[16] sowie die Erlaubnis zu einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene „zu Genusszwecken“.[17] Dem schon seit langem kontroversen und zuletzt notdürftig „geflickten“ § 219a StGB[18] dürften nicht viele Tränen nachgeweint werden – nicht nur Laien ist schwer zu erklären, weshalb die Bekanntgabe von Informationen über die Möglichkeit und Methoden legaler Schwangerschaftsabbrüche strafbar sein soll. Auch die Aufhebung der Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis zum Eigengebrauch ist eine alte rechtspolitische Forderung.[19] Ihre Umsetzung soll nicht nur zu einer wirksamen Kontrolle der Qualität der angebotenen Drogen führen, sondern auch die Verschwendung polizeilicher Ressourcen durch Kontrollen und Anzeigen gegen Endverbraucher beenden. Eine vollständige „Entkriminalisierung“ wird man freilich nicht erreichen, da die Abgabe von Cannabis an strenge Vorschriften gebunden werden dürfte, deren Verletzung dann wieder (mindestens als Ordnungswidrigkeit) geahndet werden müsste. Erfreulich ist, dass die Koalition von vornherein eine Evaluation der zu treffenden Maßnahmen nach vier Jahren ins Auge fasst.[20]

In zwei besonders kontroversen Sachbereichen will die Koalition eine Diskussion zur möglichen Entkriminalisierung immerhin anstoßen: Für Fragen der reproduktiven Selbstbestimmung und der Fortpflanzungsmedizin, insbesondere zu Möglichkeiten der Legalisierung von Eizell-spende und altruistischer Leihmutterschaft, soll eine Kommission eingesetzt werden;[21] und zur Frage der Sterbehilfe soll die Diskussion im Bundestag „zeitnah“ durch fraktionsübergreifende Gruppenanträge in Gang gebracht werden.[22] Ein Verzicht auf Fraktionszwang bei der Abstimmung über alternative Lösungen dürfte wegen der ethischen Aufladung dieses Problems angezeigt sein. Allerdings hat der erste Anlauf zu einer Regelung der Sterbehilfe über Gruppenanträge im Bundestag zu einer verfassungswidrigen „Lösung“ geführt,[23] und es ist fraglich, ob ein neuer Versuch dieser Art angesichts der Zufälligkeiten bei der Beratung und Abstimmung über disparate konkurrierende Anträge mehr Erfolg verspricht.

b) Inkriminierung

Eine Verstärkung des strafrechtlichen Schutzes hat sich die Ampel-Koalition nur in wenigen, voneinander ganz unabhängigen Bereichen vorgenommen. Erwähnt werden im Koalitionsvertrag folgende Tatbestände:

  • Bei der Abgeordnetenbestechung (§ 108e StGB) soll, vermutlich unter dem Eindruck der „Masken-Affäre“ des Jahres 2020, der Versuch unternommen werden, die relativ enge Begrenzung der Strafbarkeit auf Handlungen des Abgeordneten „bei der Wahrnehmung seines Mandates … im Auftrag oder auf Weisung“ aufzulockern.[24] Ob dies gelingt, ohne eine allgemeine Strafbarkeit der „Politiker-Korruption“ einzuführen, wird sich zeigen.
  • Die Straftatbestände aus dem Tierschutzgesetz sollen teilweise in das StGB überführt werden, die Strafrahmen für Tierquälerei sollen erhöht sowie Rechts- und Vollzugslücken geschlossen werden.[25] Es ist zu hoffen, dass dieses Vorhaben zeitnah und mit sachkundiger Beratung in Angriff genommen wird. Ein Entwurf der Fraktion B90/Die Grünen zu dieser Materie liegt bereits vor.[26]
  • Im Datenschutzrecht soll rechtswidrige De-Anonymisierung unter Strafe gestellt werden.[27]
  • Schließlich soll im Strafzumessungsrecht (§ 46 Abs. 2 StGB) die Tatbegehung aus geschlechtsspezifischen oder homosexuellenfeindlichen Beweggründen ausdrücklich als Strafzumessungserwägung genannt werden.[28]

Einen Schwerpunkt bei der Strafverfolgung soll die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität einschließlich der sog. Clankriminalität bilden;[29] neue Straftatbestände werden hier jedoch (erfreulicherweise) nicht vorgeschlagen. Entscheidend kommt es hier auf die hinreichende personelle Ausstattung der Polizeibehörden zur Durchsetzung der vorhandenen Strafvorschriften an.

