von Akad. Rätin a.Z. Dr. Gloria Berghäuser
Abstract
Mit der Verurteilung einer Allgemeinmedizinerin wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft hat das AG Gießen den Anstoß für eine engagierte Diskussion über die Kriminalisierung des einschlägigen ärztlichen Anerbietens gemäß § 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB gegeben, die zwischenzeitlich das Parlament, ebenso wie die Koalition, in gegensätzliche Lager gespalten hat. Vor dem Hintergrund einer einseitigen bis fehlenden Thematisierung der Verschränkung der §§ 218, 219a StGB will der Beitrag aufzeigen, dass die positiv-generalpräventive Wirkweise des Gesetzes verlangt, den in den §§ 218 ff. StGB formulierten Kompromiss im hieran angegliederten Werbeverbot (einstweilen) fortzuschreiben, und wie auf diese Weise nicht nur die Interessen aller von einem Werbeverbot Betroffenen berücksichtigt, sondern auch eine Einigung im laufenden Gesetzgebungsverfahren herbeigeführt werden könnte.
I. Einleitung
Am 24.11.2017 ist eine Allgemeinmedizinerin vom AG Gießen wegen Werbung für den Schwangerschaftsabbruch gemäß § 219a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt worden.[1] Vorgeworfen wurde ihr die Gestaltung ihrer Praxis-Homepage, welche das Leistungsspektrum der Arztpraxis dergestalt abbildet, dass sie in einer Aufzählung verschiedener medizinischer Dienstleistungen (wie dem EKG und der Lungenfunktionsuntersuchung, der Blutegel- und Reittherapie) auch den Schwangerschaftsabbruch nennt.[2] Ausweislich des amtsgerichtlichen Urteils hat die Medizinerin damit öffentlich ihres Vermögensvorteils wegen ihre Dienste zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs angeboten. An dieses Verfahren schloss sich nicht nur in der Presse und in sozialen Netzwerken, sondern auch im Deutschen Bundestag eine bis heute andauernde, erhitzte Diskussion über die Berechtigung der Kriminalisierung eines solchen ärztlichen Anerbietens an.
1. Uneinigkeit im Parlament und in der Koalition
Noch im Vorfeld des Urteils legte die Fraktion Die Linke den ersten Gesetzentwurf zur ersatzlosen Aufhebung des strafgesetzlichen Werbeverbots vor[3]– eine Forderung, die sich nach dem Urteil sukzessive auch Entwürfe der Fraktionen Bündnis 90/ Die Grünen[4] und SPD[5] zu eigen machten.[6] Unter Rücksichtnahme auf die Große Koalition und in Erwartung eines gemeinsamen Entwurfs der Bundesregierung hat sich die SPD jedoch entschlossen, ihren Entwurf nicht zur Abstimmung im Bundestag zu stellen. Eine grundlegende Uneinigkeit zwischen den koalierenden Fraktionen CDU/ CSU und SPD dürfte es der Regierung dabei mutmaßlich erschweren, bis zum kommenden Herbst (d.h. innerhalb der von der SPD öffentlich gesetzten Frist) einen solchen gemeinsamen Entwurf vorzulegen.[7] Denn anders als die SPD will die Fraktion CDU/ CSU nach eigenem Bekunden am Werbeverbot festhalten (insoweit in Übereinstimmung mit der AfD[8]) und etwaigen Informationsdefiziten allein mit einer Stärkung der Konfliktberatung begegnen.[9] Zwischen diesen beiden diametral gegensätzlichen Positionen von Aufhebung oder Aufrechterhaltung des umstrittenen Straftatbestandes sucht schließlich ein Gesetzentwurf der FDP einen Mittelweg zu beschreiten, indem er das Verbot des § 219a StGB auf die grob anstößige Werbung und auf eine solche für strafbare Schwangerschaftsabbrüche beschränken will.[10] Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser oder ein ähnlich vermittelnder Vorschlag letztlich (nämlich wenn der jeweils eigene Entwurf nicht die notwendige Mehrheit finden sollte) auch die Unterstützung der Fraktionen Die Linke und SPD erfahren könnte. Immerhin erwägen jene als Alternative zur vollständigen Aufhebung des Werbeverbots, die Tathandlungen des Anbietens und Ankündigens zu streichen, um den strafgesetzlichen Vorwurf so auf eine anpreisende bzw. (in den Worten der Linken) „anstößige“ Werbung zu reduzieren.[11]
Noch aber, d.h. zum gegenwärtigen Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens, in dem auf die erste Lesung der Entwürfe der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/ Die Grünen und FDP gerade erst (am 27.6.2018) die öffentliche Anhörung des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutzgefolgt ist,[12] wird man festhalten müssen, dass sich das Parlament, ebenso wie die Koalition, in gegensätzliche Lager gespalten sieht, zwischen denen man bis dato keine Anzeichen einer auch nur vorsichtigen Annäherung vernehmen kann.
