Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen

Gesetzentwürfe:

Die Fraktion CDU/CSU hat einen Gesetzentwurf zur Verbesserung des Opferschutzes, insbesondere für Frauen und verletzliche Personen in den Bundestag eingebracht. Er wurde am 4. Juli 2024 in erster Lesung debattiert und im Anschluss an den federführenden Rechtsausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Nach Ansicht der Fraktion habe der Staat die Verpflichtung, verletzliche Personen besonders zu schützen. In den vergangenen Jahren nahm die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt immer mehr zu. Sie betrifft alle Formen körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt – also beispielsweise Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung – und umfasst familiäre sowie partnerschaftliche Gewalt, bei der am häufigsten Frauen betroffen sind. Die Dunkelziffer sei hoch, weil viele Betroffenen eine Anzeige scheuten. Dies zeige eine Dunkelfeldbefragung des LKA Niedersachsen zu verschiedenen Kriminalitätsformen mit Schwerpunktsetzung von Paarbeziehungen. Es sei davon auszugehen, dass jede dritte Frau in Deutschland „mindestens einmal imLeben Opfer von Gewalt wird und jede vierte Frau Gewalt im Zusammenhang mit ihrer Partnerschaft erlebt.“ Viele Fälle seien von einer Eskalationsspirale gekennzeichnet. Zu ihrer Durchbrechung sei eine bessere Durchsetzung und „Überwachung von Näherungsverboten durch den Einsatz einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung“ nötig. Auf diese Wiese möchte die Fraktion Täter häuslicher Gewalt sowie Stalker stoppen. Sich an Schwachen, Hilflosen und Wehrlosen zu vergreifen, sei niederträchtig und feige, werde aber gerade nicht bei Mord, beim schweren Raub und der gefährlichen Körperverletzung berücksichtigt. Daher sieht der Gesetzentwurf vor, bei der gefährlichen Körperverletzung, dem schweren Raub und bei Mord als neues Qualifikations- bzw. Mordmerkmal „unter Ausnutzung der körperlichen Überlegenheit“ einzufügen, um Gewalttaten zum Nachteil von Kindern, Frauen, Senioren und Menschen mit Behinderungen angemessen zu bestrafen. Flankierend soll § 211 StGB sprachlich angepasst werden.

Außerdem soll angepasst werden:

  • Strafrahmen für Gruppenvergewaltigungen: die gemeinschaftliche Tatbegehung soll in § 177 Abs. 8 StGB verschoben werden, womit sie eine Mindeststrafe von 3 bis 5 Jahre Freiheitsstrafe erhält
  • ungewollte Schwangerschaft soll als Tatfolge zur Qualifikation in § 177 Abs. 7 StGB hinzugefügt werden
  • § 223 StGB soll eine Mindeststrafe von 3 Monaten erhalten (für geringfügige Taten soll ein minder schwerer Fall eingefügt werden)
  • Ahndung von Körperverletzungen mittels einer Waffe oder eines Messers als Verbrechen, gleichzeitige Anhebung des Strafrahmens auf ein Jahr bis zu 15 Jahren Freiheitsstrafe 
  • die Höchststrafe der Nachstellung soll auf 5 Jahre erhöht und der Katalog der besonders schweren Fälle erweitert werden, so dass gegen Täter, die zugleich einer in § 4 S. 1 GewSchG bezeichneten (vollstreckbaren) Anordnung oder Verpflichtung zuwiderhandeln, auch die Anordnung der Untersuchungshaft wegen Wiederholungsgefahr (§ 112a Abs. 1 Nr. 1 StPO) möglich wird
  • Einführung der „elektronischen Fußfessel“ im GewSchG
  • Erhöhung der Höchststrafe nach dem GewSchG von 2 auf 5 Jahre
  • Angleichung der Voraussetzungen für die Anordnung einer audiovisuellen Vernehmung nach § 247a StPO für minderjährige Zeugen an die Voraussetzungen der Entfernung des Angeklagten aus dem Sitzungssaal nach § 247 StPO 

 

Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten

Gesetzentwürfe: 

 

