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Die Strafbarkeit des Whistleblowings nach § 17 UWG im Lichte der Geheimnisschutzrichtlinie

von Prof. Dr. Tobias Reinbacher

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Abstract
Die Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und das Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, deren Umsetzung in deutsches Recht bis zum 8. Juni 2018 erfolgen muss, bringt einige Veränderungen für die bisherige Rechtslage mit sich. Dabei sieht sie auf der einen Seite einen (zivilrechtlichen) Mindestschutz der Geschäftsgeheimnisse vor, auf der anderen Seite wird aber das Whistleblowing zur Aufdeckung von illegalen Vorgängen im Unternehmen in bestimmten Fällen privilegiert. Letzteres Ziel der Richtlinie wird in diesem Beitrag näher betrachtet. Es wird im Rahmen des § 17 UWG bislang nicht ausreichend gewährleistet und wird daher bei der Umsetzung zu berücksichtigen sein.

I. Einleitung

Das Whistleblowing wird spätestens seit der Affäre um den Ankauf von Steuer-CDs durch deutsche Behörden auch im (Wirtschafts-)Strafrecht lebhaft diskutiert. Gemeint sind mit diesem Begriff im Rahmen des Wirtschaftsstrafrechts Insider, die auf illegale Praktiken eines Unternehmens hinweisen. Man denke nur an die Siemens-Affäre oder den jüngsten Abgasskandal in der Automobil-Industrie oder an Fälle, in denen in einem Unternehmen systematisch Schwarzarbeit oder Steuerhinterziehung praktiziert werden. Zwar sind die Vorgänge im Abgasskandal anders gelüftet worden, oft werden illegale Praktiken eines Unternehmens aber erst durch Whistleblowing bekannt.[1]

Durch Whistleblowing kann der Kredit eines Unternehmens in der Öffentlichkeit nachhaltig geschädigt werden. Zudem kann das Aufdecken von illegalen Vorgängen mit der Offenlegung von Firmenstrukturen und Interna verbunden sein, was dem Unternehmen im Wettbewerb schadet. Aus der Sicht des Unternehmens geht es daher um den Schutz von Geschäftsgeheimnissen. Jedes Unternehmen verfügt über Informationen, deren Geheimhaltung von entscheidender Wichtigkeit für seine Wettbewerbsfähigkeit ist, wie etwa das (immer noch) geheime Rezept von Coca Cola. Solche Geheimnisse können Produktionstechniken, Zusammensetzung und Inhaltsstoffe der Produkte, Software-Programme oder auch Kundenlisten, also Informationen aller Art, sein. Know-how und Informationen haben in der Informationsgesellschaft einen ständig steigenden Wert.

Unternehmen investieren viel in die Entwicklung von Ideen und verschaffen sich dadurch Vorteile im Wettbewerb. Sie haben folglich ein großes Interesse daran, dass diese Informationen geheim bleiben. Die im Zusammenhang mit dem Unternehmen stehenden Geheimnisse genießen in den Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG auch grundrechtlichen Schutz.[2] Über eine Vielzahl an Gesetzen verteilt finden sich aber auch Strafvorschriften, die den Schutz von Geschäftsgeheimnissen bezwecken. Hier ist insbesondere § 17 UWG zu nennen, der auch den Gegenstand dieses Beitrages bildet. Dieser verwendet zwar die Begriffe Geschäfts- und Betriebsgeheimnis, inhaltlich lassen sich diese aber kaum sinnvoll trennen,[3] sodass teilweise auch der Oberbegriff Wirtschaftsgeheimnis verwendet wird.[4] Die Auflösung des Konflikts zwischen dem gesellschaftlich u.U. sogar erwünschten Whistleblowing auf der einen und dem – auch strafrechtlichen – Schutz von Wirtschaftsgeheimnissen auf der anderen Seite ist ein bislang ungeklärtes Problem, das im Strafrecht erst seit kurzem intensiv erörtert wird.

Nun hat die EU am 8.6.2016 die Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und das Rates über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung[5] erlassen (hier: „Geheimnisschutzrichtlinie“). Sie ist gemäß ihrem Art. 18 bis zum 9.6.2018 umzusetzen. Obwohl die Zeit drängt, gibt es bisher noch keinen offiziellen Entwurf zu ihrer Umsetzung.[6] Stimmen aus der Strafrechtswissenschaft fehlen ebenfalls noch gänzlich. Ich nehme meine These aber schon einmal vorweg: Die Geheimnisschutzrichtlinie enthält wichtige Konsequenzen im Hinblick auf die Frage der Strafbarkeit des Whistleblowings nach § 17 UWG. Zwar zielt sie zunächst nur auf einen zivilrechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen, sie wirkt sich aber auch auf den strafrechtlichen Schutz aus, was hier näher dargestellt wird. Zur Erläuterung folgen zunächst einige kurze Ausführungen zum Begriff und Phänomen des Whistleblowings (II.). Danach wird der bisherige Diskussionsstand in der Strafrechtswissenschaft aufgezeigt (III.). Sodann werden die hier interessierenden Regelungen der Geheimnisschutzrichtlinie erläutert (IV.), bevor auf ihre Konsequenzen für die bisherigen Lösungsansätze (V.) und mögliche Lösungswege (VI.) eingegangen wird. Der Beitrag schließt mit einer kurzen Zusammenfassung (VII.).

II. Begriff und Phänomen des Whistleblowings

Whistleblower sind Hinweisgeber, die auf Missstände hinweisen.[7] Im Wirtschaftsstrafrecht geht es um Insider, also Beschäftigte im Unternehmen, die unethische oder illegale Praktiken eines Unternehmens aufdecken.[8] Dabei wird zwischen internem und externem Whistleblowing unterschieden.[9] Bei Ersterem wendet sich der Unternehmensangestellte an interne Compliance-Officers oder Vorgesetzte. In letzterem Fall trägt er sein Wissen nach außen und informiert etwa Strafverfolgungsbehörden oder die Presse.

