Hier finden Sie folgende Stellungnahmen:
- Markus Schäpe (ADAC)
- Prof. Dr. Volker Lüdemann
- Prof. Dr. Eric Hilgendorf
- Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio
- Peter Büttgen
- Stellungnahme des DAV
Kriminalpolitische Zeitschrift
Hier finden Sie folgende Stellungnahmen:
Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 263/1/17
Stellungnahme des Bundesrates: BR Drs. 263/17 (B)
Gegenäußerung der Bundesregierung: BT Drs. 18/12497
Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für WIrtschaft und Energie: BT Drs. 18/12583
Am 18. April 2016 trat das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts in Kraft. Mit der Reform sollte die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität verbessert werden. Wer sich wegen Wirtschaftsdelikten und insbesondere Korruption strafbar macht, soll nicht von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen profitieren. Darum wurden Wettbewerbsbeschränkungen und sowohl zwingende als auch fakultative Ausschlussgründe geregelt, die vor dem Zuschlag durch den öffentlichen Auftraggeber überprüft werden müssen. Diese Überprüfung ist für die Auftraggeber faktisch schwierig durchzuführen, was in der Vergangenheit dazu führte, dass trotzdem Unternehmen bei denen Ausschlussgründe vorlagen beauftragt wurden.
Der Referentenentwurf regelt daher die Einführung eines Korruptionsregisters auf Bundesebene, um den öffentlichen Auftraggebern die Arbeit bei der Vergabe zu erleichtern. In das Register sollen Unternehmen eingetragen werden, zu denen Erkenntnisse über ihnen zuzurechnende Straftaten oder andere schwerwiegende Rechtsverstöße, die Gründe für einen Ausschluss von der Teilnahme darstellen, vorliegen. Eingetragen werden die Unternehmen von der Registerbehörde, die ihre Informationen von den Strafverfolgungsbehörden sowie von den Behörden des Bundes und der Länder, die für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständig sind, erhält. Die bisherige Abfragepflicht nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz und dem Mindestlohngesetz werden durch die Abfrage des Wettbewerbsregisters ersetzt. Die Abfrage soll elektronisch im Wege eines automatisierten Abrufverfahrens erfolgen. Den Unternehmen bleibt die Möglichkeit einer vorzeitigen Löschung der Eintragung aufgrund von Maßnahmen der Selbstreinigung.
Am 29. März hat das Bundeskabinett den vom BMWi vorgelegten Entwurf beschlossen. Am 25. April 2017 hat die Bundesregierung den Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Zum Kabinettsentwurf siehe auch Stein, jurisPR-Compl 2/2017 Anm. 5, und Kubiciel/Dust, jurisPR-StrafR 9/2017 Anm. 1.
Am 12. Mai 2017 hat der Bundesrat in seiner Plenarsitzung keine grundsätzlichen Bedenken gegen den Regierungsentwurf erhoben (BR Drs. 263/17 (B)). Er bat jedoch um Überprüfung, ob eine Herabsetzung der Grenze einer Eintragung von Bußgeldentscheidungen in das Wettbewerbsregister von derzeit 50.000 EURO auf 5.000 EURO erfolgen könne. Mit dieser Regelung seien sonst ca. 90 bis 95 Prozent der Bußgeldentscheidungen der Kartellbehörden im Geltungsbereich des Gesetzes gar nicht erst erfasst. Damit könne man von einem „Ausschluss von Bagatellfällen“ nicht mehr sprechen. Demgemäß habe auch der Referentenentwurf aus März 2017 noch eine Grenze von 5.000 Euro für die Eintragung von Bußgeldentscheidungen der Kartellbehörden vorgesehen. Des Weiteren bittet der Bundesrat darum, im weiteren Gesetzgebungsverfahren klarzustellen, dass die Prüfung der Eintragungsvoraussetzung des § 2 Abs. 3 S. 2 WRegG-E der Registerbehörde obliegt und nicht den Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfolgungsbehörden. Hinsichtlich der ergänzenden Informationen gemäß § 6 Abs. 6 S. 1 WRegG-E soll überprüft werden, ob diese näher zu bestimmen seien. Wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes müsse sich aus einer solchen Regelung ergeben, welche personenbezogenen Daten betroffen seien. Dies ergebe sich schon aus der Intensität des Grundrechtseingriffs bei einer möglichen Abfrage von Daten aus einem Strafverfahren. Die Stellungnahme wird der Bundesregierung nun zwecks einer Gegenäußerung zugeleitet.
Am 31. Mai 2017 hat der Wirtschaftsausschuss den Gesetzentwurf mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und mit Enthaltung der Opposition beschlossen. Gleichwohl begrüßten alle Fraktionen die Einführung eines Wettbewerbsregisters. Diskussionsbedarf gab es allerdings um die Höhe der Eintragungsgrenze für das Register. Die Fraktion CDU/CSU sah die Bemessungsgrenze weiterhin bei 50.000 EURO, obwohl sich der Koalitionspartner SPD eine Herabsetzung wünschte. Die Fraktion Die Linke gab zu bedenken, dass einige Regelungen in den Bundesländern schon über die Bundesgesetzgebung hinausgingen, weshalb sie ebenfalls der Meinung war, dass eine Bemessungsgrenze von 50.000 EURO zu hoch sei. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen schlug einen ähnlichen Weg ein und befand, dass „ein bisschen mehr Mut in der Umsetzung notwendig“ gewesen wäre.
Einem Änderungsantrag der Fraktion CDU/CSU wurde zugestimmt.
