KriPoZ-RR, Beitrag 26/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier. Die Pressemitteilung vom 16.2.2023 finden Sie hier. Die Pressemitteilung vom 26.1.2023 ist hier verfügbar.

BGH, Urt. v. 16.2.2023 – 4 StR 211/22: Zur subjektiven Tatseite bei verbotenen Kraftfahrzeugrennen 

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Der Angeklagte und der frühere Mitangeklagte verabredeten sich, um ein Kraftfahrzeugrennen im Stadtgebiet durchzuführen. Auf der Gegenfahrspur beschleunigte der Angeklagte und erreichte eine Maximalgeschwindigkeit von 167 km/h. Als die Geschädigte mit ihrem Pkw unter Missachtung der Vorfahrt in die Straße einbog, führte der Angeklagte eine Vollbremsung durch und versuchte auszuweichen. Die Fahrzeuge kollidierten, woraufhin die Geschädigte im Krankenhaus verstarb. Vom LG Kleve wurde der Angeklagte wegen Mordes in Tateinheit mit verbotenem Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge verurteilt. Der BGH hob auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurück. Das LG Kleve hat daraufhin den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge verurteilt. Die Verurteilung wegen eines vollendeten Tötungsdeliktes verneinte das LG. Ein bedingter Tötungsvorsatz habe nicht vorgelegen. Hiergegen legten die Staatsanwaltschaft und Nebenkläger Rechtsmittel ein. 

Entscheidung des BGH:

Die Revisionen, die allein das Ziel einer Verurteilung des Angeklagten wegen eines vollendeten Tötungsdeliktes hatten, haben Erfolg. Rechtsfehlerhaft habe das LG Kleve das Vorliegen eines bedingten Tötungsvorsatzes verneint. Die Ausführungen des LG zur Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes ständen „in einem unaufgelösten Spannungsverhältnis“ zu den Erörterungen, die das LG zur Bejahung eines bedingten Gefährdungsvorsatzes i.S.d. § 315d Abs. 2 StGB anführt. Zwar habe es zutreffend das Wissenselement des bedingten Tötungsvorsatzes bejaht. Das voluntative Element sei jedoch mit der Begründung verneint worden, weil der Angeklagte darauf vertraut habe, dass es „letztlich nicht zu einem Zusammenstoß“ kommen werde. Der bedingte Gefährdungsvorsatz i.S.d. § 315d Abs. 2 StGB sei hingegen mit der Begründung bejaht worden, dass der Angeklagte „insbesondere mit der Möglichkeit gerechnet [hat], dass andere Verkehrsteilnehmer plötzlich aus den angrenzenden Straßen auftauchen.“ Diese Ausführungen stehen im Widerspruch, so der Senat und führen zur Aufhebung des Urteils. 

Die Sache wird ur neuer Verhandlung und Entscheidung, diesmal an das LG Duisburg verwiesen.

KriPoZ-RR, Beitrag 23/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 26.10.2022 – 4 StR 248/22: Mitinsassen als Tatobjekte verbotener Kraftfahrzeugrennen

Sachverhalt:

Das LG Berlin hat den Angeklagten wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß §§ 315c Abs. 1 Nr. 2 lit. b und d, 315d Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 und 5 StGB  zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und Einziehungs- sowie Entscheidungen zur Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis getroffen. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 286 km/h hat der Angeklagte mit drei weiteren im Pkw befindlichen Personen eine Straße befahren, deren Höchstzulassungsgeschwindigkeit zwischen 30 bis 50 km/h lag. Die hiermit einhergehenden Gefahren nahm der Angeklagte dabei billigend in Kauf. Im weiteren Verlauf kollidierte das Fahrzeug mit einem Baum, wobei die Mitfahrer tödlich verletzt wurden. Der Angeklagte hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt. 

Entscheidung des BGH:

Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.  Eine vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs konnte der Strafsenat nicht feststellen. Zu einem hierfür erforderlichen  „Beinahe-Unfall“ sei es im ersten Streckenabschnitt nicht gekommen. Keine Rechtsfehler weise hingegen die Entscheidung des LG Berlin bezüglich der Verurteilung wegen verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge auf. Der Strafsenat führt aus, dass Insassen des Fahrzeugs sowohl Tatobjekte i.S.d. § 315c Abs. 1 StGB sein können als auch gemäß § 315d Abs. 2 und 5 StGB. Der persönliche Schutzbereich umfasse „andere Menschen“ insoweit diese keine Tatbeteiligten nach § 28 Abs. 2 StGB darstellen. Hierdurch sollen Strafbarkeitslücken vermieden werden, die aufgrund der unzureichenden Sanktionierung der Beteiligung an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen entstanden waren, erörtert der Senat unter Verweis auf Rechtsprechung und Literatur. 

Voluntatives Vorsatzelement und psychologisches Schuldmoment – Die Diskussion um die sog. „Raser-Fälle“ als Ausdruck einer sich wandelnden Strafkultur?

von Prof. Dr. Carsten Momsen

Beitrag als PDF Version

Abstract
Die sog. „Raser-Fälle“ werfen ein Schlaglicht auf die gegenwärtige Kultur der Strafrechtspflege in Deutschland sowie ihre Wahrnehmung im In- und Ausland. Sie zeigen, wie Strafrecht instrumentalisiert werden, aber zugleich auch selbst bereit sein kann, sich instrumentalisieren zu lassen. Obwohl von den Rasern statistisch (!) nur eine geringe Gefährdung ausgeht, ist es interessierten Diskursteilnehmern u.a. in Politik, Presse, Strafverfolgung gelungen, ein geradezu groteskes Bedrohungsszenario zu zeichnen.

weiterlesen …

Zur Bedeutung der Eigengefährdung für das Vorliegen von bedingtem Tötungsvorsatz bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr

 

BGH, Urt. v. 1.3.2018 – 4 StR 399/17 – LG Berlin

Beitrag als PDF Version 

1. Zur Bedeutung der Eigengefährdung für das Vorliegen von bedingtem Tötungsvorsatz bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr (amtl. Ls.).

