Abstract
Die Straftatbestände der §§ 180a und 181a StGB sind nicht mehr zeitgemäß. Verstärkt wird die Problematik durch die Neufassung der §§ 232 bis 233b StGB, die einen Teilausschnitt der Prostitution regeln und ihrerseits teilweise inkonsistent sind. Weitere Wertungswidersprüche sind durch die Schaffung des Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) entstanden. Es wird vorgeschlagen, das Prostitutionsstrafrecht grundlegend zu reformieren. Dazu sollte zunächst der Tatbestand der Zwangsprostitution (§ 232a StGB) in den 13. Abschnitt (rück-)überführt werden. Ferner sollte ein allgemeiner Ausbeutungstatbestand geschaffen, die dirigistische Zuhälterei unter Berücksichtigung des ProstG und des ProstSchG neu geregelt und ein stimmiges Jugendschutzkonzept geschaffen werden.
I. Einführung
Die letzte Legislaturperiode hat zu einer kaum mehr zu überschauenden und allseits beklagten Anzahl von Reformen im Strafrecht geführt. Daher mag es vielleicht zunächst überraschen, wenn der folgende Beitrag eine weitere Reform anmahnt. Allerdings hängt diese Forderung mit zwei Gesetzgebungsvorhaben der vergangenen Legislaturperiode zusammen, die weiteren Reformbedarf im Bereich der Strafvorschriften über Prostitution (§§ 180a, 181a StGB) geschaffen haben. So wurden §§ 232 bis 233b StGB mit dem Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung des Menschenhandels und zur Änderung des Bundeszentralregistergesetzes sowie des Achten Buches Sozialgesetzbuch vom 11.10.2016[1] weitgehend neu gefasst und hierbei auch Teilbereiche der Prostitution geregelt, ohne dass das Verhältnis zu §§ 180a, 181a StGB hinreichend Berücksichtigung fand.[2] Zudem enthält das neue Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) vom 21.10.2016[3] detaillierte Regelungen über Prostitutionsbetriebe, die ebenfalls eine Anpassung des Prostitutionsstrafrechts notwendig machen.
Im Folgenden soll von der Wertung des ProstSchG ausgegangen werden, wonach Prostitution bzw. die Nachfrage nach Prostitution in Deutschland nicht schlechthin verboten (so aber das sog. Schwedische Modell), sondern unter bestimmten Voraussetzungen zulässig und damit nicht strafbar ist.[4] Dem liegt – verkürzt gesagt – die Sichtweise zugrunde, dass bei erwachsenen Personen, die freiwillig der Prostitution nachgehen, eine eigenverantwortliche Entscheidung vorliegt, die einen paternalistischen Schutz nicht gebietet. Die nachfolgenden Ausführungen beruhen auf Überlegungen, die ich als Mitglied der Reformkommission zum Sexualstrafrecht in einem Impulsreferat vorgestellt habe und die von der ganz großen Mehrheit als Empfehlung beschlossen wurden.[5]
II. Regelung der Prostitution innerhalb der Strafvorschriften über den Menschenhandel
Zunächst gilt es zu berücksichtigen, dass ein zentraler Teil der Strafvorschriften über die Prostitution in den Vorschriften über den Menschenhandel (§§ 232 ff. StGB) enthalten ist. Die gravierendsten Fälle, in denen eine Person zur Prostitution veranlasst wird, sind nämlich bereits mit dem 37. StrÄG aus dem Jahre 2005 von den Vorschriften des 13. Abschnitts und damit vom Sexualstrafrecht in den 18. Abschnitt zu den Straftaten gegen die persönliche Freiheit verschoben worden. Dies geschah freilich lediglich, um den Menschenhandel an einem einheitlichen Standort im StGB zu regeln,[6] wobei jedoch schon damals die damit verbundenen Wertungswidersprüche und Überschneidungen zum Sexualstrafrecht verkannt wurden. Mit der Neuregelung der §§ 232 ff. StGB im Jahre 2016, die der Umsetzung der Richtlinie 2011/36/EU zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz seiner Opfer sowie zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2002/629/JI[7] diente und weitere Formen der Ausbeutung – Ausnutzung der Bettelei und der Begehung von strafbaren Handlungen sowie die rechtswidrige Organentnahme – einbezieht, hat der Gesetzgeber trotz deutlicher Kritik nichts an der Systematik geändert.[8]
Dass der Gesetzgeber bei der Neuregelung die Regelungen des Sexualstrafrechts aus dem Blick verloren hat, soll an dieser Stelle nur anhand eines Beispiels illustriert werden. In § 232a Abs. 6 StGB wurde für Fälle der Zwangsprostitution nunmehr eine Freierstrafbarkeit mit Kronzeugenregelung eingeführt, um dem Opferschutz Rechnung zu tragen und den Menschenhändlern die wirtschaftliche Basis ihrer Tätigkeit zu entziehen. Diese Regelung ist zunächst sehr eng gefasst, da sie sich entsprechend des Regelungskontextes nur auf Fälle des Menschenhandels und der Zwangsprostitution beschränkt. Noch gravierender ist freilich, dass die Kronzeugenregelung, die Anreize zur Tataufdeckung und Mitwirkung an der Aufklärung schaffen soll,[9] de facto leerläuft,[10] weil der Täter neben § 232a Abs. 6 StGB tateinheitlich § 177 Abs. 1 StGB verwirklicht, wenn das Opfer zu erkennen gibt, dass es die sexuellen Handlungen nicht vornehmen möchte und er § 177 Abs. 2 Nr. 4 StGB verwirklicht, wenn er es ausnutzt, dass dem Opfer vom Zuhälter bei Nichtvornahme der sexuellen Handlungen ein empfindliches Übel droht. Da die Kronzeugenregelung für diese Vorschriften aber nicht Anwendung findet und innerhalb des § 177 StGB auch eine Privilegierung von Freiern durch eine analoge Anwendung der Vorschrift nicht geboten ist, ist eine Mitwirkung an der Aufklärung in der Praxis kaum zu erwarten.