Am 1. Juni 2017 hat der Bundestag mit Enthaltung der Stimmen der Opposition die Einführung des Wettbewerbsregisters beschlossen. Der Gesetzentwurf wurde in der geänderten Fassung des Wirtschaftsausschusses (BT Drs. 18/12583) angenommen.
Am 7. Juli 2017 hat schließlich auch der Bundesrat den Gesetzentwurf in der geänderten Fassung des Wirtschaftausschusses gebilligt und auf die Einberufung des Vermittlungsausschusses verzichtet.
Am 28. Juli 2017 wurde das Gesetz zur Einführung eines Wettbewerbsregisters und zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im Bundesgesetzblatt verkündet. Es tritt tritt vorbehaltlich des Abs. 2 am Tag nach der Verkündung in Kraft. Art. 2 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft. Art. 2 Abs. 3 drei Jahre nach dem Tag und Art. 2 im Übrigen an dem Tag in Kraft, an dem die Rechtsverordnung nach § 10 des Wettbewerbsregistergesetzes in Kraft tritt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt den Tag nach S. 2 im Bundesgesetzblatt bekannt.
Gesetzentwürfe:
Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 160/1/17
Stellungnahme des Bundesrates vom 31. März 2017: BR Drs. 160/17 (B)
Gegenäußerung der Bundesregierung vom 12. April 2017: BT Drs. 18/11931
Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses: BT Drs. 18/12122
Gesetzesbeschluss des Bundestages: BR Drs. 334/17
Abstract
Der Beitrag beleuchtet ausschließlich die geplanten Änderungen des Schöffenrechts. Die Modifikationen des Entwurfs der Bundesregierung laufen auf ein „ununterbrochenes“ Schöffenamt sowie eine strukturelle Reduktion der Auswahllisten für potentielle Kandidaten hinaus, was insgesamt als wenig nachvollziehbar und kontra-produktiv zu bewerten ist. Mit Blick auf die rechtlichen, demokratietheoretischen und sozial-psychologischen Implikationen der „Institution Schöffe“ ist zudem zu konstatieren, dass der „große Wurf“ durch die angedachten Änderungen jedenfalls nicht gelungen ist. Stattdessen verfängt sich das Vorhaben in inneren Widersprüchen und läuft darüber hinaus Gefahr, neue Asymmetrien im Strafverfahren zu verfestigen. Der Beitrag zeigt zudem auf, dass die erhofften Effekte von Laienrichtern auf das Strafverfahren oftmals hinter deren tatsächlicher Wirkung zurückbleiben.
Gesetzentwürfe 19. Wahlperiode:
Kleine Anfrage der Fraktion der AfD zur operativen Umsetzung, Straftatbeständen und Datenschutz beim NetzDG: BT Drs. 19/210
Antwort der BReg auf die Anfrage der Fraktion der AfD: BT Drs. 19/355
Weitere Materialien:
Am 23. November 2017 brachte die Fraktion der AfD einen Gesetzentwurf zur Aufhebung des NetzDG in den Bundestag ein (BT Drs. 19/81). Es stelle einen schwerwiegenden Eingriff in das Recht der Meinungsfreiheit dar. Bei der Bewertung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Äußerung müssten auch subjektive Tatbestände Berücksichtigung finden. Sie blieben jedoch bislang durch das NetzDG unbeachtet. Vielmehr werde durch nicht legaldefinierte Begriffe wie „Hasskriminalität“ oder „strafbare Falschnachrichten“ eine Gefahr geschaffen, den Anwendungsbereich der Strafmaßnahmen des NetzDG über Gebühr auszudehnen. Hohe Geldbußen bei Fristüberschreitung zur Löschung eines Kommentars würden daher die Netztwerkbetreiber zu einer präventiven Löschung möglichst vieler Kommentare zwingen. Dies führe jedoch zu einem rechtswidrigen Eingriff in die kontroversen Debatten in den sozialen Netzwerken. Des Weiteren übertrage das NetzDG den Schutz der freien Meinungsäußerung auf private Akteure und entziehe so dem Rechtsstaat die Verantwortung.
Am 12. Dezember 2017 fand im Bundestag die erste Lesung zu dem Gesetzentwurf der AfD statt. Gleichzeitig wurde auch über einen Entwurf der Fraktion DIE LINKE zur Teilaufhebung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes beraten (BT Drs. 19/218). Ihrer Meinung nach sollten vor allem die Teilregelungen rund um die Vorgaben zum Beschwerdemanagement der Netzwerkbetreiber entfallen.
Beide Vorlagen wurden zur weiteren Beratung an den Hauptausschuss überwiesen.
Ebenfalls wird im Rahmen eines Gesetzentwurfs der FDP zur Stärkung der Bürgerrechte (Bürgerrechtestärkungs-Gesetz) über die Aufhebung des NetzDG diskutiert (BT Drs. 19/204). Nach Ansicht der FDP sei das Verhältnis zwischen Freiheit und Sicherheit aus der Balance geraten. In einer Vielzahl von Fällen habe der Gesetzgeber die Bürgerinnen und Bürger in der vergangenen Legislaturperiode unverhältnismäßig eingeschränkt, z.B. mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder der anlasslosen Speicherung von Telekommunikationsverbindungsdaten. Der Staat müsse zwar seiner Schutzpflicht gegenüber der Bürgerinnen und Bürger nachkommen und sie vor Kriminalität und Terrorismus schützen, er habe hierbei jedoch insbesondere die Grenzen zu wahren, die ihm das Grundgesetz vorgibt. Eine Trendwende in der Innen- und Rechtspolitik sei daher dringend notwendig. Grundrechte sollten wieder respektiert und beachtet werden und nicht nur als Grenze staatlichen Handelns fungieren. Ein erster Schritt für diese Trendwende solle daher die Abschaffung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) sowie der Vorratsdatenspeicherung sein. Näheres zum Bürgerrechtestärkungs-Gesetz finden Sie hier.
