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Hinweisgeberschutz reloaded

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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Abstract
Nun ist das Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden nach langwierigem Gesetzgebungsverfahren doch noch in Kraft getreten. Der Gesetzgeber hat sich nicht nur viel Zeit gelassen, sondern die Bundesregierung auch für Empörung gesorgt, als sie beim Scheitern des Hinweisgeberschutzgesetzes im Bundesrat zunächst nicht den klassischen Weg über den Vermittlungsausschuss gegangen ist, sondern kurzerhand aus einem Gesetzentwurf zwei gemacht hat. Dann aber wurde doch der Vermittlungsausschuss angerufen und eine Einigung erzielt. Dieser Aufsatz versteht sich als Ergänzung zu KriPoZ 2023, 62, um die aufgrund der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses erfolgten Änderungen gegenüber den dort dargestellten Inhalten zum Hinweisgeberschutzgesetz herauszuarbeiten.

Now, after a lengthy legislative process, the Act for Better Protection of Whistleblowers and for the Implementation of the Directive on the Protection of Persons Reporting Breaches of Union Law has finally come into force. Not only took the legislator a long time, but the Federal Government also caused outrage when it did not take the classic route of going through the Conciliation Committee when the Whistleblower Protection Act failed in the Bundesrat, but instead unceremoniously made two bills out of one. But then the Mediation Committee was called upon and an agreement was reached. This essay is intended as a supplement to KriPoZ 2023, 62, in order to elaborate on the changes made on the basis of the Mediation Committee’s recommendation compared to the contents of the Whistleblower Protection Act presented there.

I. Der (endgültige) Weg ins nationale Recht

Das Hinweisgeberschutzgesetz wurde am 2.6.2023 im Bundesgesetzblatt verkündet. § 41 HinSchG ist bereits am Tag nach der Verkündung, das Gesetz im Übrigen am 2.7.2023 in Kraft getreten,[1] nachdem im Vermittlungsausschuss letztlich doch noch ein Kompromiss gefunden werden konnte. Zunächst hatte der Bundesrat in seiner Plenarsitzung vom 10.2.2023 seine Zustimmung verweigert. Anstatt sofort den Vermittlungsausschuss anzurufen, brachte die Bundesregierung bereits am 17.3.2023 kurzerhand zwei Gesetzentwürfe ein: einen ersten nicht zustimmungspflichtigen „Entwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“.[2] Dieser war weitgehend identisch mit dem ersten Entwurf eines Hinweisgeberschutzgesetzes,[3] nahm allerdings Beamte der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes unterstehende Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie Richterinnen und Richter im Landesdienst ausdrücklich aus. Dieser Ausschluss sollte dann durch den zustimmungspflichtigen „Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“ wieder zurückgenommen werden.[4] Nachdem in der öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss vom 27.3.2023 diese Aufspaltung als bewusste Umgehung stark kritisiert wurde,[5] wurde die zweite und dritte Lesung zum Hinweisgebergesetz am 20.3.2023 kurzfristig von der Tagesordnung genommen und schließlich doch der Vermittlungsausschuss angerufen.

Am 9.5.2023 einigten sich Vertreterinnen und Vertreter von Bundestag und Bundesrat auf Änderungen am Hinweisgeberschutzgesetz. Der Kompromiss war dann mehrheitsfähig. Der Bundestat nahm am 11.5.2023 den geänderten Entwurf an und bereits einen Tag später stimmte der Bundesrat in seiner Plenarsitzung für das Hinweisgeberschutzgesetz.

