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Warum § 362 Nr. 5 StPO aufgehoben werden sollte

von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

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Abstract
Mit Spannung wird die Entscheidung des BVerfG zu § 362 Nr. 5 StPO erwartet. Die Verfassungsbeschwerde des Beschuldigten, der vor Jahrzehnten vom Vorwurf des Mordes rechtskräftig freigesprochen worden war und der nun befürchten muss, auf der Grundlage des § 362 Nr. 5 StPO wegen derselben Tat verurteilt zu werden, hat die verfassungsrechtliche Überprüfung der Vorschrift veranlasst. Zuvor waren bereits in zahlreichen Texten von Rechtswissenschaftlern Argumente für und gegen die Regelung ausgetauscht worden. Verständlicherweise steht dabei Art. 103 Abs. 3 GG im Vordergrund. Wer § 362 Nr. 5 StPO ablehnt, begründet das in erster Linie mit einer Verletzung des ne-bis-in-idem-Grundsatzes. Nicht wenige Befürworter der erweiterten Wiederaufnahmemöglichkeit verweisen – gefühlsgeleitet − auf „materielle Gerechtigkeit“ sowie auf „schlechterdings unerträgliche Ergebnisse“. Unbefriedigend ist das für Menschen, die es weder ungerecht noch unerträglich finden, dass ein Tatverdächtiger nach rechtskräftigem Freispruch bis an sein Lebensende als „unschuldig“ gilt und zwar auch, wenn auf Grund neuer Beweismittel aus dem Freigesprochenen ein zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilter werden könnte. Dass das Festhalten am rechtskräftigen Freispruch richtig ist, dafür gibt es starke juristische Gründe. Auch für die Durchbrechung des Strafklageverbrauchs in den von § 362 Nr. 5 StPO erfassten Fällen gibt es gewiss beachtliche Gründe. Sie sind meines Erachtens jedoch nicht gewichtig genug. Im vorliegenden Text soll die verfassungsrechtliche Dimension außen vor bleiben. Eine neue Vorschrift, mit der das geltende Strafprozessrecht verändert wird, muss auch eine Prüfung am Maßstab des geltenden Strafprozessrechts durchlaufen, um akzeptiert werden zu können. § 362 Nr. 5 StPO fällt bei dieser Prüfung durch und sollte deshalb aufgehoben werden.

The decision of the Federal Constitutional Court on § 362 No. 5 of the Code of Criminal Procedure is eagerly awaited. The constitutional complaint of the defendant, who was finally acquitted of the charge of murder decades ago and who is now threatened with conviction for the same crime on the basis of § 362 No. 5 of the Code of Criminal Procedure, has prompted a constitutional review of the provision. Prior to this, arguments for and against the provision had already been exchanged in numerous texts by legal scholars. Naturally, the focus is on Article 103 (3) of the Basic Law. Those who reject § 362 No. 5 of the Code of Criminal Procedure base this primarily on a violation of the ne bis in idem principle. Quite a few advocates of the extended possibility of reopening refer – guided by emotion –  to „material justice“ as well as to „results that would be absolutely intolerable“. This is unsatisfactory for people who find it neither unjust nor intolerable that a suspect is considered „innocent“ for the rest of his life after a final acquittal, even if new evidence could turn the acquitted person into a person sentenced to life imprisonment. There are strong legal reasons why it is right to adhere to the final acquittal. There are certainly also considerable reasons for breaking with the discontinuance of criminal proceedings in the cases covered by § 362 No. 5 of the Code of Criminal Procedure. However, in my opinion, they are not weighty enough.  In the present text, the constitutional dimension is to be left aside. A new provision that amends existing criminal procedural law must also be tested against existing criminal procedural law in order to be accepted. § 362 no. 5 of the Code of Criminal Procedure fails this test and should therefore be repealed.

I. Unklarheiten des Gesetzestextes

Handwerkliche Mängel von Gesetzestexten sind fast zu einem Markenzeichen moderner Gesetzgebungstätigkeit geworden. Wenig überraschend produziert auch der Text des § 362 Nr. 5 StPO Verständnisprobleme in beträchtlichem Umfang.

1. Der „freigesprochene Angeklagte“

Mehrdeutig ist das Merkmal „der freigesprochene Angeklagte“, von dem man zwar erfährt, dass die neuen Tatsachen oder Beweise ihn zu einem Kandidaten für Verurteilung „wegen Mordes“ usw. werden lassen. Von welchem strafrechtlichen Vorwurf und aus welchem rechtlichen Grund der Angeklagte seinerzeit freigesprochen wurde, lässt der Gesetzestext jedoch offen.[1] Da die am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten den Fall Friederike von Möhlmann vor Augen hatten, glaubten sie wohl, es könne sich nur um Verfahren handeln, in denen der Angeklagte mit dem Vorwurf des vollendeten Mordes konfrontiert war. Nach dem indifferenten Gesetzestext ließe sich der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten aber auch der Fall eines Freispruchs zuordnen, dem lediglich eine Anklage wegen Totschlags zugrunde lag, weil bereits bei Eröffnung des Hauptverfahrens feststand, dass die Erfüllung von Mordmerkmalen ausgeschlossen oder jedenfalls nicht erweislich ist.[2] Kommt zu den neuen „Tatsachen oder Beweismitteln“, die den Totschlags-Freispruch als ein Fehlurteil erscheinen lassen, auch noch eine bisher unbekannte Information hinzu, wonach die Tat nicht als Totschlag, sondern als Mord zu bewerten ist, so steht nach dem Gesetzestext einem neuen[3] Strafverfahren nichts entgegen.[4] Nicht anders wäre es bei einem Freispruch, dem nicht einmal eine Anklage wegen vorsätzlicher Tötung vorausging, sondern z.B. wegen fahrlässiger Todesverursachung oder Körperverletzung. Man könnte meinen, dass es doch egal sei, auf welche Straftat sich der Freispruch bezog und es allein darauf ankomme, dass nun infolge der Wiederaufnahme ein Urteil zu erwarten ist, mit dem ein Schwerverbrecher seiner verdienten lebenslangen Freiheitsstrafe zugeführt wird. Aber zu bedenken geben sollte schon die Überlegung, dass der Angeklagte in diesen Fällen ab Vorliegen der Voraussetzungen des § 362 Nr. 5 StPO rückblickend besser stünde, wenn er nicht freigesprochen, sondern verurteilt worden wäre.[5] Eine Wiederaufnahme zu seinen Ungunsten wäre dann gegen seinen Willen[6] nur unter den Voraussetzungen des § 362 Nr. 1 bis 3 StPO zulässig. Der entscheidende Grund für eine Beschränkung der Wiederaufnahme auf Fälle des Freispruchs vom Vorwurf einer „Katalogtat“ – also Mord usw. − ist aber das unterschiedlich gewichtige Vertrauen, das der Freigesprochene in die Unumkehrbarkeit des rechtskräftigen Verfahrensergebnisses haben darf. Dass das Interesse an einer Korrektur bei Angehörigen des Opfers, der Gesellschaft insgesamt sowie der Strafrechtspflege stärker ist, wenn dem Freigesprochenen von der Staatsanwaltschaft nicht eine fahrlässige Tötung, eine Körperverletzung mit Todesfolge oder ein Totschlag, sondern ein Mord angelastet wurde, liegt auf der Hand. Davon darf man ausgehen, auch wenn man es nicht für „unerträglich“ hält, dass ein dringend des Mordes Verdächtiger aus Mangel an Beweisen unumkehrbar rechtskräftig freigesprochen wurde. Bei allen Straftaten außer Mord (§ 78 Abs. 2 StGB) darf der Beschuldigte darauf hoffen, dass eine Verfolgung irgendwann infolge Verjährung unzulässig geworden ist, was dann auch einer Wiederaufnahme des Verfahrens entgegenstünde.[7] Daher wird der Angeklagte naturgemäß nach dem rechtskräftigen Freispruch keine oder geringere Vorkehrungen für eine eventuell erforderlich werdende erneute Verteidigung treffen.[8] Auf die einmal getroffene Entscheidung muss er sich verlassen können.[9] Soweit also die Legitimation des § 362 Nr. 5 StPO auf einer Abwägung gegenläufiger Interessen beruht und in der Waagschale der einer Wiederaufnahme entgegenstehenden Interessen das schutzwürdige Vertrauen des freigesprochenen Angeklagten liegt, wird man dem Gewicht der Straftat, die dem Angeklagten in dem früheren Verfahren nicht nachgewiesen werden konnte, Bedeutung zumessen müssen. Die Möglichkeit der Wiederaufnahme sollte deshalb auf Fälle beschränkt werden, in denen schon dem rechtskräftig gewordenen Freispruch der Vorwurf eines Mordes oder einer gleichschwerwiegenden Straftat (nach dem VStGB) zugrunde lag.