In der Öffentlichkeit wird die Aufdeckung von Straftaten im Unternehmen vielfach positiv wahrgenommen, da ein großes Interesse der demokratischen Öffentlichkeit besteht, von illegalen Praktiken im Unternehmen Kenntnis zu erlangen. Das Verfolgen von Straftaten oder das Erwirtschaften von Steuern sind gewichtige öffentliche Interessen. Die Effektivität der Strafverfolgung ist zudem ein Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips.[10] Da der Staat über das Gewaltmonopol verfügt, muss er Straftaten effektiv verfolgen können. Dennoch müssen Whistleblower zzt. noch harte rechtliche Konsequenzen fürchten. Die Auflösung dieses Problems wird schon seit einiger Zeit im Arbeitsrecht diskutiert, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.[11] Nach der Ansicht des EGMR fällt das Whistleblowing in den Bereich der Meinungsfreiheit nach Art. 10 EMRK, es muss aber eine Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers stattfinden.[12] Nach der Auffassung des BVerfG fallen zumindest Zeugenaussagen unter Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG.[13]

Umfassende einfachgesetzliche Regelungen des Whistleblowings fehlen bislang, entsprechende Gesetzesentwürfe sind gescheitert.[14] Ausnahmen bestehen aber z.B. für das Recht von Beamten gemäß den §§ 37 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BeamtStG, 67 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BBG, auf Korruption im öffentlichen Dienst hinzuweisen, nach § 17 Abs. 2 ArbSchG für Meldungen in Bezug auf Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit sowie nach § 4d Abs. 6 FinDAG, wonach bei Meldungen von Gesetzesverstößen an die BaFin u.a. auch keinerlei strafrechtliche Konsequenzen folgen dürfen, es sei denn die Meldung ist vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr abgegeben worden. Ansonsten besteht aber ein hohes Risiko, denn Whistleblower können sich wegen eines Verrats von Wirtschaftsgeheimnissen strafbar machen. Die strafrechtliche Diskussion kreist bislang vornehmlich um § 17 UWG. Auf diese Vorschrift wird sich auch dieser Beitrag konzentrieren.

III. Lösungen de lege lata im Rahmen des § 17 UWG

Die Auflösung des Konflikts zwischen dem Ziel der effektiven Verfolgung von Straftaten auf der einen und dem Recht des Unternehmens auf Wahrung seiner Geheimnisse auf der anderen Seite ist im Strafrecht sehr umstritten. Noch recht einfach ist die Lösung, wenn es dem Whistleblower rein altruistisch nur darum geht, eine Straftat oder einen Missstand aufzudecken. Denn dann liegt schon der subjektive Tatbestand des § 17 UWG nicht vor, der ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs, aus Eigennutz, zugunsten eines Dritten oder in der Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen, verlangt.[15] Nimmt er hingegen von der Presse oder den Strafverfolgungsbehörden ein Entgelt an, so dürfte zumindest auch[16] ein Handeln aus Eigennutz vorliegen,[17] sofern man nicht sogar eine Schädigungsabsicht bejaht.[18] Auch kommt ein Handeln zu Gunsten eines Dritten in Betracht, wenn die Presse informiert wird.[19]

In diesem Fall gelangen gewichtige Stimmen in der Literatur zu einer Strafbarkeit des externen[20] Whistleblowings wegen eines Verrats von Wirtschaftsgeheimnissen, was insbesondere im Zusammenhang mit den an den Staat verkauften Steuer-CDs angenommen wurde.[21] Allerdings erscheint das Ergebnis uneingeschränkter Strafbarkeit kontraintuitiv. Denn nicht nur billigt der Staat selbst ganz offensichtlich das Vorgehen, sondern das Whistleblowing genießt, wie gesagt, auch in der Öffentlichkeit vielfach Zustimmung und ist inzwischen in bestimmten Bereichen auch positivrechtlich privilegiert. Insofern gibt es bereits de lege lata verschiedene Ansätze zur Beschränkung der Strafbarkeit nach § 17 UWG. Dabei werden insbesondere die drei folgenden Lösungen vertreten.

1. Lösung auf der Ebene des Tatbestandes: Der Geheimnisbegriff

Manche Stimmen in der strafrechtlichen Literatur nehmen an, dass „illegale Geheimnisse“ gar keine Geheimnisse im Sinne des § 17 UWG sind,[22] d.h. es liegt bei aufgedeckten Straftaten kein taugliches Tatobjekt vor, sodass das Whistleblowing schon aus diesem Grunde immer straflos ist, wenn ein illegaler Vorgang aufgedeckt wird. Die h.M. definiert das Wirtschaftsgeheimnis nämlich als „jede Tatsache, die im Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb steht, nicht offenkundig, sondern nur einem eng begrenzten Personenkreis bekannt ist, an welcher der Betriebsinhaber ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse hat und die nach seinem erkennbaren Willen geheim gehalten werden soll“.[23] Das Wirtschaftsgeheimnis hat insofern vier konstituierende Voraussetzungen:[24] (1) eine Tatsache mit betrieblichem oder geschäftlichem Bezug, (2) die Nicht-Offenkundigkeit, (3) einen Geheimhaltungswille und (4) als normatives Element ein objektiv zu bestimmendes schutzwürdiges (berechtigtes) Geheimhaltungsinteresse des Geheimnisträgers an der Geheimhaltung. An letzterem Punkt setzt diese Meinung an: „Illegale Geheimnisse“ fielen nicht unter § 17 UWG, da insofern kein „berechtigtes Interesse“ bestehe und die Lauterkeit des Wettbewerbs erst durch die Offenlegung des Missstandes wieder hergestellt werde.[25] Zudem wird angeführt, dass auf der Grundlage des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs illegale Vorgehensweisen nicht zum geschützten Vermögen zählen könnten.[26]

Diese Ansicht überzeugt aber schon de lege lata nicht. Sie beruht insbesondere auf einer Interpretation des § 17 UWG als Vermögensdelikt.[27] § 17 UWG schützt jedoch primär das Geheimhaltungsinteresse des Geschäftsinhabers, nur reflexartig auch die Lauterkeit des Wettbewerbs.[28] Zudem ist in anderen Bereichen, wie etwa bei § 203 StGB, anerkannt, dass auch illegale Vorgänge zu den Geheimnissen gehören.[29] Letztlich besteht auch bei diesen ein schützenswertes Interesse des Geschäftsinhabers,[30] der ganz erhebliche Schäden durch die Offenlegung erleiden kann, insbesondere weil diese regelmäßig mit der Offenbarung (legaler) Unternehmensstrukturen und -vorgänge einhergeht. Lehnte man ein Geheimnis und damit das Tatobjekt ab, so könnten die diesbezüglichen Kenntnisse ohne weiteres ausgenutzt werden. Schließlich lässt eine Herausnahme aus dem Geheimnisbegriff keinen Spielraum für die Berücksichtigung milderer Mittel, der Schwere der Straftat oder der Intention des Offenbarenden. Soll eine Abwägung von Interessen stattfinden, so ist der richtige Platz die Ebene der Rechtswidrigkeit.