II. Änderungen durch die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses

1. Sachlicher Anwendungsbereich

Während der persönliche Anwendungsbereich keine Änderungen erfahren hat, ist der sachliche Anwendungsbereich durch eine entsprechende modifizierte Begriffsbestimmung in § 3 HinSchG wesentlich eingeschränkt worden. Zuvor war jegliche Art von Informationen über Verstöße erfasst, sofern diese begründete Verdachtsmomente oder Wissen über tatsächliche oder mögliche Verstöße, die bereits begangen wurden oder sehr wahrscheinlich erfolgen werden sowie über Versuche der Verschleierung solcher Verstöße enthielten. Nun fordert der sachliche Anwendungsbereich einen klaren Bezug dieser Informationen auf den beruflichen Kontext. § 3 Abs. 3 HinSchG beschränkt die Hinweise auf Verstöße, „die dem Beschäftigungsgeber, bei dem die hinweisgebende Person tätig ist oder war, oder bei einer anderen Stelle, mit der die hinweisgebende Person aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit im Kontakt steht oder stand“. Diese Verkürzung ist zwar zu kritisieren, hält sich aber im Rahmen der Vorgaben der EU-Richtlinie 2019/1937, in der Art. 4 ebenfalls einschränkend auf Verstöße im beruflichen Kontext Bezug nimmt.

Eine Änderung hat auch die Begriffsbestimmung der Verstöße in § 3 Abs. 2 HinSchG erfahren. Zunächst hatte man im Rahmen des Rechtsausschusses die Kritik an der Formulierung der missbräuchlichen Verhaltensweisen aufgegriffen und § 3 Abs. 2 Nr. 2 HinSchG a.F. durch den Passus der Verstöße, die „dem Ziel oder dem Zweck der Regelungen in den Vorschriften oder Rechtsgebieten zuwiderlaufen, die in den sachlichen Anwendungsbereich nach § 2 fallen“, ersetzt.[6] Diese Korrektur hat man nun wieder rückgängig gemacht und unter leichter Umformulierung und unter Auflösung der vorher bestehenden Nummerierung in § 3 Abs. 2 HinSchG mit zwei Sätzen an die Erstfassung angeknüpft: Verstöße können danach jetzt auch „missbräuchliche Handlungen oder Unterlassungen“ sein, „die dem Ziel oder dem Zweck der Regelungen in den Vorschriften oder Rechtsgebieten zuwiderlaufen, die in den sachlichen Anwendungsbereich nach § 2 fallen“. Insofern muss die fehlende Konturierung des missbräuchlichen Verhaltens weiterhin kritisiert werden.[7] Unabhängig davon, ob man die Alt- oder Neufassung betrachtet, bleibt zudem der Einwand bestehen, dass bloß unethische Verhaltensweisen, die keinen Rechtsverstoß darstellen, nicht gemeldet und demzufolge auch nicht wirksam bekämpft werden können.[8]

2. Meldestellen

Auch im Hinblick auf die einzurichtenden Meldestellen hat das Hinweisgeberschutzgesetz Änderungen erfahren.

An der Gleichrangigkeit interner und externer Meldestelllen wird zwar festgehalten – diese ist nach den Vorgaben von Art. 10 und 15 der EU-Richtlinie auch zwingend, so dass dem Gesetzgeber gar nichts anderes übrig blieb, als das zuvor von der deutschen Rechtsprechung entwickelte Stufenmodell aufzugeben.[9] Von der nach Art. 7 EU-Richtlinie eröffneten Möglichkeit, interne Meldungen besser und wirkungsvoller zu stärken, wurde in § 7 HinSchG a.F. kein Gebrauch gemacht.[10] Hier wurde nachjustiert und die bevorzugte Meldung an interne Stellen durch folgende Einfügung in § 7 Abs. 1 S. 2 HinSchG hervorgehoben: „Diese Personen sollen in den Fällen, in denen intern wirksam gegen den Verstoß vorgegangen werden kann und sie keine Repressalien befürchten, die Meldung an eine interne Meldestelle bevorzugen“.

Eine schleichende Ausweitung der Löschfristen der Dokumentation hat bereits durch den Rechtsausschuss zu einer Anhebung von zwei auf drei Jahre geführt.[11] Nun wird die Dreijahresfrist ergänzt durch einen weiteren Satz in § 11 Abs. 5: „Die Dokumentation kann länger aufbewahrt werden, um die Anforderungen nach diesem Gesetz oder nach anderen Rechtsvorschriften zu erfüllen, solange dies erforderlich und verhältnismäßig ist“.

