Die Entscheidung im Original finden Sie hier.
Leitsatz der Redaktion:
Die Intention des Täters den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“ ist stets festzustellen. Enge räumliche Verhältnisse schließen nicht aus, dass der Täter ein kollisionsfreies Vorbeifahren für möglich hielt und beabsichtigte.
Sachverhalt:
Das LG Stade stellte unter anderem fest, dass sich der Angeklagte dem Zugriff der Polizei entziehen wollte. Infolgedessen bog er mit dem von ihm geführten Kfz auf einen einspurigen Waldweg ab. Er erkannte sodann, dass ihm ein ziviles Polizeifahrzeug entgegenkam, das beleuchtet in einer Entfernung von ca. 250 Metern inmitten des Weges anhielt. Da der Angeklagte seine Fahrt mit einer Geschwindigkeit von 66 km/h fortführte, befürchtete der Beamte eine Kollision. Aufgrund dessen verließ er das Polizeiauto und versuchte sich über dieses hinweg zu retten. Während er sich am Polizeiauto hochdrückte, kollidierte das Kraftfahrzeug des Angeklagten mit einer Geschwindigkeit von nicht unter 38 km/h mit der geöffneten Tür des Polizeifahrzeugs. Diese schlug zu und klemmte den Oberschenkel des Beamten ein. Dabei war dem Angeklagten aufgrund der räumlichen Gegebenheiten bewusst, dass der Beamte erheblich hätte verletzt werden können und nahm dies billigend in Kauf, um erfolgreich zu fliehen.
Entscheidung des BGH:
Der BGH stellte fest, dass die Feststellungen des LG Stade nicht ausreichend für die Annahme eines gefährlichen Angriffs in den Straßenverkehr gem. § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB seien. Er führt aus, dass ein Verhalten nach § 315b StGB nur erfasst werde, wenn der Fahrzeugführer das Kraftfahrzeug bewusst in verkehrsfeindlicher Einstellung zweckentfremdet. Erforderlich sei die Intention des Täters, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu „pervertieren“. Durch diesen müsse es zu einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert kommen. Im fließenden Verkehr müsse diesbezüglich zumindest bedingter Schädigungsvorsatz vorliegen.
Der BGH betont, dass die Annahme des bedingten Körperverletzungsvorsatzes oder die Verwendung des Kraftfahrzeugs als Fluchtfahrzeug, die Ausführungen zur Absicht den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu pervertieren nicht entbehrlich machen. Auch die engen räumlichen Verhältnisse schließen nicht aus, dass der Angeklagte ein kollisionsfreies Vorbeifahren für möglich hielt und beabsichtigte.