2. Lösung auf der Ebene der Rechtswidrigkeit: § 158 StPO als Rechtfertigungsgrund

Daher verorten andere Stimmen die Lösung hier, wobei das Merkmal „unbefugt“ von der h.M. bei § 17 UWG als Verweis auf die allgemeinen Rechtfertigungsründe verstanden wird.[31] Selbstverständlich ist die Offenbarung von Straftaten gerechtfertigt, wenn diese bevorstehen und sich im Katalog des § 138 StGB finden,[32] denn dann wäre ihre Nichtanzeige strafbar. Bei bereits begangenen Straftaten oder bei solchen, die nicht im Katalog des § 138 StGB aufgeführt sind, muss aber ein anderer Rechtfertigungsgrund gefunden werden.

Manche sehen diesen in § 158 Abs. 1 StPO.[33] Es wird argumentiert, das dort normierte Anzeigerecht bestehe nun einmal für jeden Bürger und müsse daher auch für Unternehmensangehörige gelten. Im Rahmen des § 203 StGB hat aber noch niemand diese Begründung vorgebracht. Das muss sie natürlich nicht widerlegen. Nur muss man sehen, dass dadurch das Interesse des Unternehmensinhabers keine Berücksichtigung fände. Zudem ist die Frage, ob im Einzelfall die Möglichkeit besteht, sich auch an die Presse zu wenden, nicht beantwortet.

3. Lösung auf der Ebene der Rechtswidrigkeit: § 34 StGB als Rechtfertigungsgrund

Die vorzugswürdige h.M. im Strafrecht löst das Problem bislang über eine Interessenabwägung auf der Rechtswidrigkeitsebene.[34] Hierzu kann der rechtfertigende Notstand gemäß § 34 StGB herangezogen werden,[35] sofern nicht die Grundrechte selbst als Rechtfertigungsgrund dienen.[36] Bei bevorstehenden Straftaten kann insofern eine Gefahr für die bedrohten Rechtsgüter und bei begangenen Straftaten für die bereits genannten öffentlichen Interessen bestehen.[37] Auch § 34 StGB ermöglicht jedenfalls eine Abwägung der widerstreitenden Interessen im Einzelfall, wobei die betroffenen Grundrechte in die Abwägung einfließen. Insbesondere stellt § 34 StGB aber das Postulat der Erforderlichkeit auf. Insofern kann etwa ein internes Whistleblowing – bei gleicher Eignung zur Abwendung der Gefahr – als milderes Mittel der Strafanzeige bzw. die Strafanzeige selbst wiederum als milderes Mittel der Mitteilung an die Presse vorzuziehen sein.[38] Der Gang zur Presse dürfte allerdings in der Regel an der Erforderlichkeit scheitern.[39] Von den ablehnenden Stimmen wird insbesondere der Gefahrabwendungswille,[40] also die subjektive Komponente des Rechtfertigungsgrundes, verneint und eine Strafbarkeit angenommen, wenn der Whistleblower für die Offenbarung der Geheimnisse ein Entgelt erhält.[41] Das überzeugt mich allerdings nicht, weil es eine komplexe Motivationslage geben kann, warum eine Straftat im Unternehmen offenbart wird[42] und der Gefahrabwendungswille auch neben anderen Beweggründen vorliegen kann.[43]

IV. Die Regelungen der Geheimnisschutzrichtlinie

Nun aber zu den Regelungen der Geheimnisschutzrichtlinie. Diese enthält für unsere Frage insbesondere zwei interessante Bestimmungen. Art. 2 Nr. 1 RL (EU) 2016/943 sieht eine Definition des Begriffs des Geschäftsgeheimnisses vor. Hiernach muss dieses die folgenden drei Kriterien erfüllen: (1) Die Informationen müssen geheim sein; (2) sie müssen von kommerziellem Wert sein, weil sie geheim sind; (3) sie müssen Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen sein.

Im Zusammenhang mit der Aufdeckung von Straftaten durch Whistleblower einschlägig ist aber vor allem Art. 5 RL (EU) 2016/943. Dieser sieht nämlich Ausnahmen von den (in Art. 4 RL (EU) 2016/943 vorgesehenen) Verboten vor, und zwar in seinem lit. b), wenn die Handlung zur Aufdeckung eines beruflichen oder sonstigen Fehlverhaltens oder einer illegalen Tätigkeit erfolgt, sofern der Täter in der Absicht handelt, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Erwägungsgrund (20) zur Geheimnisschutzrichtlinie erklärt diese Ausnahme zu Gunsten des Whistleblowings näher. Dort heißt es, dass die in der RL vorgesehenen Maßnahmen nicht dazu dienen sollen, das Whistleblowing einzuschränken. Daher soll der Geheimnisschutz nicht greifen, wenn die Offenlegung insoweit dem öffentlichen Interesse dient, als ein regelwidriges Verhalten, ein Fehlverhalten oder eine illegale Tätigkeit „von unmittelbarer Relevanz“ aufgedeckt wird. Letztere Einschränkung kann man als Erheblichkeitsschwelle verstehen, sodass jedenfalls keine Bagatellen aufgedeckt werden dürfen. Im Übrigen können die Mitgliedstaaten weitere Ausnahmen zulassen, wenn der Betreffende in gutem Glauben handelte. Daraus folgt, dass eine illegale Aktivität nach Art. 5 lit. b) RL (EU) 2016/943 objektiv vorliegen muss. Dies wird durch die englische Sprachfassung gestützt, in der es heißt: „Therefore, the protection of trade secrets should not extend to cases in which disclosure of a trade secret serves the public interest, insofar as directly relevant misconduct, wrongdoing or illegal activity is revealed“.