c) Sanktionen

Die Koalitionsparteien haben sich vorgenommen, das System der strafrechtlichen Sanktionen insgesamt „mit dem Ziel von Prävention und Resozialisierung“ zu überarbeiten.[30] Dies ist sehr zu begrüßen, hat doch das Sanktionenrecht seit den 1960er Jahren nur noch punktuell die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers gefunden. Hier wäre es insbesondere geboten, die seitherigen Ergebnisse der kriminologischen Sanktionsforschung in Reformprojekte umzusetzen. Besonders erwähnt werden im Koalitionsvertrag die Bereiche der Ersatzfreiheitsstrafe, des Maßregelvollzugs und der Bewährungsauflagen. Damit setzen die Vertragspartner vernünftige Schwerpunkte. Insbesondere das Problem der Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 StGB) ist weder in grundsätzlicher noch in praktischer Hinsicht gelöst; hier sind Ideen für eine praktikable Ausweitung des Anwendungsbereichs der gemeinnützigen Arbeit gefragt.[31] Dem Vernehmen nach soll zur Reform des Sanktionenrechts eine Kommission gebildet werden, in der – so ist zu hoffen – auch der Sachverstand der Wissenschaft genutzt wird. In diesem Zusammenhang sollte auch das ungelöste Problem der regionalen Ungleichheit der Strafmaße angegangen werden, etwa durch die Nutzung von Datenbanken (s. dazu oben I.2).

Als eine Frage des Sanktionenrechts behandelt der Koalitionsvertrag auch die Sanktionierung von „Unternehmen“.[32] Nachdem der lang diskutierte Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes[33] in der vergangenen Legislaturperiode letztlich gescheitert ist, lässt der Koalitionsvertrag nicht genau erkennen, in welche Richtung die neuen Regierungsparteien in diesem Bereich denken. Dies mag daran liegen, dass zwischen ihnen schon im Grundsätzlichen keine Einigkeit besteht. Wenn im Koalitionsvertrag davon die Rede ist, dass „die Vorschriften der Unternehmenssanktionen einschließlich der Sanktionshöhe“ „überarbeitet“ werden sollen, klingt dies nicht nach einem großen Wurf zur Neuschaffung eines Verbandssanktionenrechts. Wenn die angestrebten Rechtsänderungen im bestehenden Rahmen des Ordnungswidrigkeitenrechts bleiben sollen, ließe sich allerdings die gebotene umfassende Regelung der Materie und insbesondere die effektive und gleichförmige Ahndung von Verbandsunrecht kaum erreichen. Schon eine Verwirklichung der beiden ausdrücklich genannten Regelungsziele (Verbesserung der „Rechtssicherheit von Unternehmen im Hinblick auf Compliance-Pflichten“ sowie Schaffung eines „präzisen Rechtsrahmens“ für interne Untersuchungen[34]) verlangt im Grunde eine Neukonzeption der gesamten Materie. Dabei wären dann auch so intrikate und umstrittene Fragen zu lösen wie die normative Grundlage einer Verantwortlichkeit von Verbänden (eigenes Verbandsverschulden oder Zurechnung der Handlungen von Verbandspersonen?) oder auch der Wahrung der Vertraulichkeit anwaltlicher Beratung des Verbandes im Zusammenhang mit internen Ermittlungen. Es ist deshalb sehr zu hoffen, dass sich die Koalitionsparteien doch noch zu einer „großen Lösung“ entschließen, bei deren Formulierung sie nicht nur auf den Regierungsentwurf von 2020, sondern auch auf verschiedene weitere ausgearbeitete Regelungsvorschläge[35] zurückgreifen könnten.

4. Strafverfahrensrecht

Für das Strafverfahrensrecht stellen die Koalitionsparteien plakativ das Ziel in den Vordergund, „Strafprozesse noch effektiver, schneller, moderner und praxistauglicher“ zu machen.[36] Sie knüpfen damit zumindest verbal an die Bemühungen der vergangenen Regierung an, die 2017 ein „Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens“[37] sowie 2019 ein „Gesetz zur Modernisierung des Strafverfahrens“[38] vorgelegt hatte, durch das insbesondere das Beweisantragsrecht eingeschränkt wurde (§ 244 Abs. 3, 6 StPO). In der Sache gehen die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag allerdings erfreulicherweise nicht in die Richtung zu einer (weiteren) Beschneidung von Beschuldigtenrechten unter dem Banner der Verfahrensökonomie.