Am 8. Januar 2018 veröffentlichte die Bundesregierung ihre Antwort (BT Drs. 19/355) auf eine Reihe von Fragen der Fraktion der AfD (BT Drs. 19/210) zur operativen Umsetzung, zu Straftatbeständen und zum Datenschutz beim NetzDG. Die Regierung führt aus, dass das Bundesamt für Justiz die Entscheidung treffe, auf welche Plattformen das Verfahren zur Löschung strafbarer Inhalte Anwendung findet. Das Bundesjustizministerium habe in Abstimmung mit weiteren Ressorts noch Verwaltungsvorschriften zu erlassen, wie im einzelnen die Bagatellgrenze der Plattformen von zwei Millionen Nutzern festgestellt wird. Ebenso wird in der Antwort mitgeteilt, welche Plattformbetreiber bereits Empfangsberechtigte im Sinne des NetzDG gemeldet haben. Auf weitere Fragen der Fraktion der AfD verweist die Bundesregierung auf das erst kurze Inkrafttreten des Gesetzes (1. Januar 2018), weshalb sie noch keine weiteren Angaben machen könne.
Am 17. Oktober 2018 stand das NetzDG im Ausschuss Digitale Agenda auf dem Prüfstand. Unter der Leitung des stellvertretenden Vorsitzenden Hansjörg Durz fanden Gespräche mit Vertretern der Portale Facebook, Twitter und Google statt. Insgesamt seien erste positive Verbesserungen angestoßen und die Hausregeln verschärft worden. Ebenso habe man vermehrt Personal eingestellt. Vergleichbar seien die Zahlen der eingereichten Beschwerden zwischen den Portalen allerdings nicht. Eine Vertreterin von Facebook äußerte, dass im Unternehmen weiterhin die Sorge bestehe, dass die Mitarbeiter nun zu Richtern über die Meinungsfreiheit gemacht werden könnten. Bei Google sei es zu einigen Entfernungen von Inhalten gekommen. Diese seien aber nicht aufgrund des NetzDG erfolgt, sondern aufgrund der verschärften Hausregeln. Innerhalb des Unternehmens Twitter seien in den vergangenen Monaten die Prüfungsprozesse erheblich verbessert worden. Mittlerweile werde auch der Kontext des gemeldeten Beitrags berücksichtigt und auch die Historie des Nutzers in die Prüfung mit einbezogen. Der Ausschuss interessierte sich insbesondere für die Höhe des Löschanteils und die Zeit, die ein Mitarbeiter im Durchschnitt pro Beschwerde aufwenden müsse. Zu diesen Fragen konnten die drei Unternehmen keine genauen Angaben machen, entsprechende Zahlen sollen nachgereicht werden.
Am 23. November 2018 brachte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen einen Gesetzesantrag zur Weiterentwicklung des NetzDG in den Bundestag ein (BT Drs. 18/5950). Nutzerrechte sollen nach Meinung der Fraktion gestärkt und die Meinungsfreiheit in sozialen Netzwerken sichergestellt werden. Besonders kritisiert wird die uneinheitliche Vorgehensweise der Netzwerkbetreiber. So seien die Meldewege teilweise sehr umständlich und schreckten ab, die Transparenzberichte der Betreiber seien von minderer Güte und Empfangsbevollmächtigte nicht überall eingesetzt oder nur schwer zu erreichen. Die Bundesregierung wird aufgefordert, das NetzDG u.a. wie folgt zu ändern:
Berichtspflicht:
„die Kriterien zur Transparenzberichtspflicht so zu überarbeiten, dass vergleichbare Berichte vorgelegt werden und valide Aussagen über die Betroffenen gemacht werden können und ein umfassendes, anonymisiertes Monitoring der Beschwerden sowie der Opfer (zB. Alter, Geschlecht, Herkunft) möglich ist;
die Berichtspflicht auf das Aufkommen und Bemühungen zur Reduktion von social bots und menschliche Interaktion vorgebenden Profilen („fake profile“) auszuweiten.“
Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte:
„ein bußgeldbewehrtes und berichtspflichtiges Wiedereinstellungsverfahren (put-back) einzuführen, nach dem Inhalte unverzüglich wieder ein-gestellt oder die Entscheidung hierüber an eine Einrichtung der regulierten Selbstregulierung abgegeben werden muss;
dafür zu sorgen, dass die Diensteanbieter einheitliche, nutzerfreundliche und altersgerechte Standards zu Meldewegen befolgen;
einen Dialog mit dem Ziel zu initiieren, bestehende Defizite zu analysieren und die Zusammenarbeit zwischen Diensteanbietern, Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle und den Strafverfolgungsbehörden im Sinne einer verbesserten Rechtsdurchsetzung zu effektivieren;
die Schaffung eines zusätzlichen besonderen Gerichtsstandes in der Strafprozessordnung und in der Zivilprozessordnung zu prüfen, um schnellen Rechtsschutz mit hoher Expertise zu gewährleisten.“
Inländischer Zustellungsbevollmächtigter:
Außerdem:
a) wegen Schnelligkeit und Reichweite der Verbreitung der ehrverletzenden Äußerungen das öffentliche Interesse annehmen kann und
b) auch im Falle der Verweisung auf das Privatklageverfahren jedenfalls zuvor die Herkunft von pseudonymen und anonymen Äußerungen, gegebenenfalls auch unter Auskunftseinholung vom Diensteanbieter, ermittelt;
Außerdem sieht der Referentenentwurf eine Reihe von Anpassungen an europarechtliche Vorgaben (RiLi 2010/13/EU v. 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste, geändert durch die RiLi 2018/1808/EU v. 14. November 2018) vor. Unter anderem sind Vorgaben zu Compliance-Vorschriften zum Schutz vor unzulässigen Inhalten bei Videosharingplattform-Diensten umzusetzen.