Zu klären ist allerdings, ob Art. 5 lit. b) RL (EU) 2016/943 nur Verhalten ausklammert, das subjektiv ausschließlich zum Schutz öffentlicher Interessen geschieht. Denn in diesem Fall ist, wie ausgeführt, schon der subjektive Tatbestand des § 17 UWG fraglich. Er könnte aber auch Fälle erfassen, in denen der Täter Geld für seine Informationen bekommt, wie etwa bei der Übergabe von Steuer-CDs an den Staat oder bei der Weitergabe von Informationen an die Presse. In diesen Fällen handelt der Täter, wie gesehen, zumindest auch aus finanziellem Eigennutz. Die Frage, ob die Geheimnisschutzrichtlinie auch diese Fälle ausnimmt, wird der EuGH zu klären haben.

Nach meiner derzeitigen Einschätzung erfasst Art. 5 lit. b) der RL (EU) 2016/943 auch Fälle, in denen der Whistleblower zwar grundsätzlich mit der Absicht handelt, das allgemeine öffentlichen Interesse zu schützen, daneben aber auch ein eigenes Interesse daran hat, eine Entlohnung zu erhalten. Denn sonst würden im Ergebnis Whistleblowing-Aktivitäten zumindest in Fällen, in denen Informationen an die Presse gegeben werden oder in denen der Staat eine Belohnung zahlt, eingeschränkt, was die Geheimnisschutzrichtlinie nach Erwägungsgrund (20) gerade nicht soll. Dafür spricht auch die folgende Erwägung: In der Marktmissbrauchsverordnung[44] hat die EU einerseits einen wirksamen Schutz für Whistleblower vorgeschrieben sowie andererseits in ihrem Art. 32 Abs. 4 die Möglichkeit eröffnet, finanzielle Anreize für Whistleblower zu schaffen, um diese zur Offenlegung von Verstößen zu motivieren. Mit anderen Worten soll dort ein finanzielles Interesse die Privilegierung gerade nicht aufheben. In den USA ist eine solche finanzielle Kompensation von Whistleblowern üblich.[45] Wenn der EU-Gesetzgeber dies beim Marktmissbrauch so sieht, wird er auch beim Geheimnisverrat keine andere Wertung vornehmen. Schließlich ist menschliches Handeln nur selten von einem einzigen Antrieb geleitet.

V. Konsequenzen der Geheimnisschutzrichtlinie für das deutsche Strafrecht

Welche Konsequenzen hat die Geheimnisschutzrichtlinie für das deutsche Recht,[46] insbesondere für die Strafbarkeit nach § 17 UWG? Man muss natürlich sehen, dass sie zunächst nur auf einen zivilrechtlichen Schutz der Geschäftsgeheimnisse abzielt. Insofern könnte man annehmen, das Strafrecht bliebe völlig unberührt und in Fällen des Ausnahmetatbestandes für das Whistleblowing griffen dann eben die zivilrechtlichen Sanktionen und Maßnahmen nicht. Dies kann aber aus verschiedenen Gründen nicht richtig sein.

Erstens könnte der deutsche Gesetzgeber nämlich versuchen, die Richtlinie durch eine Reform des § 17 UWG umzusetzen, sodass das Strafrecht (weiterhin) der Ausgangspunkt für den zivilrechtlichen Schutz wäre. Dann müsste § 17 UWG selbst aber die Ziele der Geheimnisschutzrichtlinie berücksichtigen, damit sie im Zivilrecht zum Tragen kommen, sodass die Strafnorm bereits unmittelbar beeinflusst wäre.

Zweitens könnte der deutsche Gesetzgeber sich zwar zu einer rein zivilrechtlichen Umsetzung entschließen, neben welcher der strafrechtliche Schutz bestehen bliebe. Auch dann würde aber eine zivilrechtliche Freistellung des Whistleblowings auf das Strafrecht durchgreifen. Dies gilt schon aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung und wegen der Ultima-Ratio-Funktion des Strafrechts, zumal sich kaum sagen lässt, zivilrechtliche Sanktionen seien ausgeschlossen, nicht aber die viel weitergehenden strafrechtlichen Konsequenzen. Denn in diesem Fall wird das entsprechende Verhalten von der Rechtsordnung nicht missbilligt. Insbesondere folgt dies aber aus dem Unionsrecht. Denn die Geheimnisschutzrichtlinie etabliert zwar nur einen Mindestschutz der Geschäftsgeheimnisse,[47] wie sich aus Art. 1 Abs. 1 UA 2 der RL (EU) 2016/943 ergibt, sodass die Mitgliedstaaten einen weitergehenden (auch strafrechtlichen) Schutz vorsehen können, aber nur, sofern gewährleistet ist, dass bestimmte explizit genannte zwingende Vorschriften der Richtlinie eingehalten werden, zu welchen Art. 5 der RL (EU) 2016/943 gehört. Insofern ist gerade der Bereich des Whistleblowings vollharmonisiert.[48] Daraus folgt aber, dass weitergehende, d.h. auch strafrechtliche, Sanktionen nicht möglich sind, wenn dadurch von den vollharmonisierenden Vorgaben des Art. 5 der RL (EU) 2016/943 abgewichen wird.[49] Auch dürfen die Ziele der Richtlinie schon wegen des Grundsatzes des effet utile des Unionsrechts und der Loyalitätspflicht der Mitgliedstaaten durch das Strafrecht nicht ausgehebelt werden und müssten bei fehlender Umsetzung ggf. auch in eine richtlinienkonforme Auslegung einfließen.[50] Auch die Strafnorm knüpft ihre strafrechtlichen Folgen schließlich nur an eine (außerstrafrechtliche) Ge- oder Verbotsnorm (Primärnorm), und es darf kein mitgliedstaatliches Verbot geben, das dem Unionsrecht widerspricht.[51] Auch wenn § 17 UWG bestehen bleiben soll, müssen die diesbezüglichen Ziele der Geheimnisschutzrichtlinie daher ausreichend berücksichtigt werden. Meines Erachtens setzen die soeben vorgestellten Ansichten zur Privilegierung des Whistleblowings diese Ziele aber nicht ausreichend um bzw. sind mit der Geheimnisschutzrichtlinie gar nicht vereinbar.