2. Erfasst werden nur vollendete Verbrechen 

Die Begründung des von den Fraktionen der CDU/CSU und der SPD in der 19. Legislaturperiode vorgelegten Gesetzesentwurfs[10] enthält auf Seite 9 den nicht auf Anhieb verständlichen Satz: „Erfasst werden nur vollendete Verbrechen“.[11] Der Satz steht im Zusammenhang mit den Ausführungen zur „Unerträglichkeit“ des Freispruchs bei Taten, die „mit der Höchststrafe belegt sind und nicht der Verjährung unterliegen“.[12] Gemeint ist also wohl, dass die Wiederaufnahme nur dann zulässig ist, wenn die neuen Tatsachen oder Beweismittel dringende Gründe für die Prognose bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen vollendeten Mordes und nicht wegen versuchten Mordes verurteilt werden wird. Diese Beschränkung der Anwendung ist zwar schlechter als die Nichtanwendung und Aufhebung der Vorschrift, sie ist aber besser als die extensive Anwendung. Daher ist sie im Ergebnis zu begrüßen. Fraglich ist jedoch, ob das Ergebnis richtig ist.[13] Es stellen sich einige Fragen, auf die in den Gesetzesmaterialien Antworten nicht zu finden sind. Folgt der Ausschluss des versuchten Mordes aus dem Gesetzeswortlaut? Ist mit „vollendetes Verbrechen“ nur vollendetes Täterverhalten gemeint oder fällt darunter auch Anstiftung oder Beihilfe zu einem vollendeten Mord usw.? Wie sieht es aus mit § 30 StGB in Verbindung mit einem der einschlägigen Straftatbestände? Der Wortlaut des § 362 Nr. 5 StPO scheint tatsächlich für die Beschränkung auf Vollendungen zu sprechen. Verurteilung „wegen Mordes“ ist mehr als und nicht dasselbe wie Verurteilung „wegen versuchten Mordes“. Andererseits gibt es im geltenden Recht zahlreiche Beispiele für ein die „besonderen Erscheinungsformen“ der Straftat (Versuch, Teilnahme) mitumfassendes Verständnis der Deliktsbezeichnungen. Versuchter Mord, Teilnahme am Mord, ja sogar die Varianten des § 30 StGB in Verbindung mit § 211 StGB werden bekanntlich von der fast ganz h.M. dem Text „Verbrechen nach § 211 (Mord) verjähren nicht“ in § 78 Abs. 2 StGB zugeordnet.[14] Jüngst hat der BGH bestätigt, dass ein „Mord“ im Sinne des § 105 Abs. 3 S. 2 JGG auch ein Mordversuch sein könne.[15] Die Reihe der Beispiele ließe sich verlängern. In der Sache allerdings wäre eine Beschränkung des Anwendungsbereichs auf vollendete Taten richtig. Gerechtigkeitslücke und Unerträglichkeit – wenn man denn diese legislatorischen Motive anerkennen möchte – haben zu wenig legitimatorisches Gewicht, wenn es um eine Straftat geht, deren Ahndung mit lebenslanger Freiheitsstrafe nicht obligatorisch ist, § 23 Abs. 2 StGB. Letztendlich kommt es also auf die Schwere des Tatvorwurfs an, dem mit der Wiederaufnahme zum Durchbruch verholfen werden soll.[16] Diese spiegelt sich in der Sanktionshöhe. Wird die Zulassung der Wiederaufnahme mit dem Bedürfnis nach gerechter Ahndung „schwerster Straftaten“ begründet, können nur Taten in Betracht kommen, die bereits bei Anordnung der „Erneuerung der Hauptverhandlung“ (§ 370 Abs. 2 StPO) die Prognose der lebenslangen Freiheitsstrafe zulassen. Deshalb müssen auch Beihilfe (§ 27 Abs. 2 S. 2 StGB) und der Versuch der Beteiligung (§ 30 Abs. 1 S. 2 StGB) ausgeklammert werden. Dagegen gibt es für die Nichtberücksichtigung der Anstiftung keinen Grund. Der Anstifter wird „gleich einem Täter“ betraft, im Falle der §§ 211, 26 StGB also mit lebenslanger Freiheitsstrafe. Keinen Einfluss auf die Anwendung des § 362 Nr. 5 StPO dürfen „außergewöhnliche Umstände“ haben, die das Gericht zur Anwendung der „Rechtsfolgenlösung“ und somit zum Abrücken von der absoluten lebenslangen Freiheitsstrafe veranlassen könnten. Zulässigkeit und Begründetheit der Wiederaufnahme des Verfahrens können davon nicht anhängig gemacht werden, weil derartige strafmaßrelevante Tatsachen erst in der nach Anordnung der Wiederaufnahme durchzuführenden Hauptverhandlung festgestellt werden können. Umgekehrt ist eine Einbeziehung des Totschlags in besonders schwerem Fall (§ 212 Abs. 2 StGB) nicht möglich, obwohl das Gesetz hier − wie in § 211 Abs. 1 StGB – lebenslange Freiheitsstrafe obligatorisch androht. Die „besondere Schwere“, deren Feststellung der Gesetzgeber nicht einmal durch Regelbeispiele erleichtert hat, liegt außerhalb der Erkenntnismöglichkeiten, die der Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens zugrunde liegen.

