Verbesserung des Schutzes vor sexueller Belästigung

Gesetzentwürfe: 

 

Am 24. Oktober 2024 hat das Land Niedersachsen einen Gesetzesantrag zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Belästigung in den Bundesrat eingebracht. Sexuelle Belästigung in Form des als so häufig bezeichneten „Catcalling“ sei nach zahlreichen Studien und Umfragen ein weiterverbreitetes Phänomen, das hauptsächlich Menschen aus dem LGBTQIA+-Personenkreis betreffe. Untersuchungen hätten gezeigt, dass diese Form der Belästigung erhebliche Auswirkungen auf die Lebensgestaltung und die psychische Gesundheit der Betroffenen habe. Der Begriff „Catcalling“ könne unangemessen verniedlichend empfunden werden und es sei zudem herabwürdigend, Betroffene mit Katzen gleichzusetzen. Insofern sei der Begriff zu vermeiden und die erfassten Verhaltensweisen sachlich als nichtkörperliche Belästigung zu bezeichnen. Auch eine solche Form der Belästigung könne in erheblichem Maße das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung verletzen, sei sie auch nach derzeitiger Rechtslage nicht strafbar. Die hohe Anzahl an Fällen mache es unmöglich, sie als Ordnungswidrigkeit zu ahnden, zumal die nicht körperliche Belästigung aktuell weder von § 118 OWiG, noch von § 119 OWiG erfasst werde. Eine Strafbarkeit wegen Beleidigung komme nach der Rechtsprechung des BGH im Einzelfall nur durch das Hinzutreten besonderer Umstände unter Würdigung des Gesamttatgeschehens in Betracht (vgl. BGH, Beschl. v. 16.2.2012 – 3 StR 13/12, NStZ-RR 2012, 206). Gleichwohl seien „Äußerungen wie diejenigen, über die der BGH zu entscheiden hatte, in höchstem Maße sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Bevölkerung unerträglich“, so der Entwurf. Daher seien derartige verbale oder vergleichbare nonverbale nichtkörperliche Belästigungen unter Strafe zu stellen. Als Vergleich zieht das Land Niedersachsen die Straftatbestände in den Niederlanden (Art. 429ter Wetboek van Strafrecht), Portugal (Art. 170 Codigo Penal), Belgien (Loi tendant à lutter contre le sexisme dans l’espace public et modifiant la loi du 10 mai 2007 tendant à lutter contre la discrimination entre les femmes et les hommes afin de pénaliser l’acte de discrimination) und in Frankreich (Art. 621-1 Code Penal – jedenfalls Verhängung einer Geldbuße) heran. Die aufgezeigte Strafbarkeitslücke sei auch in Deutschland zu schließen. Der Tatbestand soll dabei so eng gefasst werden, dass er nur tatsächlich strafwürdige Fälle erfasst. Das Erreichen der Erheblichkeitsschwelle sei jedoch nur im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen. „Je nach Fallkonstellation dürfte jedoch ein einfaches sexuell motiviertes Anstarren oder ein isoliertes sexuell konnotiertes Erzeugen von Kuss- oder Pfeifgeräuschen regelmäßig nicht vom Tatbestand umfasst sein.“

Dem bisherigen § 184i Abs. 1 StGB soll daher ein neuer Absatz 1 vorangestellt werden:

„Wer eine andere Person in sexuell bestimmter Weise verbal oder nonverbal erheblich belästigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wenn nicht die Tat in anderen Vorschriften dieses Abschnitts mit schwererer Strafe bedroht ist.“ 

Am 22. November 2024 hat sich der Bundesrat in seiner Plenarsitzung erstmals mit dem Gesetzesantrag Niedersachsens beschäftigen und ihn im Anschluss an die Sitzung zur weiteren Beratung an den federführenden Rechtsausschuss überwiesen. Zum Thema Catcalling siehe auch: Eisele, KriPoZ 2023, 230 ff.; Schmidt, KriPoZ 2023, 235 ff.; Greven/Goede/Brodtmann, KriPoZ 2022, 371 ff.; Hoven/Rubitzsch/Wiedmer, KriPoZ 2022, 175 ff.; Gemmel/Immig, KriPoZ 2022, 83 ff.

 

 

Neunundvierzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht

Neunundvierzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Umsetzung europäischer Vorgaben zum Sexualstrafrecht vom 21. Januar 2015: BGBl I 2015 Nr. 2, S. 10

Gesetzgebungsverfahren:

Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD – Drucksache 18/2601 – und zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 18/2954 –: BT Drs. 18/3202

 

Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung

Fünfzigstes Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 4. November 2016: BGBl. I 2016 Nr. 52, S. 2460 ff.
 

