Referentenentwurf zur zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung

Gesetzentwürfe: 

Am 22. November 2023 hat das BMJ einen Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung auf den Weg gebracht. Ziel der Richtlinie ist es, eine Definition für terroristische Straftaten zu schaffen. Zudem soll die Ein- und Rückreise aus Risikogebieten für ausländische terroristische Kämpfer („Foreign Terrorist Fighters“) als strafbare Handlung eingestuft werden und die Terrorismusfinanzierung ebenfalls umfassend unter Strafe gestellt werden.

Obwohl Deutschland mit den Tatbeständen der §§ 129a, 129 StGB und §§ 89a, 89b und 89c StGB „gut aufgestellt“ sei, habe die Europäische Union Defizite in der Umsetzung der Terrorismusrichtlinie gerügt. Diesen soll nun mit dem Gesetzentwurf begegnet werden.

Dazu werden § 89a und § 89c StGB wie folgt geändert:

  • „In § 89a Abs.1 StGB wird definiert, was unter einer terroristischen Straftat zu verstehen ist und der Straftatenkatalog wird ausgeweitet. Damit werden die Vorgaben des Artikels 3 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung umgesetzt. § 89a Abs.2 StGB wird um den Tatbestand der Einreise als Straftat im Zusammenhang mit terroristischen Aktivitäten ergänzt und damit Artikel 9 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung umgesetzt. In § 89a Abs. 2a StGB wird eine Versuchsstrafbarkeit normiert, um den Anforderungen des Artikels 14 Abs. 3 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung Rechnung zu tragen. In § 89a Abs. 2b StGB wird die versuchte Anstiftung zu einer terroristischen Straftat pönalisiert und damit die Vorgaben des Artikels 6 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung umgesetzt.
  • 89c StGB wird um bestimmte Handlungen erweitert, deren Finanzierung den Tatbestand einer Terrorismusfinanzierung erfüllt und damit werden die Vorgaben des Artikels 11 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung umgesetzt. Ebenso wird in § 89c Abs. 8 StGB eine Versuchsstrafbarkeit eingeführt, um den Voraussetzungen des Artikels 14 Abs. 3 der Richtlinie Terrorismusbekämpfung nachzukommen.“

Erste Stellungnahmen zum Referentenentwurf finden Sie hier. Am 8. Mai hat das Bundeskabinett den vorgelegten Entwurf beschlossen. Am 5. Juli 2024 nahm der Bundesrat zu dem Entwurf Stellung (BR-Drs. 240/24 (B)). 