Besonders bemerkenswert ist die Formulierung „Wir stellen die Verteidigung der Beschuldigten mit Beginn der ersten Vernehmung sicher.“[39] Da ein Recht des Beschuldigten auf Zugang zu einem Verteidiger vor und bei der ersten Vernehmung bereits durch die geltenden § 136 Abs. 1 S. 2 bis 4 sowie § 163a Abs. 3 S. 2, Abs. 4 S. 3 mit § 168c Abs. 1 StPO garantiert ist, ist die Passage des Koalitionsvertrages wohl so auszulegen, dass an einen Fall der notwendigen Verteidigung bei jeder ersten Vernehmung gedacht ist. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, da damit ein von den Vernehmungsbeamten „nahegelegter“ Verzicht des Beschuldigten auf einen Verteidiger wirkungslos würde. Eine solche Regelung würde allerdings eine markante Veränderung der aktuellen Praxis mit möglicherweise noch nicht vollständig bedachten Folgefragen (Jederzeitige Verfügbarkeit von Verteidigern? Auswahl des Verteidigers nach § 142 Abs. 5 StPO?) mit sich bringen.

Als eine Maßnahme zur Beschleunigung und effizienteren Ausgestaltung von Gerichtsverfahren beschreibt der Koalitionsvertrag das Vorhaben, die Aufzeichnung aller Vernehmungen und Hauptverhandlungen in Strafsachen in Bild und Ton verpflichtend zu machen.[40] Eine Video-Aufzeichnung der Hauptverhandlung hat viele Vorteile. Sie erleichtert es dem erkennenden Gericht, sich Zeugenaussagen vor der Urteilsfällung ins Gedächtnis zu rufen; und sie erweitert die Möglichkeit des Revisionsgerichts, die Übereinstimmung der Tatsachenfeststellungen im Urteil mit dem Inbegriff der Hauptverhandlung zu überprüfen. Mit einer umfassenden Verpflichtung zur Aufzeichnung aller Zeugenaussagen und Hauptverhandlungen geht der Koalitionsvertrag allerdings wesentlich weiter als die meisten bisherigen Vorschläge, die eine Aufzeichnungspflicht überwiegend auf landgerichtliche Verhandlungen beschränken wollten.[41] Bei den Amtsgerichten sowie bei polizeilichen Zeugenvernehmungen könnte eine umfassende Verpflichtung zur vollständigen Video-Dokumentation, die deutlich  über die weitgehend disponiblen §§ 58a, 136 Abs. 4 StPO des geltenden Rechts hinausginge, praktische Probleme aufwerfen.

Weitere verfahrensrechtliche Materien der Agenda für die neue Legislaturperiode sind:

a) eine „Anpassung“ des ministeriellen Einzelfallweisungsrechts gegenüber den Staatsanwaltschaften an die Rechtsprechung des EuGH, wobei für den Vollzug eines Europäischen Haftbefehls eine richterliche Entscheidung notwendig sein soll;[42]

b) eine Regelung der Verständigung im Strafverfahren einschließlich möglicher Gespräche über die Verfahrensgestaltung;[43]

c) die gesetzliche Festlegung der Voraussetzungen für den Einsatz von V-Personen, Gewährspersonen und sonstigen Informanten der Sicherheitsbehörden;[44]

d) die Einführung eines grundsätzlichen Verbots der Tatprovokation durch staatliche Instanzen.[45]

Diese Vorhaben sind von unterschiedlicher rechtspolitischer Brisanz.

ad a) Zu einer Einschränkung des seit längerem kritisierten ministeriellen Weisungsrechts gegenüber den Staatsanwaltschaften in Einzelfällen gab es schon Anfang 2021 einen Referentenentwurf im BMJV zu einer Änderung von § 146 GVG,[46] der jedoch nicht Gesetz geworden ist. Ein Anlass für diese Initiative war eine Entscheidung des EuGH aus dem Jahr 2019,[47] in der festgestellt wurde, dass die deutschen Staatsanwaltschaften wegen des ministeriellen Weisungsrechts nicht als unabhängige Justizbehörden angesehen werden können, die nach Art. 6 Abs. 1 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls (EuHB) befugt sind. Wenn der Koalitionsvertrag nun sowohl eine richterliche Entscheidung für den Vollzug eines EuHB vorschreiben als auch das ministerielle Einzelfall-Weisungsrecht gegenüber der Staatsanwaltschaft beschneiden will, so scheint er die Vorgaben des EuGH noch übertreffen zu wollen. Dabei widersprechen sich die beiden Vorschläge insofern, als es bei einer alleinigen richterlichen Zuständigkeit auf die Weisungsfreiheit der Staatsanwaltschaft nicht mehr ankäme.