2. Konstruktiver Umgang mit der Uneinigkeit
Um konstruktiv mit dieser Uneinigkeit umzugehen, bedürfte es einer präzisen Identifizierung des Streitgegenstands, vor allem aber einer Vergewisserung über die Prämissen, welche die verschiedenen Fraktionen ihrer jeweiligen Argumentation zugrunde legen. Nur wenn alle Beteiligten ihre Haltung in diesem Sinne reflektieren und offenlegen, besteht die Aussicht, dass ein „Stellvertreterkrieg“[13] abgewendet werden kann, in dem der Streit um das Werbeverbot dazu verwendet wird, um einen anderen – unbenannten und ungeklärten – Disput auszutragen.
II. Die (ignorierte) Verschränkung der §§ 219a, 218 Abs. 1 StGB
Insoweit unterlassen es die Fraktionen bislang aber verschiedentlich, den Weg für einen fruchtbaren Ausgang der Debatte zu bereiten. Was man in den Gesetzentwürfen zunächst vermisst, ist irgendeine (so für die Entwürfe der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/ Die Grünen, SPD) oder jedenfalls eine vollständige (so für den Entwurf der FDP) Erörterung des Verhältnisses des strafgesetzlichen Werbeverbots zum Verbot des Schwangerschaftsabbruchs. Soweit die §§ 218, 219a StGB dasselbe Rechtsgut schützen und die Tathandlungen des § 219a StGB den nach § 218 Abs. 1 StGB verbotenen Schwangerschaftsabbruch zum Bezugspunkt haben, ist ein Ineinandergreifen der Vorschriften offenkundig. Den Gesetzesmaterialien lässt sich außerdem, wie noch gezeigt werden wird, ein gemeinsames Telos von Abbruchs- und Werbeverbot entnehmen. Diese Verschränkung mit den §§ 218 ff. StGB lassen die Entwürfe mehrheitlich außer Acht, wenn sie § 219a StGB als ein in sich geschlossenes Gebilde behandeln wollen, dessen Aufhebung oder Änderung diskutiert werden könnte, ohne dass man einen Bezug zum gesetzgeberischen Gesamtkonzept zum Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens herstellen muss. Zugleich versäumen die Fraktionen so eine Gelegenheit, sich mit dem politischen Gegner über ihre einschlägigen Annahmen (vom Wert menschlichen Lebens in seinen vorgeburtlichen Entwicklungsstadien, Unwert des Schwangerschaftsabbruchs und jeweiligem Wirkmechanismus des § 218 StGB wie § 219a StGB) zu verständigen, die sie ihrem Ansinnen nach einer Gesetzesänderung vorausgeschickt haben.
1. Geschütztes Rechtsgut: Das Leben des postnidativen Embryos/ Fetus
Vergegenwärtigt man sich zunächst das Rechtsgut, welches § 219a StGB schützt, stellt man fest, dass jenes – wie schon im Verletzungsdelikt des § 218 StGB – mit dem ungeborenen menschlichen Leben ab dem Zeitpunkt seiner abgeschlossenen Einnistung in der Gebärmutterschleimhaut (vgl. § 218 Abs. 1 S. 2 StGB; sog. Nidation) zu identifizieren ist.[14] Diesbezüglich berufen sich die Fraktionen CDU/ CSU und AfD, welche am strafgesetzlichen Werbeverbot festhalten wollen, auf die verfassungsgerichtliche Diktion aus den 1970er und 1990er Jahren, nach der menschliches Leben bereits in seinen vorgeburtlichen Entwicklungsstadien am objektiven Schutzgehalt der grundrechtlichen Lebens- und Würdegarantie (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG) teilhat.[15] Jedenfalls ab dem 14. Tage nach der Empfängnis, der mit dem Zeitpunkt vollendeter Einnistung des Embryos in der Gebärmutterschleimhaut gleichgesetzt wird,[16] ist der Embryo (später: Fetus[17]) demnach ein menschliches Individuum, das als solches einen eigenständigen, d.h. von der Mutter losgelösten, Lebens- und Würdeschutz erfahren müsse, der überdies gleichwertig zum Schutz des geborenen Menschen auszugestalten sei.[18] Etwas verhaltener tritt bereits die Fraktion FDP in ihrem Gesetzentwurf auf, der wiederholt von einem „hohen Wer[t] ungeborenen Lebens“, ebenso wie von einem darauf bezogenen gesetzgeberischen „Schutzauftrag“ (interessanterweise nicht von einer Schutzpflicht), schreibt, diesen Wert aber selbst nicht näher ausführt, sondern einen weiterführenden Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG setzt.