3. Korrekturen am Gesetzeswortlaut

Wenn § 362 Nr. 5 StPO nicht aufgehoben wird, sollte zumindest sein Anwendungsbereich verengt und dies im Gesetzestext abgebildet werden. Zum einen sollte klargestellt werden, dass bereits der Freispruch eine „Tat“ im Sinne des § 264 StPO zum Gegenstand hatte, die – wenn das Gericht die Überzeugung von der Erfüllung der Strafbarkeitsvoraussetzungen gewonnen hätte – mit lebenslanger Freiheitsstrafe geahndet worden wäre. Zum anderen muss auch das „Wideraufnahmeziel“ auf Verurteilungen wegen vollendeter Tatbegehung als Täter oder Anstifter begrenzt werden. Ohne einen Zuwachs an „Sperrigkeit“ lässt sich die Formulierung des Gesetzestextes nicht errei-chen. Möglich wäre folgende Version (Änderungen in kursiv):

„… wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass als Täter oder Anstifter wegen vollendeten Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), vollendeten Völkermordes (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), vollendeten Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) oder vollendeten Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches) ein Angeklagter verurteilt wird, der von dem Vorwurf einer solchen Tat freigesprochen worden war.

II. Die Systematik der Wiederaufnahmeregeln

1. Wiederaufnahmegründe in der Hauptverhandlung

§ 362 Nr. 1 bis 3 StPO knüpfen an Vorgänge an, die sich innerhalb der dem Urteil vorausgegangenen Hauptverhandlung ereignet haben. Dass eine Verurteilung des Angeklagten daran scheitern würde, war deshalb für das Gericht vor der Hauptverhandlung nicht vorhersehbar. Es bestand somit in dem Verfahren nicht die Möglichkeit, dem Freispruch vorzugreifen und das Verfahren in einem früheren Stadium durch Einstellung zu beenden. Letzteres hätte die Konsequenz gehabt, dass die verfahrensbeendende Entscheidung trotz formaler Rechtskraft keinen Strafklageverbrauch (Art. 103 Abs. 3 GG) erzeugt. Eine Verfahrensfortsetzung bei veränderter Tatsachen- und Beweislage wäre dann möglich gewesen, ohne dass es dafür einer Wiederaufnahme gemäß § 362 StPO bedurfte. § 362 Nr. 4 StPO ist ein Wiederaufnahmegrund, der sich auf keinen Grundgedanken zurückführen lässt, der auch die Varianten § 362 Nr. 1 bis 3 StPO umfasst. Weder hat das spätere Geständnis des Freigesprochenen mit dem rechtskräftigen Freispruch zwingend etwas zu tun noch begründet es die Erwartung, dass es nunmehr infolge der Wiederaufnahme des Verfahrens zu einer Verurteilung kommen werde. Das Geständnis muss keineswegs ein „dringender Grund“ für eine solche Verurteilung sein.[17] Selbstverständlich behält der Angeklagte auch nach einem Geständnis sein Schweigerecht (§ 243 Abs. 5 S. 1 StPO). Macht er davon Gebrauch, muss das Geständnis durch Vernehmung von Personen in die Hauptverhandlung eingeführt werden, die Ohrenzeugen der Selbstbezichtigung gewesen sind. Gibt es davon nur einen einzigen und ist dieser verstorben, könnte das schwierig werden. § 362 Nr. 4 StPO passt weder zu § 362 Nr. 1 bis 3 StPO noch zu § 362 Nr. 5 StPO. Eine Stütze für § 362 Nr. 5 StPO ist § 362 Nr. 4 StPO nicht, im Gegenteil.[18] Im Fall des § 362 Nr. 4 StPO ist dem Angeklagten die Durchbrechung der Freispruchrechtskraft selbst zuzuschreiben.[19] Er kann sich also über den Wegfall des Schutzes, den Art. 103 Abs. 3 GG ihm gewährte, nicht beschweren. Im Fall des § 362 Nr. 5 StPO ist das anders.

