Einführung einer Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten in der Strafprozessordnung

Gesetzentwürfe: 

 

Das BMJ hat am 25. Oktober 2022 einen Referentenentwurf zur Einführung einer Sicherungsanordnung für Verkehrsdaten in der StPO auf den Weg gebracht. Nachdem das OVG Münster bereits 2017 die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung einstweilig ausgesetzt hatte (OVG NRW – 13 B 238/17) entschied der EuGH mit Urteil vom 20. September 2022 (C-793/19 und C-794/19, siehe KriPoZ 5/2022, 379 ff.), dass die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung nicht mit dem Unionsrecht vereinbar sei. Aufgrund höchstrichterlicher Vorgaben ist eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsdatenspeicherung demnach nicht möglich. Als alternative Lösung sieht der Referentenentwurf daher eine anlassbezogene Sicherung von Verkehrsdaten für einen festgelegten Zeitraum vor, so wie es der EuGH in seinem Urteil vom 20. September 2022 ausgeführt hatte. 

Die gegen das Unionsrecht verstoßenden Regelungen der §§ 175 bis 181 TKG und § 100g Abs. 2 StPO sollen aufgehoben und ein neu gefasster § 100g Abs. 5 StPO eingeführt werden: 

„(5) Auch ohne das Wissen des Betroffenen darf angeordnet werden, dass die in § 175 Absatz 1 Satz 1 des Telekommunikationsgesetzes bezeichneten Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste die bei der Nutzung des Dienstes bereits erzeugten oder verarbeiteten sowie künftig anfallenden Verkehrsdaten unverzüglich zu sichern haben (Sicherungsanordnung), wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine in Absatz 1 bezeichnete Straftat begangen worden ist, und soweit die Verkehrsdaten für die Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten von Bedeutung sein können. Die Erhebung der nach Satz 1 gesicherten Daten erfolgt nach den Absätzen 1 und 3.“

Das Ermittlungsinstrument einer Sicherungsanordnung soll anlassbezogen zur Verfolgung von erheblichen Straftaten (insbes. eine in § 100a Abs. 2 StPO bezeichnete Tat) und auf Anordnung eines Richters zulässig sein, sofern die Verkehrsdaten für die Erforschung des Sachverhalts oder des Aufenthaltsorts eines Beschuldigten von Bedeutung sind und die Erhebung der Verkehrsdaten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. Dabei sollen nur die bei den Telekommunikationsdienstleistern ohnehin bereits vorhandenen und künftig anfallenden Verkehrsdaten gesichert werden („Quick-Freeze“). Für eine begrenzte Zeit stünden diese Daten schließlich den Strafverfolgungsbehörden für eine Auswertung zur Verfügung. Flankiert wird die „Quick-Freeze-Regelung“ von Folgeänderungen im TKG, in der TKÜV, im BKAG, im ZFdG und in der EGStPO. 

Nach einem langen Stillstand hat das BMJ nun am 24. Oktober 2024 erneut einen Referentenentwurf auf den Weg gebracht, nachdem die Vorratsdatenspeicherung wiederholt Gegenstand der EuGH Rechtsprechung war (Urt. v. 30. April 2024, „La Quadrature du Net u. a. II – Hadopi“, C-470/21; Urt. v. 8. April 2024, „Digital Rights“, C-293/12 und C-594/12 u.v. 6. Oktober 2020, „La Quadrature du Net u.a.“, C-511/18, C-512/18 und C-520/18). Der Entwurf sieht vor, in § 100g StPO einen Absatz 6 einzufügen, der ein Ermittlungsinstrument für bereits vorhandene und künftig anfallende Verkehrsdaten einführt:

„ (6) Auch ohne das Wissen des Betroffenen darf angeordnet werden, dass Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste, bei denen es sich nicht um nummernunabhängige interpersonelle Telekommunikationsdienste handelt, die bei der Nutzung des Dienstes bereits erzeugten oder verarbeiteten und noch vorhandenen sowie künftig anfallenden Verkehrsdaten unverzüglich zu sichern haben (Sicherungsanordnung), wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine in Absatz 1 oder Absatz 1a bezeichnete Straftat begangen worden ist, und soweit die Verkehrsdaten für die Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten von Bedeutung sein können. Die Erhebung der nach Satz 1 gesicherten Daten erfolgt nach den Absätzen 1, 1a und 3.“

Wie schon im Entwurf aus 2022 soll die Sicherung der Daten anlassbezogen und zur Verfolgung erheblicher Straftaten möglich sein, „soweit die Verkehrsdaten für die Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsorts eines Beschuldigten von Bedeutung sein können. Ebenso ist ein Richtervorbehalt vorgesehen.

Am 13. November 2024 hat der Bundesrat ebenfalls einen Gesetzentwurf zur Einführung einer Mindestspeicherungsfrist von IP-Adressen für die Bekämpfung schwerer Kriminalität auf den Weg gebracht. Ihm voraus ging eine Gesetzesinitiative des Landes Hessen (nähere Informationen dazu finden Sie hier). Er schlägt eine einmonatige Speicherung von IP-Adressen samt eventuell vergebener Port-Nummern zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität vor. „Eine weitergehende und eingriffsintensivere Verpflichtung zur zusätzlichen Mindestspeicherung von Standortdaten bei mobiler Internetnutzung ist nicht vorgesehen. Auch auf eine anlasslose Speicherung zum Zwecke der Gefahrenabwehr wird verzichtet, zumal ein entsprechender Abruf von den Polizeigesetzen der Länder überwiegend nicht vorgesehen ist.“ Die Möglichkeit einer anlassbezogenen Sicherungsanordnung (Quick-Freeze) werde von der Mehrheit der Strafrechtspraxis als ineffizient betrachtet und sei daher abzulehnen. Auch die diskutierte anlassbezogene Erhebung von Login-IP-Adressen („Login-Falle“) sei keine Alternative, da eine solche Maßnahme bereits nach §§ 100g, 100k StPO möglich sei. Unter anderem soll § 176 Abs. 1 TKG wie folgt geändert werden:

„(1) Die in § 175 Absatz 1 Genannten sind verpflichtet,

1. die dem Endnutzer für eine Internetnutzung zugewiesene Internetprotokoll-Adresse der Quelle einer Verbindung,

2. eine eindeutige Kennung des Anschlusses, über den die Internetnutzung erfolgt, eine zugewiesene Benutzerkennung sowie eine gegebenenfalls zugewiesene Port-Nummer, sofern diese für die Identifikation des Endnutzers erforderlich ist, und

3. Datum und Uhrzeit von Beginn und Ende der Internetnutzung unter der zugewiesenen Internetprotokoll-Adresse unter Angabe der zugrundeliegenden Zeitzone zum Zwecke der Bekämpfung schwerer Kriminalität für einen Monat im Inland zu speichern.“

 

 

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