1. Zwangsprostitution
Die strafwürdigsten Fälle von Prostitution sind derzeit in § 232a StGB geregelt, der weitgehend § 232 StGB a.F. entspricht.[11] § 232a Abs. 1 StGB erfasst mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren alle Fälle, in denen eine Person unter Ausnutzung einer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist (sog. auslandsspezifische Hilflosigkeit), zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder dazu veranlasst wird, sexuelle Handlungen, durch die sie ausgebeutet wird, an oder vor dem Täter oder einer dritten Person vorzunehmen oder von dem Täter oder einer dritten Person an sich vornehmen zu lassen. Ohne Zwangslage oder auslandsspezifische Hilflosigkeit werden auch Fälle erfasst, in denen eine Person unter 21 Jahren (d.h. ein Kind, ein Jugendlicher, aber auch ein Heranwachsender) zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder zu sonstigen sexuellen Handlungen veranlasst wird. § 232a Abs. 3 StGB enthält zudem einen eigenständigen Verbrechenstatbestand[12] mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, bei dem kein Ausnutzen einer Schwächesituation oder ein bestimmtes Alter des Opfers verlangt wird, sondern der Einsatz von Nötigungsmitteln, durch die das Opfer zur Prostitution oder zu sexuellen Handlungen veranlasst wird. § 232a Abs. 4 StGB normiert zur Umsetzung der EU-Richtlinie durch Verweis auf § 232 Abs. 3 S. 1 Nrn. 1 bis 3 StGB Qualifikationen. Zu erwähnen ist ferner die bereits eben angesprochene Freierstrafbarkeit mit Kronzeugenregelung in Abs. 6.
2. Menschenhandel und Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung
Bezüge zum Prostitutionsstrafrecht finden sich ferner im neuen § 232 StGB, der hinsichtlich der Tathandlungen an § 233a StGB a.F. angelehnt ist. Das abstrakte Gefährdungsdelikt im Vorfeld der Ausbeutung pönalisiert in seinem Abs. 1 mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren das Anwerben, Befördern, Weitergeben, Beherbergen und Aufnehmen einer anderen Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, sofern sie durch den Täter oder einen Dritten ausgebeutet werden soll. Entsprechendes gilt auch ohne Zwangslage für Personen unter 21 Jahren. Nach Nr. 1 lit. a wird auch die intendierte Ausbeutung durch Prostitution und sexuelle Handlungen erfasst.
Völlig neu geschaffen wurde der Tatbestand des § 233a StGB, der die Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung regelt. Nach § 233a Abs. 1 StGB wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wer eine andere Person einsperrt oder auf andere Weise der Freiheit beraubt und sie in dieser Lage ausbeutet, wobei Nr. 1 explizit die Prostitution nennt.
3. Systematische Ungereimtheiten innerhalb der §§ 232 ff. StGB
Im Folgenden soll es nicht allgemein um eine kritische Betrachtung der insgesamt wenig gelungenen Neuregelung des Menschenhandels gehen, sondern um Ungereimtheiten, die speziell mit der Implementierung der Prostitution in §§ 232 ff. StGB verbunden sind. In §§ 232 ff. StGB werden – wie schon in den Vorgängerregelungen – Prostitution und ausbeuterische Beschäftigung grundsätzlich gleichgestellt. Dies gilt für den Menschenhandel in § 232 StGB, die Zwangsprostitution in § 232a StGB und die parallel dazu ausgestaltete Zwangsarbeit in § 232b StGB sowie die Ausbeutung unter Ausnutzung einer Freiheitsberaubung in § 233a StGB. Hingegen findet sich für die Prostitution keine dem § 233 StGB (Ausbeutung der Arbeitskraft) vergleichbare Regelung. Nach dieser Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren bestraft, wer eine andere Person unter Ausnutzung ihrer persönlichen oder wirtschaftlichen Zwangslage oder ihrer auslandspezifischen Hilflosigkeit bzw. eine Person unter 21 Jahren durch eine Beschäftigung (Nr. 1) ausbeutet. Diese bewusste Aufhebung des Gleichlaufs von Prostitution und ausbeuterischer Beschäftigung liegt in dem Umstand begründet, dass die Ausbeutung von Prostituierten bereits – inhaltlich abweichend – in §§ 180a, 181a StGB geregelt ist. Diese Regelungstechnik überzeugt freilich wenig. Denn entweder sind beide Bereiche miteinander vergleichbar, dann hätte auch die Ausbeutung von Prostituierten in §§ 232 ff. StGB geregelt werden können (konsequenterweise in § 233 StGB: Ausbeutung von Prostituierten, in § 233a StGB: Ausbeutung der Arbeitskraft). Oder die beiden Regelungsbereiche betreffen ganz unterschiedliche Materien (was angesichts des Schutzguts der sexuellen Selbstbestimmung[13] allein zutreffend ist), dann hätte aber die Prostitution in den 13. Abschnitt (rück-)überführt werden müssen.[14] Ein Gleichlauf lässt sich im Übrigen auch nicht dadurch erreichen, dass man – was angesichts der Regelungen im ProstG und ProstSchG denkbar wäre – die Prostitution, sofern diese innerhalb eines Prostitutionsgewerbes erfolgt, als Beschäftigungsverhältnis i.S.d. §§ 232 ff. StGB interpretiert und somit zur Anwendbarkeit des § 233 StGB gelangt. Denn §§ 232 ff. StGB trennen explizit zwischen Prostitution und sexuellen Handlungen einerseits und ausbeuterischer Beschäftigung andererseits, so dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die Prostitution speziell regeln wollte. Dafür lässt sich auch anführen, dass die ausbeuterische Beschäftigung in § 232 Abs. 1 S. 2 StGB legaldefiniert ist, diese Definition der Ausbeutung aber gerade nicht für die Prostitution gilt und damit nicht über den Umweg der gleichzeitigen Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses zur Anwendung gebracht werden kann. Dass die Neuregelung der §§ 232 ff. StGB zu Friktionen führt, hat der Gesetzgeber zwar gesehen, aber lapidar ausgeführt: „Einem möglichen gesetzgeberischen Handlungsbedarf im Hinblick auf diese Vorschriften soll bei einer Gesamtreform des 13. Abschnitts des StGB (Vorschriften über die sexuelle Selbstbestimmung) Rechnung getragen werden.“[15]
III. Analyse der Vorschriften des 13. Abschnitts
Der Reformbedarf im Hinblick auf die Strafvorschriften der §§ 180a, 181a StGB folgt aber nicht nur aus Verwerfungen im Hinblick auf die neuen §§ 232 ff. StGB, sondern auch daraus, dass §§ 180a, 181a StGB inzwischen veraltet sind.