Im Februar 2020 brachten auch die Länder Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern einen Gesetzesantrag zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zum Zweck der Erleichterung der Identifizierbarkeit im Internet für eine effektivere Bekämpfung und Verfolgung von Hasskriminalität in den Bundesrat ein (BR Drs. 70/20). Sie verfolgen das Ziel, die Ermittlung von Tätern im Internet zu erleichtern, die sich hinter Pseudonymen verstecken. Hasskriminalität tauche nicht nur in den sozialen Netzwerken auf, sondern sei zunehmend auch auf Spieleplattformen bei der Nutzung von Messenger-Funktionen zu finden. Der Gesetzentwurf sieht vor, das NetzDG um eine Verpflichtung der Anbieter sozialer Netzwerke und von Spieleplattformen zur Registrierung von Namen, Anschrift und Geburtsdatum der Nutzer zu erweitern und so die Strafverfolgung zu erleichtern. Flankierend dazu haben die Länder Hamburg und Bremen einen Entschließungsantrag zur „Effektivierung von Auskunftserteilungen durch ausländische Anbieter sozialer Netzwerke“ in den Bundesrat eingebracht (BR Drs. 65/20). Es sei auf nationaler Ebene durch eine Statuierung des Marktortprinzips dafür Sorge zu tragen, dass die Telemediendiensteanbieter ihre Auskunftspflichten auch erfüllen. Beide Anträge werden am 14. Februar 2020 im Plenum vorgestellt und im Anschluss an die Fachausschüsse überwiesen.
Am 1. April 2020 hat die Bundesregierung den Referentenentwurf des BMJV beschlossen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht: „Mit der Reform stärken wir die Rechte der Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke. Wir stellen klar: Meldewege müssen für jeden mühelos auffindbar und leicht zu bedienen sein. Wer im Netz bedroht und beleidigt wird, muss die Möglichkeit haben, dies dem sozialen Netzwerk einfach und unkompliziert anzuzeigen. Darüber hinaus vereinfachen wir die Durchsetzung von Auskunftsansprüchen: Wer sich vor Gericht gegen Bedrohungen oder Beleidigungen zur Wehr setzen will, soll die hierfür erforderlichen Daten deutlich leichter herausverlangen können als bisher. Außerdem verbessern wir den Schutz vor unberechtigten Löschungen: Betroffene können künftig verlangen, dass die Entscheidung über die Löschung ihres Beitrags überprüft und begründet wird. Dies erhöht die Transparenz und schützt vor unberechtigten Löschungen.“
Am 6. Mai 2020 stand der Regierungsentwurf zusammen mit einem Antrag der Fraktion der AfD zur Aufhebung des NetzDG (BT Drs. 19/18973) auf der Tagesordnung des Bundestages. Beide Vorlagen wurden im Anschluss an die Debatte an den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz überwiesen. Am 15. Mai 2020 hat sich auch der Bundesrat mit den geplanten Änderungen des NetzDG befasst und Stellung genommen (BR Drs. 169/1/20). Die Länder sehen in verschiedenen Punkten Nachbesserungsbedarf. So soll u.a. geprüft werden, ob die Löschpflicht auch auf inhaltsgleiche Posts ausgedehnt werden kann. Auch die zeitliche Vorgabe der Löschfrist von 24 Stunden sei zu lang. Vielmehr soll hier eine „unverzügliche“ Reaktion gefordert werden. Hinsichtlich der Berichtspflicht plädierten die Länder für eine Ausweitung auf missbräuchlich eingesetzte Social Bots und Fake Profile. Ebenso sollte das Herkunftslandprinzip überprüft werden. Nach Ansicht des Bundesrates sei es ein Rückschritt gegenüber der jetzigen Rechtslage, wenn Plattformbetreiber mit Sitz im Ausland von bestimmten Strafvorschriften des NetzDG ausgenommen seien. Auf der anderen Seite gebe es zu viele Überschneidungen im Bereich der europäischen AVMD-Richtlinie, dem Medienstaatsvertrag der Bundesländer, dem NetzDG, dem TMG und dem JuSchG. Hier seien insbesondere die Zuständigkeits- und Kompetenzverteilungen zu koordinieren.