2. Wiederaufnahmegründe außerhalb der Hauptverhandlung

Die Erörterung eines „Systems der Wiederaufnahme“ ist unvollständig, wenn dabei nicht Verfahrensvorschriften einbezogen werden, nach denen neue Tatsachen oder Beweismittel die Fortsetzung eines zuvor außerhalb einer Hauptverhandlung beendeten Strafverfahrens gestatten. Reichen die Tatsachen und Beweismittel, mit denen die Staatsanwaltschaft ihre Anklage verbunden hat, nach Einschätzung des Gerichts nicht aus, um die für eine Eröffnung des Hauptverfahrens notwendige Prognose einer wahrscheinlichen Verurteilung[20] zu begründen, erlässt das Gericht einen Nichteröffnungsbeschluss, § 204 StPO. Gegen diesen kann die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde einlegen, § 210 Abs. 2 StPO. Verzichtet sie darauf oder gibt das Beschwerdegericht dem Rechtsmittel nicht statt, wird der Nichteröffnungsbeschluss unanfechtbar. Das führt zwar nicht zu einem Strafklageverbrauch gemäß Art. 103 Abs. 3 GG. Die formell rechtskräftig gewordene Beendigung des Verfahrens entfaltet gleichwohl eine beschränkte Sperrwirkung.[21] Gemäß § 211 StPO kann das Verfahren nur noch auf der Grundlage neuer Tatsachen oder Beweismittel wieder aufgenommen werden. Vor der Einführung des § 362 Nr. 5 StPO konnte somit nicht behauptet werden, das geltende Strafprozessrecht schreibe dem Bekanntwerden neuer belastender Tatsachen oder Beweismittel nach Beendigung des Strafverfahrens keine rechtskraftdurchbrechende Wirkung zuungunsten des Beschuldigten zu. Eine unübersteigbare Sperre errichtete das geltende Strafprozessrecht in dem Fall einer erst in der Hauptverhandlung erkannten Beweismittelinsuffizienz, die verhinderte, dass die gerichtliche Verurteilungsprognose sich in eine urteilstragende richterliche Überzeugung (§ 261 StPO) verwandeln konnte. Für Verfahren, in denen das Gericht schon im Stadium vor Eröffnung des Hauptverfahrens feststellt, dass die Ermittlungsergebnisse eine Verurteilung des Angeschuldigten nicht erwarten lassen und sich daran in der Hauptverhandlung nichts ändern wird, besteht für eine Erweiterung des § 362 StPO kein Bedarf.[22] Auf § 362 Nr. 5 StPO angewiesen ist die Strafjustiz folglich nur in zwei Fällen. Erstens: Das Gericht durfte eine Verurteilung prognostizieren, hat deshalb zu Recht das Hauptverfahren eröffnet und in der Hauptverhandlung ist es zu einem unerwarteten Beweismittelausfall gekommen, weil z. B. ein Beweismittel nicht mehr zur Verfügung stand.[23] Zweitens: Die Beweislage war bereits vor Eröffnung des Hauptverfahrens nicht tragfähig und das Gericht hätte die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht beschließen dürfen. Welche Schlüsse lassen sich daraus im Hinblick auf § 362 Nr. 5 StPO ziehen? In dem zweiten Fall ermöglicht die Norm eine Wiederaufnahme des Verfahrens, die bei korrekter Verfahrensweise auch ohne § 362 Nr. 5 StPO auf der Grundlage des § 211 StPO möglich gewesen wäre. Auch im ersten Fall hätte § 211 StPO der Wiederaufnahme des Verfahrens das Tor geöffnet. Jedoch war nach zutreffender Einschätzung des Gerichts geboten, das Hauptverfahren zu eröffnen und die Hauptverhandlung durchzuführen.[24] Es bedarf keiner vertiefenden Erläuterung, dass die Erweiterung der Wiederaufnahmemöglichkeiten auf Grundlage neuer Beweismittel oder Tatsachen nicht erforderlich ist, wenn das Gericht eine derartige Erweiterung nicht braucht. So verhält es sich in der zweiten genannten Variante: Das Gericht muss beschließen, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen und kann später bei veränderter Beweislage das Verfahren mit dem Erlass eines Eröffnungsbeschlusses fortsetzen. Setzt sich das Gericht über das Fehlen der Voraussetzungen für einen Eröffnungsbeschluss hinweg und kommt es sodann zum Freispruch des Angeklagten, darf der Verfahrensfehler beim Eröffnungsbeschluss nicht dadurch „belohnt“ werden, dass eine weitere Chance der Verfahrensfortsetzung bei neuen Beweismitteln oder Tatsachen eingeräumt wird.[25] Genau diese Art von „Belohnung“ stellt aber der neue § 362 Nr. 5 StPO dar. Auf die Interessenabwägung, mit der der Gesetzgeber und seine Unterstützer im Schrifttum dies zu rechtfertigen versuchen, kann nicht abgestellt werden, weil eine Abwägung widerstreitender Interessen bei Nichterforderlichkeit gar nicht zulässig ist. Das ist ein allgemeines Prinzip, das seine deutlichste Ausprägung in § 34 S. 1 StGB (Gefahr nicht anders abwendbar) erhalten hat, aber im Recht universell gilt, wenn es um die Befriedigung kontroverser Interessen geht. Können beide Interessen befriedigt werden, braucht nicht eines auf Grundlage einer Abwägung geopfert zu werden. Eine Abwägung des Interesses auf Durchsetzung strafrechtlicher „Gerechtigkeit“ einerseits und der Aufrechterhaltung der durch den rechtskräftigen Freispruch geschaffenen Rechtssicherheit andererseits, deren Ergebnis die Schaffung einer Norm wie § 362 Nr. 5 StPO sein könnte, ist also nur in Bezug auf den ersten Fall möglich: Das Gericht hat auf der Grundlage einer tragfähigen Verurteilungsprognose das Hauptverfahren eröffnet und sah sich wegen des (nicht erwartbaren) insuffizienten Ergebnisses der Beweisaufnahme gezwungen den Angeklagten freizusprechen. Der geltende § 362 Nr. 5 StPO ist aber schon deshalb aufzuheben, weil er die Beschränkung auf diesen Fall nicht berücksichtigt. Die Norm erfasst auch den Freispruch, zu dem es gar nicht hätte kommen dürfen, weil die Voraussetzungen für die Eröffnung des Hauptverfahrens nicht vorgelegen haben. Ob es dem Gesetzgeber gelingen kann, den Anwendungsbereich der Vorschrift in sprachlich verständlicher Weise so zu reduzieren, dass lediglich der erste Fall – Freispruch nach richtiger Eröffnung des Hauptverfahrens − berücksichtigt wird, sei hier dahingestellt. Nach hiesiger Ansicht muss die Abwägung ohnehin zugunsten des rechtskräftig freigesprochenen Angeklagten ausfallen. Die Unmöglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zu seinen Ungunsten bei veränderter, Verurteilungswahrscheinlichkeit begründender Beweislage ist gewissermaßen die „Entschädigung“[26] dafür, dass er die Belastung mit der (öffentlichen) Hauptverhandlung erdulden musste, obwohl – wie sich am Ende der Hauptverhandlung herausstellte – die ihn schützende Unschuldsvermutung nicht entkräftet worden ist.[27] Denn der Angeklagte hat nicht die Wahl zwischen Nichteröffnung des Hauptverfahrens mit der Gefahr späterer Wiederaufnahme wegen neuer Beweismittel (§ 211 StPO) oder Erduldung der Hauptverhandlung, § 210 Abs. 1 StPO. Er kann sich also nicht Freiheit von einer Hauptverhandlung „erkaufen“ durch Eingehen des Risikos einer späteren Wiederaufnahme des Verfahrens wegen verbesserter Beweislage. Die „Entschädigung“ des wiederaufnahmefesten rechtskräftigen Freispruchs darf ihm nicht entzogen werden, auch nicht im Fall einer wahrscheinlichen Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe. § 362 Nr. 5 StPO ist also nicht nur aufzuheben und mit reduziertem Regelungsgehalt zu erneuern, sondern die Aufhebung muss eine ersatzlose sein.