1. Ausbeutung von Prostituierten, § 180a StGB
a) § 180a Abs. 1 StGB
§ 180a Abs. 1 StGB sanktioniert mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (das entspricht dem Strafrahmen des § 233 StGB für das Ausbeuten der Arbeitskraft) das gewerbsmäßige Unterhalten oder Leiten eines Betriebes, in dem Personen der Prostitution nachgehen, wenn diese in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit gehalten werden. Die Vorschrift, die im Lichte des ProstG und ProstSchG auszulegen ist,[16] ist zunächst enger als § 232a StGB, da der Täterkreis auf das gewerbsmäßige Unterhalten (d.h. die Inhaberschaft am Betrieb) und das Leiten (Direktionsbefugnis) beschränkt ist. Große inhaltliche Überschneidungen ergeben sich dann aber, weil die persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage bei § 232a Abs. 1 StGB häufig mit der persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit i.S.d. § 180a Abs. 1 StGB einhergehen wird.[17] Denn unter Zwangslage i.S.d. § 232a Abs. 1 StGB ist gerade das Bestehen einer ernsten Not oder Bedrängnis persönlicher oder wirtschaftlicher Art zu verstehen.[18] Auch das bei § 232a Abs. 1 StGB vorausgesetzte Ausnutzen der Zwangslage führt de facto kaum zu einer Einschränkung gegenüber § 180a Abs. 1 StGB, da ein solches regelmäßig vorliegen wird. Ferner verlangt § 232a Abs. 1 StGB in der neuen Fassung in Fällen der Prostitution nach Nr. 1 keine Ausbeutung mehr, da diese ausdrücklich nur noch auf sexuelle Handlungen i.S.d. Nr. 2 bezogen ist,[19] so dass auch insoweit kein Unterschied zu § 180a StGB besteht. Da § 232a Abs. 1 StGB jedoch einen deutlich höheren Strafrahmen (und zudem Qualifikationen) aufweist, wird demnach durch § 180a Abs. 1 StGB – ungeachtet der Konkurrenzfrage der Vorschriften – der Bordellbetreiber privilegiert. Da § 180a Abs. 1 StGB zudem weite Überschneidungen mit § 181a Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB aufweist,[20] könnte bei entsprechender Anpassung des § 181a StGB die Vorschrift des § 180a Abs. 1 StGB vollständig gestrichen werden. Der Unrechtsgehalt würde dann bereits hinreichend von § 232a StGB, der in den 13. Abschnitt überführt werden sollte, sowie von § 181a Abs. 1 StGB abgedeckt.
b) § 180a Abs. 2 Nr. 1 StGB
Nach § 180a Abs. 2 Nr. 1 StGB wird bestraft, wer einer Person unter 18 Jahren zur Ausübung der Prostitution Wohnung, gewerbsmäßig Unterkunft oder gewerbsmäßig Aufenthalt gewährt. Die Vorschrift soll verhindern, dass Jugendliche in Prostituiertenwohnheime, Eros-Center usw. aufgenommen werden, wo sie leicht in dauerhafte Abhängigkeiten geraten können.[21] Überzeugend ist diese Regelung jedoch nicht. Soweit Jugendliche auf Prostitution angewiesen sind, werden sie diese kaum mangels Wohnung aufgeben. Vielmehr ist es naheliegender, dass sie in die deutlich gefährlichere Straßenprostitution getrieben werden.[22] Dies gilt erst recht seit Erlass des ProstSchG, wonach der Betreiber eines Prostitutionsgewerbes einer Erlaubnis bedarf, so dass die Genehmigung und Kontrolle seitens der Behörden für die Prostituierten ein Mehr an Sicherheit gegenüber der Straßenprostitution gewährt. Da § 180a Abs. 2 Nr. 1 StGB von vornherein nicht geeignet ist, den Schutzzweck zu erreichen, sollte diese Vorschrift ebenfalls gestrichen werden.
Stattdessen ist grundsätzlich zu überlegen, wie Personen unter 18 bzw. 21 Jahren vor Prostitution strafrechtlich geschützt werden sollen. Dabei sind nicht nur § 232 Abs. 1 Nr. 1 StGB (insb. Beherbergen) und § 232a Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern auch § 180 Abs. 2 StGB zu berücksichtigen, der das Bestimmen einer Person unter 18 Jahren zu sexuellen Handlungen gegen Entgelt sowie das Vorschubleisten durch Vermittlung bestraft. Ferner ist § 182 Abs. 2 StGB einzubeziehen, der eine Strafbarkeit für Fälle vorsieht, in denen der Täter eine Person unter 18 Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Insoweit bedarf es künftig eines einheitlichen Konzeptes mit stimmigen Altersgrenzen.[23]
c) § 180a Abs. 2 Nr. 2 StGB
Letztlich wird nach § 180a Abs. 2 Nr. 2 StGB bestraft, wer eine andere Person, der er zur Ausübung der Prostitution Wohnung gewährt, zur Prostitution anhält (Var. 1) oder im Hinblick auf sie ausbeutet (Var. 2). Soweit das Anhalten zur Prostitution (Var. 1), das eine andauernde und nachhaltige Beeinflussung erfordert, die nicht nur in gelegentlichen Äußerungen besteht,[24] strafbar ist, überzeugt dies schon nach den Wertungen des ProstG und ProstSchG wenig. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb das Überreden zu einer legalen Tätigkeit ohne Hinzutreten weiterer Umstände, wie etwa dem Ausnutzen einer Zwangslage oder dem Einsatz von Nötigungsmitteln, strafbar sein soll. Letztlich trifft die volljährige Prostituierte in solchen Fällen eine eigenverantwortliche Entscheidung.[25] Auch § 180a Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 StGB sollte daher gestrichen werden. Die Strafbarkeit der Ausbeutung durch Wohnungsgewährung (Var. 2), die (nur) einen Spezialfall der Ausbeutung nach § 181a StGB darstellt,[26] beruht im Wesentlichen darauf, dass der Vermieter es sich zunutze machen kann, dass es für Prostituierte schwierig ist, entsprechende Räumlichkeiten anzumieten. Da die Ausbeutung nach § 181a Abs. 1 StGB grundsätzlich mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft wird, wird bei § 180a Abs. 2 Nr. 2 StGB, der nur eine Obergrenze von drei Jahren Freiheitsstrafe vorsieht, der Vermieter in kaum nachvollziehbarer Weise privilegiert (sog. Vermieterprivileg).[27] Die Vorschrift sollte daher ebenfalls gestrichen werden.
d) Zwischenergebnis
Die Vorschrift des § 180a StGB kann im Rahmen einer Neukonzeption vollständig gestrichen werden, da das Unrecht bereits im Wesentlichen von § 232a StGB und § 181a StGB erfasst wird, so dass allenfalls dort leichte Modifikationen notwendig werden.