Am deutlichsten zu kritisieren ist die Aufgabe der verpflichtenden Ermöglichung anonymer Meldestellen durch den im Vermittlungsausschuss gefundenen Gesetzeskompromiss. Insoweit fällt der Kompromiss wieder hinter den Beschluss des Rechtsausschusses zurück, nach dem für anonym eingehende Meldungen verpflichtend Meldekanäle vorzuhalten waren, um die anonyme Kontaktaufnahme und Kommunikation zu ermöglichen.[12] Allerdings überlässt es Art. 5 Abs. 2 der EU-Richtlinie den Mitgliedsstaaten, ob anonyme Meldungen entgegengenommen und weiterverfolgt werden sollen. Insofern besteht hier auch nach den EU-Vorgaben keine Verpflichtung und die entsprechende Rücknahme dieser verpflichtenden anonymen Meldemöglichkeit ist durchaus richtlinienkonform.

Aus der verpflichtenden Einrichtung interner anonymer Meldemöglichkeiten wird eine Sollvorschrift. Ausdrücklich wird in § 16 Abs. 1 S. 5 HinSchG aber klargestellt, dass keine Verpflichtung besteht, „die Meldekanäle so zu gestalten, dass sie die Abgabe anonymer Meldungen ermöglichen“. Gleiches gilt für externe Meldestellen, hier ergänzt um den Passus, dass „Vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen“ keine solche Verpflichtung besteht (§ 27 Abs. 1 S. 4 HinSchG). Dies ist ein klarer Rückschritt und sehr bedauerlich. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Meldungen gerade dann und deswegen abgegeben werden, weil ein anonymer Meldeweg offensteht. Auch lassen sich potenzielle Hinweisgeber bei der Einrichtung anonymer Meldewege ggf. leichter motivieren, interne und nicht externe Kanäle zu nutzen.[13]

3. Beweislastumkehr

Keine Neuregelung hat der umfassende prinzipielle Schutz der Hinweisgeber vor möglichen Repressalien aufgrund ihrer Meldung erfahren. Repressalien sind nicht nur gem. § 36 Abs. 1 HinSchG-E grundsätzlich verboten, sondern auch bußgeldbewehrt sowie schadensersatzpflichtig.

Auch die Beweislastumkehr im Falle einer Benachteiligung der hinweisgebenden Person im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit bleibt trotz entsprechender Kritik bestehen. Allerdings wird nun in § 36 Abs. 2 S. 1 HinSchG gefordert, dass der Hinweisgeber diese Benachteiligung infolge einer Meldung oder Offenlegung nach dem Hinweisgeberschutzgesetz auch geltend macht. Nicht aufgegriffen wurde dagegen die Forderung nach einer Missbrauchskontrolle.[14]

4. Schadensersatzvorschriften

Hinsichtlich der Schadensersatzpflicht nach Repressalien ist der Vermittlungsausschuss ebenfalls wieder auf das Niveau des Gesetzentwurfs vor den Beschlüssen des Rechtsausschusses zurückgefallen.[15] Der vom Rechtsausschuss eingefügte § 37 Abs. 1 S. 2 HinSchG sah vor, dass die hinweisgebende Person auch für einen Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen kann. Diese Einfügung sollte gewährleisten, dass der Hinweisgeber unabhängig von den Voraussetzungen des § 253 Abs. 2 BGB oder dem Vorliegen einer schwerwiegenden Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld haben sollte.[16] Dieser Satz ist im Vermittlungsausschuss wieder gestrichen worden. Durch die Streichung bleibt das Hinweisgeberschutzgesetz an dieser Stelle hinter den EU-Vorgaben zurück, da in Art. 21 Abs. 8 EU-Richtlinie eine vollständige Wiedergutmachung des erlittenen Schadens verlangt wird. Nach Erwägungsgrund 94 der EU-Richtlinie kann zu einer vollständigen Wiedergutmachung im Einzelfall auch Schmerzensgeld für immaterielle Schäden gehören.[17]

5. Bußgeldvorschriften 

Deutlich zurückgefahren wurde auch die Höhe der Geldbuße. Der ursprünglich vorgesehene Maximalbetrag von 100.000 € wurde auf 50.000 € reduziert. Da Art. 23 EU-Richtlinie „wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen“ vorsieht und keinen Geldbetrag ausweist, ist der reduzierte Maximalbetrag ebenfalls als richtlinienkonform anzusehen. 