Am 5. Juli 2024 brachte das BMJ einen Referentenentwurf zur Stärkung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten und Rettungskräften sowie sonstigen dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten auf den Weg. Angriffe auf diesen Personenkreis seien von Verrohungstendenzen geprägt, die gravierende Auswirkungen haben können. Dabei seien nicht nur die individuellen Folgen für die Opfer in den Blick zu nehmen, denn solche Angriffe beeinträchtigen die Funktionsfähigkeit des Gemeinwesens gravierend und erschüttern den gesellschaftlichen Zusammenhalt, so der Entwurf. Es sei zu befürchten, dass im Gemeinwohl tätige Personen sich von solchen Tätigkeiten zurückziehen oder solche Ämter per se gemieden werden. Über die bereits im StGB enthaltenen Einzeltatbestände hinaus, soll der erhöhte Unrechtsgehalt bei Taten gegen Personen, die sich für das Gemeinwohl engagieren, in den allgemeinen Vorschriften zur Strafzumessung berücksichtigt werden. Gezielt sieht der Entwurf auch die Verbesserung des Schutzes von Vollstreckungsbeamten:innen und Personen, die Vollstreckungsbeamten:innen gleichstehen vor. Angriffe auf diesen Personenkreis seien nicht hinnehmbar und müssten konsequent strafrechtlich verfolgt werden. Zudem seien sie in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, was unterstreiche, dass es ein klares rechtspolitisches Signal bedürfe, das die besondere Verwerflichkeit verdeutliche und so den Schutz von Vollstreckungsbeamten:innen und Rettungskräften weiter stärke. Der Entwurf sieht daher vor, § 46 Abs. 2 S. 2 StGB dahingehend zu ergänzen, dass hinsichtlich der verschuldeten Auswirkungen der Tat auch solche von Belang sein können, die geeignet sind, „eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit nicht nur unerheblich“ zu beeinträchtigen. Zudem sollen die Regelbeispiele für besonders schwere Fälle in § 113 Abs. 2 S. 2 StGB ergänzt werden. „Ein besonders schwerer Fall soll regelmäßig auch dann vorliegen, wenn die Tat mittels eines hinterlistigen Überfalls begangen wird. Diese Begehungsweise ist als besonders gefährlich etwa für die angegriffenen Polizei- und Rettungskräfte und als besonders verwerflich zu bewerten.“ Daher soll künftig „unabhängig vom Vorliegen anderer Regelbeispiele regelmäßig der erhöhte Strafrahmen von 6 Monaten bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe Anwendung finden.“ So komme der spezifische Unrechtsgehalt deutlicher zum Ausdruck. 

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann dazu: „Wer sich in den Dienst unserer Gesellschaft stellt, verdient unseren Schutz. Das gilt im Beruf, zum Beispiel als Rettungskraft oder Polizist, und auch im Ehrenamt, etwa beim Engagement in einer Partei oder Bürgerinitiative. Deshalb werden wir das Strafgesetzbuch anpassen, um Angriffe auf diese Personengruppen künftig noch effektiver sanktionieren zu können. So stärken wir den Schutz für die Menschen, die sich besonders für unsere Gesellschaft und ihre Mitmenschen einsetzen.“

 

 

 

 

 

Strafbarkeit des Werbens für terroristische Vereinigungen

Gesetzentwürfe: 

Das Land Baden-Württemberg hat am 5. Juli 2024 einen Gesetzesantrag zur Strafbarkeit des Werbens für terroristische Vereinigungen in den Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 320/24). Da Handlungen von terroristischen Vereinigungen gesellschaftliche Spannungen verstärken, soll zur Verteidigung der freiheitlichen Staats- und Gesellschaftsordnung der Straftatbestand des § 129 StGB geändert werden. So soll das Werben für terroristische Vereinigungen auch dann erfasst sein, wenn es nicht explizit auf die Gewinnung neuer Mitglieder gerichtet ist. Der Staat trage eine besondere Verantwortung den Gefahren der öffentlichen Sicherheit frühzeitig entgegenzutreten und zu bekämpfen. Die Länderinitiative nimmt Bezug auf den tödlichen Messerangriff in Mannheim vom 31. Mai 2024. Dies zeige, dass es staatlichen Maßnahmen bedürfe, um eine Radikalisierung der Gesellschaft einzudämmen. Auch Sympathiewerbung könne „zu erheblichen Gefahren für den öffentlichen Frieden und die innere Sicherheit führen“. Eine große Bedeutung komme dabei auch den sozialen Medien zu. Auf diese Weise würden besonders jugendliche Personen beeinflusst, die bei der Suche nach Orientierung dafür besonders anfällig seien. Es sei daher „erforderlich und geboten bereits die Verbreitung und Etablierung von Propaganda zugunsten terroristischer Vereinigungen zu verhindern, um die Bevölkerung vor diesen Ideologien zu schützen, bevor diese bei einzelnen Personen auf fruchtbaren Boden fallen und die Agitation“ verfange. Der Gesetzentwurf sieht daher vor, in § 129 Abs. 5 S. 2 StGB die Wörter „um Mitglieder und Unterstützer“ zu streichen und damit den Zustand vor der Gesetzesänderung im Jahr 2002 wiederherzustellen. 