1. Tatbestandslösung und Vorgaben der Richtlinie

Zunächst zur Beschränkung des Geheimnisbegriffs bei illegalen Aktivitäten. Es wurden oben bereits einige Gründe angeführt, die gegen diese Ansicht sprechen. Auch die Geheimnisschutzrichtlinie geht nun aber davon aus, dass illegale Unternehmenspraktiken ein Geheimnis darstellen. Sie verlangt nämlich hier kein „berechtigtes Geheimhaltungsinteresse“, sieht also keinen normativen Teil des Geheimnisbegriffs vor, der als Ausschlussgrund wirken würde. Auch ihre Systematik belegt dies, da sie das Geschäftsgeheimnis in Art. 2 Nr. 1 RL (EU) 2016/943 definiert, während die Schranke im Hinblick auf das Whistleblowing sich hingegen in Art. 5 lit. b) RL (EU) 2016/943 findet. Also werden der Geheimnisbegriff und die mögliche Zulässigkeit der Weitergabe getrennt behandelt. Und schließlich verlangt Art. 5 lit. b) RL (EU) 2016/943 die Intention, öffentliche Interessen zu schützen. Wären illegale Vorgänge aber schon kein Geheimnis, so wären sie unabhängig von der Intention niemals geschützt. Durch die Schranke in Art. 5 lit. b) RL (EU) 2016/943 wird jedenfalls ausgeschlossen, dass ein Konkurrent aus reinem Eigeninteresse Schutzlücken ausnutzt.[52]

2. Anzeigerecht und Vorgaben der Richtlinie

Auch die Lösung über § 158 Abs. 1 StPO erfüllt die Vorgaben der Geheimnisschutzrichtlinie nicht, da dadurch nur die Weitergabe an die Staatsanwaltschaft oder die Polizei, nicht aber an die Presse gedeckt ist. Art. 5 lit. b) der RL (EU) 2016/943 differenziert aber nicht nach dem Adressaten. Diese Bestimmung lässt die Offenlegung nach der Entscheidung des Whistleblowers zu.

3. Interessenabwägung und Vorgaben der Richtlinie

Schließlich weicht auch die Lösung im Rahmen einer Interessenabwägung über § 34 StGB (oder einer direkten Grundrechtsabwägung) vom Weg der Geheimnisschutzrichtlinie ab. Art. 5 lit. b) RL (EU) 2016/943 setzt nämlich keine Prüfung der Erforderlichkeit und keine Interessenabwägung voraus. Höchstens über die in Erwägungsgrund (20) genannte „unmittelbare Relevanz“ ließe sich eine Einschränkung auf gewichtige Straftaten herauslesen.

Im Entwurf der Kommission[53] war hingegen noch das Merkmal der „Erforderlichkeit“ vorgesehen. Da dieses nun fehlt, besteht kein Zwang zum vorrangigen Einschalten interner Stellen oder der Staatsanwaltschaft. Der Whistleblower, der einen Missstand aufdeckt, kann seinem eigenen Gewissen folgend das seiner Ansicht nach richtige Mittel und Medium für die Aufdeckung des Missstandes wählen, sodass auch der sofortige Gang an die Presse möglich ist.[54] Das mag man kritisieren, da nun jegliche Berücksichtigung gegenläufiger Interessen oder Abstufung fehlt. Für den Whistleblower bringt diese Regelung jedoch Klarheit, da die Frage seiner Strafbarkeit nun nicht mehr von einer ungewissen Interessenabwägung abhängt. Zudem wird der Gang zur Presse erleichtert. Es ist aber festzuhalten, dass außerhalb des § 138 StGB auch in der Zukunft natürlich keine Verpflichtung besteht, Straftaten im Unternehmen anzuzeigen.

VI. Lösungswege

Aus dem Gesagten ergibt sich zunächst folgendes Zwischenergebnis: Die Geheimnisschutzrichtlinie enthält einige Wertungen, die vom geltenden Recht in seiner Interpretation durch die h.M. nicht ausreichend erfasst sind. Das betrifft natürlich nicht nur das Whistleblowing, sondern neben dem Geheimnisbegriff auch eine Vielzahl an Regelungen zu verbotenen Handlungen, zivilrechtlichen Rechtsfolgen und zum Verfahren. Da eine Richtlinie den Mitgliedstaaten gemäß Art. 288 UA. 3 AEUV die Wahl des Mittels zur Umsetzung lässt, stellt sich die Frage, ob eine große Lösung gewählt wird oder ob nur partielle Ergänzungen am geltenden Recht vorgenommen werden. Welchen Weg der Gesetzgeber wählt, kann natürlich nicht mit Sicherheit prognostiziert werden. Es sollen aber einige denkbare Lösungswege aufgezeigt werden.

1. Reform des § 17 UWG

Die erste Lösung besteht darin, zu versuchen, sämtliche Vorgaben der Geheimnisschutzrichtlinie in § 17 UWG (und den entsprechenden Vorschriften anderer nebenstrafrechtlicher Gesetze[55]) zu integrieren. Dafür würde zwar sprechen, dass der traditionelle strafrechtlich orientierte Geheimnisschutz beibehalten bliebe. Dies dürfte jedoch ein schwieriges Unterfangen sein, da die Richtlinie z.B., anders als der bisherige § 17 UWG, für das Zivilrecht keine besonderen Absichten des Offenbarenden wie Zwecke des Wettbewerbs, Eigennutz, Drittbegünstigungs- oder Drittschädigungsabsicht verlangt[56] und keine Beschränkung auf bestimmte Täter vorsieht, daneben aber auch Regelungen zum Verfahren und zur Verjährung zivilrechtlicher Ansprüche enthält. Insofern sieht sie ein so umfassendes Regelungskonzept vor, dass sich dieses alleine in § 17 UWG kaum integrieren lässt.[57] Dieser Ansatz birgt zudem eine besondere Gefahr: Eine punktgenaue Umsetzung in § 17 UWG würde zu einer problematischen Erweiterung der Strafbarkeit führen, da viele Handlungen bisher nicht erfasst sind, darunter teilweise auch sehr unbestimmte Vorgaben. Jedenfalls müsste dann das Whistleblowing in diesem Rahmen eine entsprechende Privilegierung erfahren.