ad b) Bezüglich der angekündigten Regelung der Verständigung im Strafverfahren bleibt offen, in welche Richtung weitere Vorschriften zu der ohnehin schon an verschiedenen Stellen (§§ 160b, 202a, 212, 243 Abs. 4, 257b, 257c, 273 Abs. 1a, 301 Abs. 1 Satz 2 StPO) eingehend geregelten Materie gehen sollten. Jedenfalls wären für eine erneute Reform die Ergebnisse einer empirischen Untersuchung der Absprachenpraxis durch die Professoren Karsten Altenhain, Matthias Jahn und Jörg Kinzig auszuwerten, die gemäß dem Auftrag des BVerfG[48] durch das BMJV initiiert und 2020 veröffentlicht wurde.[49] Da diese Untersuchung erhebliche Abweichungen der Praxis vom gesetzlichen Modell gezeigt hat,[50] sollte der Gesetzgeber weniger über eine Festschreibung der derzeitigen Absprachenpraxis in der StPO als vielmehr über die Praxistauglichkeit des Gesamtkonzepts der Verständigung nach den Vorgaben des BVerfG nachdenken.[51]

ad c) Der Zustand, dass der Einsatz von V-Personen der Polizei zur Tataufklärung in der StPO mit keinem Wort erwähnt wird, sollte entsprechend den Absichten der Koalitionsparteien möglichst bald geändert werden. Allerdings gibt es hier eine ganze Reihe umstrittener und schwieriger Sachfragen – etwa die Voraussetzungen für den Einsatz von V-Personen, deren Befugnis zur Begehung von Straftaten zur Aufrechterhaltung der Legende oder die Anwendbarkeit der §§ 136, 136a StPO auf Gespräche zwischen V-Personen und Tatverdächtigen[52], die durch eine umfassende rechtliche Regelung zu klären wären.[53] Es handelt sich also um ein ebenso notwendiges wie schwieriges Gesetzgebungsvorhaben.

ad d) Im Zusammenhang mit der Tätigkeit von V-Leuten steht die ebenfalls im Koalitionsvertrag angesprochene Problematik der Anstiftung zu Straftaten durch Personen, die entweder Amtsträger sind oder in deren Auftrag handeln. Bis vor kurzem hat die deutsche Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass derjenige, der auf staatliche Anstiftung hin eine Straftat (etwa im Bereich des Drogenhandels) begeht, mit Hilfe des agent provocateur überführt und dann wegen der Tat bestraft werden kann, allenfalls mit einem Strafnachlass für den Fall, dass der staatliche Agent allzu großen Druck ausgeübt hatte.[54] In zwei jüngeren Entscheidungen zu dieser Praxis hat der EGMR Deutschland jedoch wegen Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 EMRK) verurteilt.[55] Er verlangt bei aktiver Einwirkung auf einen noch nicht zur Tat Entschlossenen ein vollständiges Beweisverwertungsverbot oder eine ähnlich radikale Maßnahme, die in der Regel eine Verurteilung des Angestifteten ausschließt. Daraufhin hat der 2. Senat des BGH für Fälle starken Drucks zur Tatbegehung eine Verfahrenseinstellung angeordnet.[56] Wenn nunmehr der Koalitionsvertrag ein „grundsätzliches Verbot der Tatprovokation“ vorsieht, so geht dies vermutlich über die Vorgaben des EGMR insoweit hinaus, als dieser nicht jede staatliche Einwirkung zur Überführung von tatgeneigten Personen als Verstoß gegen die Verfahrensfairness ansieht. Der Begriff der „Provokation“ ist allerdings unscharf; möglicherweise sind damit im Koalitionsvertrag nur solche Einwirkungen gemeint, die sich an noch nicht tatgeneigte Personen richten oder einen übermäßig starken Druck zur Tatbegehung (etwa durch den Aufbau eines vermeintlichen Vertrauensverhältnisses) erzeugen. Insofern könnte eine rechtsstaatlich vernünftige Lösung tatsächlich darin liegen, solche staatlich veranlasste Anstiftungshandlungen gegenüber nicht tatgeneigten Personen ebenso wie die Strafverfolgung von Taten, die so ausgelöst werden, zu verbieten. 

