Fabian Klahr: Schuld und Strafmaß. Modelle der Bestimmung rechtlicher Schuld im Strafrecht und die Methodik der Strafmaßfindung im Rahmen der Sanktionsentscheidung

von Prof. Dr. Anja Schiemann

Beitrag als PDF Version 

2022, Verlag Duncker & Humblot, ISBN: 978-3-428-18412-5, S. 613, Euro 119,90.

Die Dissertationsschrift differenziert zwischen zwei gedanklichen Hauptteilen – nämlich Schuld und Strafmaß. Dennoch, so macht der Verfasser bereits in seiner Einführung deutlich, stehen beide Teile trotz des selbstständigen Charakters nicht unverbunden zueinander. Denn die Straftatlehre könne man auch lediglich als Vorfrage für die Rechtsfolgenentscheidung behandeln (S. 20).

Im ersten Teil seiner Dissertation widmet sich Klahr der Schuld und umreißt dazu zunächst den Schuldbegriff. Dazu beleuchtet er Schuld als soziales Phänomen, geht den sprachlichen Implikationen von Schuld nach und leitet dann über zur Transformation zum Rechtsbegriff. Zudem werden rechtsdogmatische und ideengeschichtliche Grundlagen ausführlich beschrieben, von der „Anthropologie der Schuldidee“ über die „verfassungsrechtlichen Implikationen im Schuldbegriff“ bis zu den „rechtstheoretischen Ableitungen“ werden alle Facetten dezidiert wiedergeben, bevor sich der strafrechtlichen Schuld in entwicklungsgeschichtlicher Perspektive zugewandt wird. Auch hier streift der Verfasser alle Aspekte sehr kenntnisreich und dezidiert, spürt Phasen des Naturalismus, des Neukantianismus, des Irrationalismus, des Finalismus der Nachkriegszeit und dem „Post-Finalismus“ (S. 122) nach. Dabei bleibt er bei einer reinen Wiedergabe nicht stehen, sondern reichert die diversen Aspekte mit „Kommentaren“ an.

Überführt werden diese Aspekte in eine „normativ-funktionale Dichotomie“ des dogmatischen Status quo (S. 129). Beschrieben werden die Typen der Vorwerfbarkeit wie bspw. der Schuld als „Andershandelnkönnen“, als Ausdruck rechtlich missbilligter Gesinnung und als unrechtes Handeln trotz normativer Ansprechbarkeit. Daneben werden Funktionale Schuldlehren kenntnisreich beschrieben und die Kritiker des Schuldprinzips aufgeführt, wie bspw. abolitionistische Perspektiven, die die Abschaffung des Strafens fordern. Der Verfasser konstatiert allerdings, dass weder die Abschaffung des Strafrechts noch eine unbedingte Haftung konsensfähig sein dürften. Zwar erscheine eine paradigmatische Neubestimmung des Strafrechts möglich, aber nicht unbedingt erfolgsversprechend. Auch eine Verschiebung in das Polizeirecht mit Blick auf Gefährlichkeitspostulate sei nicht zielführend (S. 158).

Im Folgenden wird der Status quo der Schuldtheorie beschrieben. An eine gegenwärtige Schuldtheorie werden laut Verfasser zwei Aufgaben gestellt: einmal muss sie die  bestehende  Rechtslage  erklären  können,  wenn  sie  als Basis derselben auftreten will. Zum anderen müsse in der Schuldtheorie der Grund für eine subjektive Zurechnung gefunden werden können. Letztlich kreise die Schulddiskussion um die Frage der Vorwerfbarkeit eines strafbaren Handelns. Als Ergebnis der vorliegenden Untersuchung kennzeichnet Schuld sozialpsychologisch ein Zurückbleiben hinter den gesellschaftlichen Anforderungen. Dies ist dem Täter dann zurechenbar, wenn die Erwartung der Einhaltung der gesellschaftlichen Anforderungen prinzipiell gerechtfertigt ist. Der Verfasser meint, dies könne man als Typus von Vorwerfbarkeit auffassen, da eine solche Schuld stets individuell adressiert werde (S. 166 f.).