III. Fazit

Anderthalb Jahre verspätet – schließlich hätte die EU-Richtlinie 2019/1937 bereits im Dezember 2021 in nationales Recht umgesetzt werden müssen – ist nun endlich das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft getreten. Positiv zu werten ist, dass es überhaupt zur Umsetzung kam und die Bundesregierung den Bedenken der Sachverständigen Rechnung getragen und die künstliche Aufspaltung des Gesetzes zwecks Umgehung des Vermittlungsausschusses unterlassen hat.

Allerdings ist zu konstatieren, dass der nun im Vermittlungsausschuss gewonnene Kompromiss eine deutliche Verschlechterung im Vergleich zu den Beschlussempfehlungen des Rechtsausschusses darstellt. So ist der sachliche Anwendungsbereich durch eine Beschränkung auf den beruflichen Kontext deutlich geschmälert worden. Größtes Manko ist aber der Verzicht auf die verpflichtende Einrichtung sowohl interner als auch externer anonymer Meldestellen. Gerade diese hätten dem Ziel der EU-Richtlinie, nämlich nicht nur für einen Mindestschutz für Hinweisgeber in den Mitgliedstaaten zu sorgen, sondern auch das Whistleblowing insgesamt zu fördern, Rechnung getragen. Jetzt bestehen nur die bereits in anderen Gesetzen verankerten Verpflichtungen der Einrichtung externer anonymer Meldestellen, wie bspw. in § 3b Abs. 1 S. 2 BörsG. Es bleibt zu hoffen, dass von Unternehmen- und Behördenseite erkannt wird, welche Chance auch in dem Anbieten anonymer Meldewege für Hinweisgeber liegen kann. Insofern ist die jetzige „Soll-Regelung“ zumindest mehr als eine „Kann-Vorschrift“ und vielleicht doch Anreiz, hier multiple Meldewege zuzulassen, um Missstände rechtzeitig aufdecken und ihnen dann effektiv entgegentreten zu können. Dies stellt dann letztlich auch einen erheblichen Mehrwert für Unternehmen und Behörden dar.

 

[1]      BGBl. I 2023, Nr. 140.
[2]      BT-Drs. 20/5992.
[3]      BT-Drs. 20/4909.
[4]      Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz, BT-Drs. 20/5991.
[5]      S. hierzu Schnabel/Schiemann, KriPoZ 2023, 62 (64 f.).
[6]      BT-Drs. 20/4909, S. 10.
[7]      Vgl. Fuhlrott/Henckel, ArbRAktuell 2022, 441; Reppelmund, DIHK, öffentliche Anhörung v.19.10.2022, S. 5, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stellungnahme_Reppelmund_DIHK.pdf (zuletzt abgerufen am 29.5.2023).
[8]      Falter, öffentliche Anhörung, Whistleblowing-Netzwerk e.V., S. 2, abrufbar unter: https://kripoz.de/wp-content/uploads/2022/10/Stellungnahme_Falter.pdf (zuletzt abgerufen am 29.5.2023).
[9]      Insofern ist diese EU-Vorgabe vielleicht zu bedauern, sie zwängt den deutschen Gesetzgeber aber in ein entsprechendes Korsett, so dass die Kritik unangebracht ist. Zur Kritik aber bspw. Thüsing, DB 2022, 1066 (1067); Dzida/Granetzny, NZA 2020, 1201 (1203) und Forst, EuZA 2020, 283 (295).
[10]    Kritisch bereits Schiemann/Schnabel, KriPoZ 2023, 62 (68)
[11]    BT-Drs. 20/4909, S. 21.
[12]    BT-Drs. 20/4909, S. 24.
[13]    S. zu beiden Aspekten Bayreuther, NZA-Beil. 2022, 20 (22).
[14]    Vgl. hierzu Quast/Ohrloff, CCZ 2022, 303 (307).
[15]    BT-Drs. 20/3442, S. 24.
[16]    BT-Drs. 20/40909, S. 56.
[17]    Amtsblatt der Europäischen Union v. 26.11.2019, L 305/32.

 

 

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