III. Weitere Gesichtspunkte

1. Unzulässigkeit von Ermittlungen in Bezug auf eine „nicht verfolgbare“ Tat 

Die Wiederaufnahme des Strafverfahrens gegen den Beschuldigten im Fall „Friederike von Möhlmann“ beruht zum großen Teil auf neuen Erkenntnissen, die von der Staatsanwaltschaft infolge von Untersuchungen gewonnen wurden, die überhaupt nicht zulässig gewesen sind. Die Staatsanwaltschaft führt gemäß § 152 Abs. 2 StPO Ermittlungen durch, wenn tatsächliche Voraussetzungen des Verdachts einer „verfolgbaren Straftat“ existieren. Diese Vorschrift bringt das „Legalitätsprinzip“ zur Geltung. Dieses hat aber auch eine „negative“ Komponente: Das „positive“ Legalitätsprinzip besagt, dass die Strafverfolgungsbehörden zur Verfahrenseinleitung und Verfahrensdurchführung verpflichtet sind. Die Kehrseite, das „negative Legalitätsprinzip“, ist das Verbot der Verfahrensdurchführung bei Fehlen der Voraussetzungen. Auch ein „wirklicher“ Straftäter hat ein Recht darauf, von den staatlichen Behörden in Ruhe gelassen zu werden, sofern keine ausreichende Verdachtsgrundlage für staatliches Einschreiten besteht. Die mutmaßliche Tat des Angeklagten war infolge des rechtskräftigen Freispruchs keine „verfolgbare“ Tat mehr, Art. 103 Abs. 3 GG.[28] So war die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des neuen § 362 Nr. 5 StPO.[29] Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen einer Wiederaufnahme zuungunsten des Freigesprochenen gemäß § 362 Nr. 1, 2, 3 oder 4 StPO existierten und existieren nicht. Eine „verfolgbare“ Tat wäre die mutmaßliche Tötung des Opfers durch den Freigesprochenen allein im Lichte dieser Wiederaufnahmegründe.[30] Eine Rückwirkung dahingehend, dass mit der Einführung des § 362 Nr. 5 StPO das Fehlen einer Rechtsgrundlage für zulässige Straftatermittlungen ex tunc „geheilt“ wird, kann niemand ernsthaft in Erwägung ziehen. Die Staatsanwaltschaft hat also Beweise gesammelt in Bezug auf eine Tat, deren Verfolgung ein Verfahrenshindernis entgegenstand. Bei Verfahren wegen verjährbarer Straftaten ist so etwas besonders perfide, weil die Strafverfolgungsbehörde für die Unzulässigkeit von Ermittlungen mit zusätzlicher Verfahrenszeit „entschädigt“ wird, § 78b Abs. 1 Nr. 2 StGB. Schon weil die Missachtung des Verfolgungsverbots in vollem Bewusstsein seiner Existenz geschehen ist, muss die Konsequenz ein Verwertungsverbot sein. Würde man mit der Rechtsprechung dem Verwertungsverbot eine Abwägung vorschalten, die auf das Ergebnis eines das Verwertungsverbot ausschließenden „überwiegenden Interesses“ an der Durchsetzung des möglicherweise bestehenden Strafanspruchs hinausliefe, wäre nicht nur das Gebot eines fairen, sondern sogar das Gebot eines rechtmäßigen Verfahrens ad absurdum geführt. Jedenfalls bei Verfahren wegen schwerster Verbrechen könnten sich die Strafverfolgungsbehörden mit direktem Vorsatz über geltendes Verfahrensrecht hinwegsetzen, ohne dass dies der Verurteilung des Beschuldigten entgegenstehen könnte. Für künftige Fälle ist dieser Einwand natürlich nicht mehr beachtlich, solange § 362 Nr. 5 StPO nicht aufgehoben wird. Auf Grund dieser Vorschrift sind Taten von zukünftig rechtskräftig freigesprochenen „Mördern“ usw. weiterhin und wegen der Unverjährbarkeit (§ 78 Abs. 2 StGB) ohne zeitliches Limit bis zum Tod des Verdächtigen „verfolgbare“ Straftaten i.S.d. § 152 Abs. 2 StPO. Für Verfahren vor Einführung des § 362 Nr. 5 StPO – also das Verfahren gegen den des Mordes an Friederike von Möhlmann Verdächtigten und eventuell weitere Freigesprochene − darf diese Vorschrift jedoch keinen Freibrief erteilen und zwar unabhängig davon, ob darin auch ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot bestünde oder nicht.[31]

2. Unverhältnismäßigkeit lebenslanger Freiheitsstrafe

Den großen Zuspruch in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens verdankt § 362 Nr. 5 StPO nicht zuletzt seiner Beschränkung und Konzentration auf Verbrechen mit maximalem Strafwürdigkeitsgehalt. Das geltende Strafrecht droht in allen betroffenen Fällen lebenslange Freiheitsstrafe absolut an. Es steht außer Zweifel, dass dies in den Überlegungen zur Abwägung der widerstreitenden Interessen ein überragend wichtiger Akzent ist. Die Waagschale würde sich in eine andere Richtung bewegen, sähe das Strafrecht bei den betroffenen Delikten anstelle der lebenslangen Freiheitsstrafe oder zumindest neben ihr (z.B. § 251 StGB) zeitige Freiheitsstrafe vor. Dass dies einer kriminalpolitischen Forderung entspricht, die sich seit Jahrzehnten breiter Unterstützung erfreut und zuletzt während der 18. Legislaturperiode vehement und wohlbegründet geltend gemacht wurde[32], scheint aktuell und insbesondere in der Debatte um § 362 Nr. 5 StPO keine Rolle zu spielen. Das Gebot verhältnismäßiger Bestrafung kann aber selbstverständlich nicht dadurch außer Kraft gesetzt werden, dass es schlicht ignoriert wird. Unverhältnismäßig wäre die lebenslange Freiheitstrafe gegenüber einem Angeklagten, der über vier Jahrzehnte nach seinem rechtskräftigen Freispruch auf der Grundlage einer rechtlich höchst fragwürdigen Wiederaufnahme des gegen ihn geführten Verfahrens wegen Mordes verurteilt wird. Dass schon das beträchtliche Quantum verstrichener Zeit eine erhebliche Minderung der Sanktionierungsgründe bewirkt, steht außer Frage. Gleich, wie man das Institut der Strafverfolgungsverjährung begründet, prozessual, materiell oder gemischt[33]: nach Ablauf der gesetzlich bestimmten Frist hat die gesetzlich vorgesehene Sanktionierung ihre Legitimität verloren. Bis zum Erreichen des Fristendpunkts vollzieht sich dieser Schwund zumindest linear, ab einem bestimmten Punkt vielleicht sogar exponentiell. Das gilt entgegen § 78 Abs. 2 StGB auch für Mord und andere mit absolut lebenslanger Freiheitsstrafe pönalisierte Verbrechen. Ausländische Strafrechtsordnungen, die ebenfalls die Unverjährbarkeit schwerster Verbrechen kennen, schreiben eine obligatorische Strafmilderung für den Fall vor, dass die Verurteilung erst nach Verstreichen einer längeren Zeitspanne erfolgt.[34] Wenn § 211 StGB es zuließe, müsste also auch die auf § 362 Nr. 5 StPO beruhende Bestrafung eines vor Jahrzehnten freigesprochenen Mörders zeitig begrenzt werden.[35] Dabei sind die sonstigen Strafmilderungsgründe, die etwa im Fall „Friederike von Möhlmann“ aufgewiesen werden können, noch gar nicht berücksichtigt. Die massive Missachtung des Art. 6 Abs. 2 MRK, ohne die es den Medien nicht möglich wäre, den rechtskräftig Freigesprochenen vorzuverurteilen und ein Stimmungsbild in der Gesellschaft entstehen zu lassen, das den energischen Ruf nach „Gerechtigkeit“ transportiert, muss in Ermangelung anderer rechtlicher Instrumente – z.B. Verfahrenshindernis – strafmildernd Berücksichtigung finden.[36] Dasselbe gilt für die oben skizzierte gravierende Durchbrechung der § 152 Abs. 2 StPO immanenten Verfolgungsschranke. Wenn – wie es hier vorgeschlagen wird – dieser Verstoß gegen das negative Legalitätsprinzip nicht bereits zu einem Verwertungsverbot führt, muss jedenfalls diese Rechtsverletzung gegenüber dem Beschuldigten durch Strafmaßreduzierung kompensiert werden. Daraus folgt: In der Diskussion um die Abwägung der widerstreitenden Gesichtspunkte können die Befürworter der erweiterten Wiederaufnahme kein Interesse an der Durchsetzung eines maximalen staatlichen Sanktionsanspruchs geltend machen. Der Täter, den sie der „verdienten“ gerechten Bestrafung zuführen wollen, „verdient“ keine lebenslange Freiheitsstrafe mehr. Vielmehr ist § 212 StGB (iVm § 213 StGB) der Maßstab, der für diesen Angeklagten geeignet erscheint.