2. Erlass eines eigenständigen zivilrechtlichen Gesetzes mit strafrechtlicher Annexvorschrift

Die zweite Lösung besteht in der Schaffung eines neuen eigenständigen und umfassenden zivilrechtlichen Gesetzes zum Schutz von Wirtschaftsgeheimnissen.[58] Dieses könnte die Geheimnisschutzrichtlinie möglichst präzise umsetzen, dabei auch das Whistleblowing privilegieren und am Ende selbst eine Strafvorschrift vorsehen. Dann könnten § 17 UWG und andere nebenstrafrechtliche Vorschriften zum Geheimnisschutz gestrichen werden. Einer solchen Annexregelung wohnt aber wiederum die Gefahr der Erweiterung der Strafbarkeit inne, sofern der strafrechtliche Schutz mit dem zivilrechtlichen Schutz gleichlaufen soll. Die Richtlinie zwingt dazu freilich nicht, da sie keine Vorgaben für das Strafrecht enthält. Daher könnte der strafrechtliche Schutz auch nur punktuell ausfallen, insbesondere weil er sich neben einer eigenständigen zivilrechtlichen Regelung nun auf die Ultima ratio-Funktion beschränken könnte.[59]

3. Erlass eines eigenständigen zivilrechtlichen Gesetzes unter Beibehaltung des § 17 UWG

Nach der dritten Lösung würde zwar ebenfalls ein entsprechendes zivilrechtliches Gesetz geschaffen, § 17 UWG daneben aber bestehen bleiben.[60] Der Vorteil dieser Lösung besteht darin, dass das Strafrecht als ultima ratio in seiner etablierten Form erhalten bliebe. Auch in diesem Fall muss aber gewährleistet sein, dass die Strafvorschriften die zivilrechtlichen Wertungen nicht aushebeln. Insbesondere müsste die zivilrechtliche Freistellung des Whistleblowings sich auch auf die Strafbarkeit auswirken, ein zivilrechtlicher Erlaubnistatbestand etwa auch als strafrechtlicher Rechtfertigungsgrund greifen. Besteht ein zivilrechtliches Recht des Whistleblowers zur Offenbarung der entsprechenden Tatsachen, so kann auch im Strafrecht diese Handlung nicht unbefugt geschehen.

4. Erlass eines eigenständigen Whistleblower-Gesetzes

Schließlich besteht im Hinblick auf das hier behandelte Thema selbstverständlich die Möglichkeit, die Geheimnisschutzrichtlinie zum Anlass zu nehmen, die bisher erfolglosen Versuche des Erlasses eines eigenständigen Gesetzes zum Schutz von Whistleblowern wieder aufzugreifen und dadurch die zwingenden Vorgaben des Art. 5 lit. b) RL (EU) 2016/943 umzusetzen.[61] Dies würde den deutschen Gesetzgeber allerdings nicht davon befreien, parallel dazu den Geheimnisschutz entsprechend der Geheimnisschutzrichtlinie neu zu ordnen.

VII. Zusammenfassung

In der Geheimnisschutzrichtlinie ist das Aufdecken illegaler Praktiken in Wirtschaftsunternehmen mittels Whistleblowing in größerem Ausmaß privilegiert als nach der bisher h.M. im deutschen Strafrecht. Unabhängig davon, wie eine Umsetzung erfolgt, muss das Whistleblowing ohne Rückgriff auf § 34 StGB, d.h. ohne Prüfung der Erforderlichkeit und ohne Abwägung im Einzelfall, jetzt straflos sein, wenn es zumindest auch[62] zur Aufdeckung einer illegalen Tätigkeit geschieht und mit der Absicht vorgenommen wird, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Ein solches Verhalten ist nämlich durch die Geheimnisschutzrichtlinie freigestellt und kann daher auch nicht strafbar sein. Zum Abschluss soll noch einmal kurz skizziert werden, welche Änderungen im Hinblick auf das Thema dieses Beitrages jedenfalls umgesetzt werden sollten bzw. müssen.

Erstens sollte der Geheimnisbegriff (des § 17 UWG) modifiziert werden. Zwar etabliert die Geheimnisschutzrichtlinie nur einen Mindestschutz, sodass das deutsche Recht einen weniger strengen Geheimnisbegriff beibehalten könnte,[63] jedoch betont Erwägungsgrund (14) die Wichtigkeit eines homogenen Geheimnisbegriffs innerhalb der EU.[64] Für die Angleichung des Begriffs spricht zudem, dass er sich dann wie die Geheimnisschutzrichtlinie an Art. 39 des TRIPS-Übereinkommens orientieren würde.[65] Ein „berechtigtes Geheimhaltungsinteresse“ als konstitutives Merkmal enthält der europäische Geheimnisbegriff nicht. Stattdessen sind nun aber explizit „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“ erforderlich. Es bietet sich an, den Begriff legal zu definieren. Allerdings könnte auch schlicht die Rechtsprechung in Zukunft einen richtlinienkonformen Begriff verwenden. Höchstens in dem Fall, dass der strafrechtliche Schutz über § 17 UWG neben einer eigenständigen zivilrechtlichen Regelung bestehen bleibt, könnte man erwägen, den strafrechtlichen Geheimnisbegriff enger zu definieren.