2. Zuhälterei nach § 181a StGB
a) § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB
§ 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB bestraft die Ausbeutung von Prostituierten, ohne dass es einer Zwangslage oder eines jugendlichen Alters bedarf. Der Strafrahmen beträgt sechs Monate bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe und liegt damit deutlich über der Ausbeutung der Arbeitskraft nach § 233 StGB. Dies überzeugt aber aus zwei Gründen nicht. Zum einen sind in den §§ 232 ff. StGB Prostitution und ausbeuterische Beschäftigung ansonsten gleichgestellt. Zum anderen weist § 233 StGB sogar einen höheren Unrechtsgehalt auf, da hier zusätzlich verlangt wird, dass der Täter eine Zwangslage oder auslandsspezifische Hilflosigkeit ausnutzt oder das Tatopfer unter 21 Jahren ist. Da auch die Ausbeutung ein Element der Abhängigkeit verlangt, erfasst § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB bereits viele Fälle des § 180a Abs. 1 StGB;[28] dies bestätigt erneut die These, dass § 180a Abs. 1 StGB entbehrlich ist.[29] In der Ausbeutung dürfte zugleich der Kern eines dritten eigenständigen Tatbestandes liegen, der neben diejenigen Strafvorschriften treten sollte, die an Zwangslagen oder das Alter der Prostituierten anknüpfen.
b) § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB
§ 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB pönalisiert die sog. „dirigierende Zuhälterei“. Dies sind Fälle, in denen der Täter seines Vermögensvorteils wegen eine andere Person bei der Ausübung der Prostitution überwacht (Var. 1), Ort, Zeit, Ausmaß oder andere Umstände der Prostitutionsausübung bestimmt (Var. 2) oder Maßnahmen trifft, die sie davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben (Var. 3). Da das Halten in persönlicher Abhängigkeit i.S.d. § 180a Abs. 1 StGB ohne eine entsprechende Überwachung der Prostitutionsausübung kaum denkbar ist, zeigt sich auch hier ein weiter Überschneidungsbereich.[30] Dabei ist zu beachten, dass die Einschränkung „seines Vermögensvorteils wegen“ kaum praktische Bedeutung erlangt, da diese Voraussetzung im Hinblick auf den wirtschaftlichen Profit im Prostitutionsgewerbe regelmäßig gegeben sein wird. Der Überschneidungsbereich soll nach Vorschlägen aus dem Schrifttum derzeit vor allem durch Restriktionen bei § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB aufgelöst werden, so dass teilweise auf eine Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit durch Gewalt, Drohung, Versagen von Schutz usw. abgestellt wird.[31] Dagegen spricht jedoch, dass solche Fälle schon von §§ 232 ff. StGB erfasst werden, so dass es de lege ferenda überzeugender ist, § 180a Abs. 1 StGB zu streichen und mit § 181a StGB einen reinen Ausbeutungstatbestand beizubehalten.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass § 181a StGB bereits de lege lata im Lichte des ProstG und ProstSchG ausgelegt werden muss und sich daran auch eine künftige Tatbestandsfassung zu orientieren hat:[32] Ist die Prostitution nämlich als sozialversicherungspflichtige Tätigkeit rechtlich anerkannt, so können arbeitsrechtlich zulässige Überwachungsmaßnahmen und Weisungen (Var. 1 und Var. 2) für sich genommen keine Strafbarkeit begründen. Bereits der Gesetzgeber hat darauf hingewiesen, dass „eine freiwillig getroffene Vereinbarung über Ort und Zeit der Prostitutionsausübung, also ein einvernehmlich begründetes rechtlich wirksames Beschäftigungsverhältnis, das Prostituierten eine jederzeitige Loslösung aus dieser vertraglichen Beziehung ermöglicht“, nicht vom Tatbestand erfasst wird.[33] Daher kann der Tatbestand nicht auf Grund der Vorgabe von Arbeitszeiten, Arbeitsorten, Arbeitskleidung, Hygienestandards, Festsetzen von Preisen und einer festen Organisationsstruktur angenommen werden, wenn die Prostituierte den Arbeitsbedingungen wirksam zugestimmt hat. Voraussetzung für dessen Verwirklichung ist vielmehr, dass sich die Prostituierte auf Grund wirtschaftlicher oder persönlicher Abhängigkeit der Kontrolle bzw. Weisung nicht entziehen kann.[34] Erfasst werden damit nur Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts, die über die in einem normalen Arbeitsverhältnis üblichen Maßnahmen hinausgehen. Anzeichen hierfür können z.B. unangemessene, benachteiligende Arbeitsbedingungen, Drohen von Sanktionen, Beschränkungen der persönlichen Freiheit durch Wegnahme von Personalpapieren, Ausgangsbeschränkungen, Verstrickung in Schulden usw. sein.[35] Unzulässig sind ferner Anordnungen hinsichtlich der Ausführung bzw. der Art und Weise einzelner sexueller Handlungen sowie hinsichtlich der Anzahl der sexuellen Kontakte; ferner darf die Prostituierte keinem Weisungsrecht dahingehend unterliegen, dass sie bestimmte Kunden annehmen muss.[36] Dem ist zuzustimmen, da solche Weisungen in das sexuelle Selbstbestimmungsrecht eingreifen. Entsprechendes gilt für Maßnahmen, die die Prostituierte davon abhalten sollen, die Prostitution aufzugeben (Var. 3). Soweit eine bessere Bezahlung gewährt wird oder auf den wegfallenden Verdienst aus legaler Prostitution hingewiesen wird, vermag dies den Tatbestand nicht zu begründen. Letztlich muss hier ebenfalls die Entscheidungsfreiheit mit unzulässigen Mitteln beeinträchtigt werden.[37] Dabei ergeben sich erneut weite Überschneidungen mit § 232a Abs. 1 Nr. 1 (ggf. i.V.m. Abs. 3) StGB, der auch Fälle erfasst, in denen der Täter durch Ausnutzen einer Zwangslage, Drohung u.s.w. das Opfer zur Fortsetzung der Prostitution bringt, so dass dieser Variante kaum eigenständige Bedeutung zukommt.
Für eine Reform ergeben sich daraus folgende Leitlinien: Es ist zunächst zu prüfen, welche Maßnahmen des Betreibers eines Prostitutionsgewerbes nach ProstG und ProstSchG zulässig sind. Solche legalen Handlungen können ohne Hinzutreten weiterer Umstände eine Strafbarkeit von vornherein nicht begründen. Möchte eine Person, die freiwillig der Prostitution nachgeht, zulässigen Weisungen nicht nachkommen (vgl. etwa § 32 ProstSchG: Kondompflicht), kann sie jederzeit von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen.