[19] Dass bei einer auf diesem Wege behaupteten Identifikation mit der Rechtsprechung des BVerfG der Teufel im Detail liegen mag, kann für den Redebeitrag des Abgeordneten Thomae in der 14. Sitzung des Deutschen Bundestags vom 22.2.2018 nachvollzogen werden, der – anlässlich seines Eintretens für den Gesetzentwurf der FDP – systematisch vom „werdenden Leben“ spricht,[20] damit aber einen Begriff verwendet, den das BVerfG selbst jedenfalls in seiner zweiten Schwangerschaftsabbruchsentscheidung vermieden hat:[21] Denn geschützt wird, wie das Gericht ebenda ausführt, nicht etwa erst die Potenzialität einer Entwicklung „zum [erst werdenden] Menschen“, sondern die kontinuierliche Entwicklung „als [bereits seiender] Mensch“.[22] Der (gegebenenfalls auch nur intuitiv) abweichende Sprachgebrauch des Abgeordneten wirft die Frage auf, inwieweit man den zitierten verfassungsgerichtlich festgestellten Wert des postnidativen Embryos/ Fetus in den Reihen der FDP nachvollzogen hat.
Schließlich stellt man für die Gesetzentwürfe der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/ Die Grünen und SPD gar fest, dass jene das von § 219a StGB geschützte Rechtsgut nicht an einer einzigen Stelle auch nur zur Erwähnung bringen[23]– ein selektives Schweigen, das wiederum jedenfalls in der diesjährigen 14. Sitzung des Deutschen Bundestags das Redeverhalten der Abgeordneten dieser Fraktionen geprägt hat.[24]Dies gibt deshalb Anlass zur Verwunderung, weil die vorstehend genannten Entwürfe nicht weniger als die ersatzlose Aufhebung des abstrakten Gefährdungsdelikts fordern, mithin entweder bereits die Schutzbedürftigkeit des Embryos/ Fetus vor werbenden Verhaltensweisen verneinen oder jedenfalls die Abwägung der von einem Werbeverbot betroffenen Rechtsgüter in Abweichung vom historischen Gesetzgeber beurteilen müssen. Gleichwohl eine solche Einschätzung (mangelnder Schutzbedürftigkeit) wie auch eine solche Entschließung (zu einer abweichenden Abwägung) eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem von § 219a StGB geschützten Rechtsgut und der diesbezüglichen Schutzpflicht des Staates erforderlich gemacht haben sollte, blenden die Gesetzentwürfe eine solche ausnahmslos aus und treten damit erstmals in einen markanten Gegensatz zu den Positionen von CDU/ CSU, AfD und FDP, welche das von einer möglichen Gesetzesaufhebung oder ‑änderung betroffene Rechtsgut wenigstens benennen oder im Anschluss an das BVerfG sogar mit Nachdruck unterstreichen.
2. Telos und Schutz vor abstrakter Lebensgefährdung
Diese divergente (Nicht-)Kommunikation über das geschützte Rechtsgut setzt sich fort, wenn man seinen Blick weiter auf eine erwartete Beschäftigung mit dem Telos des strafgesetzlichen Werbeverbots richtet. In den Gesetzentwürfen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/ Die Grünen und SPD bleibt sie gänzlich aus, womit die Fraktionen eine Einbindung der Vorschrift in das gesetzgeberische Gesamtkonzept zum Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens andauernd ignorieren.[25] Demgegenüber bejaht der Entwurf der FDP ein Ineinandergreifen der Vorschriften, versäumt es aber, eine solche Verbindung des Werbeverbots mit der positiv-generalpräventiven Wirkweise des § 218 StGB nachzuvollziehen, die auch ein Verbot der nicht grob anstößigen Werbung legitimiert. CDU/ CSU und AfD schließlich überschätzen die Verschränkung mit den §§ 218 ff. StGB, wenn sie das Werbeverbot zur Wirksamkeitsbedingung der Schwangerschaftskonfliktberatung erheben wollen.