Am 23. September 2024 haben sich zahlreiche Sachverständige im Rahmen einer öffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zu den geplanten Änderungen geäußert. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Hierbei wurde der Entwurf von den Sachverständigen unterschiedlich bewertet. Während die Umsetzung der europäischen Richtlinie als notwendig erachtet wurde, haben sich insbesondere die Sachverständigen aus dem rechtswissenschaftlichen Bereich gegenüber den Ergänzungen kritisch geäußert. Das Vorhaben expandiere den strafrechtlich relevanten Bereich  zu weit und ist insoweit dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ausgesetzt. Insbesondere Prof. Dr. Katharina Beckemper (Universität Leipzig) und Dr. Anneke Petzsche (Humboldt-Universität zu Berlin) bewerteten den Entwurf differenziert. Während beide die Vorlage grundsätzlich begrüßten und Beckemper betonte, dass der Entwurf den Vorgaben des europäischen Rechts entspreche, so kritisierten beide die erhebliche Vorverlagerung der (Versuchs-)Strafbarkeit. Petzsche hob hervor, dass sich die gesetzlichen Veränderungen an rechtsstaatlichen Grundsätzen messen lassen müssen. Prof. Dr. Arndt Sinn von der Universität Osnabrück schloß sich diesen Erwägungen grundsätzlich an, sah jedoch einige der Änderungen schon nicht unionsrechtlich determiniert. Von der Einführung dieser Vorschriften sollte dahingehend abgesehen werden. Zudem regt Sinn an, die Regelungsstruktur des § 89a StGB zu überdenken – und ggf. an die Richtlinienstruktur anzupassen. Prof. Dr. Mark A. Zöller von der LMU München konstatiert, dass bei der Ausgestaltung des deutschen Terrorismusstrafrecht bereits vor der Aushandlung der EU-Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung im Jahre 2017 Fehler einzugestehen sind. Die viel zu weite Vorverlagerung der Strafbarkeit in das Vorfeld terroristischer Verhaltensweisen sei mit dem deutschen Strafrechtssystem nur schwerlich in Einklang zu bringen. RA Stefan Conen aus Berlin will erkennen, dass alle Stellungnahmen der Sachverständigen von Zweifeln an der Vereinbarkeit des Gesetzentwurfs mit den Grundlagen des deutschen Strafrechts geprägt sind; jedoch könne die Diskussion um das Terrorismusstrafrecht allein auf europäischer Ebene geführt werden, da es sich bei der Richtlinie um zwingende europäische Vorgaben handele. Zwar lasse der Entwurf erkennen, dass eine über den europarechtlichen Vorgaben hinausgehende Ausdehnung der Strafbarkeit vermieden werden wollte, jedoch gelinge dies dem Entwurf nicht. Conen appellierte insoweit, dass der Entwurf an keiner Stelle über das für die Umsetzung Notwendige hinausgehen sollte.

Die als Sachverständigen eingeladenen Praktiker begrüßten weitgehend die vorgeschlagenen Änderungen. Dirk Peglow (BRK) attestierte dem Entwurf großes Potenzial, bisherige Lücken in der Strafverfolgung zu schließen; insbesondere die Konkretisierung und Erweiterung des Katalogs terroristischer Straftaten sei zu begrüßen. Anders als die Stimmen aus der Rechtswissenschaft erachtete es Peglow als sachgerecht, die Vorfeldstrafbarkeit weiter auszudehnen. Durch die Änderungen könnte terroristische Vorfeldaktivität besser erkannt und verfolgt werden. Alexander Poitz, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, sah es als zwingend notwendig, dass die Sicherheitsbehörden personell gestärkt und mit weitergehenden, wirksamen Befugnissen ausgestattet werden. Hierbei betonte Poitz, dass aus strafrechtlicher Perspektive insbesondere die Terrorismusfinanzierung stärker bekämpft werden müsse. Eine ähnliche Stoßrichtung wies auch die Stellungnahme von Wolfram Nettersheim, Staatsanwaltschaft beim BGH, auf. Dieser sprach sich in seiner Stellungnahme für eine Ausweitung der (Vorfeld-)Strafbarkeit im Bereich der terroristisch-motivierten Verhaltensweisen aus. Nettersheim begrüßte insbesondere die Einführung einer einheitlichen Definition einer terroristischen Straftat. Gleichzeitig warnte Nettersheim, dass die materiell-strafrechtlichen Gesetzesänderungen nur von Belang seien, wenn mit ihnen auch neue strafprozessuale Ermächtigungen eingeführt werden. Dr. Andreas Schmidtke, Richter am OLG Düsseldorf, begrüßte den Entwurf uneingeschränkt; dass nunmehr die bestehenden Umsetzungsdefizite geschlossen werden sei positiv zu bewerten. Jedoch müssten die vorgeschlagenen Änderungen des Strafgesetzbuches punktuell nachgebessert werden; Schmidtke sah durch die Ausweitung der Vorfeldstrafbarkeit die Grenzen der Legitimität staatlichen Strafens teilweise überschritten. Die strafprozessualen Änderungen begegnen dagegen durchgreifenden Bedenken. Insoweit müsse sichergestellt werden, dass die prozessualen Befugnisse und die materiellrechtlichen Strafbarkeiten nicht auseinanderfallen.

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