Gesetzgebungsverfahren:

  • Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 15. März 2016: BT Drs. 18/8210
  • Referentenentwurf des BMJV vom 14. Juli 2015
  • Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes zur Änderung des Sexualstrafrechts – Gesetzesentwurf einzelner MdB sowie der Fraktion DIE LINKE: BT Drs. 18/7719
  • Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Verbesserung des Schutzes vor sexueller Misshandlung und Vergewaltigung – Gesetzentwurf einzelner MdB und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT Drs. 18/5384

Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 162/1/16

Stellungnahme des Bundesrates: BR Drs. 162/16 (B)

Stellungnahme der Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung: BT Drs. 18/8626

Eckpunktepapier zur Reform des Sexualstrafrechts – mit dem Grundsatz „Nein heißt Nein“

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz: BT Drs. 18/9097

Entschließung des Bundesrates zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung durch grundlegende Reform des Sexualstrafrechts: BR Drs. 91/16 (B)

 

Anlagen:

 

Am 5.7.2016 haben die Mitglieder des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz dem Entwurf der Bundesregierung in geänderter Fassung zugestimmt. Die geänderte Fassung weicht erheblich vom ursprünglichen Regierungsentwurf ab und greift Vorschläge des Eckpunktepapiers mit auf. Am 7.7.2016 hat der Bundestag in zweiter und dritter Lesung das Gesetz in der veränderten Fassung beschlossen.

Gemeinsames Anliegen aller Gesetzesentwürfe ist, zu einem besseren Schutz der Opfer beizutragen. Gemeinsam ist den Entwürfen das Bestreben, den jetzigen Zustand teilweiser Straffreiheit des Täters zu ändern und Schutzlücken zu schließen. Breite Zustimmung hat eine Lösung, die sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen einer Person generell unter Strafe stellt.
Am 1.6.2016 fand im Rechtsausschuss des Bundestages eine öffentliche Anhörung von sieben Sachverständigen statt. Die Stellungnahmen der Sachverständigen sind hier abrufbar. Außerdem legten SPD- und CDU-Abgeordnete zu dieser Sitzung ein Eckpunktepapier vor. In diesem Papier wird die „Nein heißt Nein“-Lösung favorisiert. Im Gegensatz zu den Gesetzesentwürfen wird im Eckpunktepapier auch das „Grabschen“ sowie Übergriffe aus einer Gruppe heraus unter Strafe gestellt. Die Koalition hat sich am 16.6.2016 darauf geeinigt, die in diesem Eckpunktepapier genannten Änderungen in den bisherigen Regierungsentwurf einzuarbeiten.

Einen kritischen Blick auf die geplanten Änderungen der §§ 177, 179 StGB wirft Prof. Dr. Hörnle in KriPoZ 2016, 19 ff. , die am 1.6.2016 auch als Expertin im Rechtsausschuss des Bundestages gehört worden ist.

Am 23.09.2016 hat auch der Bundesrat die Reform des Sexualstrafrechts gebilligt. Das Gesetz wurde dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorgelegt und ist am 10. November 2016 in Kraft getreten. Mit der Neufassung des § 177 Abs. 1 StGB n.F. wird damit die sogenannte Nichteinverständnislösung Bestandteil der Rechtsordnung. Strafbar machen sich zukünftig Personen, die sexuelle Handlungen gegen den erkennbaren Willen vornehmen oder vornehmen lassen. Darüber hinaus werden mit § 177 Abs. 2 StGB n. F. im Wesentlichen Tathandlungen unter Strafe gestellt, bei denen das Opfer keinen entgegenstehenden Willen bilden oder äußern kann bzw. ein zuvor erklärtes „Ja“ keine Wirksamkeit entfaltet. Zudem werden zukünftig auch sexuelle Belästigungen durch den §184i StGB n.F. strafbare Handlungen. Mit § 184j StGB n.F. stellt der Gesetzgeber bei Betroffenheit der §§ 177 und 184i StGB künftig Straftaten aus der Gruppe heraus unter Strafe.

Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch

Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch: Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil II Nr. 2, ausgegeben zu Bonn am 27. Januar 2015

 

Gesetzgebungsverfahren:

Entwurf eines Gesetzes zu dem Übereinkommen des Europarats vom 25. Oktober 2007 zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch

Beschlussempfehlung und Bericht zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 18/3122 –: BT Drs. 18/3437

 

Artikel 36 der Istanbul-Konvention umsetzen – Bestehende Strafbarkeitslücken bei sexueller Gewalt und Vergewaltigung schließen

  • Antrag einzelner MdB sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT Drs. 18/1969

 

Anlagen:

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