a) Das Werbeverbot als Annexvorschrift
Im Einzelnen: Ausweislich der Materialien zum 5. Strafrechtsreformgesetz (welches die §§ 219, 220 StGB a. F. zu einem mit dem heutigen § 219a StGB im Wesentlichen identischen Werbeverbot zusammenfasste)[26] sucht § 219a StGB das embryonale und fetale menschliche Leben vor offen oder auch versteckt werbenden Verhaltensweisen zu schützen, durch die „der Schwangerschaftsabbruch in der Öffentlichkeit als etwas Normales dargestellt und kommerzialisiert wird“.[27] Insbesondere soll der Abbruch keine Darstellung als eine normale medizinische Dienstleistung erfahren[28]– die der Schwangerschaftsabbruch deshalb nicht sein kann, weil er nicht nur in die Rechtsgüter der Schwangeren eingreift (über welche jene im Wege der rechtfertigenden Einwilligung disponieren kann), sondern die physische Existenz des in der Gebärmutterschleimhaut eingenisteten Embryos/ Fetus vernichtet, dessen Leben sich nach der verfassungsgerichtlichen Diktion (s. o.) der Verfügungsbefugnis der Schwangeren entzieht.[29]
Von dieser in den Materialien zu § 219a StGB bekundeten Zielsetzung des Gesetzgebers lässt sich für das heutige Gesamtkonzept zum Schutz des ungeborenen Lebens eine Verbindungslinie zum Strafzweck der positiven Generalprävention ziehen, dessen Bedeutung das BVerfG bereits in den 1970er,[30] insbesondere aber in den 1990er Jahren für die Regelung des Schwangerschaftsabbruchs besonders hervorgehoben hat.[31] Indem der Gesetzgeber den Abbruch unter Strafandrohung verbietet (§ 218 Abs. 1 StGB) und nur für den Fall der Feststellung einer Indikationenlage (§ 218a Abs. 2, Abs. 3 StGB) ausnahmsweise rechtfertigt, soll ein Bewusstsein vom Wert des menschlichen Lebens in seinen vorgeburtlichen Entwicklungsstadien und vom grundsätzlichen Unrecht seiner physischen Vernichtung vermittelt werden.[32] Wenn § 219a StGB im Anschluss hieran werbende Verhaltensweisen für den Abbruch, die geeignet wären, das durch § 218 Abs. 1 StGB beförderte Wert- und Unrechtsbewusstsein zu unterlaufen, untersagt, unterstützt die Vorschrift diese positiv-generalpräventiven Bemühungen.[33] In teleologischer Hinsicht kann man das Verbot der Werbung damit als einen Annex zum Verbot des Abbruchs der Schwangerschaft beschreiben.
Dass das Gesetz einen solchen Annex für die Tötung vorgeburtlichen Lebens ausdrücklich vorsieht, nicht hingegen für die Tötung des geborenen Menschen (§§ 211 ff. StGB) kennt, vermag man mit der unterschiedlichen Strafbedürftigkeit einschlägiger werbender Verhaltensweisen zu erklären: Denn insoweit ist das allgemeine Bewusstsein vom Wert des Lebens eines geborenen Menschen und Unrecht seiner Tötung ebenso ausgeprägt, wie die denkbaren Sachverhalte hierzu gegenläufiger Werbung begrenzt sind, sodass man eine Schwächung des Rechtsbewusstseins jedenfalls aktuell nicht zu fürchten braucht. Anders aber verhält es sich für den Schwangerschaftsabbruch, der sich bereits in seinen Fallzahlen erheblich von den allgemeinen Tötungsdelikten unterscheidet.[34] Wenn – wie das BVerfG bereits in seiner ersten Schwangerschaftsabbruchsentscheidung festgehalten hat – wenigstens „in einem Teil der Bevölkerung der Wert des ungeborenen Lebens nicht mehr voll erkannt wird“[35] und werbende Verhaltensweisen aufgrund der Einbindung in den Kontext medizinischer Dienstleistungen alltäglich zu erwarten sind, ist die Verstärkung der positiv-generalpräventiven Wirkweise des § 218 Abs. 1 StGB durch ein Werbeverbot ein plausibles gesetzgeberisches Bemühen, um einem im Schwinden begriffenen Rechtsbewusstsein immerhin keinen weiteren Vorschub zu leisten.[36]
b) Verbot „normalisierender“, nicht nur grob anstößiger Werbung
