KriPoZ-RR, Beitrag 59/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 09.07.2020 – 1 BvR 2067/17: Sog. Rocker-Kuttenverbot aus §§ 9 Abs. 3, 20 Abs. 1 Satz 2 VereinsG ist verfassungsgemäß

Leitsatz der Redaktion:

Das Verbot des Verwendens von Kennzeichen verbotener Vereine stellt zwar einen erheblichen Eingriff in die Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) dar, ist jedoch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführer, drei lokale „Chapter“ größerer Rockerclubs (MC Gremium, Hells Angels und Bandidos MC) sowie in den beiden letzten Fällen deren Mitglieder, haben sich gegen das Zweite Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 10. März 2017 gewendet. Sie sehen sich durch das Kennzeichenverbot in ihren Grundrechten aus Art. 9 Abs. 1 GG und Art. 5 Abs. 1 GG sowie Art. 14 Abs. 1 GG verletzt.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG beschloss, die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung anzunehmen. Teilweise seien sie unzulässig und soweit sie zulässig seien, unbegründet.

Die Beschwerden der Vereinigungen gegen die Strafnorm seien bereits unzulässig, da die Vereinigungen als solche nicht straffähig seien. Die Beschwerden gegen das Kennzeichenverbot an sich genügten nicht den Anforderungen an die Subsidiarität, da zunächst fachgerichtlicher Rechtsschutz im Wege einer Feststellungsklage hätte ersucht werden müssen.

Zu messen sei das Verbot überwiegend an Art. 9 Abs. 1 GG, da die Selbstdarstellung und das Namensrecht vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG umfasst seien und ein Kennzeichenverbot in diesen Schutzbereich eingreife. Darüber hinaus könne das Tragen eines bestimmten Kennzeichens bei Privatpersonen auch die Äußerung einer Meinung nach Art. 5 Abs. 1 GG darstellen.

Der Eingriff in das Vereinigungsverbot sei jedoch verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.

Einzige ausdrückliche Einschränkungsmöglichkeit des Grundrechts sei zwar das Vereinsverbot, allerdings knüpfe das Kennzeichenverbot nur formell an dieses an und diene letztlich der effektiven Durchsetzung eines solchen Verbots. Dies sei ein legitimes Ziel der Regelung.

Die Regelung fördere diesen Zweck auch, da bei der möglichen Weiterverwendung des Kennzeichens durch beispielsweis eine Schwesterorganisation, das Vereinsverbot leerlaufen würde. Damit sei die Reglung zur Zweckerreichung geeignet.

Ebenfalls bejaht das BVerfG die Erforderlichkeit, da weniger eingriffsintensive aber gleich effektive Maßnahmen nicht ersichtlich seien.

Schließlich sei die Regelung auch angemessen. Zwar stelle die Vorschrift einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Mitglieder dar, da diese sich letztlich nicht mehr nach außen der Vereinigung zugehörig und verbunden zeigen könnten, allerdings sei eine private Verwendung weiterhin erlaubt, solange diese in der Öffentlichkeit und bei Versammlungen nicht erfolge.

Zudem seien die angedrohten Strafen nicht besonders hoch und das Tatgericht könne im Einzelfall sogar von einer Bestrafung absehen und das Vereinsverbot, welches dem Kennzeichenverbot vorausgehe, sei nur unter sehr hohen Voraussetzungen und zum Schutz von Rechtsgütern hervorgehobener Bedeutung (präventiver Verfassungsschutz).

Auch das Übermaßverbot sei nicht verletzt, da es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers liege, wann er ein Verhalten als strafbar ansehe. Im vorliegenden Fall sei dies erst recht unproblematisch, da das Kennzeichenverbot nur zur Durchsetzung des unter strengen Voraussetzungen stehenden Vereinsverbots diene.

Auch ein Eingriff in Art. 5 Abs. 1 GG sei nach diesen Erwägungen gerechtfertigt, so das BVerfG.

Das Grundrecht auf Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 GG werde zwar ebenfalls durch das Verbot verkürzt, da bestimmte bedruckte Eigentumsobjekte nicht mehr in der Öffentlichkeit verwendet werden dürfen, allerdings sei auch dieser Eingriff gerechtfertigt, weil die bewirkte Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne der Sozialbindung des Eigentums und aus oben genannten Erwägungen verhältnismäßig sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

Das Zweite Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes finden Sie hier.

Den KriPoZ-RR Beitrag zum Beschluss des BVerfG zur Verfassungsmäßigkeit des Verbots des Gremium Motorcycle Club finden Sie hier.

Der KriPoZ-RR, Beitrag 49/2020 beschäftigt sich mit den Anforderungen an den Vorsatz für eine Strafbarkeit nach § 20 VereinsG.

 

 

 

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