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KriPoZ 11/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Redaktioneller Leitsatz:

Bei der Bewertung des Tötungsvorsatzes muss stets eine Gesamtabwägung vorgenommen werden. Hierbei muss auch die Persönlichkeit des Täters sowie seine psychische Verfasstheit und Motivation während der Tat berücksichtigt werden.

Sachverhalt:

Die Angeklagte erlangte im Jahre 1990 die allgemeine Hochschulreife und begann in der Folgezeit das Studium der Biologie, dass sie auch erfolgreich abschloss. Die Angeklagte war zwischen Mai 1995 bis einschließlich September 1996 im Studiengang Zahnmedizin eingeschrieben, wurde jedoch zum 31. März 2000 exmatrikuliert. Die Angeklagte arbeitete in den Jahren 2007 bis 2010 an verschiedenen Standorten als Heilpraktikerin, nach ihr im April 2000 die Erlaubnis erteilt wurde, Heilkunde (ohne als Arzt aufzutreten) zu praktizieren. Zum 1. November 2015 wurde die Angeklagte als Assistenzärztin unter Vorlage einer gefälschten Approbationsurkunde sowie eines unrichtigen Lebenslaufes in einem Krankenhaus eingestellt und arbeitete fortan in der Abteilung für Inneres, in der Anästhesie sowie im Medizincontrolling bis zu ihrer Kündigung im Dezember 2018. Während ihrer Zeit in der Anästhesie zwischen dem 1. März und dem 1. November 2017 musste die Angeklagte zahlreiche Operationen  als Narkoseärztin – teilweise eigenständig – betreuen. Es kam ihr hierbei neben der damit verbundenen Reputation auch auf die monatlichen Gehaltszahlungen an.

Der Angeklagten unterlief bei allen Behandlungen verschiedene Fehler, unter anderem die inadäquate oder zu langsame Behandlung, das Übersehen oder Verkennen von Krisensituationen oder auch das Unterlassen der Herbeiholung von Hilfe durch einen Facharzt. In zahlreichen Fällen (Fälle II.6-II.18) verstarben die Patienten infolge ihrer Behandlung und dies nahm sie billigend in Kauf.

Das LG hat die Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit unerlaubtem Verabreichen von Betäubungsmitteln in drei Fällen, versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und unerlaubtem Verabreichen von Betäubungsmitteln in zehn Fällen, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit unerlaubtem Verabreichen von Betäubungsmitteln in drei Fällen, Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Missbrauch von Berufsbezeichnungen in vier Fällen zu einer lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt.

Entscheidung des BGH:

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

Das LG habe den bedingen Tötungsvorsatz der Angeklagten nicht tragfähig begründet. Nach ständiger Rechtsprechung sei ein bedingter Tötungsvorsatz gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkenne und dies billige oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes abfinde, selbst wenn ihm dieser unerwünscht sei. Bei Tötungsdelikten sei eine Gesamtschau aller objektiver und subjektiver Umstände vorzunehmen, wobei auch die Persönlichkeit des Täters und dessen psychische Verfassung während der Tatbegehung, seine Motivation und die konkrete Angriffsweise vom Tatrichter zu berücksichtigen sei.

Das LG hätte insoweit nur hinsichtlich einer Tötungshandlung den Vorsatz umfassend begründet und hinsichtlich der anderen Tötungsdelikte darauf verwiesen. Jedoch unterscheide sich die Befundlage der verschiedenen Fälle und erlaube keine Übertragung der Ausführungen. Zudem sei die Begründung des Vorsatzes selbst fehlerhaft. Zwar sei das Verhalten der Angeklagten als sehr gefährlich einzustufen, jedoch habe die Kammer vorsatzkritische Gesichtspunkte nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere, ob durch den Umstand, dass die Angeklagte zunächst von einem Chefarzt begleitet wurde und dann alleine tätig werden durfte, das eigene Vertrauen der Angeklagten in ihre Fähigkeiten maßgeblich beeinflusst habe, wurde nicht bewertet. Zudem sei das LG nicht hinreichend darauf eingegangen, inwiefern die festgestellte Persönlichkeitsstruktur auf das Vorhandensein eines bedingten Tötungsvorsatzes hindeuten. Der Senat weist darauf hin, dass der neue Tatrichter sowohl die Persönlichkeitsstruktur der Angeklagten als auch die Verhaltensauffälligkeiten im Allgemeinen in den Blick zu nehmen habe.

 

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