c) § 181a Abs. 2 StGB
Diese Vorschrift normiert die sog. kupplerische Zuhälterei. Strafbar ist es, wenn der Täter die persönliche oder wirtschaftliche Unabhängigkeit einer anderen Person dadurch beeinträchtigt, dass er gewerbsmäßig die Prostitutionsausübung der anderen Person durch Vermittlung sexuellen Verkehrs fördert. Ebenso wie bei den übrigen Tatbeständen ist zu beachten, dass die Förderung zulässiger Prostitution nicht strafbar ist. Nicht erfasst werden soll jedenfalls die bloße Vermittlung des freiwilligen Verkehrs.[38] Es spricht viel dafür, künftig die Vermittlung den übrigen Formen des Betreibens eines Prostitutionsgewerbes gleichzustellen und in einem einheitlichen Tatbestand zu regeln.[39]
d) Beziehungs- und Ehegattenklausel
Ganz gestrichen werden könnte die unklare Beziehungsklausel in Abs. 1 und Abs. 2 („und im Hinblick darauf Beziehungen zu ihr unterhält, die über den Einzelfall hinausgehen“), da diese praktisch keine besondere Bedeutung erlangt[40] und auch die nur einzelne oder gelegentliche Ausbeutung von Prostituierten – wie §§ 232 ff. StGB zeigen – durchaus strafwürdig ist. Damit würde auch die fragwürdige Sonderregelung für Ehegatten in § 181a Abs. 3 StGB entbehrlich.
IV. Leitlinien einer Reform
Aus der Analyse der bestehenden Vorschriften ergeben sich einige Leitlinien einer Reform der Strafvorschriften über die Prostitution. Fälle der Zwangsprostitution werden derzeit von § 232a StGB erfasst. Insoweit dürfte zunächst Konsens bestehen, dass diese Vorschrift – ungeachtet einzelner Details – im Kern erhalten bleiben sollte. Sie sollte jedoch im systematischen Zusammenhang mit §§ 180a, 181a StGB im 13. Abschnitt geregelt werden. Für weitere Reformfragen bleiben damit folgende Regelungsbereiche übrig: Ausbeutung von Prostituierten samt Vermittlung, Überwachungs- und Weisungsmaßnahmen sowie Jugendschutz.
1. Ausbeutung von Prostituierten unter Einbeziehung von Vermittlung
In Anlehnung an § 181a Nr. 1 StGB sollte zunächst ein allgemeiner Ausbeutungstatbestand geschaffen werden.
a) Täter- und Opferkreis
Der Tatbestand sollte als Täter nicht nur (wie bei § 180a StGB) den Betreiber eines Prostitutionsgewerbes, sondern Jedermann erfassen. Auch § 2 Abs. 3 ProstSchG lässt es für die Erlaubnispflicht genügen, dass die sexuellen Dienstleistungen von mindestens einer Person erbracht werden. Damit käme es für die Strafbarkeit auch nicht darauf an, ob gemäß § 12 ProstSchG eine behördliche Erlaubnis für die Ausübung eines Prostitutionsgewerbes vorliegt. Insoweit könnten sowohl Betreiber eines Prostitutionsgewerbes mit behördlicher Erlaubnis als auch illegale Zuhälter erfasst werden. Auf Opferseite sind zunächst alle Personen einzubeziehen, da auch Erwachsene eines Schutzes vor Ausbeutung bedürfen. Zu überlegen wäre, ob für Kinder und Jugendliche auf Opferseite eine Qualifikation nach dem Vorbild des § 232a Abs. 4 i.V.m. § 232 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StGB geschaffen wird. Der Unterschied zu § 232a Abs. 1 StGB läge dann darin, dass allein die Ausbeutung bestraft wird, ohne dass der Täter das kindliche oder jugendliche Opfer zugleich zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution gebracht haben muss.
b) Ausbeutung oder auffälliges Missverhältnis als strafbegründendes Merkmal?
Statt dem engeren Begriff der Ausbeutung, der nach bisherigem Verständnis auf das planmäßige Ausnutzen eines Herrschafts- oder Abhängigkeitsverhältnisses abstellt und die persönliche bzw. wirtschaftliche Unabhängigkeit des Opfers schützt,[41] könnte man auch daran denken, an ein „auffälliges Missverhältnis“ von Leistung und Gegenleistung (vgl. § 291 StGB) oder im Hinblick auf die Arbeitsbedingungen anderer Prostituierter (vgl. § 232 Abs. 1 S. 2 StGB) anzuknüpfen und damit mehr den Schutz des Vermögens in den Vordergrund zu stellen. Damit würde zunächst die Abgrenzung zu § 232a StGB deutlicher, der bereits an eine Zwangslage anknüpft und daher das Element der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit ebenfalls berücksichtigt. Zugleich käme es auf den mitunter schwierigen Nachweis solcher Abhängigkeitsverhältnisse nicht an. Im Übrigen zielt auch das ProstSchG darauf ab, solche auffälligen Missverhältnisse zu vermeiden. So normiert etwa § 26 Abs. 4 ProstSchG, dass es „dem Betreiber eines Prostitutionsgewerbes verboten [ist], sich von den Prostituierten für die Vermietung von Räumlichkeiten, für eine sonstige Leistung oder für die Vermittlung einer Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren zu lassen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder zu deren Vermittlung stehen.“
Für das Merkmal der Ausbeutung spricht hingegen, dass dieses illegal tätige Zuhälter deutlich besser erfasst, da hier Leistung und Gegenleistung schwer zu bemessen sind. Auch lassen sich hinsichtlich der Arbeitsbedingungen nur schwer vergleichbare Prostituiertengruppen bilden. Letztlich kommt es bei minderjährigen Prostituierten auch weniger auf die kommerzielle Ausbeutung an, sondern darauf, dass solche Handlungen aus Jugendschutzgründen ganz verboten sind.[42] Insgesamt ist daher die Verwendung des Merkmals der Ausbeutung vorzugswürdig. Der Gesetzgeber hat daher aus guten Gründen auch die Definition des auffälligen Missverhältnisses in § 232 Abs. 1 S. 2 StGB nicht auf die Prostitution bezogen. In einen solchen Tatbestand ist dann auch die Vermittlung zu integrieren.[43] Dafür spricht auch, dass § 2 Abs. 3 Nr. 4 ProstSchG die gewerbliche Vermittlung ausdrücklich als Betreiben eines Prostitutionsgewerbes einstuft und damit zwischen Betreiben einer Prostitutionsstätte, Bereitstellen eines Prostitutionsfahrzeuges, dem Organisieren und Durchführen einer Prostitutionsveranstaltung und der Prostitutionsvermittlung im Ausgangspunkt nicht unterscheidet.
