Markus Schreiber: Strafbarkeit politischer Fake News. Zugleich eine Untersuchung zum materiell-rechtlichen Umgang mit der Informationswahrheit in Zeiten demokratiegefährdender Postfaktizität

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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2022, Verlag Duncker & Humblot, ISBN: 978-3-428-18434-7, S. 343, Euro 89,90.

Im Mittelpunkt der Dissertation von Schreiber steht die Beobachtung, dass die Bürger in vielen Demokratien westlicher Prägung im heutigen Informationszeitalter vermehrt zu postfaktischen Denk- und Kommunikationsmustern tendieren. Diese Postfaktizität äußere sich in einer Abwendung von der demokratisch-konstitutiven Informationswahrheit bzw. zumindest in einer diesbezüglichen Gleichgültigkeit. Ziel der Arbeit sei es daher zu untersuchen, ob und falls ja, auf welche Art und Weise es Aufgabe des Rechts ist, dieser soziologischen Tendenz unter dem Gesichtspunkt des Demokratieschutzes entgegenzutreten.

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Alexander Ilsner: Psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren. Vom Anliegen zum Rechtsanspruch

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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2021, Nomos, ISBN: 978-3-8487-8280-2, S. 374, Euro 98,00.

Die psychosoziale Prozessbegleitung war vor der Einfügung des § 406g StPO im Dezember 2019 nur in § 406 Abs. 1 Nr. 5 StPO a.F. erwähnt und wurde lediglich in einigen Bundesländern praktiziert. Insofern ist es verdienstvoll, sich intensiv mit dieser jungen Vorschrift aber auch der Rechtsstellung des psychosozialen Prozessbegleiters im Straf- und Zivilverfahren auseinanderzusetzen.

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KriPoZ-RR, Beitrag 43/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 20.6.2023 – 5 StR 67/23: Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB bei jedem zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatobjekts erfüllt

Leitsatz der Redaktion:

Das Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB liegt bei jedem zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatobjekts vor. Ausreichend ist demnach, dass der Täter seine verbale Drohung dadurch unterstreicht, dass er das Werkzeug für das Tatopfer deutlich sichtbar hält und er sich dessen bewusst ist.

Sachverhalt:

Der Angeklagte wurde vom LG Berlin wegen schwerer räuberischer Erpressung gem. §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl gem. §§ 242, 22, 23 StGB verurteilt. Nach den Feststellungen des LG suchte der Angeklagte nachts zusammen mit dem Zeugen M. einen Imbiss auf, in dem sich der dort beschäftigte Zeuge G befand. Auf Grundlage eines gemeinsamen Tatplans hielt der Angeklagte dem Zeugen G gut sichtbar einen – zum Zweck des Aufbrechens eines Spielautomaten – mitgebrachten Schraubendreher entgegen, ohne diesen dabei zu bewegen. Er forderte ihn auf, ihm Bargeld aus der offenen Kasse übergeben. Dabei war dem Angeklagten bewusst, dass er einen Widerstand des Zeugen G durch den Einsatz des Schraubendrehers als Drohmittel oder gegen den Körper überwinden könnte. G entnahm der Kasse mindestens 150 Euro und überreichte sie dem Angeklagten, der das Geld an den Zeugen M weitergab.

Anschließend hebelte der Angeklagte im Nebenraum einen Spielautomaten auf und entnahm diesem eine durch ein Schloss gesicherte Geldkassette mit der Intention das darin enthaltene Geld zu behalten. Durch einen ausgelösten Alarm wurde ein Polizeibeamter auf die Situation aufmerksam. Während eines Gerangels zwischen dem Angeklagten und dem Polizeibeamten, ergriff der Zeuge M mit dem Bargeld die Flucht, während die Geldkassette verschlossen im Imbiss verblieb.

Entscheidung des BGH:

Die Revision der Staatsanwaltschaft war erfolgreich. Das LG habe nicht erkannt, dass weitere Qualifikationsmerkmale in den beiden Geschehensabschnitten erfüllt waren.