Die „Erwartungsenttäuschung“ münde in eine Idee der „Zumutbarkeit der Normbefolgung“ (S. 167). Schuld bleibe dabei im Grunde Willensschuld, allerdings sei die entscheidende Frage, welchen Zugang man zum Willen wählt. Laut Verfasser kommt es auf eine Internalität entsprechend dem Substrat klassischer Schuldbegründung, als Initiator des Willens, rechtstheoretisch nicht primär an. Die kommunikative Dimension mache Schuld zum Inhalt einer Diskussion (S. 167).

Klahr spürt sodann dem Schuldparadigma im Kreuzfeuer der Neurowissenschaften nach. Die Debatte um die Willensfreiheit hat seit den Experimenten von Libet einen Aufschwung erfahren und es gibt eine fast unüberschaubare Anzahl – auch – an deutschsprachiger Literatur. Der Verfasser zeichnet diesen Diskurs konzise nach, mahnt aber auch an, dass die Diskussion generell „an zu wenig reflektiver Sprache“ leide (S. 171). Er betont die „justizielle Aufgabe der Entscheidung“; Gerichte müssten Entscheidungen auch auf Unsicherheitsbasis treffen (S. 189). Dem mag man entgegenhalten, dass Unsicherheiten eigentlich in eine in dubio pro reo Interpretation münden müssten. Gleichwohl ist der Verfasser der Auffassung, dass „solange das Schuldprinzip in der Verfassung verortet wird, solange“ sei „auch das Schuldstrafrecht über die derivative Argumentationskette abgesichert“ (S. 190).

Im zweiten Kapitel des ersten Teils widmet sich der Verfasser dem „Unrecht-Schuld-Konnex“ (S. 190). Zunächst geht er der Frage nach dem Gehalt und Inhalt einer rechtlich verstandenen Schuld nach. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die drei gesetzlichen Säulen der §§ 17, 20, 35 StGB sich als notwendige, aber auch hinreichende Träger einer Architektur der Schuld erweisen. Weitere Schuldmerkmale hätten in diesem Konzept keinen legitimen Platz. Allerdings sei die gültige strafrechtliche Schuld von diesen gesetzlichen Säulen auch nicht unlöslich. Sie lasse  sich nur anhand der gesetzlichen Vorschriften entwickeln und bedürfe keiner gesetzlichen Definition der Schuldfähigkeit als solcher (S.284). Dies ist erstaunlich. Auch wenn es eine Definition der Schuldfähigkeit nicht gibt, so ist doch gesetzlich eine Definition der Schuldunfähigkeit festgeschrieben. Dass Schuld stets positivistisch zu verstehen ist, hätte daher einer näheren Erläuterung bedurft. Der Verfasser stellt hier auf das „unsichere(n) Wissen“ im Bereich des § 20 StGB ab (S. 285). Auch hier bleibt er eine Erklärung schuldig, warum dieses Wissen so unsicher ist.

Im nächsten Unterkapitel wird der Strafzumessungs- und Strafbegründungsschuld im Straftatsystem nachgegangen. Eine Zusammenführung sei nur dann zu gewährleisten, wenn von einem umfassenden Tatbegriff ausgegangen werde, der die Anschauung des Unrechts modifiziert. Über die Kategorie des verschuldeten Unrechts trete keine Diskrepanz mehr auf. Denn dadurch, dass sämtliche Merkmale der herkömmlichen Strafzumessungsschuld als Differenzierungen der Unrechtsausprägung geführt werden, könnten diese mittels der Operatoren der Strafbegründungsschuld dem bewährten Zurechnungsmodus unterworfen werden. Das Unrecht müsse immer Bestandteil des Schuldtatbestands der Strafbegründung sein. Auf diese Weise könne auch der deduktive Prüfungsmechanismus der Straflosigkeit problemlos eingesetzt werden (S. 302 f.).

