Referentenentwurf zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation

Gesetzentwürfe: 

Das BMJ hat am 18. Dezember 2023 einen Referentenentwurf zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation veröffentlicht.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:
„Der Einsatz von V-Personen zur Strafverfolgung erfordert im Rechtsstaat eine besondere Sensibilität. Eine gesetzliche Regelung gibt es bis heute nicht, dabei ist sie dringend geboten. Erkenntnisse aus verschiedenen NSU-Untersuchungsausschüssen, dem Anschlag auf den Breitscheidplatz und auch jüngere Fälle aus der Praxis zeigen: es gibt einen konkreten praktischen Bedarf für eine gesetzliche Grundlage mit klaren Regeln für den Einsatz von V-Personen. Die Regelungen geben den Beamtinnen und Beamten Rechtssicherheit und zeigen zugleich die roten Linien des Rechtsstaats auf. Mit dem Entwurf zeigen wir, dass rechtsstaatliche Sicherungen möglich sind, ohne die grundsätzliche Effektivität der Maßnahmen einzuschränken.“

Der Einsatz von Verdeckten Ermittlern und von Vertrauenspersonen bewege sich in einem Spannungsverhältnis zwischen effektiver Strafverfolgung und rechtsstaatlich gebotener Transparenz und Kontrolle. Um der grundrechtlichen Sensibilität des Einsatzes von V-Personen gerecht zu werden, sollen nun konkrete Regelungen geschaffen werden, da der Einsatz von Vertrauenspersonen im Gegensatz zu Verdeckten Ermittlern bislang lediglich auf die Ermittlungsgeneralklausel des § 163 Abs. 1 S. 2 StPO gestützt wird. Berücksichtigt werden sollen dabei auch kollidierende staatliche Geheimhaltungsinteressen und gerichtliche Aufklärungspflichten beim Schutz der Identitäten von Vertrauenspersonen. Ebenso ohne Regelung sind derzeit die Voraussetzungen für eine rechtmäßige sowie die Folgen für eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation durch Verdeckte Ermittler und V-Personen.

Folgende Regelungen sieht der Referentenentwurf daher vor:

  • Der Einsatz von V-Personen wird gesetzlich normiert und ihre Einsätze einer effektiven, richterlichen Kontrolle zugänglich gemacht, um auch der grundrechtlichen Sensibilität des Einsatzes von V-Personen gerecht zu werden. Hierzu werden flankierend Berichtspflichten eingeführt.
  • Die Regelungen zum Kernbereichsschutz (§ 100d Abs. 1 und 2 StPO) für Verdeckte Ermittler werden unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BVerfG angepasst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.12.2022 – 1 BvR 1345/21) und auf V-Personen erstreckt.
  • Es soll festgelegt werden, wer grundsätzlich überhaupt als Vertrauensperson eingesetzt werden darf, wie die Einsätze beendet werden und wann Angaben über die V-Personen geheim gehalten werden dürfen. Staatliche Geheimhaltungsinteressen können hier mit gerichtlichen Aufklärungspflichten kollidieren.
  • Geregelt werden außerdem die Voraussetzungen eines zulässigen Verleitens zu einer Straftat und die strafprozessualen Folgen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation.

Gewährspersonen und Informanten fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Neuregelungen. Sie bieten nur punktuelle Unterstützung bei den Ermittlungen und werden nicht von den Strafverfolgungsbehörden angeleitet.

Am 13. März 2024 hat die Bundesregierung ihren Regierungsentwurf in den Bundestag eingebracht. Erste Stellungnahmen finden Sie hier

 

Anpassung der Mindeststrafe des § 184b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 StGB

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

Öffentliche Stellungnahme im Rechtsausschuss am 10. April 2024: 

  • Prof. Beate Haake, Kinderschutzbund Bundesverband e.V.
  • Dr. Oliver Piechaczek, Deutscher Richterbund 
  • PD Dr. Anja Schmidt, Goethe-Universität Frankfurt a.M.
  • Maja Wegener, Bundesarbeitsgemeinschaft 

Zum Referentenentwurf:

 

 

 

 

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 51/23

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Leitsätze der Redaktion:

  1. Auch das Bereitstellen eines Servers bzw. eine Tätigkeit als Webhoster kann eine mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB darstellen, insb. greift keine Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG.