5. Sonstige Vorhaben

Neben diesen Punkten aus den Kernbereichen des Straf- und Strafverfahrensrechts enthält der Koalitionsvertrag noch einige weitere Vorhaben mit strafrechtlichem Bezug. Zu nennen sind insbesondere:

a) Im Kampf gegen Kindesmissbrauch soll das Bundeskriminalamt personell gestärkt werden; außerdem werden zur Entlastung der Beschäftigten „technische Lösungen“ (vermutlich: Künstliche Intelligenz) bei der Auswertung beschlagnahmter Dateien eingesetzt.[57]

b) Der Schutz von Whistleblowern vor rechtlichen Nachteilen bei der Meldung von Rechtsverstößen und sonstigem erheblichen Fehlverhalten, dessen Aufdeckung im besonderen öffentlichen Interesse liegt, soll gewährleistet werden.[58]

c) Flächendeckende Videoüberwachung und den Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken lehnen die Koalitionspartner ab. Sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet soll das Recht auf Anonymität gewährleistet sein.[59]

d) Die grenzüberschreitende polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit soll – bei Einhaltung hoher Datenschutzstandards und verbessertem grenzüberschreitendem Rechtsschutz – intensiviert werden. Europol soll ein Europäisches Kriminalamt mit eigenen operativen Möglichkeiten werden, außerdem wird der finanzielle und personelle Ausbau der Europäischen Staatsanwaltschaft angestrebt.[60]

e) Einen Schwerpunkt wollen die Koalitionsparteien auch beim strafrechtlichen Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen Mit diesem Ziel soll sich die Bundesrepublik Deutschland u.a. für die Arbeit des IStGH und die Weiterentwicklung des humanitären Völkerrechts einsetzen sowie Untersuchungsmissionen der Vereinten Nationen unterstützen. Auch sollen in Deutschland die Kapazitäten für die Durchführung von Verfahren nach dem Völkerstrafgesetzbuch ausgebaut werden.[61]

Insgesamt kann man sagen, dass sich die Koalitionspartner auf dem Feld des Strafrechts viele interessante und wichtige Aufgaben vorgenommen haben.

II. Wünsche

Dennoch bleiben einige Wünsche für die künftige Kriminalpolitik offen.

1. Materielles Strafrecht

a) Solche Wünsche betreffen zunächst eine Entschlackung des Strafrechts von Tatbeständen, die heute keine Bedeutung für das Sozialleben mehr haben, kein bedeutsames Rechtsgut schützen oder mit den Mitteln des Strafrechts ihr Ziel nicht zu erreichen vermögen. Neben den oben (I.3.a) bereits genannten Bereichen wäre hier etwa noch an den einvernehmlichen Geschlechtsverkehr zwischen entscheidungsfähigen Geschwistern (§ 173 Abs. 2 S. 2 StGB) zu denken,[62] aber auch an den eigentlich überflüssigen und in § 316a StGB mit überhöhter Strafe bedrohten Tatbestand des Räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer.[63]

b) Unabhängig vom Ausgang der Debatte um den Problembereich der Sterbehilfe und der Suizidassistenz sollte der Gesetzgeber einen weiteren Anlauf zu einer Gesamt-reform der Tötungsdelikte Dabei handelt es sich zwar um vermintes Gelände, und eine Flexibilisierung der Rechtsfolgen bei Mord mag unpopulär sein; aber es ist hoch an der Zeit, dass diese Materie, die ja für den Gesamtbereich des Strafrechts Symbolwirkung hat, nach vielen Jahrzehnten des „Durchwurstelns“ seitens der Rechtsprechung einer rationalen und in sich konsistenten gesetzlichen Lösung zugeführt wird.[64]

c) Im Zusammenhang des strafrechtlichen Lebensschutzes steht auch die Regelung von Einwirkungen auf menschliches Leben vor und während der Geburt. Die von manchen Interessengruppen und Parteien erhobene Forderung nach einer ersatzlosen Streichung von § 218 StGB[65] dürfte allerdings zum einen auf erheblichen Widerstand in signifikanten Teilen der Bevölkerung stoßen und zum anderen mit der stabilen Rechtsprechung des BVerfG zur staatlichen Pflicht zum Schutz auch des ungeborenen Lebens nach Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG kaum vereinbar sein.[66] Diese Rechtsprechung dürfte auch einer vereinfachenden Lösung des Problems, etwa im Sinne einer Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs bis zum Zeitpunkt der selbständigen Lebensfähigkeit des Embryos, im Wege stehen. Dennoch könnte sich der Versuch lohnen, das bestehende Dickicht der §§ 218-219b StGB etwas zu lichten. Umgekehrt stellt sich aber auch die Frage eines verbesserten, konsistenten Schutzes von Föten und Embryonen gegenüber schädigenden Einwirkungen durch Dritte, insbesondere wenn solche Einwirkungen zur körperlichen Schädigung eines dann geborenen Kindes führen. Hier hat die Rechtsprechung, die die §§ 211 ff., 223 ff. StGB nur dann anwendet, wenn die Handlung des Täters auf einen Menschen trifft, der bereits geboren ist oder sich im Geburtsvorgang befindet,[67] eine schwer erklärbare Lücke im strafrechtlichen Gesundheitsschutz zur Folge.