Schließlich münden die Ausführungen in ein „Trichtermodell der Verbrechenslehre“ (S. 327). Die vorgeschlagene extensive Auslegung des Tatbegriffs führt zu einem Modell, in dem es kein Nebeneinander von Unrecht und Schuld gibt, welches einen Tat-Täter-Dualismus suggeriere. Schuld komme ohne Unrecht nicht aus, da es keine abstrakte Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit gäbe, aus denen Schuld im Strafrecht erwachse. Vielmehr bezöge sich die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit stets auf einen konkreten Sachverhalt, der ein mögliches Unrecht in der Tatsituation zur Überführung stelle. Unrecht und Schuld seien zwar aufeinander bezogen, aber eigenständige Begriffe. Dies sei der Unrecht-Schuld-Konnex im Schuldstrafrecht (S. 331). Das Trichtermodell der Verbrechenslehre sei nicht nur zufällig an das kriminologische Trichtermodell angelehnt, sondern von der Hypothese geleitet, dass sich ein fundamentaler Zusammenhang auf systemtheoretischer Basis ergründen lasse (S. 332).

Im zweiten Teil des ersten Kapitels wendet sich Klahr der Dogmatik der Strafzumessung zu. Auch hier führt er zunächst übersichtlich und differenziert in die straftheoretischen Grundlagen ein. Er kommt zu dem sicher zutreffenden Ergebnis, dass keiner der aufgezeigten Ansätze gemessen an den Anforderungen der Strafbemessung vollkommen ist. Insofern müsse sinnvoll auf einer Meta-Ebene die Synthese von einzelnen Ansätzen herausgearbeitet werden. Die beiden Hauptaufgabenfelder der Strafzumessungswissenschaft seien Integration und Konkretisierung (S. 362), wobei sich die folgenden Ausführungen der Dissertation auf das Potential der Integration beschränken.

Der Verfasser kommt zu der Schlussfolgerung, dass das determinierende Element der Strafmaßfindung stets die Differenzierung sein müsse. Dabei könne es theoretisch für einen Sachverhalt nur eine Strafgröße geben (S. 373). Eine differentielle Strafzumessung sei ein „offener“ und damit ausdrücklich integrativer Ansatz (S. 374). Allerdings setze das Recht auch Differenzierungsschranken, die sich aus der Verfassung, wie etwa durch das Schuldprinzip, Art. 3 Abs. 3 und Art. 1 Abs. 1 GG, ergeben. Jedoch sei die potenzielle Pluralität der Strafmaßbegründungen keine reale mehr, da der angestoßene Prozess der „Verrechtlichung“ der Strafzumessungslehre das ehemals „freie Ermessen“ stark zurückgedrängt habe. Es sei zu erwarten, dass sich in Zukunft weitere Direktiven der Strafzumessung als Konsens der Diskussion herauskristallisieren werden (S. 375).

Im nächsten Schritt wird den Strafzumessungsfaktoren nachgegangen, die eine direkte Konkretisierung differentieller Methodik seien. Dezidiert werden hier die Beweggründe und Ziele des Täters, die erkannte Tätergesinnung sowie der Täterwille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters und seine Lebensumstände, das Nachtatverhalten und sonstige Strafzumessungstatsachen beschrieben. Neben den Strafzumessungstatsachen im engeren Sinn wird weiteren sanktionsdeterminierenden Faktoren Raum gegeben, bei denen es inhaltlich um die Frage der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne gehe (S. 416).