Am 17. Juni 2020 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Sachverständigen kamen zu unterschiedlichen Einschätzungen des Entwurfs. RAin Ballon erklärte, dass es weiterhin um die zentrale Frage der Wahrung der Meinungsfreiheit gehe. Zwar beinhalte der Entwurf gut Ansätze, die konkrete Ausgestaltung der Maßnahmen sei aber nur wenig aussagekräftig und mitunter nur oberflächlich. Es bedürfe hier für die Praxis einer Präzisierung durch den Gesetzgeber. Dr. Anne Busch-Heizmann sah in dem Vorschlag zum Einsatz von künstlicher Intelligenz bzgl. der Erkennung und Bewertung von Inhalten eine Gefahr für die Meinungsfreiheit. Zwar gebe es eine staatliche Pflicht, Betroffene zu schützen, es dürfe aber keine Internetzensur und Überwachung stattfinden, die die Bürgerrechte beschneidet. Auch Sabine Frank (Google) befürchtete, dass das Vertrauen der Bürger in den Rechtsstaat schwinde und sich die Sorge vor einer stattlichen Überwachung breit mache. So verstoße z.B. die Überwachung der Internetdienste durch eine regierungsnahe Stelle gegen den Grundsatz der Staatsferne. Google begrüße zwar die Ziele der Weiterentwicklung des NetzDG, halte es aber nicht für möglich, dass die vorgeschlagenen Regelungen diese Ziele erreichen werden. Daher plädierte Frank für einen kohärenten europäischen Ansatz. Auch Prof. Dr. Marc Liesching ging auf den europäischen Kontext ein und bemängelte die fehlende Unionsrechtskonformität des Gesetzentwurfs. Die Europarechtswidrigkeit des NetzDG sei so deutlich, dass niemand in der Rechtswissenschaft von einer EU-Rechtskonformität des NetzDG ausgehe. Prof. Dr. Rolf Schwartmann sah dies anders und betonte gerade die Europarechtskonformität des Entwurfs. Die geplanten Regelungen seien im Einklang mir den Zuständigkeitsvorgaben der E-Commerce-Richtlinie. Dr. Wolfgang Kreißig, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten, sprach sich dafür aus, zur Wahrung der Einheit der Rechtsordnung Regelungen zur Zusammenarbeit von Behörden in das NetzDG aufzunehmen.
Aus der Praxis konnte Heinz-Josef Friehe, Präsident des BfJ, nur positive Bilanz ziehen. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anbieter sozialer Netzwerke aufgrund drohender Bußgelder übereilt Beiträge löschen oder sperren. RA Nico Härting sprach sich dafür aus, das Beschwerde- und Gegenvorstellungsverfahren zu vereinfachen, damit die Strafverfolgungsbehörden nicht unnötig belastet werden. Auch Prof. Dr. Simon Hegelich schilderte Erfahrungen aus der Praxis und bemängelte den Datenzugang für die Wissenschaft.
Am 9. September 2020 stellte die Bundesregierung ihren Evaluationsbericht zum Netzwerkdurchsetzungsgesetz vor. Den Bericht finden Sie hier. Darin kommt die Regierung zu dem Ergebnis, dass die Ziele des Gesetzes in erheblichem Umfang erreicht worden seien und nur ein geringer gesetzgeberischer Nachbesserungsbedarf bestehe, der schon durch die Reform durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität und dem Gesetzentwurf zur Änderung des NetzDG nachgekommen worden sei. Durch das NetzDG sei insgesamt eine deutliche Verbesserung des Beschwerdemanagements und der öffentlichen Rechenschaft der Anbieter sozialer Netzwerke im Umgang mit rechtswidirgen Inhalten zu verzeichenen und das befürchtete sog. Overblocking sei bisher ausgeblieben.
Am 6. Mai 2021 hat der Bundestag nach halbstündiger Aussprache den Regierungsentwurf in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT Drs. 19/29392) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. Die Linksfraktion und die Grünen enthielten sich, die FDP und die AfD stimmten dagegen.
Am 28. Mai 2021 befasste sich der Bundesrat ebenfalls abschließend mit dem Entwurf und stimmte den vom Bundestag beschlossenen Änderungen zu. Nach Ausfertigung durch den Bundespräsidenten ist das Gesetz am 9. Juni 2021 im Bundesgesetzblatt (BGBl I 2017 Nr. 61, S. 3352 ff.) verkündet worden. Es tritt überwiegend bereits am 28. Juni 2021 in Kraft (Abs. 2 und 3).
kleine Anfrage der Fraktion die Linke zur Löschpraxis von Facebook: BT Drs. 18/11986
Antwort der Bundesregierung: BT Drs. 18/12220
Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 315/1/17
Stellungnahme des Bundesrates: BR Drs. 315/17
Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses: BT Drs. 18/13013
Gesetzesbeschluss des Bundestages: BR Drs. 536/17
Weiterführende Materialien:
Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Transparenz und Recht im Netz – Maßnahmen gegen „Hass-Kommentare“, „Fake News“ und Missbrauch von „Social Bots“: BT Drs. 18/11856
Rechercheberichte zu den Plattformen:
Monitoring-Bericht
Löschung rechtswidriger Hassbeiträge bei Facebook
Löschung rechtswidriger Hassbeiträge bei Twitter
Löschung rechtswidriger Hassbeiträge bei YouTube
Um die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken zu verbessern, hat das BMJV einen Referentenentwurf (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) vorgestellt. Der Entwurf zielt darauf ab, die Hasskriminalität und strafbare Falschnachrichten, sog. Fake News, auf den Plattformen sozialer Netzwerke zu bekämpfen. Sie sollen zu einer umfassenden und zügigen Bearbeitung von Beschwerden gezwungen werden. Dazu setzt der Entwurf auf gesetzliche Compliance-Regeln. Die Betreiber sozialer Netzwerke sind danach verpflichtet, offensichtlich strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde zu löschen oder zu sperren, jeden strafbaren Inhalt innerhalb von 7 Tagen nach Eingang der Beschwerde zu löschen oder zu sperren und den Nutzer über jede Entscheidung bezüglich seiner Beschwerde zu informieren. Die Verpflichtung zur Löschung oder Sperrung bezieht sich auf sämtliche auf der Plattform befindlichen Kopien des strafbaren Inhalts.