2. Bei riskanten Verhaltensweisen im Straßenverkehr, die nicht von vornherein auf die Verletzung einer anderen Person oder die Herbeiführung eines Unfalls angelegt sind, kann eine vom Täter als solche erkannte Eigengefährdung dafür sprechen, dass er auf einen guten Ausgang vertraut hat. Dementsprechend muss sich der Tatrichter beim Vorliegen einer solchen Konstellation einzelfallbezogen damit auseinandersetzen, ob und in welchem Umfang aus Sicht des Täters aufgrund seines Verhaltens eine Gefahr (auch) für seine eigene körperliche Integrität drohte (Ls. der Schriftlg.).

weiterlesen …

Lebensgefährliches Verhalten im Straßenverkehr

von Prof. Dr. Jörg Eisele

Beitrag als PDF Version

I. Einleitung

Vor Kurzem ist die Strafvorschrift des § 315d StGB in Kraft getreten, die verbotene Kraftfahrzeugrennen unter Strafe stellt.[1] Anlass waren zunehmende Berichte über Unfälle im Zusammenhang mit illegalen Autorennen in der sog. Raser-Szene.[2] So wurden etwa im Kölner Raser-Fall, bei dem eine Radfahrerin getötet wurde, die Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung zu Freiheitsstrafen von zwei Jahren sowie einem Jahr und neun Monaten verurteilt, wobei die Vollstreckung der Freiheitsstrafen zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Urteil, das inzwischen vom Bundesgerichtshof aufgehoben wurde,[3] rief erhebliche Empörung hervor. Hingegen fand die Verurteilung der Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe durch das LG Berlin[4], bei dem ein unbeteiligter Autofahrer getötet wurde, jedenfalls  in Politik und breiter Öffentlichkeit viel Beifall. Damit ist das Thema meines heutigen Vortrages auch schon eingegrenzt, das demnach nur einen kleinen Ausschnitt lebensgefährlicher Verhaltensweisen im Straßenverkehr zum Gegenstand hat und sich auf die neu geschaffene Strafvorschrift des § 315d StGB konzentrieren möchte.

weiterlesen …

Lebensgefährliches Verhalten im Straßenverkehr – Was man aus den Raser-Fällen für eine lex ferenda zu Vorsatz und Fahrlässigkeit lernen kann – Kommentar zum Beitrag von Prof. Dr. Jörg Eisele

von RiOLG Prof. Dr. Tonio Walter

Beitrag als PDF Version

I. Von Ameisen und Elefanten

Mein Kommentar zu Jörg Eiseles Vortrag wird ein wenig so verfahren wie jener Biologiestudent, der sich für eine mündliche Prüfung allein auf das Thema „Ameise“ vorbereitet hatte und dann gefragt wurde, was er über den Elefanten wisse? Antwort: „Der Elefant ist ein sehr großes Tier! Ganz im Gegensatz zur Ameise. Und zur Ameise muss man unbedingt das Folgende wissen …“ Ich werde also zum neuen § 315d StGB, den Jörg Eisele behandelt hat, nur wenig sagen – und dann etwas längere Ausführungen zu einem Thema machen, das in den Raser-Fällen, vor allem dem des LG Berlin[1], die Hauptrolle gespielt hat, doch über diese Fälle hinaus von allgemeinem Interesse ist: der bedingte Vorsatz, das heißt seine Definition und seine Strafbarkeit im geltenden Recht sowie in einer lex ferenda.

weiterlesen …

Strafrechtliche Grenzziehung für Kraftfahrzeugrennen

von Felix Dahlke und Prof. Dr. Klaus Hoffmann-Holland

Beitrag als PDF Version

Abstract
Vor dem Hintergrund massenmedial vielbeachteter Fälle hat der Bundesrat einen Gesetzentwurf zur strafrechtlichen Erfassung illegaler Kraftfahrzeugrennen beschlossen. Ins StGB sollen neben einem abstrakten Gefährdungsdelikt auch zwei neue konkrete Gefährdungsdelikte eingeführt werden. Während die Regelungs“lücke“ für die konkreten Gefährdungsdelikte recht klein ist, irritiert beim abstrakten Gefährdungsdelikt der (zu weitgehende) Strafrahmen. Zentraler Kritikpunkt ist indes ein Mangel in der Bestimmtheit der Norm. Es genügt nicht, einfach den Begriff des Kraftfahrzeugrennens aus § 29 Abs. 1 StVO in einen Straftatbestand zu überführen. Damit werden zum einen nur dessen Unklarheiten ins Strafrecht importiert. Zum anderen wird dabei auch nicht hinreichend beachtet, dass die Bestimmtheitsanforderungen im Strafrecht höher sind als im Ordnungswidrigkeitenrecht. Der komplexe Begriff des Kraftfahrzeugrennens bedarf eines geeigneten sprachlichen Kontextes, um die Norm bestimmt und systematisch stimmig zu formulieren.

weiterlesen …

Unsere Webseite verwendet sog. Cookies. Durch die weitere Verwendung stimmen Sie der Nutzung von Cookies zu. Informationen zum Datenschutz

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen.
Wenn Sie diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwenden oder auf "Akzeptieren" klicken, erklären Sie sich damit einverstanden.

Weitere Informationen zum Datenschutz entnehmen Sie bitte unserer Datenschutzerklärung. Hier können Sie der Verwendung von Cookies auch widersprechen.

Schließen