 

 

 

Beschränkung der Laienverteidigung

Gesetzentwürfe: 

Der Freistaat Bayern hat am 14. Juni 2024 einen Gesetzesantrag zur Beschränkung der Laienverteidigung in den Bundesrat eingebracht (BR-Drs. 206/24). Gem. § 138 Abs. 1 StPO ist es grundsätzlich nur Rechtsanwälten oder Hochschullehrern mit Befähigung zum Richteramt möglich, die Verteidigung in Strafsachen zu übernehmen. Ausnahmsweise kann durch das Gericht auch ein Laienverteidiger zugelassen werden (§ 138 Abs. 2 StPO), sofern die Person als Rechtsanwalt oder Volljurist tätig ist. Sie muss nach Ansicht des Gerichts hinsichtlich einer ordnungsgemäßen Verteidigung sachkundig und vertrauenswürdig sein und es dürfen keine sonstigen Bedenken gegen die gewählte Person bestehen. Nach Ansicht des Freistaates Bayern berge dies aber die Gefahr, dass aus Unkenntnis Personen als Laienverteidiger zugelassen werden, die eine extremistische oder staatsfeindliche Weltanschauung vertreten und den Gerichtssaal als „Plattform für öffentlichkeitswirksame Propaganda“ nutzen wollen. „Extremisten – etwa aus dem Reichsbürgermilieu –, aber auch manchen Aktivisten geht es in manchen Fällen nicht um eine – zulässigerweise auch hart geführte – sachliche Auseinandersetzung mit der Anklage im Rahmen der Strafprozessordnung, sondern um ein ‚Sprengen‘ der Gerichtsverhandlung, um eine Verurteilung zu verhindern, oder um diese zumindest stark zu verzögern. Oder die Hauptverhandlung und das Rederecht der Verteidigung sollen als Bühne genutzt werden, um – möglichst vor den Augen der Öffentlichkeit – verfahrensfremden politischen Aktivismus darzubieten“, so der Entwurf. Zwar kann auch nachträglich die Zulassung des Verteidigers entzogen werden, allerdings ist dies für das Gericht mit einem hohen Aufwand und mit einem weiteren Eskalationsrisiko verbunden. Um der Gefahr gerecht zu werden, soll das Institut der Laienverteidigung beschränkt werden. Der Entwurf sieht daher vor, die Verteidigungsmöglichkeiten in § 138 Abs. 2 StPO auf geeignete Personen oder Berufsgruppen zu beschränken. 

In § 138 Abs. 2 wird nach Satz 1 folgender Satz 2 eingefügt:

„Eine Genehmigung nach Satz 1 kann nur folgenden Personen erteilt werden:

  1. Volljährigen Angehörigen des Beschuldigten,

  2. Personen mit Befähigung zum Richteramt, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit für den Beschuldigten steht,

  3. Vertretern von Berufsverbänden, Gewerkschaften oder Vereinigungen von Arbeitgebern sowie von Zusammenschlüssen solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Vertreter von Zusammenschlüssen mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder oder

  4. Vertretern von juristischen Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in Nummer 3 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit ihrer Vertreter haftet.“

 

 

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ALLGEMEINE BEITRÄGE

Fortschritte im Notwehrrecht?
von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch

Der Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/541 zur Terrorismusbekämpfung: Ins Vorfeld. Weiter, immer weiter...?
von Dr. Anneke Petzsche und Prof. Dr. Dr. h.c. Martin Heger

Diskursverbesserung durch Diskursverkürzung? Der Praxistest des § 126a StGB als Mahnung zu politischer Neutralität des Strafrechts
von Prof. Dr. Elisa Hoven und Prof. Dr. Dr. Frauke Rostalski 

Research Honeypots - Strafbarkeitsrisiken für IT-Sicherheitsforschende? 
von PD Dr. Georgia Stefanopoulou, LL.M.