Des Weiteren trifft sie eine gesetzliche Berichtspflicht über den Umgang mit Hasskriminalität, die Pflicht zur Benennung eines inländischen Zustellungsbevollmächtigten und die Entwicklung und Bereitstellung eines wirksamen Beschwerdemanagements, um die zügige Bearbeitung der Beschwerde auch gewährleisten zu können. Die Berichtspflicht müssen die Unternehmen vierteljährlich erfüllen. Die Berichte müssen für jedermann zugänglich im Internet veröffentlicht werden. Verstöße können mit Bußgeldern von bis zu fünf Millionen Euro gegen eine für das Beschwerdeverfahren verantwortliche Person und bis zu 50 Millionen Euro gegen das Unternehmen selber geahndet werden.
Durch die Regelungen sollen Inhalte erfasst werden, die den objektiven Tatbestand einer der im Gesetzentwurf genannten Strafvorschriften erfüllen, z.B. Beleidigung, üble Nachrede, Verleumdung, öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung und Bedrohung.
Das BMI möchte künftig gegen Falschmeldungen vorgehen. Dazu wurde kürzlich die Einrichtung eines „Abwehrzentrums gegen Desinformation“ vorgeschlagen. Zudem sollen gesetzliche Maßnahmen getroffen werden, die eine Verbreitung von Fake-News über soziale Netzwerke verhindern.
Zu dem Thema der Fake News fand am 25. Januar 2017 bereits im Ausschuss „Digitale Agenda“ ein Fachgespräch mit Experten zu regulatorischen Eingriffen im Kampf gegen Fake News, Social Bots, Hacks und Hate Speech statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.
Am 5. April 2017 hat die Bundesregierung den vorgelegten Gesetzentwurf beschlossen. Zum Regierungsentwurf siehe auch Kubiciel, jurisPR-StrafR 7/2017 Anm. 1.
Am 19. Mai 2017 hat der Bundestag erstmals über den Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU und SPD beraten und ihn zusammen mit dem Gesetzantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zur federführenden Beratung an den Rechtsausschuss überwiesen. Die Opposition äußerte massive Kritik an dem Gesetzentwurf, die von den Koalitionsfraktionen anerkannt wurde. Die verbleibende Beratungszeit in der Legislaturperiode soll dafür genutz werden, den Entwurf nachzubessern. „Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit“, sagte Stefan Heck. Ziel sei aber ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens bis zur Sommerpause.
Bundesjustizminister Heiko Maas: „Hasskriminalität beschädigt unser Zusammenleben, unsere Debattenkultur und letztlich auch die Meinungsfreiheit.“ Beschimpfungen, Bedrohungen und Mobbing seien „Angriffe auf die Meinungsfreiheit“. Er wies darauf hin, „dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist, dass auch online nicht erlaubt ist, was offline verboten ist.“
Die Fraktion die Linke kritisierte das grundsätzliche Löschverhalten von Facebook und Co., sieht aber die Gefahr, dass mit dem Gesetzentwurf auch legale Inhalte in großem Stil gelöscht würden. Ebenfalls eröffne man der Abmahnindustrie ein neues Betätigungsfeld, wenn Bestandsdaten auch im Zivilprozess herausgegeben werden müssten.
Die Fraktion CDU/CSU wies darauf hin, dass der Gesetzentwurf nicht nur die Verpflichtung der Netzbetreiber schaffe, sondern auch bessere Möglichkeiten biete, die Urheber von Hass und Hetze zur Verantwortung zu ziehen. Im Bundesrat habe es bereits Initiativen der Landesregierungen gegeben, das Gesetz noch weiter zu verschärfen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gab zu bedenken, dass die Anbieter der sozialen Plattformen nicht in die Richterrolle gedrängt werden dürften.
Die SPD teilte mit, dass sie eine ganze Reihe von Kritikpunkten in der Öffentlichkeit bereits aufgenommen habe und diese in weiteren Gesetzgebungsverfahren berücksichtigen werde. Darunter falle zum Beispiel die Einführung eines Richtervorbehaltes für den Auskunftsanspruch. Ebenso solle eine Konkretisierung der Bußgelder und eine deutliche Klarstellung erfolgen, welche Netzwerke von dem Gesetz betroffen sind.