2. Überwachungs- und Weisungsmaßnahmen
§ 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB pönalisiert Anordnungen hinsichtlich der Ausführung bzw. der Art und Weise einzelner sexueller Handlungen, hinsichtlich der Anzahl der sexuellen Kontakte oder der Vornahme sexueller Handlungen. Ferner sind Fälle des Zwangs erfasst, da das Opfer auch dann zur Fortsetzung der Prostitution gebracht wird, wenn sich die Qualität bereits zuvor erbrachter Prostitutionsleistungen durch die Einwirkung des Täters ändert. Damit ist auch das Veranlassen zu einer intensiveren Form der Prostitutionsausübung tatbestandsmäßig.[44] Regelungsbedarf im Rahmen des § 181a StGB besteht daher vor allem unterhalb der Schwelle der Ausnutzung einer Zwangslage, Gewalt, Drohung oder List i.S.d. § 232a StGB.
Fraglich ist sodann, ob allein die Vornahme unzulässiger Überwachungs- oder Weisungsmaßnahmen die Strafbarkeit begründen soll. Damit würde akzessorisch zu § 3 ProstG und § 26 ProstSchG eine Strafbarkeit begründet. Nach § 3 ProstG und § 26 Abs. 2 ProstSchG sind „Weisungen, die Art oder Ausmaß der Erbringung sexueller Dienstleistungen vorschreiben, unzulässig.“ Nach § 26 Abs. 1 ProstSchG wird „die Ausgestaltung sexueller Dienstleistungen ausschließlich zwischen den Prostituierten und deren Kundinnen und Kunden in eigener Verantwortung festgelegt.“ Dabei ist die Prostituierte aber schuldrechtlich nicht zur Erfüllung dieser Vereinbarung verpflichtet.[45] Selbst wenn eine Prostituierte in einem Betrieb engagiert ist, der bestimmte Praktiken anbietet (z.B. „SM-Betrieb“), kann sie solche Praktiken sowohl gegenüber dem Betreiber als auch dem Kunden jederzeit ablehnen. Das umfassende Verbot, Vorgaben zu Art oder Ausmaß sexueller Dienstleistungen (insb. hinsichtlich bestimmter Sexualpraktiken, bestimmter Kunden oder der Häufigkeit) zu erteilen, soll nach Ansicht des Gesetzgebers auch Fälle angemaßter Weisungsbefugnis, in denen also kein echtes Beschäftigungsverhältnis besteht, erfassen.[46] Auch die Vorgabe, sich vollständig unbekleidet den Kunden zu präsentieren bzw. sich in den Räumen des Betriebs aufzuhalten, soll aufgrund eines Eingriffs in den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts (sog. Intimsphäre) unzulässig sein, obgleich diese Vorgabe nicht unmittelbar die Vornahme der sexuellen Handlung selbst betrifft.[47] Umgekehrt sollen ausnahmsweise auch Weisungen über Art und Weise der sexuellen Dienstleistungen zulässig sein, wenn diese dem Schutz der Prostituierten oder einem Dritten dienen oder zur Gewährleistung der Sicherheit erforderlich sind. Dies gilt etwa im Hinblick auf die in § 32 ProstSchG normierte Kondompflicht, aber auch hinsichtlich eines Verbots, die sexuellen Dienstleistungen in nicht dafür vorgesehenen Zimmern zu erbringen oder sexuelle Handlungen auf Video aufzunehmen.[48]
Unter Berücksichtigung dessen könnte man daran denken mit Renzikowski denjenigen zu bestrafen, „der die Art und Weise der Prostitutionsleistung vorschreibt“.[49] Da Weisungen hinsichtlich Art und Ausmaß der sexuellen Dienstleistung jedoch arbeitsrechtlich unverbindlich sind, kann die Prostituierte entsprechende Ansinnen ablehnen, so dass man in Anlehnung an das geltende Recht überlegen könnte, ob weitere einschränkende Merkmale – wie etwa persönliche oder wirtschaftliche Abhängigkeit – erforderlich sein sollten, die eine eigenverantwortliche Entscheidung der Prostituierten beseitigen. Andererseits muss man sehen, dass im Kontext von Prostitutionsleistungen häufig ein faktischer Druck zur Befolgung solcher Weisungen bestehen wird, weil ansonsten zumindest die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses im Prostitutionsbetrieb zu befürchten ist, auf das die Prostituierte wirtschaftlich angewiesen sein kann. Jedenfalls sollte man die Strafbarkeit nicht davon abhängig machen, dass sich die Prostituierte tatsächlich der Weisung durch Vornahme der angesonnenen sexuellen Handlungen beugt, da der Nachweis der Kausalität zu erheblichen Beweisproblemen führen würde. Sinnvoll erscheint es aber, an die Vornahme der Weisung strengere Anforderungen zu stellen, so dass die nur einmalige oder nicht nachdrückliche Aufforderung nicht genügt. Dies könnte ggf. über bekannte Tathandlungen wie Anhalten[50] oder Einwirken[51] erreicht werden. So verlangt auch die Rechtsprechung derzeit bei § 181a Abs. 1 Nr. 2 StGB einen „bestimmenden Einfluss“, während das freiwillige Akzeptieren von Bedingungen die dirigierende Zuhälterei ausschließen soll. [52]
Da dem Betreiber eines Prostitutionsgewerbes umfassende Kontroll- und Compliancemaßnahmen (§§ 24 ff. ProstSchG; z.B. § 27: Kontrolle von Personaldokumenten und Anmeldebescheinigung; Hinweispflicht auf gesundheitliche Beratung) obliegen, dürfte eine rechtswidrige kontrollierende Überwachung nur noch selten Bedeutung erlangen. Schon bisher wurde diesbezüglich verlangt, dass das Verhalten geeignet sein muss, die Prostituierte in Abhängigkeit vom Täter zu halten oder ihre Selbstbestimmung zu beeinträchtigen.[53] Die bloße Kontrolle der Einnahmen oder der Preisgestaltung u.s.w., die in jedem ordnungsgemäß geführten Betrieb gegeben bzw. sogar zu verlangen sein wird, genügt für sich genommen nicht.[54] Soweit man daher für Überwachungsmaßnahmen unterhalb der Schwelle des § 232a StGB und neben einem Ausbeutungstatbestand noch Regelungsbedarf sieht, könnte der bisherige § 180a Abs. 1 StGB dergestalt in die Regelung integriert werden, dass das Halten der Prostituierten durch den Betreiber bzw. die Beeinträchtigung in persönlicher oder wirtschaftlicher Abhängigkeit sanktioniert wird.