Eine solche Unterstützung der positiv-generalpräventiven Wirkweise des § 218 Abs. 1 StGB hat zur Folge, dass entgegen des FDP-Entwurfs[37] nicht etwa erst ein anreißerisch formuliertes oder explizit verharmlosendes Angebot eine abstrakte Lebensgefährdung für den Embryo/ Fetus schafft. Im Gegenteil vermittelt aus einem solchen Blickwinkel gerade das gewöhnliche ärztliche Angebot, welches den Schwangerschaftsabbruch unterschiedslos in eine Aufzählung mit anderen medizinischen Dienstleistungen einstellt, den für das nach dem BVerfG zu bestätigende Wert- und Unrechtsbewusstsein abträglichen Eindruck, dass der Schwangerschaftsabbruch ein „normaler“ oder „alltäglicher“ Bestandteil des Spektrums gebührenpflichtiger medizinischer Dienstleistungen sei.[38]
Eben diesem Eindruck hat der Gesetzgeber auch bereits an anderer Stelle der Rechtsordnung entgegenzuwirken versucht, wenn er es im Anschluss an die zweite Schwangerschaftsabbruchsentscheidung des BVerfG ausgeschlossen hat, dass die Kosten eines nicht indizierten, d.h. nicht durch eine Gefahrenlage für Leben oder Gesundheit der Schwangeren gerechtfertigten, Abbruchs von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden (§ 24b Abs. 3 SGB V).[39] Dass die Patientin selbst oder im Falle ihrer Bedürftigkeit das Bundesland ihres Wohnsitzes (§§ 19 Abs. 1, 22 SchKG) für die Kosten aufkommen muss, wird ausdrücklich – und in Gleichklang mit der Gesetzesbegründung zu § 219a StGB – damit begründet, dass der Abbruch von anderen, dem „normalen Versicherungsrisiko“ zuzuordnenden Sacherhalten unterschieden werden und der Anschein eines „in diesem Sinne alltäglichen, also der Normalität entsprechenden Vorgang[s]“ vermieden werden soll.[40] Das Werbeverbot des § 219a Abs. 1 StGB steht also mitnichten alleine da, sondern ist Ausdruck eines positiv-generalpräventiv orientierten Gesamtkonzeptes, das an verschiedenen Stellen der Rechtsordnung zu verhindern sucht, dass die Erfahrung einer Normalisierung das Bewusstsein vom Wert des ungeborenen Lebens, ebenso wie vom Unrecht des Abbruchs, beeinträchtigt.
c) Keine Exklusivität oder Priorität der Konfliktberatung, oder: Kein allgemeines Rede- und Diskussionsverbot
Demgegenüber reichte es zu weit, mit CDU/ CSU und AfD über die positiv-generalpräventive Verschränkung der §§ 218, 219a StGB hinaus eine solche Verbindung ziehen zu wollen, nach welcher das Werbeverbot eine Wirksamkeitsbedingung der gesetzlich verpflichtenden Konfliktberatung sein soll.[41] § 219a StGB ist ebenso wenig ein „allgemeines Verbot der öffentlichen Diskussion über Schwangerschaftsabbrüche“,[42] wie die Vorschrift garantieren kann, dass die Frau nur oder zuerst in einem bestimmten (der Rechtsordnung genehmen) Sinn beraten wird. Die Rechtsordnung verpflichtet zwar zur Wahrnehmung des Angebots einer in den §§ 218a Abs. 1, 219 StGB, § 5 SchKG geregelten Konfliktberatung,[43] bestimmt aber gerade nicht deren Exklusivität oder auch nur zeitliche Priorität im Verhältnis zu anderen Informationsangeboten.[44] Dass es dem Gesetzgeber fernliegt, betroffene Frauen auch nur zeitweise von ergänzender beratender Einflussnahme abzuschirmen, welche der von ihm angestrebten Ausrichtung der Konfliktberatung am Schutz des ungeborenen Lebens zuwiderlaufen könnte, erschließt sich außerdem aus der gesetzlichen Anerkennung der Beratungsstellen (§ 9 SchKG) von pro familia.[45] Denn pro familia spricht sich nicht nur offen für eine Abschaffung der §§ 218, 219 StGB aus,[46] sondern führt in eigenen medizinischen Zentren Abbrüche durch[47] und orientiert sich bei der Wahl der Beratungsinhalte dergestalt an den individuellen Belangen der Frau, dass sich ein Beratungsgespräch unter den Umständen des konkreten Einzelfalls auch auf die Information über die Abwicklung des Abbruchs beschränken kann.[48] Selbst den gesetzlich anerkannten Beratungsstellen wird so eine weitgehende Freiheit in der Gestaltung des jeweiligen Beratungsgesprächs zuerkannt, das u.a. die in § 5 Abs. 2 SchKG enumerativ aufgeführten Inhalte in keiner bestimmten Reihenfolge abzuarbeiten, mithin die Abbruchsgründe, wenn überhaupt,[49] nicht zwingend vor den Abbruchsmodalitäten zu erörtern hat. Ein Gesetzgeber, der dergleichen zulässt,[50] hätte schwerlich einen Grund, die begleitende oder zeitlich vorgelagerte Aufklärung durch einen Arzt – als womöglich abträglich für das Ziel der Konfliktberatung – verhindern zu wollen.[51] Erst recht wird ein Exklusivitätsanspruch für die Vermittlung einer bestimmten Weltanschauung vielleicht noch postuliert,[52] aber jedenfalls nicht durchgesetzt.[53]