Am 2. Juni 2017 begrüßte der Bundesrat in seiner Plenarsitzung das Vorhaben der Bundesregierung, mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz verstärkt gegen Hetze und Fake News im Internet vorzugehen. In seiner Stellungnahme machte der Bundesrat klar, dass freiwillige Selbstverpflichtungen, konsequenter gegen rechtswidrige Inhalte vorzugehen, keine ausreichende Wirkung erzielen können. Zugleich müssten aber dennoch geplante Maßnahmen verhältnismäßig sein. Die vorgesehenen hohen Bußgelder könnten zu einer vorschnellen Löschung von Inhalten führen. Daher sollte über die Einrichtung einer Clearingstelle nachgedacht werden. Diese soll Anlaufstelle für Betroffene sein, wenn unberechtigt Inhalte gelöscht wurden. Auch das von der Bundesregierung vorgesehene Beschwerdemanagement, das die Unternehmen einrichten müssen, sei weiter zu konkretisieren, damit die Betroffenen genau wissen, was sie zu tun haben. Für die Fälle, in denen der rechtswidrige Inhalt einen Straftatbestand erfüllt, soll eine strafrechtliche Verfolgung vereinfacht werden, indem die Zusammenarbeit mit den sozialen Netzwerken und den Strafverfolgungsbehörden geregelt wird. Bezweifelt wurde die Schätzung der anfallenden Kosten für den Erfüllungsaufwand der Länder in Höhe von 300.000 EURO im Jahr. Ebenso wurde die Zuständigkeit des Bundesamtes für Justiz zur Durchsetzung des Gesetzes in Frage gestellt. Der Bundesrat deutete in seiner Stellungnahme an, dass hier eine Kollision mit Länderzuständigkeiten möglich sei und verlangt eine Prüfung, ob das Gesetz zustimmungsbedürftig ist. In ihrer Gegenäußerung hält die Bundesregierung an ihrer Kostenschätzung fest. Ferner sei das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nicht zustimmungsbedürftig, weil „ein Konflikt mit dem Medienrecht bzw. der Medienaufsicht der Länder nach Auffassung der Bundesregierung“ nicht bestehe.
Am 15. Juni 2017 brachte die Bundesregierung ihren wortgleichen Gesetzentwurf (BT Drs. 18/12727) in den Bundestag ein. Zur Verfahrensbeschleunigung wurde der Entwurf der Koalitionsfraktionen (BT Drs. 18/12356) bereits in den Bundestag eingebracht und beraten, während der Gesetzentwurf der Bundesregierung seinen üblichen Weg ging und zunächst dem Bundesrat zur Beratung zugeleitet wurde.
Am 19. Juni 2017 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Die Sachverständigen beurteilten die wortgleichen Entwürfe der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen unterschiedlich. Die Einschätzungen reichten von einer Verfassungswidrigkeit des Entwurfs bis hin zur Übereinstimmung mit geringen Einschränkungen. Von den Befürwortern wurde insbesondere die Verpflichtung einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen hervorgehoben. Da die großen Plattformbetreiber ihren Sitz im Ausland inne haben, müssten ansonsten regelmäßig Rechtshilfeersuchen gestellt werden, deren Bearbeitung oft langwierig sei und die Strafverfolgung erschwere. Dagegen wurde die Löschpflicht als solche als nachrangig betrachtet. Selbst bei Einhaltung der Löschfristen könnten sich Postings immer weiter verbreiten, gerade weil niemand daran gehindert ist, gelöschte Posts wieder einzustellen.
Einige Sachverständige sahen in dem Gesetzentwurf einen verfassungswidrigen Eingriff in die Meinungsfreiheit, sowie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Es solle nur bei eindeutigen Rechtsverstößen eine Löschpflicht seitens des Plattformbetreibers bestehen, damit nicht „mehr Schaden als Nutzen“ angerichtet werde. Vielmehr sei auf „regulierte Selbstregulierung“ zu setzen und ein rechtlicher Rahmen für die Selbstkontrolle zu schaffen. Ferner wurde kritisiert, dass dem Entwurf eine Regelung fehle, dass gelöschte Inhalte wieder eingestellt werden müssen, wenn sie sich nachträglich als nicht rechtswidrig herausstellen. Ebenso wenig könne es sein, dass Opfer von Hass-Postings einen Anspruch auf Nennung des Urhebers erhalten.
Eine weiteres Problem sahen die Gegner des Entwurfs auch in der Verwendung unbestimmter Begriffe. So sei es bereits in Weißrussland zu dem Fall gekommen, dass zwecks der Begründung einer weitreichenden Einschränkung der Meinungsfreiheit im Internet der deutsche Gesetzentwurf herangezogen wurde. Der Entwurf dürfe keinen Präzedenzfall für andere Länder schaffen.
Schließlich wurde dafür plädiert, das Vorhaben in der nächsten Legislaturperiode neu aufzugreifen. „Sorgfalt geht vor Schnelligkeit“, mahnte Bernhard Rohleder vom Internet-Branchenverband Bitkom.
Am 30. Juni 2017 hat der Bundestag den Koalitionsentwurf in der geänderten Fassung des Rechtsausschusses (BT Drs. 18/13013) angenommen.
Der von der Bundesregierung wortgleich eingebrachte Gesetzentwurf wurde einvernehmlich für erledigt erklärt. Der Antrag der Grünen (BT Drs. 18/11856), mit dem sie ein Gesetz forderten, das für „Diensteanbieter von Telemedien ab einer festzulegenden Größenordnung“ ein strukturiertes Verfahren zum Umgang mit rechtswidrigen Informationen vorschreibt, wurde mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen abgelehnt.
Am 7. Juli 2017 hat der Bundesrat das Netzwerkdurchsetzungsgesetz gebillig. Es soll bereits am 1. Oktober 2017 in Kraft treten.
Der Begriff der sozialen Netzwerke wurde nun konkretisiert und die Bagatellgrenze auf zwei Millionen registrierte Nutzer festgelegt. Die Betrieber der sozialen Netzwerke wurden hinsichtlich der Berichtspflicht entlastet. Ursprüngliche war eine vierteljährliche Berichtspflicht vorgesehen. Ebenso wurden die starren Verfahrensfristen bei der Löschung von Inhalten gelockert. Diese Änderungen sind auf die Länder zurückzuführen. Sie hatten diese gefordert, um zu verhindern, dass Inhalte vorschnell aus dem Internet genommen werden.
Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken (Netzwerkdurchsetzungsgesetz – NetzDG) vom 1. September 2017 wurde am 7. September 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es wurde notifiziert gemäß der Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. L 241 vom 17.9.2015, S. 1). Es trat am 1. Oktober 2017 in Kraft.
Gesetzentwürfe:
Empfehlungen der Ausschüsse vom 17. März 2017: BR Drs. 214/1/17
Nach dem Gesetzantrag soll die religiöse oder kulturelle Prägung eines Straftäters kein Grund für eine Strafmilderung mehr sein. Mit „Ehrenmorden“, Genitalverstümmelungen und Zwangsheirat sei die Justiz immer häufiger mit völlig fremden Wertvorstellungen konfrontiert, was eine besondere Herausforderung bei der Frage der Schuld und Strafzumessung für die Strafgerichte bedeute. Deshalb sollen ausdrückliche Vorgaben geschaffen werden. Dazu werden die Regeln der Strafzumessung um zwei Aspekte ergänzt. Die Beurteilung der Strafe soll sich an der verfassungsmäßigen Ordnung Deutschlands orientieren und die Möglichkeit der Strafmilderung bei religiös motivierten Straftaten soll auf wenige Ausnahmefälle begrenzt werden.
Der Gesetzentwurf war am 10. März 2017 Thema in der Plenarsitzung des Bundesrates. Er wurde zur Beratung an die Ausschüsse weitergeleitet. In seiner Sitzung vom 31. März 2017 hat der Bundesrat beschlossen, den Gesetzentwurf nicht in den Bundestag einzubringen.
von Prof. Dr. Martin Heger und Wiss. Mit. Michael Jahn, LL.M. (UMN)
Abstract
„Der Bundesrat versucht, mit einem Gesetzentwurf der Problematik des sogenannten Gaffens bei Unglücksfällen Herr zu werden. Kern der Lösung soll ein neuer Tatbestand sein, der das Behindern von Rettungskräften unter Strafe stellt, ohne dass es dabei zur Anwendung von Gewalt oder Drohungen kommen muss. Ob für das Problem des sogenannten Gaffens grundsätzlich ein Bedarf nach neuen Strafgesetzen vorhanden ist und welche Probleme und Gefahren der Gesetzentwurf mitbringt, wird im folgenden Beitrag besprochen.”
von Dr. Alexander Baur, M.A./B.Sc.
Abstract
Der Terrorismus ist im Sanktionenrecht angekommen: Unter dem Eindruck des jüngsten Anschlags auf den Berliner Weihnachtsmarkt plant die Bundesregierung, die 2013 in das Recht der Führungsaufsicht (§ 68b Abs.1 S. 1 Nr. 12 StGB) eingeführte Elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) auf extremistische Straftäter auszudehnen. Da bei extremistischen Straftätern ein resozialisierungs- und besserungsorientiertes Strafrecht an seine Grenzen stößt, fügt sich das Vorhaben nicht ohne Friktionen in das Recht der Führungsaufsicht ein. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist ein neuerliches Symptom einer sich verändernden Grundausrichtung des Sanktionenrechts. Diesen Paradigmenwechsel und andere Bedenken gegen das Gesetzesvorhaben möchte der folgende Beitrag aufzeigen.
von Rechtsanwalt Christian Heuking
2016, Nomos Verlag, Baden-Baden, ISBN: 978-3-8487-2691-2, S. 396, Euro 98,00.
Das Begriffspaar Whistleblowing/Whitsleblower hat sich im allgemeinen Sprachgebrauch und in der deutschen Rechtswissenschaft etabliert. Die fremdsprachigen Standardbegriffe haben, wie Herold zutreffend feststellt, den Vorteil einer gewissen Abstraktheit im Sinne eines neutralen Terminus technicus. Dafür einen deutschen Standardbegriff zu suchen, ist auch im wissenschaftlichen Kontext nicht lohnenswert. Gerade aber weil solche Begriffe das Potential haben, sprachlich leicht die Komplexität der durch sie beschriebenen Realität zu verschleiern und die Probleme zu verbergen, die bei einer Übertragung des Instruments von einem in den anderen Rechtskreis auftreten, ist es wichtig, das so griffig bezeichnete Phänomen zu hinterfragen und wissenschaftlich zu behandeln. Diese(r) Aufgabe hat sich Nico Herold gestellt. Und, um es vorweg zu nehmen, er hat diese Aufgabe in jeder Hinsicht überzeugend und mit hohem Erkenntnisgewinn gelöst.
2016, Peter Lang GmbH, Frankfurt a. M., ISBN: 978-3-631-67853-4, S. 266, Euro 66,95.
Erst 2007 ist der Straftatbestand der Nachstellung in das Strafgesetzbuch eingefügt worden, um das Phänomen des Stalkings wirksam bekämpfen zu können. Doch schon kurz nach der Einführung wurde Kritik an eben dieser Wirksamkeit der Vorschrift des § 238 StGB laut. Mittlerweile hat die Bundesregierung einen Entwurf zur Änderung des Paragrafen in den Bundestag eingebracht. Dieser wurde am 15.12.2016 durch den Bundestag gegen das Votum der Opposition in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung (BT-Drs. 18/10654) angenommen. Am 10.2.2017 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf schließlich gebilligt. Das Gesetz tritt am Tag seiner Verkündung in Kraft.
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