Im ersten Geschehensabschnitt sei zusätzlich das Merkmal des Verwendens eines gefährlichen Werkzeugs nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB verwirklicht. Aufgrund seiner objektiven Beschaffenheit sei ein Schraubendreher dazu geeignet erhebliche Verletzungen hervorzurufen, sodass er ein gefährliches Werkzeug i.S.d. Vorschrift darstelle. Der Senat führt weiter aus, dass für ein Verwenden jeder zweckgerichtete Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatobjekts ausreiche.  Im zuvor geschilderten Fall sieht der BGH das Qualifikationsmerkmal bereits dadurch erfüllt, dass der Täter das Werkzeug deutlich erkennbar in der Hand hielt und ihm bewusst war, dass der Zeuge G dies auch wahrnahm. Nicht erforderlich sei die Ankündigung oder Ausführung weiterer Hieb- oder Stichbewegungen in Richtung des Bedrohten. Entgegen der Ansicht des LG wurde der Schraubendreher daher als gefährliches Werkzeug verwendet.

Im zweiten Geschehensabschnitt liege darüber hinaus ein Diebstahl mit Waffen nach § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB vor. Für die Annahme dieses Qualifikationsmerkmals reiche bereits die mit dem Beisichführen einhergehende latente Gefahr des Gebrauchs aus. Weiterhin müsse der Täter das Werkzeug griffbereit haben oder sich seiner stets ohne einen nennenswerten Zeitaufwand bedienen können. Auch dies werde durch die Urteilsgründe belegt, so der BGH.

Alles Krise? – Zustände, Umwege, Auswege der Kriminologie – 4. Tagung des Netzwerks „Kriminologie in NRW“

von Jule Fischer, M.A.

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Vom 30. bis 31. März 2023 fand an der Universität zu Köln die 4. Tagung des Netzwerks „Kriminologie in NRW“[1] als Präsenzveranstaltung statt. Das Netzwerk besteht aus Kriminologinnen und Kriminologen in NRW, die in Praxis und Lehre tätig sind. Veranstaltet wurde die Tagung vom Institut für Kriminologie der Universität zu Köln. In 24 Panel- und zwei Plenarvorträgen wurde der Frage nachgegangen, inwieweit Krisen in den Forschungsbereich der Kriminologie hineinspielen. Corona, Klima oder Migration waren dabei nur einige Stichworte, die im Hinblick auf ihre kriminologische Relevanz untersucht wurden. Dabei stellten insbesondere Nachwuchswissenschaftler:innen aktuelle Forschungs- bzw. Promotionsprojekte vor. Der Inhaber des Lehrstuhls für Kriminologie und Strafrecht und Direktor des Instituts für Kriminologie Prof. Dr. Frank Neubacher M.A. begrüßte die etwa 90 Teilnehmenden. Flankiert wurde die Veranstaltung von der kurz zuvor erschienenen Polizeilichen Kriminalstatistik 2022. Die hierüber fehlende medial differenzierte Berichterstattung kritisierte Neubacher. Insbesondere in Bezug auf die Entwicklung von Kinder- und Jugendkriminalität sei ein langfristiger Vergleich wünschenswert.

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KriPoZ-RR, Beitrag 42/2023

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 17.1.2023 – 2 StR 459/21: Unterlassen durch zwei Garanten stellt keine gemeinschaftliche Tatbegehung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB dar

Amtlicher Leitsatz:

§ 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB setzt voraus, dass der Täter mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich die Körperverletzung begeht. Das ist bei einem Unterlassen durch zwei Garanten nicht der Fall.

Sachverhalt:

Die Angeklagten wurden vom LG Darmstadt wegen schwerer Misshandlung einer Schutzbefohlenen durch Unterlassen in Tateinheit mit einer gemeinschaftlichen gefährlichen Körperverletzung durch Unterlassen verurteilt. Ihnen wird vorgeworfen, ihre gemeinsame Tochter so sehr vernachlässigt zu haben, dass diese infolge einer längeren Mangelernährung in einen lebensbedrohlichen Zustand versetzt wurde.

Entscheidung des BGH:

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH kommt eine gemeinschaftliche Tatbegehung nach § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht in Betracht, wenn sich neben einem aktiv handelnden Täter eine andere Person passiv verhält. Der 2. Strafsenat zieht in dem oben beschriebenen Fall einen Erst-Recht-Schluss und argumentiert, dass auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung das Unterlassen von zwei Personen erst recht nicht die Anforderungen an eine gemeinschaftliche Begehung erfüllen kann.