d) Der in den letzten Jahren immer wieder punktuell veränderte Gesamtbereich des Sexualstrafrechts sollte einer umfassenden Evaluation und – wo nötig – Überarbeitung unterzogen werden. Dabei wäre es geboten, von einer klaren Rechtsgutsbestimmung her die alten wie die neuen Vorschriften kritisch zu sichten und innere Widersprüche sowie redundante Vorschriften zu eliminieren. In diese Überprüfung einzubeziehen wären neben Vorfelddelikten wie § 184j StGB auch die „Anstandsdelikte“ der §§ 183, 183a StGB sowie die untereinander und mit dem Prostitutionsschutzgesetz nicht koordinierten Strafvorschriften über Prostitution (§§ 180a, 181, 184f, 184g, 232 Abs. 1 lit. a, 232a StGB).[68]

2. Verfahrensrecht

Für den „großen Wurf“ einer umfassenden, liberal orientierten Strafprozessreform dürfte das aktuelle kriminalpolitische Klima ungeachtet des Regierungswechsels nicht besonders günstig sein.[69] Der Gesetzgeber tut daher gut daran, sich vorrangig den oben unter I.4 genannten, schon nicht leicht zu lösenden Einzelfragen zu widmen. Darüber hinaus sollte er sich des Sachkomplexes der Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechteannehmen und die Regelungen der §§ 52 ff. StPO an die aktuellen Bedürfnisse anpassen.

Verbesserungen könnten bestehen in:

  • der Ausdehnung von § 52 StPO auf nahestehende Personen (über die nicht mehr zeitgemäße Privilegierung von Verlöbnissen hinaus);
  • der Erstreckung der berufsbezogenen Zeugnisverweigerungsrechte (§ 53 StPO) auf empirisch arbeitende Sozialwissenschaftler sowie auf Vermittler beim Täter-Opfer-Ausgleich (§§ 155a, 155b StPO);[70]
  • einer Stärkung des Zeugnisverweigerungsrechts von Rechtsanwälten und des damit verbundenen Beschlagnahmeverbots insbesondere im Zusammenhang mit internen Ermittlungen in Unternehmen;[71]
  • einer gesetzlichen Regelung von Verwendungsverboten, insbesondere bezüglich selbstbelastender Aussagen, die sich aus gesetzlichen Auskunftspflichten (wie in § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO) ergeben.

III. Fazit

In jedem Fall besteht Anlass zu der Annahme, dass wir vier kriminalpolitisch spannenden und vielleicht auch ereignisreichen Jahren entgegen gehen. Praxis und Wissenschaft können mit eigenen Ideen dazu beitragen, dass der Zug in die richtige Richtung fährt – zu einem humanen, rationalen und evidenzbasierten Straf- und Strafverfahrensrecht.

 

