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KriPoZ-RR, Beitrag 11/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 02.07.2019 – 1 BvR 1099/16: Verbot des Vereins Gremium Motorcycle Club und seiner Ortsgruppen ist verfassungsgemäß

Leitsätze der Redaktion:

  1. Die Merkmale der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 VereinsG sind weit auszulegen und umschreiben im Einklang mit Art. 9 Abs. 1 und 2 GG den Begriff der Vereinigung.
  2. Ein formaler konstitutiver Akt ist für eine Einordnung als Verein nicht erforderlich. Es genügt eine faktische Unterwerfung unter eine Organisationsstruktur, die eine organisierte Willensbildung ermöglicht.
  3. Eine einzelne strafrechtliche Verurteilung ist keine notwendige Voraussetzung für den Verbotstatbestand des Art. 9 Abs. 2 Var. 1 GG, sie kann aber für eine Rechtfertigung genügen, wenn sie hinreichend schwer wiegt.

Sachverhalt:

Das Bundesministerium des Innern hat den Regionalverband Gremium Motorcycle Club Sachsen und seine Ortsgruppen mit Verfügung vom 28. Mai 2013 verboten, weil Zweck und Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderliefen. Dieses Verbot ist vom BVerwG am 7. Januar 2016 bestätigt worden.

Nach den Feststellungen des BVerwG kam es zu einem versuchten Tötungsdelikt durch die Mitglieder der Ortsgruppen, welches sich auch für den Regionalverband erkennbar als Clubangelegenheit herausstellte. Dennoch habe es der Beschwerdeführer unterlassen Sanktionen gegenüber den beteiligten Mitgliedern zu verhängen.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.

Die vom Beschwerdeführer gerügten Verletzungen von Art. 103 GG und Art. 9 Abs. 1 GG seien teils unzulässig und teils unbegründet.

Die Rüge einer Verletzung von Art. 103 GG sei nicht hinreichend substantiiert begründet und damit unzulässig.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Einwand, der Regionalverband sei als Beschwerdeführer fingiert worden, um alle Ortsgruppen verbieten zu können, sei zudem nicht tragfähig, so das BVerfG. Die Merkmale der Legaldefinition eines Vereins aus § 2 Abs. 1 VereinsG seien eine verfassungsgemäße Umschreibung der Vereinigung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 GG und weit auszulegen, um den Schutz des Art. 9 Abs. 2 GG vor einem Verbot auf möglichst viele Vereinigungen zu erstrecken.

Aufgrund dieser weiten Auslegung genüge schon eine faktische Unterwerfung unter eine autoritäre Organisationsstruktur, die eine organisierte Willensbildung ermögliche, um als Verein zu gelten. Ein formaler konstitutiver Akt sei nicht erforderlich. Diese faktische Unterwerfung habe das BVerwG nachvollziehbar in dem Verhältnis zwischen den Ortsverbänden und dem Regionalverband festgestellt, z.B. anhand der Wahl eines Regionalsprechers und der Abhaltung von Regionalversammlungen.

Inhaltlich sei das Verbot durch Art. 9 Abs. 1 Var. 1 GG gerechtfertigt, wenn Zweck oder Tätigkeit der Vereinigung den Strafgesetzen zuwiderliefen, wenn also Organe, Mitglieder oder auch Dritte Strafgesetze verletzen und dies der Vereinigung zuzurechnen sei, weil sie erkennbar für die Vereinigung aufträten und diese das zumindest billige, oder weil die Begehung durch die Vereinigung bewusst hervorgerufen oder bestärkt, ermöglicht oder erleichtert werde.

Der tatsächliche Nachweis einer konkreten von der Vereinigung geplanten oder gebilligten Tat sei nicht erforderlich. An strafrechtliche Verurteilungen sei das Vereinigungsverbot als eigenständiges präventives Mittel des Verfassungsschutzes gerade nicht gebunden. Es genüge, dass das Tatgericht feststelle, dass die Führungspersonen der Vereinigung in den Entscheidungsprozess miteinbezogen gewesen seien. Dies habe das BVerwG im vorliegenden Fall nachvollziehbar begründet.

Grundsätzlich sei es jedoch möglich, dass eine einzelne Straftat ein Verbot der Vereinigung rechtfertige, wenn diese hinreichend schwer wiege und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleibe.

Anmerkung der Redaktion:

Die Pressemitteilung des BVerfG finden Sie hier.

 

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