3. Jugendschutz
Zunächst ist zu beachten, dass die zuvor beschriebenen Tatbestände für Ausbeutung und rechtswidrige Weisungen auch für Jugendliche gelten sollten. Zudem wird der Jugendschutz derzeit bereits maßgeblich über § 232a StGB begründet. Strafbar ist es demnach, wenn der Täter eine Person unter 21 Jahren zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution oder zu entsprechenden sexuellen Handlungen veranlasst, ohne dass es einer Zwangslage u.s.w. bedarf. In Übererfüllung der internationalen Vorgaben über den Menschenhandel hat der Gesetzgeber hier auch Heranwachsende mit einbezogen.[55] Dabei besteht ein Wertungswiderspruch zu § 180 Abs. 2 Var. 1 StGB, nach dem nur mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe bestraft wird, wer eine Person unter 18 Jahren bestimmt, entgeltliche sexuelle Handlungen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen oder solchen Handlungen durch Vermittlung Vorschub leistet. Was den Unrechtsgehalt der Tat anbelangt, stellt § 232a Abs. 1 StGB mit seinem höheren Strafrahmen zunächst sogar geringere Anforderungen, da auch heranwachsende Opfer miteinbezogen sind, die sexuellen Handlungen ferner unentgeltlich sein können und lediglich ein Veranlassen i.S.e. mitursächlichen Handlung[56] (im Unterschied zum Bestimmen i.S.d § 180 Abs. 2 StGB) als Tathandlung genügt. Bei einer Gesamtreform sollten solche Ungereimtheiten beseitigt werden, die freilich hier vor allem durch die weite Ausgestaltung des § 232a Abs. 1 S. 2 StGB bedingt sind und das Gefüge des Sexualstrafrechts sprengen.
Weiter ist auch § 182 Abs. 2 StGB in den Blick zu nehmen. Danach wird eine Person über 18 Jahren bestraft, die eine Person unter 18 Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt. Mit der Vorschrift soll den im Erleben von Sexualität als „käuflicher Ware“ liegenden Gefahren für die sexuelle Entwicklung[57] und dem zu befürchtenden Abgleiten in die Prostitution[58] begegnet werden. Geregelt ist hier also die sog. Freierstrafbarkeit, soweit es um sexuelle Kontakte mit Jugendlichen geht. Auch hier führt die Altersgrenze auf Opferseite zu Ungereimtheiten gegenüber § 232a Abs. 1 StGB, der ein höheres Schutzalter aufweist, aber nicht einmal verlangt, dass der Täter selbst den sexuellen Kontakt ausübt. Letztlich spricht vieles dafür, eine einheitliche Altersgrenze von 18 Jahren vorzusehen und damit die Sonderregelungen in §§ 232 ff. StGB zu beseitigen.[59] Auch das ProstSchG sieht eine grundsätzliche Altersgrenze von 18 Jahren für die Zulässigkeit von Prostitution vor (§§ 1, 16 II Nr. 2 lit. a ProstSchG), wenngleich im Hinblick auf §§ 232 ff. StGB eine Beschäftigung von Menschenhandelsopfern unter 21 Jahren nicht zulässig ist (§§ 1, 16 II Nr. 2 lit. b ProstSchG).
4. Freierstrafbarkeit
Hinsichtlich Jugendlicher regelt – wie bereits gezeigt – § 182 Abs. 2 StGB die Strafbarkeit der Freier. Für Fälle der Zwangsprostitution hat der Gesetzgeber eine solche nun in § 232a Abs. 6 StGB eingeführt, wobei der Anwendungsbereich recht eng bleibt und die Kronzeugenregelung missglückt ist, was der Anpassung bedarf.[60] Unterhalb dieser Schwelle – also etwa bei unzulässigen Weisungen des Bordellbetreibers oder wirtschaftlicher Ausbeutung – ist eine Freierstrafbarkeit schon deshalb nicht zu befürworten, weil sich hier der Vorsatz des Kunden kaum je nachweisen lassen wird. Auch eine allgemeine Freierstrafbarkeit nach Schwedischem Modell ist abzulehnen.[61]
5. Regelungen der §§ 184f und 184g StGB
Spätestens seit Erlass des ProstG wird die Streichung des § 184f StGB (Ausübung der verbotenen Prostitution) und § 184g StGB (jugendgefährdende Prostitution) mangels strafwürdigen Unrechtsgehalts gefordert.[62] Zu diesem Ergebnis ist auch die Reformkommission Sexualstrafrecht gelangt.[63] Blickt man auf die Regelungen des ProstSchG, so spricht viel dafür, diese allenfalls als Ordnungswidrigkeiten beizubehalten. In § 33 Abs. 2 ProstSchG ist ein umfangreicher Katalog von Ordnungswidrigkeiten für Betreiberverstöße vorgesehen. Insbesondere stellt es nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 ProstSchG eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn das Gewerbe ohne Erlaubnis betrieben wird. Da im Bereich der §§ 184f, 184g StGB keine Erlaubnis erteilt wird (z.B. bei § 184f StGB keine Erlaubniserteilung bei entgegenstehender Rechtsverordnung), handelt der Betreiber insoweit ordnungswidrig. Es wäre nun aber wenig überzeugend, das Verhalten der Prostituierten dann als Straftat einzustufen, zumal der Unrechtsgehalt gegenüber den dort vorgesehenen Ordnungswidrigkeiten nicht entscheidend erhöht ist.
V. Zusammenfassung
Im Hinblick auf zahlreiche Wertungswidersprüche zu §§ 232 ff. StGB und das neue ProstSchG bedarf es dringend einer Reform der Strafvorschriften betreffend die Prostitution. Dabei geht es im Wesentlichen um vier Problemkreise, die innerhalb des 13. Abschnitts geregelt werden sollten: Zwangsprostitution (einschließlich Freierstrafbarkeit), Ausbeutung von Prostituierten, unzulässige Weisungen und Kontrollmaßnahmen sowie Jugendschutz. Dabei ist bei der Ausgestaltung der Vorschriften nicht nur eine inhaltliche, sondern auch eine begriffliche Anlehnung an das ProstSchG (vgl. vor allem § 2 ProstSchG) vorzunehmen. Nach § 2 Abs. 2 ProstSchG sind Prostituierte „Personen, die sexuelle Dienstleistungen erbringen.“ Der Begriff der sexuellen Dienstleistung ist wiederum näher in § 2 Abs. 1 ProstSchG definiert. Mit dieser Formulierung könnte etwa die in § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB bislang enthaltene Formulierung „Person, die der Prostitution nachgeht“ ersetzt werden.
[1] BGBl I, S. 2226.
[2] Näher zu dieser Problematik bereits Renzikowski, Strafvorschriften gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution de lege lata und de lege ferenda, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 132, November 2014. Abrufbar unter http://telc.jura.uni-halle.de/sites/default/files/BeitraegeTWR/Heft%20132.pdf (zuletzt abgerufen am 10.10.2017).
[3] BGBl I, S. 2372.
[4] Dazu auch Laubenthal, Handbuch Sexualstraftaten, 2012, Rn. 760.