Das Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen bei den Besitzdelikten § 184b StGB - Mit Überlegungen zur Verfassungsmäßigkeit der Besitzdelikte und zu weiterem Reformbedarf im Pornographiestrafrecht 
von PD Dr. Anja Schmidt

Die Positivierung des Einsatzes von V-Personen und im Besonderen von agents-provocateurs: Rechtsstaatlichkeit auf halbem Wege oder mit der Brechstange? 
von Prof. Dr. Gunnar Duttge 

Ganz seltsame Blüten... Das neue Cannabisgesetz im Überblick und der Versuch einer ersten Konsolidierung   
von Prof. Dr. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu und Patrick Welke

ENTSCHEIDUNGEN/ANMERKUNGEN

Zur allgemeinen Funktionsträgerimmunität bei Völkerstrafverfahren 
BGH, Beschl. v. 21.2.2024 - AK 4/24

Unmissverständliche Klarstellung zur funktionellen Immunität aus Karlsruhe - Anmerkung zu BGH, Beschluss vom 21.2.2024 - AK 4/24
von Dr. Svenja Raube, LL.M. 

BUCHBESPRECHUNGEN

Amadeus Peters: Smarte Verdachtsgewinnung. Eine strafprozessuale und verfassungsrechtliche Untersuchung der Verdachtsgewinnung mittels Künstlicher Intelligenz 
von Prof. Dr. Anja Schiemann

Michael Koenen: Auswertung von Blockchain-Inhalten zu Strafverfolgungszwecken
von Prof. Dr. Anja Schiemann 

TAGUNGSBERICHTE 

Erlanger Cybercrime Tag 2023: Open Source Intelligence in der Strafverfolgung
von Tabea Seum und Prof. Dr. Christian Rückert

5. Annual Human Factor in Cybercrime Conference 
von Joline Wochnik und Dr. Nicole Selzer

5. Symposium zum Recht der Nachrichtendienste: Nachrichtendienste und bewaffnete Konflikte
von Jannik Luhm und Maximilian Schach

 

 

 

 

Zur allgemeinen Funktionsträgerimmunität bei Völkerstrafverfahren

BGH, Beschl. v. 21.2.24 – AK 4/24 (Vollversion)

Beitrag als PDF Version 

Die allgemeine Funktionsträgerimmunität gilt bei völkerrechtlichen Verbrechen nicht, und zwar unabhängig vom Status und Rang des Täters. Der Ausschluss dieser funktionellen Immunität fremder Hoheitsträger bei Völkerstraftaten gehört zum zweifelsfreien Bestand des Völkergewohnheitsrechts.

Für ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Versklavung nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB bedarf es nicht zwingend der Ausübungeines angemaßten „Eigen- tumsrechts“ an dem Opfer über einen längeren Zeitraum; ein solcher ist lediglich ein Indiz für das Vorliegen einer Versklavung, ohne dass diese bei bloß kurzzeitigen Tatgeschehen ausgeschlossen wäre.

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Amadeus Peters: Smarte Verdachtsgewinnung. Eine strafprozessuale und verfassungsrechtliche Untersuchung der Verdachtsgewinnung mittels Künstlicher Intelligenz

von Prof. Dr. Anja Schiemann 

Beitrag als PDF Version 

2023, Nomos, ISBN: 978-3-7560-1113-1, S. 328, Euro 99,00.

In der vorliegenden Dissertationsschrift geht es um die rechtliche Einordnung sowie die rechtlichen Grenzen der smarten Verdachtsgewinnung. Konkret wird untersucht, wie die Gewinnung von Verdachtsmomenten hinsichtlich Straftaten und Ordnungswidrigkeiten durch die Analyse von Daten mit Hilfe Künstlicher Intelligenz rechtssystematisch zu fassen sowie ob und unter welchen Voraussetzungen dieses Vorgehen verfassungskonform möglich ist.

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Michael Koenen: Auswertung von Blockchain-Inhalten zu Strafverfolgungszwecken

von Prof. Dr. Anja Schiemann

Beitrag als PDF Version 

2023, Nomos, ISBN: 978-3-7560-1099-8, S. 424, Euro 129,00.