  2. Die bloße Kenntnis von Straftaten genügt auch bei Cyber-Straftaten nicht für den Gehilfenvorsatz.

Sachverhalt:

Nach den Feststellungen des LG betrieben die acht Angeklagten in einem NATO-Bunker auf einem ehemaligen Militärgelände im rheinland-pfälzischen Traben-Trarbach ein hochgesichertes Rechen- und Datenverarbeitungszentrum. Diese IT-Infrastruktur stellten sie insbesondere Betreibern illegaler Handelsplattformen im Internet gegen Entgelt zur Verfügung, wobei die technische Ausstattung auf eine anonyme, vor staatlichem Zugriff geschützte Nutzung ausgerichtet war. Die Beschuldigten wussten, dass die von ihnen vermieteten Server überwiegend zur Begehung von Straftaten im Internet, insbesondere zum Handel mit Betäubungsmitteln über Online-Handelsplattformen, genutzt wurden.

Entscheidung des BGH:

Der Schuldspruch des LG wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) hielt der Überprüfung durch den BGH weitgehend stand. Der Senat hat die Schuldsprüche klarstellend dahin präzisiert, dass die Angeklagten jeweils der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer auf die Begehung besonders schwerer Straftaten gerichteten kriminellen Vereinigung schuldig sind. Den Einwand der Angeklagten, ihre Tätigkeit als Webhoster sei wegen der Haftungsprivilegierung des § 10 TMG in Verbindung mit der E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union nicht strafbar, hat der BGH als nicht durchgreifend angesehen. Ein Gehilfenvorsatz hinsichtlich der mittels der Server begangenen Straftaten liege jedoch nach zutreffender Auffassung des LG nicht vor. Insbesondere bestehe kein Anlass, die Anforderungen an die Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes speziell für Computerstraftaten herabzusetzen, so der BGH.

 

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SONDERHEFT "NOTWEHRRECHT"

ALLGEMEINE BEITRÄGE

Einführung zum Sonderheft
von Prof. Dr. Elisa Hoven und Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

Notwehr und Notwehrexzess - Vorschlag einer neuen Formulierung der §§ 32, 33 StGB 
von Prof. Dr. Elisa Hoven und Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

Kommentar: Zur Nothilfe im Entwurf einer Neuregelung des § 32 StGB 
von Prof. Dr. Armin Engländer 

Kommentar zum Regelungsentwurf des § 33 E-StGB - Notwehrexzess und Putativnotwehrexzess 
von Prof. Dr. Anna H. Albrecht 

Versammlungsfreiheit und Notwehr 
Dogmatische Betrachtungen an der Schnittstelle von Verfassungsrecht und Strafrecht am Beispiel von Straßenblockaden durch Klimaaktivisten 

von Prof. Dr. Christian Ernst 

Der Wutbürger aus der Zweiten Reihe - Überlegungen zur Einschränkung des Notwehrrechts durch die Versammlungsfreiheit 
von Prof. Dr. Christian Rückert

Die Rechtswidrigkeit des Angriffs als Voraussetzung des Notwehrrechts 
von Prof. Dr. Volker Erb 

Das deutsche Notwehrrecht - Ein knapper Blick von außen 
von Prof. Dr. Felix Bommer 

Der neueste Stand des Reformvorschlags zur Notwehr
von Prof. Dr. Thomas Weigend 

ENTSCHEIDUNGEN/ANMERKUNGEN

BVerfG erklärt Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Freigesprochenen in § 362 Nr. 5 StPO für verfassungswidrig 
BVerfG, Urt. v. 30.10.2023 - 2 BvR 900/22

Anmerkung zur Entscheidung des BVerfG zu § 362 Nr. 5 StPO
von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

Die Rechtsprechung und der Widerstand mit Gewalt - Plädoyer gegen eine fortschreitende begriffliche Entkonturierung - Zugleich Besprechung von KG, NJW 2023, 2792 ("Letzte Generation")
von Prof. Dr. Fredrik Roggan 

BVerfG zu Gewicht und Reichweite der Forschungsfreiheit 
BVerfG, Beschl. v. 25.9.2023 - 1 BvR 2219/20

