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KriPoZ-RR 16/2024

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Redaktioneller Leitsatz:

Ein Stich in einen typischerweise nicht-lebensgefährdenden Bereich des Körpers muss nicht zwingend gegen das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes sprechen.

Sachverhalt:

Der Angeklagte und zwei weitere Personen gingen in einen Park und trafen dort auf eine andere Gruppe, zu der unter anderem der Nebenkläger gehörte. Mit diesem entwickelte sich eine verbale Auseinandersetzung. Der Angeklagte verließ den Park, erschien allerdings kurze Zeit später mit zwei Personen erneut dort, um sich an dem Nebenkläger wegen der Auseinandersetzung zu rächen. Der Angeklagte und die zwei Personen rannten auf den Nebenkläger jeweils mit Messern bewaffnet zu. Der Angeklagte stach dem Nebenkläger mit seinem Messer in den Oberschenkel, während die anderen beiden Personen zeitgleich Stich- und Stoßbewegungen in die Richtung des Oberkörpers des Nebenklägers ausführten. Die angreifende Gruppe kommunizierte währenddessen nicht untereinander. Erst, als der Nebenkläger sein Fahrrad zu Verteidigungszwecken aufhob, flüchteten der Angeklagte und dessen Begleiter.

Der Nebenkläger erlitt mehrere Stich- und Schnittverletzungen am Oberschenkel, am Hinterkopf und am Brustkorb, woraufhin akute Lebensgefahr bestand.

Das LG hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung und unter Einbeziehung anderweitig erkannter Strafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Entscheidung des BGH:

Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revisionen des Angeklagten hat keinen Erfolg. Jedoch führe das eingelegte Rechtsmittel des Nebenklägers mit dem Ziel, eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags zu erreichen, zur Aufhebung des Urteils.

Bedingt vorsätzliches Handeln setze voraus, dass der Täter den Erfolgseintritt als möglich und nicht ganz fernliegend erkenne (Wissenselement) und dies zumindest billige bzw. sich damit abfinde (Willenselement). Eine konkrete Lebensgefahr der Tatausführung begründe hierbei ein erhebliches Beweisanzeichen für das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes. Ein Tötungsvorsatz könne jedoch trotzdem ausscheiden, wenn der Täter zwar die objektive Gefährlichkeit der Tat erkenne, jedoch auf das Ausbleiben des Erfolgs vertraue.

Den sich daraus ergebenden Anforderungen bezüglich der beweiswürdigenden Gesamtschau des Geschehens wurde das LG nicht gerecht. Insbesondere die Stiche in den Beinbereich seien vorsatzkritisch gewertet worden, obwohl diese Verletzungen eine akute Lebensgefahr hervorgerufen haben. Die Strafkammer verkenne, dass es sich bereits bei dem Stich in den Oberschenkel um eine objektiv gefährliche Gewalthandlung handele.

Das LG habe insbesondere nicht berücksichtigt, dass auch die lebensgefährlichen Verletzungen, die durch die anderen Personen verursacht wurden, dem Angeklagten möglicherweise zuzurechnen seien. Angesichts des gemeinsamen Zustürmens auf den Nebenkläger und den gemeinsamen Angriffshandlungen hätte das LG erörtern müssen, inwiefern eine mittäterschaftliche Zurechnung der anderen Beiträge vorzunehmen ist. Hierfür spreche insbesondere, dass die Angreifer fast zeitgleich handelten.

 

 

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