3. Tathandlung: Bezugspunkt Schwangerschaftsabbruch
Resultat der fehlenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit einer Verschränkung der §§ 219a, 218 StGB ist schließlich, dass die Fraktionen verschiedentlich eine „Straffreiheit“, „Legalität“ oder „Erlaubtheit“ des Abbruchs bemühen können, um einen vermeintlichen Widerspruch zwischen der gesetzlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs und dem Werbeverbot heraufzubeschwören. Ein bestenfalls undifferenzierter Sprachgebrauch lässt überdies Bedenken aufkommen, ob die Fraktionen in ihrer Bewertung des Werbungsgegenstands noch der verfassungsgerichtlich diktierten Konzeption von gerechtfertigten oder zwar rechtswidrigen, aber straffreien Abbrüchen folgen.[54]
So liest man im Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke – wie im Entwurf der FDP[55] und dem Gesetzesantrag der Länder Berlin, Brandenburg, Hamburg, Thüringen, Bremen[56]– davon, dass „Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen straffrei“ sind.[57] Dies ist sachlich zutreffend, verfehlt aber den Ansatzpunkt des in § 219a StGB normierten Werbeverbots: Denn bereits mit der Normierung des Straftatbestandes in § 218 Abs. 1 StGB hat der Gesetzgeber ein positiv-generalpräventiv orientiertes Wert- und Unrechtsurteil über den verbotenen Abbruch getroffen, dessen Außenwirkung durch werbende Verhaltensweisen nicht unterlaufen werden soll (s. o.). Dies sieht man in den Gesetzesmaterialien bestätigt, wenn jene ausdrücklich klarstellen, dass sich das Verbot des § 219a StGB auf jede Art des Abbruchs bezieht, sei er rechtmäßig oder rechtswidrig, strafbar oder straflos.[58] Maßgeblich für § 219a StGB ist damit bereits der tatbestandliche Unwert des Abbruchs, der durch eine wie auch immer begründete Straffreiheit nicht in Frage gestellt wird.[59] Eine entsprechende Kritik richtet sich gegen den Entwurf der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, soweit dieser von „legalen“, also dem Gesetz gemäßen, Abbrüchen spricht,[60] was sowohl auf eine von vornherein fehlende Tatbestandsmäßigkeit des vorsätzlichen Abbruchs Bezug nehmen könnte (dann aber unzutreffend wäre) oder aber auf eine ausnahmsweise Rechtfertigung oder Straflosigkeit, die für § 219a StGB aus den angeführten Gründen unerheblich ist.
Der (in Aussicht auf eine Einigung in der Großen Koalition nicht zur Abstimmung gestellte) Entwurf der SPD schließlich schreibt gar davon, dass der Abbruch der Schwangerschaft „eine medizinische Leistung für Frauen in einer Notlage“[61] sei und bezeichnet den ärztlichen Abbruch nach der Beratungslösung (§ 218a Abs. 1 StGB) als „erlaubt“[62]. Beides trifft nach den Schwangerschaftsabbruchsentscheidungen des BVerfG aber nicht immer bzw. nicht zu: Erstens wird die bemühte „Notlage“ nur in den Fällen des medizinisch-sozial oder kriminologisch indizierten Abbruchs festgestellt und zweitens sind nur diese nach § 218a Abs. 2 und Abs. 3 StGB gerechtfertigten Abbrüche „erlaubt“, während das BVerfG für Abbrüche nach der Beratungslösung eine rechtfertigende „Selbstindikation“ ausdrücklich ausgeschlossen hat.[63] Schließlich und vor allem aber hindern selbst „Notlage“ und Erlaubnistatbestand ein Verbot der Werbung für die notstandsähnliche Hilfe des Arztes nicht.