Der Wortlaut der Norm („mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich“) gebe keinen Aufschluss hinsichtlich der Voraussetzungen, die an eine gemeinschaftliche Begehungsweise zu stellen sind. So könne der Ausdruck „gemeinschaftlich“ dahingehend gedeutet werden, dass eine Mittäterschaft nach § 25 Abs. 2 StGB vorliegen müsse, während der Begriff „Beteiligter“ dahingehend aufgefasst werden könne, dass ebenfalls eine Teilnahme (§ 28 Abs. 2 StGB) und zwar auch in der Konstellation eines Unterlassens in Betracht kommt.

Das o.g. Verständnis ergebe sich daher lediglich aus einer teleologischen Auslegung des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB, so der 2. Strafsenat. Ratio legis des Tatbestandsmerkmals der gemeinschaftlichen Begehungsweise sei die besondere Gefahr, welche aus einem Handeln mehrerer Personen hervorgeht, nämlich eine Einschränkung von Abwehr- und Fluchtoptionen sowie das Hervorrufen erheblicher Verletzungen. Diese spezifische Gefahr liege jedoch bei einem Unterlassen nicht vor.

 

Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafsachen

Verordnung (EU) 2023/1543 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2023 über Europäische Herausgabeanordnungen und Europäische Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel in Strafverfahren und für die Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach Strafverfahren: ABl. L 191/118

 

Verordnungsentwürfe: 

 

Der Fortschritt der Technologie führt dazu, dass sie auch immer häufiger für Straftaten eingesetzt wird. Strafverfolgungsbehörden sind daher zunehmend auf elektronische Beweismittel angewiesen um die entsprechenden Täter:innen ausfindig zu machen. Dies stellt sich jedoch kompliziert dar, wenn elektronische Beweismittel (bspw. E-Mails, SMS oder Inhalte aus Messaging Apps, audiovisuelle Inhalte oder Informationen über das Online-Konto eines Benutzers) im Ausland gespeichert sind. In 50 % der strafrechtlichen Ermittlungen ist ein grenzüberschreitendes Ersuchen erforderlich, um diese elektronischen Beweismittel zu erhalten. Die Europäische Kommission hat daher bereits 2018 einen Verordnungsvorschlag auf den Weg gebracht, der für einen verbesserten Zugang zu elektronischen Beweismitteln sorgen soll. Am 27. Juni 2023 hat der Europäische Rat den Verordnungsvorschlag angenommen. Die Verordnung über Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen ist in allen Mitgliedstaaten verbindlich und wird 36 Monate nach ihrem Inkrafttreten anwendbar. Mit ihr wird ein zusätzliches Instrument zur internationalen Zusammenarbeit und Rechtshilfe geschaffen, das einen schnellen, effizienten und wirksamen grenzüberschreitenden Zugang zu den Beweismitteln ermöglicht. Die Justizbehörden sollen diese direkt bei den Dienstanbietern mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstatt anfordern können. Die Diensteanbieter werden dann wiederum verpflichtet, innerhalb von 10 Tagen (in dringenden Fällen binnen 8 Stunden) zu antworten. Das Instrument der Europäischen Sicherungsanordung eröffnet die Möglichkeit, ausländische Diensteanbieter an einer Löschung der Daten zu hindern. So können die erforderlichen Informationen auch zu einem späteren Zeitpunkt von den Justizbehörden angefordert werden. Konkret bezieht sich die Herausgabe- und Sicherungsanordnung auf alle Datenkategorien, auch auf Teilnehmer-, Verkehrs- und Inhaltsdaten. Letztere können jedoch nur bei Straftaten, die im Anordnungsstaat mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens drei Jahren geahndet werden, oder bei bestimmten Straftaten in Verbindung mit Cyberkriminalität, Kinderpornografie, Fälschung im Zusammenhang mit unbaren Zahlungsmitteln oder Terrorismus angefordert werden.

Um eine Europäische Herausgabeanordnungen und Sicherungsanordnungen entgegennehmen zu können, müssen Diensteanbieter, die ihre Dienste innerhalb der EU anbieten, einen Vertreter:in bestellen oder eine Niederlassung benennen, der/die in der EU physisch anwesend ist und an den/die sich die Justizbehörden wenden können. Bei einer Nichteinhaltung sind Sanktionen (bis zu 2 % ihres gesamten weltweiten Jahresumsatzes im vorangegangenen Geschäftsjahr) vorgesehen, für die die Mitgliedstaaten verantwortlich sind. Für die Bestellung von benannten Niederlassungen und Vertreter:innen wird es eine gesonderte Richtlinie geben. 