3. Ungerechtigkeit

Nicht nur die Gesetzgebenden[37], sondern auch die § 362 Nr. 5 StPO verteidigenden Autoren berufen sich auf „Gerechtigkeit“ und bringen damit ein schweres Geschütz[38] in Stellung.[39] Indessen leidet diese Vorgehensweise an inhaltlichen und an methodischen Mängeln.[40] Suggeriert wird die Existenz einer dem geltenden Recht vorgegebenen Gerechtigkeit, an der das Recht zu messen und wegen der es – im Fall einer Abweichung − gegebenenfalls zu korrigieren sei. Im Ansatz und Grundsatz ist das richtig. Für die Gestaltung des Rechts muss es einen vorgelagerten Maßstab geben. Ansonsten wäre Rechtssetzung nichts anderes als Befriedigung von Interessen zugunsten derjenigen, die über die politische Durchsetzungsmacht verfügen.  Die Anwendung von Recht soll Gerechtigkeit gewährleisten. Damit dies im konkreten Fall gelingt, müssen die Gesetze abstrakt einen gerechten Inhalt haben. Wie so oft steckt auch hier der Teufel im Detail.  Von einem kleinen Kernbereich abgesehen, gibt es über das, was gerecht oder ungerecht ist, wenig gesichertes Wissen und gesellschaftlichen Konsens.[41] Das vorliegende Thema bestätigt dies. Unbestreitbar wurden und wird die vor der Einführung des § 362 Nr. 5 StPO geltende Rechtslage von vielen als gerecht eingeschätzt. Das bedeutet nicht, dass die frühere und nicht die jetzt geltende Rechtslage gerecht ist. Aber umgekehrt ist es genauso. Das Obsiegen der entgegengesetzten Ansicht im demokratischen Ringen um die beste rechtliche Regelung ist kein Gerechtigkeitsattest. Was die Mehrheit für richtig hält, kann dennoch falsch sein. Dass es sich hier so verhalten könnte, lassen die Verzerrungen erahnen, mit denen die Vertreter der Mehrheitsmeinung operieren. Frappierend ist die verbreitete Missachtung der Unschuldsvermutung[42], die selbst nach einer noch nicht rechtskräftigen Verurteilung ihre Schutzwirkung uneingeschränkt entfaltet.[43] Umso mehr verdient sie Beachtung, wenn der Angeklagte rechtskräftig freigesprochen wurde.[44] Selbstverständlich sind die meisten Beschuldigten tatsächlich nicht unschuldig, die Unschuldsvermutung ist „eine normative Setzung und keine empirische Tatsache“.[45] Anderenfalls würde es schon am Anfangsverdacht fehlen, die Strafverfolgung wäre unzulässig und sogar als Verbrechen strafbewehrt, § 344 StGB. Ob das zweite Verfahren, das infolge der Wiederaufnahme gemäß § 362 Nr. 5 StPO möglich geworden ist, „den tatsächlich verantwortlichen Täter“ trifft[46], ist jedoch eine Erkenntnis, über die im Stadium der Wiederaufnahmeentscheidung niemand verfügt.[47] Es ist schon erstaunlich, welche Verurteilungsantizipationen Befürworter der Wiederaufnahme in die Gerechtigkeits-Debatte einführen, indem sie vom „Täter“[48] und „Mörder“[49] sprechen, dessen Schuld überhaupt nicht mehr angezweifelt werden könne.[50] Nur mittels völliger Ausblendung der Unschuldsvermutung ist es möglich, dem „Opfer“ (oder Angehörigen des „Opfers“) ein „Recht auf Strafverfolgung“ zum Nachteil des rechtskräftig Freigesprochenen zuzusprechen.[51] Auch wenn es nicht so gemeint ist, wird doch das Bild einer zutiefst ungerechten Nichtbestrafung eines Mörders gezeichnet, dessen Schuld auf Grund der neuen Tatsachen und Beweismittel klar zutage liege.[52] Aber nicht die Ungerechtigkeit von Sanktionslosigkeit kann geltend gemacht werden, sondern allenfalls die Ungerechtigkeit prozessualer Untätigkeit. Es ist also eine unzulässige Vermischung von materiellem Strafrecht und Prozessrecht, wenn die Ungerechtigkeit der Nichtbestrafung betont wird. Ungerecht kann es höchstens sein, dass das Prozessrecht die Überwindung eines rechtskräftigen Freispruchs verweigert, obwohl neue Erkenntnisse geeignet wären, ein Strafgericht von der Schuld des Angeklagten und der Unrichtigkeit des Freispruchs zu überzeugen. Nicht um „Strafgerechtigkeit“, sondern nur um ein „gerechtes Verfahren“ kann es hier gehen. Dass ein Verfahren, das rechtskräftig Freigesprochene vor einer Wiederaufnahme bei Auftreten neuer Tatsachen oder Beweismittel bewahrt, ungerecht sei, kann aber niemand ernsthaft behaupten.

IV. Schluss

Es ist verständlich, dass Bürger es ungerecht finden, wenn jemand, von dessen Schuld sie überzeugt sind, freigesprochen wird und danach nicht mehr bestraft werden kann. Der Schutz des Art. 103 Abs. 3 GG erscheint in einer gerechten Rechtsordnung als Störfaktor, der beseitigt werden muss.[53] Ungerechtigkeit der Nichtbestrafung kann jedoch frühestens in dem Moment beginnen, in dem die „Unschuldsvermutung“ aufgehoben ist, eine Sanktion rechtskräftig angeordnet wurde und diese nunmehr zu vollstrecken ist. Ungerecht kann also z.B. eine Begnadigung sein, obwohl dies ein hoheitlicher Akt ist, der allenfalls wegen formaler Fehler rechtswidrig sein kann. Nicht nur ungerecht, sondern auch Unrecht ist die Nichtvollstreckung eines rechtskräftigen Urteils, wenn es für diese Untätigkeit der zuständigen Justizorgane keinen rechtlichen Grund gibt. Aber das wäre Strafvereitelung im Amt und deshalb selbst strafrechtlich zu ahnden. Dafür braucht man keinen auf die Ungerechtigkeit hinweisenden Appell, dafür gibt es positivgesetzliche Normen, § 258a StGB. Die Unmöglichkeit einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegen einen rechtskräftig Freigesprochenen sollte man also nicht als „ungerechtes Recht“ diskreditieren. Immerhin kann der Angeklagte auch entgegen einer scheinbar erdrückenden Beweislast unschuldig sein.[54] Dann war es gerecht ihn freizusprechen und es wäre gerecht, das Verfahren gegen ihn nicht wiederaufzunehmen. Die Anwendung des § 362 Nr. 5 StPO stellt dann nicht Gerechtigkeit her, sondern schafft eine Ungerechtigkeit. Das mag in drastischen Fällen unwahrscheinlich sein, ist aber niemals ganz auszuschließen.[55] Denn die meisten freigesprochenen Angeklagten sind tatsächlich unschuldig.[56] Zudem hat entgegen der in der Gesetzesbegründung vielleicht aus Versehen gemachten Äußerung die Bestrafung eines Unschuldigen nicht denselben, sondern einen höheren (Un-)Gerechtigkeitsgehalt als die Nichtbestrafung eines Schuldigen.[57] Das bestätigt schon die Existenz der §§ 153 ff. StPO. Unberechtigte Freisprüche können in Kauf genommen werden, inakzeptabel – in schweren Fällen „unerträglich“ – sind unberechtigte Bestrafungen.[58]