4. Conclusio: Uneins nicht erst im Ergebnis, sondern bereits in den Prämissen
Damit beschränkt sich die Uneinigkeit in Parlament wie Koalition also nicht nur auf das jeweils gewünschte Ergebnis im Umgang mit werbender Information über den Schwangerschaftsabbruch; die verschiedenen Fraktionen haben bereits über ihre Prämissen keine Einigung herbeigeführt. Wer aber in seinen Prämissen voneinander abweicht, dem bleibt der Weg zu einer gemeinsamen logischen Schlussfolgerung versperrt.
Dieser Gegensatz spitzt sich im Gegenüber von CDU/ CSU, AfD auf der einen Seite, Die Linke, Bündnis 90/ Die Grünen und SPD auf der anderen Seite denknotwendig zu: Wer sich – wie die zuerst genannten Fraktionen – auf die verfassungsgerichtliche Verlautbarung von der gleichwertigen Teilhabe des postnidativen ungeborenen Leben am objektiven Schutzgehalt der Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG und Art. 1 Abs. 1 GG, ebenso wie auf den tatbestandlichen Unwert des Schwangerschaftsabbruchs und die Verschränkung des § 219a StGB mit §§ 218 ff. StGB fokussiert, der kann das (nur durch § 219a Abs. 2 StGB eingeschränkte) Werbeverbot unschwer als eine „folgerichtige Ergänzung“ des Abbruchsverbots begreifen.[64] Wer diesbezüglich hingegen – wie die zuletzt genannten Fraktionen – eine inhaltliche Auseinandersetzung vermeidet, für den muss die Forderung nach einer Abschaffung des § 219a StGB allzu eingängig sein. Auf beiden Seiten des auszutragenden Streits verkürzt sich der Blick: auf das einseitig hervorgehobene Rechtsgut des ungeborenen Lebens oder aber auf einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der Ärzte – welche durch § 219a StGB z.B. daran gehindert werden, ihr Leistungsspektrum in ihrem Internetauftritt vollständig zu benennen[65]– und eine angebliche Beeinträchtigung des Informationszugangs betroffener Frauen,[66] welchen ein Weg (von vielen denkbaren Alternativen[67]) genommen wird, um sich der Bereitschaft bestimmter Ärzte, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen, zu vergewissern. Die Waage der Justitia senkt sich jeweils einseitig auf einer Seite herab, weil ihr das abzuwägende Gegengewicht genommen wird.
III. Die Reflektion des dilatorischen Formelkompromisses
Am Ende steht die Erkenntnis, dass der Streit um die Werbung für den Abbruch nach den vorliegenden Gesetzentwürfen gerade kein Streit um den Abbruch, für den geworben wird, sein soll. Dabei wäre es im Gegenteil gerade die Reflektion der Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch, die eine Entscheidung über § 219a StGB ermöglichte, ohne dass man die §§ 218 ff. StGB neu diskutieren müsste: Denn nur wer § 219a StGB als diejenige Annexvorschrift erkennt und anerkennt, die sie ist, der kann sich in der Debatte über eine Revision der Vorschrift darauf beschränken, den in den §§ 218 ff. StGB formulierten Kompromiss fortzuschreiben, ohne die einstmals so erbittert verhandelten Grundsatzfragen neu aufwerfen zu müssen. Im Streit um die Werbung für den Abbruch könnte – wie einst im Streit um den Abbruch – so eine vorläufige Lösung gefunden werden, die vielleicht weder ideologisch noch dogmatisch zufrieden stimmt, welche in Annäherung der von den Fraktionen unterschiedlich eingenommenen Positionen aber allen Interessen Rechnung trüge, die von einem Verbot der Werbung für den Schwangerschaftsabbruch betroffen sind.