Zweitens ist Art. 5 lit. b) RL (EU) 2016/943 im Hinblick auf das Whistleblowing umzusetzen. Interpretiert man diesen Ausschlussgrund wie hier in dem Sinne, dass er auch dann gilt, wenn z.B. das subjektive Merkmal des Eigennutzes wegen einer Entgeltzahlung erfüllt ist, so muss sichergestellt sein, dass das Whistleblowing außerhalb der engen Grenzen des § 34 StGB straflos ist. Die Regelung in Art. 5 lit. b) RL (EU) 2016/943 ist zwingend umzusetzen, was sich aus ihrem Art. 1 Abs. 2 ergibt, da es dort heißt, dass die Mitgliedstaaten zwar einen weitergehenden Schutz für Geschäftsgeheimnisse vorsehen können, aber nur, solange gewährleistet ist, dass die Schranken des Art. 5 eingehalten werden, sodass eine vollharmonisierende Bestimmung anzunehmen ist. Wird ein zivilrechtliches Spezialgesetz geschaffen, so müssen die dort geregelten Ausnahmen für das Whistleblowing auch im Strafrecht als Rechtfertigungsgründe greifen.

[1]      Vgl. BT-Drs. 17/8567, S. 5; vgl. zum Begriff des Whistleblowings noch Teil II.
[2]      Vgl. Reinbacher, in: Leitner/Rosenau, Nomos Kommentar Wirtschafts- und Steuerstrafrecht (NK-WSS), 2017, § 17 UWG Rn. 2; vgl. zu Art. 12 Abs. 1 GG auch BVerfGE 115, 205 ff.; zu Art. 14 Abs. 1 GG Brammsen, in: Münchener Kommentar zum Lauterkeitsrecht (MüKo-LauterkeitsR), 2. Aufl. (2014), § 17 UWG Rn. 6.
[3]      Brammsen, in MüKo-LauterkeitsR (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 8; Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 7.
[4]      Brammsen, in MüKo-LauterkeitsR (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 8; Eufinger, WM 2016, 2336 (2338); Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 7; Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl. (2017), § 33 Rn. 36.
[5]      ABl. EU Nr. L 157/1, v. 15.6.2016; zur Gesetzgebungsgeschichte Hoeren/Münker, WRP 2018, 150 (151); Lejeune, CR 2016, 330, (331).
[6]      Vgl. aber Hoeren/Münker, WRP 2018, 150 (151), die auf einen internen Entwurf hinweisen; vgl. ferner die Antworten der Bundesregierung jeweils auf Kleine Anfragen u.a. der Fraktion DIE LINKE vom 7.7.2017 und 1.2.2018, dass ein Entwurf vorbereitet werde, der auch Vorschriften zum zivilrechtlichen Schutz von Whistleblowern enthalten werde; BT-Drs. 18/13079, S. 7; BT-Drs. 19/598, S. 7.
[7]      Vgl. auch die Definition in § 2 Abs. 2 des (gescheiterten) Entwurfs eines Gesetzes zum Schutz von Hinweisgebern – Whistleblowern, BT-Drs. 17/8567, S. 6.
[8]      Zum Begriff auch Eufinger, ZRP 2016, 229; ders., WM 2016, 2336; Koch, ZIS 2008, 500; Wittig (Fn. 4), § 6 Rn. 183.
[9]      Eufinger, ZRP 2016, 229; ders., WM 2016, 2336; Koch, ZIS 2008, 500; Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 41; Wittig (Fn. 4), § 6 Rn. 183.
[10]    Vgl. nur BVerfGE 77, 65 (76); 80, 367 (375).
[11]    Vgl. nur EGMR, NJW 2011, 3501; BVerfG, NJW 2001, 3474; BAG, BeckRS 2016, 119684; Henssler, in: MüKo-BGB, 7. Aufl. (2016), § 626 Rn. 165 ff.
[12]    EGMR, NJW 2011, 3501 (3503).
[13]    BVerfG, NJW 2001, 3474 (3475).
[14]    Vgl. etwa den Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Hinweisgebern – Whistleblowern, BT-Drs. 17/8567, S. 5.
[15]    Janssen/Maluga, in: MüKo-StGB, Band 7, 2. Aufl. (2015), § 17 UWG Rn. 62; Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 41.
[16]    Die besonderen Absichtsmerkmale des § 17 UWG müssen nicht alleiniger Beweggrund sein, sondern können auch neben anderen Motiven vorliegen; vgl. Diemer, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, U 43, Gesetz gegen den unerlaubten Wettbewerb, Stand: 217. EL Oktober 2017, § 17 UWG Rn. 30; Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 37.
[17]    Satzger, in: FS Achenbach, 2011, S. 447, 451.
[18]    Eufinger, ZRP 2016, 229 (230).
[19]    Rengier, in: Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, Band 2, 3. Aufl. (2016), § 17 Rn. 44a.
[20]    Beim internen Whistleblowing dürfte zumindest eine Einwilligung des Betriebsinhabers vorliegen, sofern er entsprechende Stellen eingerichtet hat; vgl. Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 41.
[21]    Vgl. etwa Schünemann, NStZ 2008, 305 (308).
[22]    Diemer, in: Erbs/Kohlhaas (Fn. 16), § 17 UWG Rn. 16; Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (333); Rützel, GRUR 1995, 557, 558 ff.
[23]    BGHSt 41, 140, 142; Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 7; Rengier, in: Fezer/Büscher/Obergfell (Fn. 19), § 17 Rn. 7.
[24]    Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 7; Rengier, in: Fezer/Büscher/Obergfell (Fn. 19), § 17 Rn. 9; Wittig (Fn. 5), § 33 Rn. 37 ff.
[25]    Rützel, GRUR 1995, 557, 560.
[26]    Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (333).
[27]    So ausdrücklich Brammsen, in: MüKo-LauterkeitsR (Fn. 2), § 27 Rn. 6; Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (333).
[28]    Janssen/Maluga, in: MüKo-StGB (Fn. 15), § 17 Rn. 10; Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 2; Rengier, in: Fezer/Büscher/Obergfell (Fn. 19), § 17 Rn. 4.
[29]    Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (109).
[30]    Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (109); Janssen/Maluga, in: MüKo-StGB (Fn. 15) § 17 UWG Rn. 35 ff.; Rahimi Azar, JuS 2017, 930 (933); Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 23.