[5] Abschlussbericht der Reformkommission, Empfehlungen Nrn. 42 bis 45, Bericht S. 197 ff., Abstimmungsergebnisse, S. 213 ff. Abrufbar unter: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/StudienUntersuchungenFachbuecher/Abschlussbericht_Reform-kommission_Sexualstrafrecht.pdf;jsessionid=AAF7E820C72CE681809730229116A454.2_cid289?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 10.10.2017).
[6] BT-Drs. 15/3045, S. 6.
[7] ABl. EU 2011 Nr. L 101, S. 1; dazu Brodowski, ZIS 2011, 940 (944); Bürger, ZIS 2017, 169 (176 f.); Pfuhl, Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, 2012, S. 211 ff. (289 ff.).
[8] Näher Eisele, Schriftliche Stellungnahme Rechtsausschuss, S. 2 u. 11 f.; vgl. ferner Abschlussbericht der Reformkommission zum Sexualstrafrecht, Empfehlung Nr. 42 und S. 196; Bürger, ZIS 2017, 169 (180).
[9] BT-Drs. 18/9095, S. 36.
[10] Näher Eisele, Schriftliche Stellungnahme Rechtsausschuss, S. 13; ferner Böse, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), Vorb. § 232 Rn. 6; Petzsche, KJ 50 (2017), 244 f.
[11] BT-Drs. 18/9095, S. 32.
[12] A.a.O., S. 34.
[13] Vgl. nur BT-Drs. 18/9095, S. 32.
[14] Die unangemessene Beschäftigung gehört richtigerweise in den Kontext des § 291 StGB, § 10 SchwarzArbG sowie § 15a AÜG; die Sklaverei hätte wie vor dem 37. StÄG in § 234 StGB geregelt werden können. Zum Ganzen Eisele, Schriftliche Stellungnahme Rechtsausschuss, S. 1 ff.
[15] BT-Drs. 18/9095, S. 20.
[16] Dazu näher unten III. 2.
[17] So auch Renzikowski, Strafvorschriften gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution de lege lata und de lege ferenda, S. 21 f.
[18] Vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl. (2017), § 232 Rn. 5; zu § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB auch BGHSt 42, 399.
[19] BT-Drs. 18/9095 S. 33; zum früheren Streit s. Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. (2014), § 232 Rn. 16.
[20] S. II. 2.
[21] BT-Drs. VI/1552, S. 27; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 807.
[22] Siehe nur Renzikowski, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. (2017), § 180a Rn. 4; Schroeder, JR 2002, 408 (409).
[23] S. auch unten III. 3.
[24] Vgl. BGH, NStZ 1983, 220.
[25] Renzikowski, in: MüKo-StGB, § 180a Rn. 3 und Rn. 43.
[26] Die Ausbeutung bei § 180a Abs. 2 Nr. 2 und § 181a Abs. 1 Nr. 1 StGB hat nach h.M. denselben Inhalt; vgl. BGH, NStE Nr. 3; Fischer, § 180 a Rn 27; a.A. Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 606.
[27] Vgl. nur Eisele, in: Schönke/Schröder, § 180 a Rn. 17; Eschelbach, in: Matt/Renzikowski, StGB (2013), § 180a Rn. 18.
[28] § 180a Abs. 1 StGB ist in solchen Fällen daher auch subsidiär; vgl. nur Eisele, in: Schönke/Schröder, § 181a Rn. 24.
[29] S. oben II.1.a.
[30] BGH, StV 2003, 617; Renzikowski, in: MüKo-StGB, § 181a Rn. 36.
[31] Näher zu solchen Lösungen Renzikowski, in: MüKo-StGB, § 181a Rn. 36 ff.; Eisele, in: Schönke/Schröder, § 181a Rn. 7.
[32] BGHSt 48, 314 (318 ff.); vgl. hierzu Eisele, in: Schönke/Schröder, § 181a Rn. 8a f.; Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 42.
[33] BT-Drs. 14/5958, S. 5; s. auch BGHSt 48, 314 (319); BayObLG, StV 2004, 210 (211); Heger, StV 2003, 350 (353).
[34] BGHSt 48, 314 (319); BGH, NStZ 2015, 638 f.
[35] BGHSt 48, 314 (319); OLG Celle, NStZ-RR 2013, 144.
[36] BGHSt 48, 314 (319); Heger, StV 2003, 350 (353).
[37] Vgl. auch BGH, NStZ-RR 2002, 232.
[38] BT-Drs. 14/7174, S. 10; OLG Celle, NStZ-RR 2013, 144.
[39] S. unten III.1.b.
[40] Renzikowski, in: MüKo-StGB, § 181a Rn. 49.
[41] Vgl. BGH, NStZ 1984, 334; BGH, NStZ 2014, 453 (455).
[42] Renzikowski, in: MüKo-StGB, 2. Aufl. (2012), § 232 Rn. 51; ferner BT-Drs. 18/9095, S. 26.
[43] Vgl. auch den Vorschlag von Renzikowski, Strafvorschriften gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution de lege lata und de lege ferenda, S. 58.
[44] BGHSt 42, 181 (184 f.); Laubenthal, Sexualstraftaten, Rn. 779 f.; a.A. Schroeder, JZ 1995, 232 (235).
[45] BT-Drs. 18/8556, S. 90.
[46] A.a.O., S. 90.
[47] A.a.O., S. 91.
[48] A.a.O., S. 91.
[49] Renzikowski, Strafvorschriften gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution de lege lata und de lege ferenda, S. 57.
[50] Vgl. § 180a Abs. 2 Nr. 2 StGB.
[51] Vgl. § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB.
[52] BGH, NStZ 2015, 638 f.
[53] BGHSt 48, 314 (317); BGH, NStZ-RR 2002, 232.
[54] BGH, NStZ 2015, 638 (639).
[55] Vgl. bereits BT-Drs. 12/2046, S. 6: „an sich systemwidrig“; BT-Drs. 15/3045, S. 8, sah hingegen noch eine Altersgrenze von 18 Jahren vor.
[56] BT-Drs. 18/9095, S. 32.
[57] S. BGH, NStZ 2006, 444.
[58] BT-Drs. 12/4584, S. 8.
[59] Fischer, § 232a Rn. 18 ff.; Renzikowski, in: MüKo-StGB, § 232 Rn. 3.
[60] S. oben II.
[61] S. auch Abschlussbericht Reformkommission Sexualstrafrecht, Empfehlung Nr. 47.
[62] Dazu nur Eisele, in: Schönke/Schröder, § 184e Rn. 1 und § 184f Rn. 1.
[63] Abschlussbericht Reformkommission Sexualstrafrecht, Empfehlung Nr. 48 und 49.