[1]      DAV, Für die 20. Legislaturperiode: 11 dringend aufzugreifende Punkte im Bereich Strafrecht, 2021, abrufbar unter: https://anwaltverein.de/files/anwaltverein.de/downloads/Sonstiges/anlage-strafrecht-11-punkte-papier.pdf (zuletzt abgerufen am 12.1.2022).
[2]      Kriminalpolitischer Kreis, KriPoZ 2021, 322.
[3]      Mehr Fortschritt wagen. Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, 2021, abrufbar unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf (zuletzt abgerufen am 12.1.2022). Im Folgenden zitiert als „Koalitionsvertrag“.
[4]      Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 104.
[5]      Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[6]      Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[7]      Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[8]      Vorschläge zu einer Strafzumessungsdatenbank z.B. bei Hoven, KriPoZ 2018, 276 (289); Kaspar, Gutachten C zum 72. DJT, 2018, S. C 115 ff.; Rostalski/Völkening, KriPoZ 2019, 265 (270 ff.); Ruppert, KriPoZ 2021, 90 (95 f.).  
[9]      Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 9.
[10]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 105.
[11]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[12]    Siehe insbesondere die Beiträge von Hoven, Stuckenberg, Jahn, Brodowski, Kaspar, Kinzig, Heinrich, Meier, Duttge, Nestler, Kubiciel, Walter, Weigend und Valerius in ZStW 2017, S. 334-540.
[13]    S. dazu Kriminalpolitischer Kreis, KriPoZ 2021, 322 f.
[14]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[15]    S. zur Diskussion Suliak, LTO v. 11.6.2020 mit ablehnenden Stellungnahmen zahlreicher Strafrechtswissenschaftler zu der schließlich am 1.7.2021 in Kraft getretenen Fassung von § 184b StGB.
[16]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 116.
[17]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 87.
[18]    Zur Begründung der „Reform“ von 2019 s. BT-Drs. 19/7693 v. 12.2.2019, S. 11.
[19]    S. dazu Nestler, ZStW 2017, 467 (469) unter Hinweis auf eine Stellungnahme des „Schildower Kreises“ von 123 Strafrechtsprofessor*innen.
[20]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 87.
[21]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 116.
[22]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 113.
[23]    Siehe BVerfGE 153, 182.
[24]    Der Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 10, spricht davon, dass der Tatbestand „wirksamer ausgestaltet“ werden soll.
[25]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 44.
[26]    BT-Drs. 19/27752 v. 22.3.2021. S. dazu Pfohl, in: MüKo-StGB, Bd. 7, 4. Aufl. (2022), § 17 TierSchG Rn. 171 ff.
[27]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 17.
[28]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 119.
[29]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[30]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[31]    Ebenso Kriminalpolitischer Kreis, KriPoZ 2021, 322 (323).
[32]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 111. In der jüngeren Debatte war meist von „Verbänden“ als Objekten von (quasi-strafrechtlichen) Sanktionen die Rede. Dies erscheint vorzugswürdig, zumal „Unternehmen“ oft keine eigene Rechtspersönlichkeit haben. Ob auch nicht wirtschaftlich handelnde Verbände von den Sanktionen erfasst werden sollten, ist eine politisch umstrittene Sachfrage.
[33]    Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft, BR-Drs. 440/20 v. 7.8.2020. Zahlreiche Stellungnahmen zu dem vorangegangenen Referentenentwurf des BMJV sind abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/Staerkung_Integritaet_Wirtschaft.html (zuletzt abgerufen am 12.1.2022).
[34]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 111.
[35]    S. Henssler/Hoven/Kubiciel/Weigend, Kölner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes, 2017, abgedruckt in NZWiSt 2018, 1; Saliger/Tsambikakis/Mückenberger/Huber, Münchner Entwurf eines Verbandssanktionengesetzes, 2019.
[36]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[37]    BGBl. I S. 3202 v. 17.8.2017. S. dazu die kritische Würdigung von Singelnstein/Derin, NJW 2017, 2646 („Die Bilanz der strafprozessualen Reformtätigkeit des Gesetzgebers fällt bitter und enttäuschend aus.“; a.a.O. S. 2652).
[38]    BGBl. I S. 2121 v. 10.12.2019.
[39]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[40]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[41]    S. die Vorschläge der Fraktion der FDP v. 25.6.2019, BT-Drs. 19/110/90 sowie der Fraktion B90/Grüne v. 24.9.2019, BT-Drs. 19/13515; ebenso der Vorschlag des Kriminalpolitischen Kreises v. Dez. 2019, abrufbar unter: https://7c4cdfc2-3212-4c1f-b054-f304bb76c166.filesusr.com/ugd/b95945_805853a43d2e4089b899ac17c8750940.pdf (zuletzt abgerufen am 12.1.2022).