[31]    Brammsen, in: MüKo-LauterkeitsR (Fn. 2), § 27 Rn. 55; Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 40; Rengier, in: Fezer/Büscher/Obergfell (Fn. 19), § 17 Rn. 45; Wittig (Fn. 4), § 33 Rn. 52 – a.A. Janssen/Maluga, in: MüKo-StGB (Fn. 15), § 17 Rn. 52 f.; Ohly, GRUR 2014, 1 (6): Tatbestandsmerkmal, das allgemeine Interessenabwägung ermöglicht.
[32]    Diemer, in: Erbs/Kohlhaas (Fn. 16), § 17 UWG Rn. 24; Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 49; Rengier, in: Fezer/Büscher/Obergfell (Fn. 19), § 17 Rn. 46.
[33]    Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Satzger, in: FS Achenbach, 2011, S. 447 (451).
[34]    Vgl. aber auch Ohly, GRUR 2014, 1 (6), der ebenfalls für e
[35]    Eufinger, ZRP 2016, 229 (230); ders., WM 2016, 2336 (2338); Kasiske, ZJS 2016, 628 (633); Koch, ZIS 2008, 500 (503); Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 43; Rengier, in: Fezer/Büscher/Obergfell (Fn. 19), § 17 Rn. 47; Wittig (Fn. 4), § 33 Rn. 52a.
[36]    Erwogen bei Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 43; vgl. auch Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (331).
[37]    Zu dieser Differenzierung Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 43 ff.; Rengier, in: Fezer/Büscher/Obergfell (Fn. 19), § 17 Rn. 47 f.
[38]    Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 1), § 17 UWG Rn. 44; Rengier, in: Fezer/Büscher/Obergfell (Fn. 19), § 17 Rn. 47a.
[39]    Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (331); Rahimi Azar, JuS 2017, 930 (935); vgl. auch Ohly, in: Ohly/Sosnitza, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, 7. Aufl. (2016), § 17 Rn. 30.
[40]    Ein solcher ist nach der zutreffenden Ansicht erforderlich; vgl. Duttge, in: Dölling/Duttge/Rössner, Gesamtes Strafrecht, Handkommentar, 4. Aufl. (2017), § 34 Rn. 24; Heinrich, Strafrecht AT, 5. Aufl. (2016), Rn. 429 ff.; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 28. Aufl. (2014), § 34 Rn. 5; Rengier, Strafrecht AT, 9. Aufl. (2017), § 19 Rn. 63; manche lassen bei § 34 StGB auch die Kenntnis der Rechtfertigungslage ausreichen; vgl. nur Erb, in: MüKo-StGB, Band 1, 3. Aufl. (2017), § 34 Rn. 206.
[41]    Rahimi Azar, JuS 2017, 930 (935); Trüg, StV 2011, 111 (112); zweifelnd auch Sieber, NJW 2008, 881 (884).
[42]    Reinbacher, in: NK-WSS (Fn. 2), § 17 UWG Rn. 48.
[43]    Rengier, AT (Fn. 40), § 19 Rn. 63.
[44]    Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014, über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission; ABl. (EU) Nr. L 173/1 v. 12.6.2014.
[45]    Zum US-amerikanischen Dodd-Frank Act vgl. Eufinger, WM 2016, 2336 (2341).
[46]    Ausführlich zum Umsetzungsbedarf Kalbfus, GRUR 2016, 1009; McGuire, GRUR 2016, 1000.
[47]    Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1010).
[48]    Alexander, WRP 2017, 1034 (1036).
[49]    Vgl. McGuire, GRUR 2016, 1000 (1008).
[50]    Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, Kommentar, 36. Aufl. (2018), Vor §§ 17-19 Rn. 10.
[51]    Vgl. dazu ganz allgemein Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, 7. Aufl. (2016), § 9 Rn. 10 ff.
[52]    Alexander, WRP 2017, 1034 (1044).
[53]    Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlament und des Rates über den Schutz den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung, KOM (2013), 813 endg.
[54]    So auch Eufinger, ZRP 2016, 229 (231); Hoeren/Münker, WRP 2018, 150 (154). Unklar ist allerdings, ob sich etwa im Arbeitsrecht Einschränkungen aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers ergeben können; vgl. ferner Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1014) – a.A. Lejeune, CR 2016, 330 (333): Die bisherige Rechtslage in Deutschland sei mit Art. 5 lit. b) RL (EU) 2016/943 kompatibel.
[55]    Vgl. Ann, GRUR-Prax 2016, 465.
[56]    Davon zu unterscheiden ist natürlich die hier genannte Absicht des Whistleblowers, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen, welche keine Strafbarkeitsvoraussetzung ist, sondern gerade im Gegenteil eine Privilegierung beinhaltet.
[57]    Alexander, WRP 2017, 1034 (1036 f.); Kalbfus, GRUR 2016, 1009.
[58]    Dafür etwa Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1016); vgl. auch Ann, GRUR-Prax 2016, 465 (466).
[59]    Vgl. auch Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1016).
[60]    Nach Hoeren/Münker, WRP 2018, 150, scheint dies der derzeit favorisierte Weg des BMJV zu sein („wie man hört“).
[61]    Dafür Ann, GRUR-Prax 2016, 465 (466); Eufinger, ZRP 2016, 229 (231). Ob ein solches Gesetz kommen wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen; die Bundesregierung hat auf eine Kleine Anfrage u.a. der Fraktion DIE LINKE, wie sie zu einer gesetzlichen Definition und einem Schutz der Whistleblower vor Strafverfolgung stehe, am 1.2.2018 auf die noch ausstehende Regierungsbildung verwiesen; vgl. BT-Drs. 19/598, S. 8.
[62]    Bei rein altruistischem Handeln scheidet auch nach geltendem Recht schon der subjektive Tatbestand des § 17 UWG aus, sodass insofern kein Reformbedarf besteht.
[63]    Lejeune, CR 2016, 330 (333).
[64]    Kalbfus, GRUR 2016, 1009 (1011).
[65]    A.a.O.

 

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