Sodann wird sich dem Vorgang der Strafzumessung gewidmet, wobei sich hier im „anwendungsorientierten Teil“ die Darstellung auf die „notwendig zu vollziehenden Denkschritte“ beschränkt (S. 438). Nach Ausführungen zur Bestimmung des Strafrahmens folgt ein Unterabschnitt zur Einstellung und Gewichtung der relevanten Strafzumessungstatsachen. Dabei meine das Einstellen relevanter Strafzumessungstatsachen im Grunde eine Zusammenstellung des Bewertungsstoffs (S. 453). Aufgabe der Stoffsammlung sei es nur, das Strafzumessungsmaterial seiner Bedeutung nach zu strukturieren, um dieses für eine Abwägung fruchtbar zu machen (S. 458). Beim Abwägungsvorgang als Gewichtung der Faktoren seien die Strafzumessungstatsachen nach ihrer relativen Bedeutung zu gewichten. D.h. die einzelnen Umstände seien zueinander ins Verhältnis zu setzen und ihrer Bedeutung nach zu ordnen. Denkbar sei – so der Verfasser – die Einführung eines Punktwertverfahrens analog der Praxis statistischer Kriminalprognose, um so den Relationen rechnerisches Gewicht zu verleihen. Allerdings stünde die Entwicklung eines solchen Manuals noch aus. Erwähnt wird hier aber die Modellierung bei Giannoulis (Studien zur Strafzumessung), an die angeknüpft werden könnte. Insofern wird hier der Weg gewiesen für weitere zukünftige Arbeiten, die sich einer solchen Aufgabe widmen. Allerdings müsste vor der Entwicklung eines Punktwertverfahrens meiner Meinung nach die Sinnhaftigkeit eines solchen geprüft werden. Schließlich sieht sich auch die Praxis statistischer Kriminalprognose durchaus Kritik ausgesetzt. So räumt auch Klahr letztlich der Entwicklung eines solchen Manuals nur beschränkten Erkenntnisgewinn ein. Allerdings müsse der gewichtigste Faktor in der Abwägung regelmäßig eine leitende Funktion haben, so dass die anderen Strafzumessungsgründe um diesen Kern- und Leitfaktor herum „andocken“ könnten. Diese Strafzumessungsgründe führten ausgehend vom Mindestmaß des Strafrahmenanfangs grundsätzlich zu einem Anwachsen der Strafe (S. 459).

Bei der Umwertung in den Strafrahmen gehe es schließlich darum, dem abzuurteilenden Fall ein festes Strafmaß aus dem Strafrahmen zuzuordnen. Dies sei „das Kardinalproblem der Strafzumessung“ (S. 460). Der entscheidende Schritt zum Strafmaß sei die Verknüpfung des Sachverhalts mit einem Zahlenwert, für den der Verfasser mehrere Wege aufzeigt. Dabei böte der gedankliche Mittelweg, der zunächst einen Fall mittels der Vergleichsmethode anhand einer pauschalen Typizität klassifiziert und anschließend die Einzel- und Besonderheiten würdige, die aussichtsreichste Vorgehensweise. Das eigentliche Problem bestehe aber darin, den Bezugspunkt, von dem aus ein Vergleich gezogen werden soll, einem bestimmten Strafmaß zuzuordnen (S. 465).

Daher wird anschließend die Frage aufgeworfen, ob nicht die Etablierung von Strafzumessungsrichtlinien ein gangbarer Ausweg sei. Diese Frage wurde in letzter Zeit vielfach diskutiert, hier aber nur grob angerissen und resümiert, dass einer gesetzlichen Determinierung durch Richtlinien generell nur eine begrenzte Reichweite zukomme (S. 471).

Auch eine Feinjustierung der Strafe mittels nochmaliger Bemühung der Strafzwecke verspräche letztlich keinen Erfolg. Der Verfasser ist der Ansicht, dass es ein fundamentales Missverständnis des § 46 Abs. 1 StGB sei, wenn aus der redaktionellen Gestaltung gefolgert werde, zunächst müsse zwingend die Schuld als Grundlage bestimmt werden, um anschließend den Strafzwecken Geltung zu verschaffen (S. 476). Vielmehr stelle sich Strafe im Ergebnis insgesamt in den Dienst der Zwecklehre. Schuld sei der basale Grundgedanke, der in Ausgleich mit den Rechten des Betroffenen zu bringen sei (S. 478).

Das zweite Kapitel widmet sich der Strafzumessung in der Revision und geht zunächst der Revisibilität der tatrichterlichen Strafzumessung nach. Zunächst werden konzise die Grundlagen der Strafzumessungsrevision beschrieben und sodann eine Fehlertypologie erstellt, wobei eine ausführliche Kasuistik – so der Verfasser – den Kommentaren und Rechtsprechungsübersichten vorbehalten bleibe (S. 492). Dennoch wird auch durch die etwas schmaleren Ausführungen deutlich, dass in jeder der Strafzumessungsphasen Fehler auftreten können, die in der Revision beanstandet werden können, so dass das Strafmaß prinzipiell „voll revisibel“ sei. Die Einschränkung der Revision folge erst aus den eingeschränkten kognitiven Möglichkeiten der Revisionsinstanz, dem Tatgericht einen Fehler nachzuweisen (S. 503).