Am 28. Juli 2023 wurde die E-Evidence-Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union verkündet. Sie gilt ab dem 18. August 2026. 

 

 

 

 

 

Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Übertragung von Verfahren in Strafsachen

Gesetzentwürfe: 

 

Im April 2023 hat das Europäische Parlament und der Rat einen Verordnungsvorschlag über die Übertragung von Verfahren in Strafsachen auf den Weg gebracht. 

Mit zunehmender grenzüberschreitender Kriminalität wird die Strafjustiz in der EU mit Zuständigkeitsproblemen konfrontiert. In dem einen Mitgliedsstaat erfolgt die Vorbereitung, in einem anderen wird die Tat begangen, im dritten Mitgliedsstaat werden die Täter:innen festgenommen, während die Taterträge bereits in einen vierten Staat verbracht werden. Dabei liegt die Herausforderung nicht nur bei einer mehrfachen  Verfolgung der Tat, sondern auch die Rechte und Interesse der einzelnen Protagonisten können beeinträchtigt sein. Angeklagte:r, Zeug:innen und Opfer müssen ggf. zu allen Verhandlungen in den einzelnen Ländern geladen werden. Dies soll die Verordnung nun unterbinden und verfolgt daher vier Ziele:

  1. „Verbesserung der effizienten und geordneten Rechtspflege in der EU,

  2. Verbesserung der Achtung der Grundrechte bei der Übertragung von Strafverfahren,

  3. Verbesserung der Effizienz und Rechtssicherheit bei Übertragungen von Strafverfahren und

  4. Ermöglichung der Übertragung von Strafverfahren in Fällen, in denen dies im Interesse der Gerechtigkeit liegt, aber derzeit zwischen den Mitgliedstaaten nicht möglich ist, und Verringerung des Phänomens der Straflosigkeit.“

Sie sieht vor, das Strafverfahren in dem Mitgliedsstaat durchzuführen, dass dafür am besten geeignet ist. Ein Entscheidungskriterium soll bspw. sein, in welchem Staat der größte Teil der Straftat begangen wurde. Genaueres ist in Kapitel 2 der Verordnung geregelt. 

Bislang wurde dergestalt keine Form der Zusammenarbeit in der EU praktiziert. Ein Übereinkommen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten über die Übertragung von Strafverfahren wurde 1990 unterzeichnet, aber nie ratifiziert. Die Zusammenarbeit beruht derzeit auf einer Vielzahl von Rechtsinstrumenten, eines davon ist das Europäische Übereinkommen über die Übertragung von Strafverfolgung vom 15. Mai 1972 und wurde nur von 13 Mitgliedstaaten ratifiziert. Daher greifen viele Staaten auf Art. 21 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 zurück, in dem das Übertragungsverfahren jedoch weitgehend ungeregelt ist. 

Der Verordnungsvorschlag beinhaltet 5 Kapitel: Kapitel 1 – Allgemeine Bestimmungen, Kapitel 2 – Übertragung von Strafverfahren, Kapitel 3 – Wirkungen der Übertragung von Strafverfahren, Kapitel 4 – Kommunikationsmittel, Kapitel 5 – Schlussbestimmungen. 

Am 16. Juni 2023 befasste sich erstmals der Bundesrat mit dem Verordnungsvorschlag. Die Ausschüsse hatten empfohlen entsprechend Stellung zu nehmen (BR Drs. 175/1/23). Ein dahingehender Beschluss konnte in der Plenarsitzung jedoch nicht gefasst werden (BR Drs. 175/23 (B)).