Die Blockchain-Technologie ist eine Technologie zur dezentralen Datenverwaltung und trat erstmalig im Zusammenhang mit der virtuellen Kryptowährung Bitcoin in Erscheinung. Die Technologie ist aber nicht auf Kryptowährungen beschränkt, sondern kann zur Datenverwaltung insgesamt verwendet werden. Eine wesentliche Eigenschaft der Blockchain-Technologie ist, dass die verwalteten Daten in der Regel öffentlich verfügbar sind. Das macht sie dann auch so interessant für Strafverfolgungsbehörden, da ein Zugriff praktisch ohne weiteres möglich ist. Doch nicht alles, was praktisch möglich ist, ist auch rechtlich zulässig. Daher geht die Dissertation der Frage nach, ob der Einsatz von systematischen Auswertungsmethoden bei Blockchains zu Strafverfolgungszecken grundsätzlich nach der bisher geltenden Rechtslage zulässig sein kann.

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Gesetzes zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträgerinnen und -trägern

Gesetzentwürfe: 

 

Der Freistaat Sachsen hat am 10. Mai 2024 unter Anschluss der Länder Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein einen Gesetzesantrag zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträger:innen in den Bundesrat eingebracht. Diese seien immer wieder Übergriffen oder Einschüchterungen ausgesetzt, die sie bei der Wahrnehmung ihres Amtes hindern. In der Vergangenheit sei es daher gerade bei Lokalpolitiker:innen zu Mandatsniederlegungen gekommen. Ebenso sei eine neue Besetzung der Ämter aus diesen Gründen schwierig. Die aktuelle Rechtslage erfasst ehrverletzende Äußerungen im Rahmen des § 185 StGB, der üblen Nachrede in § 186 StGB und der Verleumdung  in § 187 StGB, sowie die Qualifikation für Taten zum Nachteil „im politischen Leben des Volkes“ stehender Personen in § 188 StGB. Auch die Tatbestände der Volksverhetzung (§ 130 StGB), der Bedrohung (§ 241 StGB) oder der Nötigung (§ 240 StGB) kommen in Betracht. Um die Einschüchterung von Mandatsträger:innen erfassen zu können hängt es jedoch davon ab, dass eben diese Tatbestände verwirklicht werden, die nicht gezielt auf die Einschüchterung ausgerichtet sind. Daher sieht der Gesetzentwurf vor, einzelne Straftatbestände, die die Funktionsfähigkeit der Institutionen des Rechtsstaates sicherstellen und nicht nur den Schutz individueller Rechtsgüter bezwecken, zu erweitern. Auch subtilere Beeinflussungen unterhalb der Nötigungsgrenze sollen dabei einbezogen werden. Dadurch erwirke man insbesondere einen Schutz für Kommunalpolitiker:innen, die Einschüchterungsversuchen in ihren Gemeinden schutzlos ausgeliefert seien. 

Neben Änderungen der §§ 105 und 106 StGB soll ein neuer § 106a StGB eingefügt werden: 

„§ 106a – Beeinflussung von Amts- und Mandatsträgern

Wer die Lebensgestaltung einer in § 106 Absatz 1 genannten Person, eines Mitglieds eines in unmittelbarer und allgemeiner Wahl von der Bevölkerung gewählten Gremiums einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit, eines Amtsträgers oder eines Europäischen Amtsträgers in einer Weise unbefugt nicht unerheblich beeinträchtigt, die, auch in Verbindung mit weiteren ihm bekannten gleichartigen vorgenommenen oder geplanten Handlungen, geeignet ist, die Person dazu zu bewegen, ihre Befugnisse nicht oder in einer bestimmten Weise auszuüben oder ihr Amt oder Mandat ganz oder teilweise aufzugeben, indem er

    1. ihre räumliche Nähe oder die eines ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person oder die Nähe einer von diesen Personen privat genutzten Wohnung aufsucht,

    2. unter Verwendung von Kommunikationsmitteln oder über Dritte privat Kontakt zu ihr, einem ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person herzustellen versucht,

    3. unter missbräuchlicher Verwendung ihrer personenbezogenen Daten oder derjenigen eines ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person Bestellungen von Waren oder Dienstleistungen für die jeweilige Person aufgibt oder Dritte veranlasst, Kontakt mit der jeweiligen Person aufzunehmen,

    4. eine Tat nach § 202a, § 202b oder § 202c begeht, die sich auf private Daten von ihr, eines ihrer Angehörigen oder einer ihr nahestehenden Person bezieht,