Hinsichtlich der eigenen Strafzumessung des Revisionsgerichts wird die Kritik an der Ausdehnung revisionsrechtlicher Strafzumessung wiedergegeben und sich dieser angeschlossen. Von der Grundidee des § 354 Abs. 1 habe sich der Abs. 1a merklich entfernt, was mit dem Regelungskonzept der StPO nicht zu vereinbaren sei. Insofern sei eine restriktive Auslegung anzumahnen. Die Kompetenz nach § 354 Abs. 1a StPO könne nur so weit reichen, wie sich das Revisionsgericht des zugrunde liegenden Sachverhalts sicher sein kann. Die Anwendung scheide aus, wenn der Schuldumfang unvollständig oder unzutreffend ermittelt wurde und eine neue Verhandlung dem Angeklagten ein günstigeres Ergebnis einbringen kann (S. 521).

Aufgrund der „ein Stück weit unbefriedigend(en)“ Position wird die Frage aufgeworfen, ob die Etablierung eines Rechtsmittels sui generis ein Lösungsweg wäre (S. 521). Der Verfasser spricht sich für eine erweiterte Revision de lege ferenda nach österreichischem Vorbild durch Einführung einer speziellen Strafmaßrüge aus. Ihr Gegenstand wäre auf die Rechtsfolge beschränkt und in diesem Bereich volle Tatsacheninstanz. Klahr ist sich bewusst, dass seine „Forderung evident gegen den Trend“ läuft (S. 522). Er ist aber mutig genug, sie auszusprechen und es ist ihm recht zu geben. Vielleicht sollte man noch mutiger sein und die Revisionsmöglichkeiten (noch) mehr öffnen. Schließlich wird schon seit langem durchaus beklagt, dass in landgerichtlichen und oberlandesgerichtlichen Verfahren eine 2. Tatsacheninstanz fehlt und die Überprüfungsmöglichkeiten erstinstanzlicher Entscheidungen beschränkt sind. Bedenken gegen eine Strafmaßrüge jedenfalls räumt der Verfasser aus.

Im abschließenden Kapitel 3 werden die Perspektiven für Schuld und Strafmaßfindung zusammengeführt. Der Verfasser resümiert, dass sich das Schuldstrafrecht in einer „veritablen Krise“ befindet (S. 524). Die Terminologie sollte aber trotz aller Unsicherheiten im Detail nicht ohne Not aufgegeben werden. Insoweit scheine es neben der Realpolitik auch eine Form von „Realjurisprudenz“ zu geben und sei auch in neuerer Zeit ein „wehrhaftes“ Schuldstrafrecht zu erwarten (S. 528). Der Streit um den Schuldbegriff scheine zu einem überwiegenden „Teil ein bloß scholastischer zu sein“. Zwar erweise sich § 20 StGB nur als bedingt strukturalisierbar, allerdings sicherten verfassungsrechtliche Implikationen eine „gerechte“ Schuldspruchpraxis ab (S. 528 f.).

Krahl sieht in der Frage nach den prägenden Unrechtsfaktoren im Rahmen der Strafzumessung die Zukunftsaufgabe der Strafrechtswissenschaft (S. 530) und zieht ein „offenes Fazit“. So sei angesichts des steten gesellschaftlichen Wandels eine zeitüberdauernde Lösung der vom Schuldprinzip tangierten Probleme nicht zu erwarten. Die Diskussion über Schuld und Strafe müsse demnach lebendig bleiben (S. 533).

Der Verfasser legt eine umfangreiche und ausgewogene Monografie über Schuld und Strafmaß vor. Sie überzeugt durch die kunstvolle Verknüpfung von Rechtsanwendung und theoretischen Grundlegungen, die in eigene Betrachtungen münden. Diese generieren eine Fülle von Ideen, an die man anknüpfen kann. Bleibt zu hoffen, dass sich zukünftigen Arbeiten diesen Ideen annehmen, sich damit auseinandersetzen und sie weiterentwickeln.

 

 

 

Unsere Webseite verwendet sog. Cookies. Durch die weitere Verwendung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Informationen zum Datenschutz

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen.
Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Weitere Informationen zum Datenschutz entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hier können Sie der Verwendung von Cookies auch widersprechen.

Schließen