Eine erste Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins zum Verordnungsvorschlag finden Sie hier

 

 

 

 

 

 

Gesetz über künstliche Intelligenz – Artificial Intelligence Act

Gesetzentwürfe: 

 

Die Europäische Kommission hat am 21. April 2021 einen Entwurf für eine Verordnung zur Festlegung harmonisierter Vorschriften für künstliche Intelligenz vorgelegt. Ziel der Kommission ist es, einen einheitlichen Rechtsrahmen für vertrauenswürdige KI zu schaffen und dabei die KI-Systeme in Risikostufen zu klassifizieren, die je nach Anwendung in Bezug auf Sicherheit und Transparenz weiteren Regulierungen unterliegen. Eine genaue Darstellung des Verordnungsentwurfs finden Sie bei Engelhard/Schiemann, KriPoZ 2022, 444 ff

Ein unannehmbares Risiko ergibt sich für KI Systeme, wenn sie für Menschen eine Bedrohung darstellen können. Diese Systeme werden verboten und können nur ausnahmsweise zulässig sein. Dazu gehören z.B. kognitive Verhaltensmanipulationen von Menschen (bspw. Spielzeug, das sprachgesteuert ist und gefährdende Verhaltensweisen fördern kann), Klassifizierungen von Menschen durch Soziales Scoring oder biometrische Echtzeit-Identifizierungssysteme, wie die Gesichtserkennung. 

Hochrisiko-Systeme bilden die Gruppe, die für die Grundrechte, die Gesundheit oder die Sicherheit gefährdend sein können und werden vor Inverkehrbringen und während ihres Verwendungszyklus bewertet. Sie werden in zwei Kategorien eingeteilt:

I. Systeme, die in Produkten verwendet werden, die unter Produktsicherheitsvorschriften der Europäischen Union fallen (bspw. Fahrzeuge, medizinische Geräte, Luftfahrt) und

II. Systeme, die zwingend in einer EU-Datenbank registriert werden müssen, wenn sie in einer der acht Bereiche fallen:

  1. „Biometrische Identifizierung und Kategorisierung natürlicher Personen:

    a) KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für die biometrische Echtzeit- Fernidentifizierung und nachträgliche biometrische Fernidentifizierung natürlicher Personen verwendet werden sollen;

  2. Verwaltung und Betrieb kritischer Infrastrukturen:

    a) KI-Systeme, die bestimmungsgemäß als Sicherheitskomponenten in der Verwaltung und im Betrieb des Straßenverkehrs sowie in der Wasser-, Gas-, Wärme- und Stromversorgung verwendet werden sollen;

  3. Allgemeine und berufliche Bildung:

    a)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für Entscheidungen über den Zugang oder die Zuweisung natürlicher Personen zu Einrichtungen der allgemeinen und beruflichen Bildung verwendet werden sollen;

    b)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für die Bewertung von Schülern in Einrichtungen der allgemeinen und beruflichen Bildung und für die Bewertung der Teilnehmer an üblicherweise für die Zulassung zu Bildungseinrichtungen erforderlichen Tests verwendet werden sollen;

  4. Beschäftigung, Personalmanagement und Zugang zur Selbstständigkeit:

    a)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für die Einstellung oder Auswahl natürlicher Personen verwendet werden sollen, insbesondere für die Bekanntmachung freier Stellen, das Sichten oder Filtern von Bewerbungen und das Bewerten von Bewerbern in Vorstellungsgesprächen oder Tests;

    b)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für Entscheidungen über Beförderungen und über Kündigungen von Arbeitsvertragsverhältnissen, für die Aufgabenzuweisung sowie für die Überwachung und Bewertung der Leistung und des Verhaltens von Personen in solchen Beschäftigungsverhältnissen verwendet werden sollen;

  5. Zugänglichkeit und Inanspruchnahme grundlegender privater und öffentlicher Dienste und Leistungen:

    a)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß von Behörden oder im Namen von Behörden verwendet werden sollen, um zu beurteilen, ob natürliche Personen Anspruch auf öffentliche Unterstützungsleistungen und -dienste haben und ob solche Leistungen und Dienste zu gewähren, einzuschränken, zu widerrufen oder zurückzufordern sind;

    b)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für die Kreditwürdigkeitsprüfung und Kreditpunktebewertung natürlicher Personen verwendet werden sollen, mit Ausnahme von KI-Systemen, die von Kleinanbietern für den Eigengebrauch in Betrieb genommen werden;

    c)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß für die Entsendung oder Priorisierung des Einsatzes von Not- und Rettungsdiensten, einschließlich Feuerwehr und medizinischer Nothilfe, verwendet werden sollen;