    5. mit der Begehung einer gegen sie, einen ihrer Angehörigen oder eine ihr nahestehende Person gerichteten in § 241 Absatz 1 und 2 genannten rechtswidrigen Tat droht oder eine solche rechtswidrige Tat begeht oder

    6. eine andere zu den Nummern 1 bis 5 vergleichbare und ebenso schwerwiegende Handlung vornimmt,

wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. In besonders schweren Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 5 ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.“

Am 17. Mai 2024 wurde der Gesetzesantrag des Freistaates Sachsen im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Der federführende Rechtsausschuss empfahl dem Bundesrat den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. Der Entschluss hierzu wurde am 5. Juli 2024 im Plenum gefasst. 

 

 

 

 

Gesetzes zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten vor Deepfakes

Gesetzentwürfe: 

 

Der Freistaat Bayern hat am 14. Mai 2024 einen Gesetzesantrag zum strafrechtlichen Schutz von Persönlichkeitsrechten vor Deepfakes in den Bundesrat eingebracht. Die mit Hilfe von KI erzeugten und manipulierten Inhalte bergen erhebliche Gefahren für individuelle Persönlichkeitsrechte und Vermögenswerte sowie für den demokratischen Willensbildungsprozess und seien damit eine besonders gefährliche Form der Informationsmanipulation, heißt es in dem Entwurf. Diese Manipulation werde zunehmend von Straftäter:innen missbräuchlich eigesetzt, bspw. bei Bild- und Videoaufnahmen. Den Täter:innen komme es darauf an, Rache- und Machtbedürfnisse auszuleben. Auch im politischen Bereich würden Deepfakes genutzt, um im Meinungswettstreit Personen effektiv zu diskreditieren und eine nachteilige Stimmung zu schüren. Im Einzelfall können persönlichkeitsrechtsverletzende Deepfakes durch bestehende strafrechtliche Regelungen in Teilaspekten erfasst sein. Dies umfasse aber nicht den eigentlichen Unrechtskern. Eine betroffene Person habe ein berechtigtes Interesse, „ohne ihre Zustimmung nicht in eine künstlich erzeugte, aber scheinbar authentische ‚Wirklichkeit‘ hineingestellt zu werden mit Äußerungen, die sie selbst nicht getätigt hat, oder mit Handlungen, die sie selbst nicht vorgenommen hat.“ Sie sehe sich in einer Situation, „in der sie die Selbstbestimmung und die Kontrolle über das eigene Erscheinungsbild und Auftreten verliert und ihre identitätsprägenden Merkmale mit Außenwirkung ge- oder verfälscht oder in einen falschen Kontext gestellt werden“. Eine bloße Kennzeichnungspflicht von Deepfakes werde den gravierenden Auswirkungen für die Betroffenen nicht gerecht. Daher sieht der Entwurf vor, einen eigenen Tatbestand einzuführen: 

„§ 201b – Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch digitale Fälschung

(1) Wer das Persönlichkeitsrecht einer anderen Person verletzt, indem er einen mit computertechnischen Mitteln hergestellten oder veränderten Medieninhalt, der den Anschein einer wirklichkeitsgetreuen Bild- oder Tonaufnahme des äußeren Erscheinungsbildes, des Verhaltens oder mündlicher Äußerungen dieser Person erweckt, einer dritten Person zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Gleiches gilt, wenn sich die Tat nach Satz 1 auf eine verstorbene Person bezieht und deren Persönlichkeitsrecht dadurch schwerwiegend verletzt wird.

(2) Wer in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 den Medieninhalt der Öffentlichkeit zugänglich macht oder einen Medieninhalt zugänglich macht, der einen Vorgang des höchstpersönlichen Lebensbereichs zum Gegenstand hat, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Absatz 1 Satz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, gilt nicht für Handlungen, die in Wahrnehmung überwiegender berechtigter Interessen erfolgen, namentlich der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen.

(4) Die Bild- oder Tonträger oder andere technische Mittel, die der Täter oder Teilnehmer verwendet hat, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden.“

Am 17. Mai 2024 wurde der Entwurf im Bundesrat vorgestellt und im Anschluss zur Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Der federführende Rechtsausschuss empfahl dem Bundesrat, den Gesetzentwurf in den Bundestag einzubringen. Der Entschluss hierzu wurde am 5. Juli 2024 im Plenum gefasst. 

 

 

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