Die zum Teil in populistischer Manier[59] praktizierte Mobilisierung eines angeblichen Gerechtigkeitsbedürfnisses in der Bevölkerung[60] bedient sich einer Stimmungslage, die auf unzureichender Kenntnis der rechtlichen Gegebenheiten beruht.[61] Hinzu kommt, dass die Bevölkerung von den (vermeintlichen) Tatsachen, die ihre Zweifel an der Strafgerechtigkeit befeuern, gar keine Kenntnis haben dürfte. Faktisch ist das nur deshalb ganz anders, weil heute kaum noch eine staatliche Tätigkeit möglich ist, über die nicht in Massenmedien berichtet wird, nachdem diese aus internen Quellen mit Informationen versorgt worden sind.[62] Aber die „Tatsachen“ und „Beweismittel“, die gemäß § 362 Nr. 5 StPO nach geltendem Recht eine so gewaltige Wirkung haben, dass sich nunmehr das Bundesverfassungsgericht mit der Verfassungskonformität ihrer Berücksichtigung zum Nachteil des Freigesprochenen befassen muss, müssen von den Strafverfolgungsbehörden diskret behandelt werden. Dass die Öffentlichkeit von den Spermaspuren in der Unterwäsche der getöteten Frau und dem Ergebnis der DNA-Analyse (personenbezogene Daten) erfahren hat, ist ein Sachverhalt, dessen Zustandekommen ich mir nur als Resultat von Verstößen gegen Datenschutzrecht vorstellen kann. Abgesehen davon, dass wegen § 152 Abs. 2 StPO bereits die Gewinnung der Daten  unzulässig  war,  sind  Auskünfte  an  nichtöffentliche Stellen allein unter den Voraussetzungen des § 479 Abs. 3 Nr. 1 StPO erlaubt. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, weil kein „berechtigtes Interesse“ des Auskunftsempfängers an der Information besteht und zudem der „frühere Beschuldigte“ ein schutzwürdiges Interesse an Geheimhaltung hat.

Der in seinem Gerechtigkeitsempfinden erschütterte Bürger dürfte von all diesen Daten also frühestens in der Hauptverhandlung erfahren, die infolge gerichtlich angeordneter Wiederaufnahme nach Maßgabe des § 169 GVG unter Beobachtung durch die Öffentlichkeit durchgeführt wird. Die vorzeitige Weitergabe der Ermittlungsergebnisse an die Öffentlichkeit war ein grober Verstoß gegen das Gebot eines fairen Verfahrens. Der dadurch aufgebaute Verurteilungsdruck verschärft das Prozessunrecht dramatisch. Ein Angeklagter, gegen den auf Grund von § 362 Nr. 5 StPO erneut eine Hauptverhandlung durchgeführt wird, darf sich schon bei Betreten des Gerichtssaals als verurteilt betrachten.[63] „Vielen Dank, Rechtsstaat!“, kann man da nur sagen.

 