BUCHBESPRECHUNGEN

Ralf Kölbel (Hrsg.): Whistleblowing. Bd. 1. Stand und Perspektiven der empirischen Forschung 
von Prof. Dr. Anja Schiemann

Johannes Makepeace: Der Polygraf als Entlastungsbeweis
von Prof. Dr. Anja Schiemann 

TAGUNGSBERICHT

Das 7. Forum zum Recht der Inneren Sicherheit (FORIS)
von Ruben Doneleit und Isabella Klotz 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Einführung zum Sonderheft

Beitrag als PDF Version 

Der Allgemeine Teil des Strafgesetzbuchs regelt die grundlegenden Fragen strafrechtlicher Verantwortung. Trotz der besonderen Bedeutung des Allgemeinen Teils sind die gesetzlichen Regelungen rudimentär, und es bleibt weitestgehend der Rechtsprechung überlassen, die Voraussetzungen etwa für die objektive Zurechnung, den Vorsatz oder das Vorliegen von Garantenstellungen oder Sorgfaltspflichtverletzungen zu entwickeln. Auch mit Blick auf das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot sollte das Strafgesetzbuch jedoch den Anspruch haben, die wesentlichen Aspekte des Allgemeinen Teils ausdrücklich zu normieren.

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Notwehr und Notwehrexzess – Vorschlag einer neuen Formulierung der §§ 32, 33 StGB

von Prof. Dr. Elisa Hoven und Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

Beitrag als PDF Version 

Abstract
Der in diesem Beitrag vorgestellte Entwurf eines neu formulierten Notwehrrechts war Gegenstand und Grundlage einer lebhaften Diskussion, die im Rahmen einer Online-Tagung stattgefunden hat. Neben den Mitgliedern des Kriminalpolitischen Kreises, die zum Teil an der Erstellung des Gesetzesentwurfes mitgearbeitet hatten, waren weitere Experten und Interessierte beteiligt. Daraus resultierten wertvolle kritische Anmerkungen, die von der Arbeitsgruppe dankbar aufgenommen und umgesetzt wurden.

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Kommentar zum Regelungsentwurf des § 33 E-StGB – Notwehrexzess und Putativnotwehrexzess

von Prof. Dr. Anna H. Albrecht 

Beitrag als PDF Version 

Abstract
Der Text analysiert den Gesetzesentwurf des Kriminalpolitischen Kreises zur Regelung des Notwehrexzesses und des Putativnotwehrexzesses, veröffentlicht unter Hoven/Mitsch in GA 2023, S. 241 ff., ausgehend vom aktuellen Diskussionsstand in Rechtsprechung und Literatur. Im Schwerpunkt widmet er sich dem Anwendungsbereich des Regelungsvorschlags, insbesondere der Reichweite des intensiven Notwehrexzesses, der Erfassung des extensiven Notwehrexzesses sowie den Voraussetzungen eines entschuldigenden Putativnotwehrexzesses. Er beruht auf einem Kommentar, den die Verfasserin im Juni 2023 auf dem Online-Workshop „Ein neues Konzept der Notwehr“ des kriminalpolitischen Kreises gehalten hat. Der Vortragsstil wurde beibehalten.

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Versammlungsfreiheit und Notwehr – Dogmatische Betrachtungen an der Schnittstelle von Verfassungsrecht und Strafrecht am Beispiel von Straßenblockaden durch Klimaaktivisten

von Prof. Dr. Christian Ernst 

Beitrag als PDF Version 

Abstract
Straßenblockaden von Klimaaktivisten stellen in aller Regel Versammlungen gemäß Art. 8 GG dar. Gehen dadurch beeinträchtige Verkehrsteilnehmer gegen die Versammlungsteilnehmer vor, wird eine Einordnung als Notwehr nach § 32 StGB diskutiert. Der Beitrag untersucht das Verhältnis zwischen den Voraussetzungen der Notwehr und den versammlungsrechtlichen Befugnissen der Versammlungsbehörde. Ob es sich beim Versammlungsgeschehen um eine Nötigung handelt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Insgesamt zeigt sich bei diesen Betrachtungen, dass das Instrument der Notwehr strukturelle Defizite aufweist, die es als nicht geeignet für die verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Grundrechtsausgleich erscheinen lassen.

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