[42]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 105.
[43]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[44]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 110.
[45]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 106.
[46]    Referentenentwurf v. 11.1.2021; abrufbar unter:  https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Unabhaengigkeit_Staatsanwaltschaften.pdf?__blob=
publicationFile&v=1.(zuletzt abgerufen am 12.1.2022). Siehe dazu die Zusammenstellung auch früherer Entwürfe in: https://kripoz.de/Kategorie/unabhaengigkeit-der-staatsanwaltschaft/ (zuletzt abgerufen am 12.1.2022).
 [47]   EuGH, Urt. v. 27.5.2019, C 508/18 (OG), Rn. 81 ff. In einem späteren Urteil gegen die Niederlande stellte der EuGH fest, dass dieselben Anforderungen an die Unabhängigkeit der Justizbehörde auch für die Entscheidung über die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls nach Art. 6 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses 2002/584/JI gelten; EuGH, Urt. v. 24.11.2020, C 510/19 (AZ), Rn. 53 f.
[48]    BVerfGE 133, 168 (235).
[49]    Altenhain/Jahn/Kinzig, Die Praxis der Verständigung im Strafprozess, 2020.
[50]    Nach der Untersuchung von Altenhain/Jahn/Kinzig (Fn. 49), S. 520 f., 524 f. werden in der Praxis die gesetzlichen Vorgaben immer noch relativ häufig durch informelle Absprachen zwischen den Verfahrensbeteiligten umgangen.
[51]    Zu einem Verfahrensmodell, das die „Verständigung“ durch ein vereinfachtes richterliches Aburteilungsverfahren ersetzt, s. Bommer u.a., Alternativ-Entwurf Abgekürzte Strafverfahren im Rechtsstaat (AE-ASR), GA 2019, 1 (49 ff.).
[52]    Siehe Bader, in: KK-StPO, 8. Aufl. (2019), vor § 48 Rn. 54 ff.;    Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. (2020), § 163 Rn. 34a f.; monographisch Krauß, V-Leute im Strafprozeß und die Europäische Menschenrechtskonvention, 1999; Decker, Der               V-Manneinsatz durch Polizei und Verfassungsschutz, 2018.
[53] S. den Gesetzesvorschlag des Deutschen Anwaltvereins, DAV-Stellungnahme 35/2021, abrufbar unter: https://anwaltverein.de/de/
newsroom/sn-35-21-einsatz-von-v-leuten-gesetzlich-regeln (zuletzt abgerufen am 12.1.2022).
[54]    BGHSt 45, 321; 60, 238; bestätigt durch BVerfG, NJW 2015, 1083.
[55]    Furcht v. Germany, no. 54648/09, Urt. v. 23.10.2014; Akbay and others v. Germany, no. 40495/15, Urt. v. 15.10.2020.
[56]    BGHSt 60, 276.
[57]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 107.
[58]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 111.
[59]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 108 f.
[60]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 105.
[61]    Koalitionsvertrag (Fn. 3), S. 147.
[62]    Für eine Reform des § 173 StGB auch DAV (Fn. 1), S. 5. 
[63]    S. dazu Kriminalpolitischer Kreis, KriPoZ 2021, 322 (323).
[64]    In diesem Sinne auch DAV (Fn. 1), S. 11-13. Erwägungen zu einer Reform finden sich etwa im Abschlussbericht der Expertengruppe zur Reform der Tötungsdelikte, 2015, S. 1-70, abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/News/Artikel/Abschlussbericht_Experten_Toetungsdelikte.pdf;jsessionid=0140448
163B9D2DA208A4B64F099DAB8.2_cid324?__blob=publicationFile&v=2 (zuletzt abgerufen am 12.1.2022); darauf aufbauend der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Tötungsdelikte v. 21.3.2016, online abrufbar unter: https://fragdenstaat.de/dokumente/50/ (zuletzt abgerufen am 12.1.2022); krit. dazu Duttge, KriPoZ 2016, 92. Weitere Vorschläge etwa bei Grünewald, Reform der Tötungsdelikte, 2016; Heine u.a., Alternativ-Entwurf Leben, GA 2008, 193; Kubiciel, FS Heintschel-Heinegg, 2015, S. 267; Mitsch, JR 2015, 122; Saliger, ZIS 2015, 600.
[65]    Für eine Streichung von § 218 StGB spricht sich die Fraktion der Linken aus; s. https://www.linksfraktion.de/themen/a-z/detailansicht/schwangerschaftsabbruch/# (zuletzt abgerufen am 12.1.2022). S. auch den Bericht von Rath, Kritik an der Karlsruher Gebärpflicht, LTO v. 30.8.2021, über einen Fachkongress „150 Jahre § 218 Strafgesetzbuch“, Abschlusserklärung abrufbar unter: https://www.150jahre218.de/wp-content/uploads/2021/08/Abschlusserkla%CC%88rung-150-Jahre-%C2%A7-218-finale-m.-logo.pdf (zuletzt abgerufen am 12.1.2022).
[66]    Grundlegend BVerfGE 39, 1; 88, 203.
[67]    BGHSt 31, 348. S. dazu Eser/Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), vor § 211 Rn. 13.
[68]    S. dazu Kriminalpolitischer Kreis, KriPoZ 2021, 322 (324).
[69]    So auch Jeßberger/Epik, KriPoZ 2021, 1 (7).
[70]    Ebenso Kriminalpolitischer Kreis, KriPoZ 2021, 322 (326).
[71]    S. dazu den Vorschlag des DAV (Fn. 1), S. 9.

 

 

 

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