[1]      Pohlreich, HRRS 2023, 140 (149).
[2]      So Deiters et al., Arbeitskreis deutscher, österreichischer und schweizerischer Strafrechtslehrer, Stellungnahme zur Verfassungsmäßigkeit des § 362 Nr. 5 StPO, 2022, S. 1.
[3]      Ob das Strafverfahren nach erfolgreicher Wiederaufnahme ein „neues“ ist oder es sich um eine Rückkehr in das ursprüngliche Verfahren handelt, sei hier dahingestellt.
[4]      Anders Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. (2023), § 362 Rn. 10, nach dem der Anwendungsbereich der Nr. 5 „auf freisprechende Urteile wegen Straftaten…, welche mit der Höchststrafe belegt sind und nicht der Verjährung unterliegen“ beschränkt sei.
[5]      Pohlreich, HRRS 2023, 140 (149).
[6]      § 362 Nr. 4 StPO entfällt, weil der Angeklagte auch dann kein „Freigesprochener“ ist, wenn er „nur“ wegen Totschlags verurteilt wurde, nachdem ihm zunächst ein Mord zur Last gelegt worden war. Der Verurteilte kann also nach Rechtskraft des Urteils gefahrlos erklären: „Ich habe doch aus Habgier getötet!“.
[7]      Ausführlich zu den verschiedenen Ansichten bezüglich der Verfolgungsverjährung nach einem rechtskräftigen Freispruch Asholt, Verjährung im Strafrecht, 2016, S. 672 ff.
[8]      Pohlreich, HRRS 2023, 140 (147).
[9]      Grünewald, ZStW 120, 545 (568).
[10]    BT-Drs. 19/30399.
[11]    Ebenso – ohne Erläuterung – Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 12.
[12]    BT-Drs. 19/30399, S. 8.
[13]    Deiters et al., S. 4.
[14]    Bosch, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 78 Rn. 1; Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 78 Rn. 4; Greger/ Weingarten, in: LK-StGB; Bd. 6, 13. Aufl. (2020), § 78 Rn. 6; Heger; in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl. (2023), § 78 Rn. 6; Saliger, in: NK-StGB, 6. Aufl. (2023), § 78 Rn. 7; a.A. Mitsch, in: M. Vormbaum (Hrsg.), Spätverfolgung von NS-Unrecht, 2023, S. 249 (260).
[15]    BGH, NJW 2020, 3537 m. Anm. Mitsch, JR 2021, 223.
[16]    Hoven, JZ 2021, 1154 (1158).
[17]    Anders von Bierbrauer zu Brennstein, HRRS 2022, 118 (120), nach der im Fall des Geständnisses die “Schuld klar zu Tage“ liege.
[18]    Deiters et al., S. 17; Schweiger, Zfistw 2022, 397 (402); a.A. von Bierbrauer zu Brennstein, HRRS 2022, 118 (120).
[19]    Kaspar, GA 2022, 21 (30); Pohlreich, HRRS 2023, 140 (146); Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80 (82).
[20]    So die gängige Auslegung von „hinreichend verdächtig“ (§ 203 StPO), Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 203 Rn. 2.
[21]    Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 211 Rn. 1.
[22]    Unrichtig ist insoweit die von Verteidigern und Gegnern des § 362 Nr. 5 StPO einheitlich aufgestellte Behauptung, zur Erreichung des „legitimen Zwecks“ sei die Regelung der Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten „erforderlich“. In Fällen, in denen das Gericht § 211 StPO anwendet, ist § 362 Nr. 5 StPO nicht erforderlich.
[23]    Zum Beispiel nach § 252 StPO oder wegen des Widerrufs der Entbindung von der Schweigepflicht.
[24]    § 203 StPO eröffnet keinen Ermessensspielraum („Das Gericht beschließt…“).
[25]    Zutr. stellt Grünewald, ZStW 120, 545 (572) fest, dass die Wiederaufnahme nicht dazu diene, Fehler, die sich schon im Hauptverfahren vermeiden ließen, im Nachhinein zu beseitigen. Tatsächlich hat aber § 362 Nr. 5 StPO diesen „Reparatur“-Effekt, wenn man ihn auf Fälle anwendet, in denen schon das Hauptverfahren nicht eröffnet werden durfte.
[26]    Gegen eine solche „psychologisierende“ Betrachtung Grünewald, ZStW 120, 545 (567).
[27]    Pohlreich, HRRS 2023, 140.
[28]    Walter, Strafprozessrecht, 2020, Rn. 92.
[29]    Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 152 Rn. 11: Wiederaufleben des positiven Legalitätsprinzips, wenn nach einer rechtskräftigen Abschlussentscheidung neue Strafverfolgung zulässig wird.
[30]    Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 362 Rn. 1: „Die StA darf nicht ohne sachlichen Anlass neue Ermittlungen führen.“
[31]    Für ein Rückwirkungsverbot Aust/Schmidt, ZRP 2020, 251 (254); Frister/Müller, ZRP 2019, 101 (103); Kaspar, GA 2022, 21 (34); Lenk, StV 2022, 118 (121); Pabst, ZIS 2010, 126 (130).
[32]    Erinnert sei nur an den Aufsatz von Deckers/Fischer/König/Bernsmann, NStZ 2014, 9 ff.
[33]    Saliger, in: NK-StGB, Vorb. § 78 Rn. 3 ff.
[34]    Vgl. § 57 Abs. 1 S. 2 des österreichischen Strafgesetzbuches; Art. 101 Abs. 2 des schweizerischen Strafgesetzbuches.
[35]    Streng, in: NK-StGB, § 46 Rn. 89.
[36]    Kinzig, in: Schönke/Schröder, StGB, § 46 Rn. 55.
[37]    „Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit“.
[38]    Neumann, in: FS Jung, 2007, S. 655 (662) weist auf das „allgemeine Prestige des Gerechtigkeitsbegriffs“ hin. Wer möchte schon Verteidiger einer „ungerechten“ Rechtslage sein?
[39]    Hoven, JZ 2021, (1157): „Bedeutung eines gerechten Strafurteils“; Letzgus, in: FS Geppert, 2011, S. 785 (793).
[40]    Ruhs, ZRP 2021, 88: „Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit … werden dabei mit einem pauschalen Hinweis auf einen vermeintlich bestehenden unerträglichen Gerechtigkeitsverstoß beiseite gewischt.“; Kaspar, GA 2022, 21 (31): Gerechtigkeit „uferlos und untauglich zur Grenzziehung“; Kubiciel, GA 2021, 380 (389): Gerechtigkeit „viel zu vage“; Lenk, StV 2022, 118 (123): „nebulöses Gerechtigkeitspostulat“. Abl. auch Neumann, in: FS Jung, S. 655 (663).
[41]    Grünewald, ZStW 120, 545 (574); Lenk, StV 2022, 118 (123); Priebernig, HRRS 2023, 156 (158).
[42]    Zutreffend Pohlreich, HRRS 2023, 140 (151): „grobe Verkennung der Unschuldsvermutung“; ebenso Frister/Müller, ZRP 2019, 101 (103); Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80 (83).
[43]    Pabst, ZIS 2010, 126 (131).
[44]    Pohlreich, HRRS 2023, 140 (151).
[45]    Hoven, JZ 2021, 1154 (1158).
[46]    Hoven, JZ 2021, 1154 (1158).
[47]    So auch Hoven, JZ 2021, 1154 (1159).
[48]    Hoven, JZ 2021, 1154 (1158).
[49]    Letzgus, in: FS Geppert, S. 785 (794): „Vertrauen des freigesprochenen Mörders“.
[50]    Bezeichnend ein Text des „Bundearbeitskreis Christlich Demokratischer Juristen“ (BACDJ): „Dem Vertrauen des freigesprochenen Mörders (Hervorh. v. Verf.) in den Bestand des Urteils…“ (…) “Der Freispruch eines mehrfachen Mörders (Hervorh. v. Verf.) kann ebenso gegen das Rechtsempfinden der Allgemeinheit verstoßen, wie die Verurteilung eines in Wahrheit Unschuldigen“.
[51]    So Tatjana Hörnle, in deren Text (GA 2022, 184 ff.) die Unschuldsvermutung mit keinem Wort erwähnt wird.
[52]    Hoven, JZ 2021, 1154 (1158): „Der Freispruch eines Angeklagten, der die Tat tatsächlich begangen hat …“; „(…) einen zu Unrecht erfolgten Freispruch …“.
[53]    Anschaulich spricht Kubiciel, GA 2021, 380 (381) von „Störgefühl“.
[54]    Aust/Schmidt, ZRP 2020, 251 (254); Grübl, ZJS 2022, 1 (9); Kaspar, GA 2022, 21 (35).
[55]    Hoven, JZ 2021, 1154 (1159); Kaspar, GA 2022, 21 (35).
[56]    Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80 (81).
[57]    Anders aber Letzgus, in: FS Geppert, S. 785 (794), der sich sogar zu der Aussage versteigt, der Rechtsfrieden werde durch einen ungerechtfertigten Freispruch „in mindestens ebenso starkem Maße“ beeinträchtigt wie durch die Verurteilung eines Unschuldigen; ähnlich Grünewald, ZStW 120 (2008), 545 (568).
[58]    Frister/Müller, ZRP 2019, 101 (103); Hoven, JZ 2021, 1154 (1161); Leitmeier, StV 2021, 341 (343); Neumann, in: FS Jung, S. 655 (663); Pohlreich, HRRS 2023, 140 (151); Ruhs, ZRP 2021, 88 (90).
[59]    Scherzberg/Thiée, ZRP 2008, 80 (83); ein abschreckendes Beispiel lieferte bereits vor einem Vierteljahrhundert der Text von Stoffers, ZRP 1998, 173 (177), wo mit Blick auf § 362 Nr. 4 StPO dem „trotz Vorliegens neuer erdrückender Schuldbeweise weiterhin die Tatbegehung“ leugnenden rechtskräftig freigesprochenen „Täter“ (!) der „weniger verschlagene und weniger abgebrühte Täter, der von Gewissensbissen geplagt wird und die Tat schließlich eingesteht“, gegenübergestellt wird.
[60]    Letzgus, in: FS Geppert, S. 785 (794): „Rechtsfrieden in der Bevölkerung“.
[61]    Zutreffend identifiziert Priebernig, HRRS 2023, 156 (161) die Emotionalität des kollektiven Gerechtigkeitsverlangens: „Rechtsgefühl der Gesellschaft“. Ähnlich Frister/Müller, ZRP 2019, 101 (103): „emotionalisierter Begriff der Unerträglichkeit“; Lenk, StV 2022, 118 (123): „Beschwörung eines gemeinschaftlichen Rechtsgefühls der Gerechtigkeit“; Pabst, ZIS 2010, 126 (131): „Sehnsucht nach materieller Gerechtigkeit“; Schiffbauer, NJW 2021, 2097: „Volkes Zorn sollte besänftigt werden“, „Emotionalisierung des Rechts“.
[62]    Pohlreich, HRRS 2023, 140 (141).
[63]    Pabst, ZIS 2010, 126 (131): „Verfahren mit Vorverurteilung“; ähnlich Pohlreich, HRRS 2023, 140 (151): „Schuldspruch ohne Verhandlung“.

 

 

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