  1. Strafverfolgung:

    a)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß von Strafverfolgungsbehörden für individuelle Risikobewertungen natürlicher Personen verwendet werden sollen, um das Risiko abzuschätzen, dass eine natürliche Person Straftaten begeht oder erneut begeht oder dass eine Person zum Opfer möglicher Straftaten wird;

    b)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß von Strafverfolgungsbehörden als Lügendetektoren und ähnliche Instrumente oder zur Ermittlung des emotionalen Zustands einer natürlichen Person verwendet werden sollen;

    c)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß von Strafverfolgungsbehörden zur Aufdeckung von Deepfakes gemäß Artikel 52 Absatz 3 verwendet werden sollen;

    d)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß von Strafverfolgungsbehörden zur Bewertung der Verlässlichkeit von Beweismitteln im Zuge der Ermittlung oder Verfolgung von Straftaten verwendet werden sollen;

    e)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß von Strafverfolgungsbehörden zur Vorhersage des Auftretens oder erneuten Auftretens einer tatsächlichen oder potenziellen Straftat auf der Grundlage des Profils natürlicher Personen gemäß Artikel3 Absatz4 der Richtlinie (EU)2016/680 oder zur Bewertung von Persönlichkeitsmerkmalen und Eigenschaften oder vergangenen kriminellen Verhaltens natürlicher Personen oder von Gruppen verwendet werden sollen;

    f)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß von Strafverfolgungsbehörden zur Erstellung von Profilen natürlicher Personen gemäß Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie (EU)2016/680 im Zuge der Aufdeckung, Ermittlung oder Verfolgung von Straftaten verwendet werden sollen;

    g)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß zur Kriminalanalyse natürlicher Personen eingesetzt werden sollen und es den Strafverfolgungsbehörden ermöglichen, große komplexe verknüpfte und unverknüpfte Datensätze aus verschiedenen Datenquellen oder in verschiedenen Datenformaten zu durchsuchen, um unbekannte Muster zu erkennen oder verdeckte Beziehungen in den Daten aufzudecken;

  2. Migration, Asyl und Grenzkontrolle:

    a)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß von zuständigen Behörden als Lügendetektoren und ähnliche Instrumente oder zur Ermittlung des emotionalen Zustands einer natürlichen Person verwendet werden sollen;

    b)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß von zuständigen Behörden zur Bewertung eines Risikos verwendet werden sollen, einschließlich eines Sicherheitsrisikos, eines Risikos der irregulären Einwanderung oder eines Gesundheitsrisikos, das von einer natürlichen Person ausgeht, die in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einzureisen beabsichtigt oder eingereist ist;

    c)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß von zuständigen Behörden zur Überprüfung der Echtheit von Reisedokumenten und Nachweisunterlagen natürlicher Personen und zur Erkennung unechter Dokumente durch Prüfung ihrer Sicherheitsmerkmale verwendet werden sollen;

    d)  KI-Systeme, die bestimmungsgemäß zuständige Behörden bei der Prüfung von Asyl- und Visumanträgen sowie Aufenthaltstiteln und damit verbundenen Beschwerden im Hinblick auf die Feststellung der Berechtigung der den Antrag stellenden natürlichen Personen unterstützen sollen;

8. Rechtspflege und demokratische Prozesse:

a) KI-Systeme, die bestimmungsgemäß Justizbehörden bei der Ermittlung und Auslegung von Sachverhalten und Rechtsvorschriften und bei der Anwendung des Rechts auf konkrete Sachverhalte unterstützen sollen.“

Generative Foundation-Modelle müssen bestimmte Transparenzanforderungen erfüllen. So muss bspw. die Gestaltung der KI verhindern, dass illegale Inhalte erzeugt werden können. Bei einem lediglich begrenzten Risiko müssen lediglich minimale Transparenzanforderungen erfüllt werden, die den Nutzer in die Lage versetzen, selbst entscheiden zu können, ob er die KI weiter verwenden möchte. 

Am 14. Juni 2023 haben die Abgeordneten über die Vorlage abgestimmt und den Kompromisstext angenommen. In der Folge beginnen die Gespräche mit den EU-Mitgliedstaaten über die endgültige Fassung des Gesetzes. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Gesetz gegen digitale Gewalt

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

 

 

 

 

 

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