1. Die Produktion eines „Stellvertreterkriegs“
Vor diese Einsicht wäre die Akzeptanz der in den §§ 218 ff. StGB niedergeschriebenen Kompromissgesetzgebung gestellt, die es über Jahrzehnte hinweg geschafft hat, einen für unlösbar befundenen Konflikt zu befrieden. Ohne dass dies an dieser Stelle näher ausgeführt werden kann, ist doch weitgehend anerkannt, dass die in sich widersprüchliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs wenigstens nicht nur dem manifesten Zweck des Rechtsgüterschutzes dient.[68] Vielmehr ermöglicht gerade die Widersprüchlichkeit dieser Regelung, dass sich divergente politische Gruppen – Konservative wie Progressive – in einem sog. dilatorischen Formelkompromiss einstweilig kohärent repräsentiert fühlen können.[69] In grober Vereinfachung lässt sich sagen, dass ein mehrdeutig formuliertes Gesetz den Vertretern widerstreitender gesellschaftlicher Ansichten ermöglicht, sich mit ihm zu identifizieren, obwohl es sich tatsächlich einer verbindlichen Stellungnahme entzieht. Derweil jede der Streitparteien sich darauf beruft, die (vermeintliche) Bestätigung des – von ihnen jeweils nur selektiv ausgelegten – Gesetzes erfahren zu haben, vermag man so die eigentliche Konfliktlösung aufzuschieben, bis sich die widerstreitenden Positionen zu einem unbestimmten künftigen Zeitpunkt womöglich angenähert haben sollten und ein gemeinsames allgemeines Rechtsbewusstsein in der Rechtsordnung abgebildet werden kann. Gleichzeitig bleibt es – und das ist der Konstruktion eines dilatorischen Formelkompromisses wesensimmanent – bei einer nur vorläufigen Befriedung statt nachhaltigen Lösung des Konflikts.
Der Gesetzgeber hat dies in der Vergangenheit wiederholt erfahren müssen, wenn etwa Änderungen des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (zur Einführung eines zusätzlichen Beratungsangebots im Vorfeld des Schwangerschaftsabbruchs wegen pränatal diagnostizierter Schädigung des Ungeborenen gemäß § 2a SchKG[70]) oder auch Embryonenschutzgesetzes (zur Ermöglichung der Präimplantationsdiagnostik an pluripotenten embryonalen Stammzellen gemäß § 3a ESchG[71]) zu diskutieren waren und man stets auf denselben, in den §§ 218 ff. StGB mehr kaschierten denn entschiedenen Konflikt zurückgeworfen war. Er erfährt dies aktuell wieder, wenn die unausgesprochenen Prämissen im Streit um das Werbeverbot Raum für eben jenes unterschiedliche Wert- und Unrechtsbewusstsein lassen, das es in den 1970er und 1990er Jahren schon einmal nahezu unmöglich gemacht hatte, zu einer gemeinsamen Entschließung auf dem Gebiet des Ungeborenenschutzes zu gelangen. Dass die Gefahr eines solchen „Stellvertreterkriegs“ gegenwärtig ist, belegen u.a. Aussagen aus der Fraktion Die Linke, deren frauenpolitische Sprecherin jüngst verlauten ließ, dass die Aufhebung des § 219a StGB nach dem Willen ihrer Fraktion nur ein erster Schritt sei, dem nach der Sommerpause des Deutschen Bundestags ein Antrag auf Abschaffung der Beratungspflicht folgen solle und der langfristig in eine Aufhebung des strafgesetzlichen Abbruchsverbots münden solle.[72]
2. Mögliches Ende des „Stellvertreterkriegs“ (zugleich eine Schlussbemerkung)
Soweit realisiert sich also neuerlich die Gefahr des in den §§ 218 ff. StGB geregelten dilatorischen Formelkompromisses, dass er einen „Stellvertreterkrieg“ zu produzieren vermag. Gleichzeitig gibt er aber wiederholt auch die Marschroute vor, auf der man den Disput – wie schon anlässlich der erwähnten Änderungen des SchKG[73] und ESchG[74]– beilegen kann: Es gilt, den Konflikt aufzuschieben, indem man den vor Jahrzehnten gefundenen Kompromiss in § 219a StGB vorläufig fortschreibt.[75] Dies ist möglich, indem man zunächst anerkennt, dass ein Werbeverbot die positiv-generalpräventive Wirkweise des Abbruchsverbots unterstützt. Diese Anerkennung wird verbunden mit dem Befund, dass § 219a StGB ein Annex zum Abbruchsverbot nach § 218 StGB ist und als solcher über die von ihm unterstützten positiv-generalpräventiven Bemühungen des Gesetzgebers nicht (quasi „im Exzess statt als Annex“) hinausreichen darf. Für die Frage nach der Strafbedürftigkeit eines öffentlichen ärztlichen Anerbietens zum Schwangerschaftsabbruch ist dies entscheidend: Denn insoweit ist es zwar zutreffend, dass die ärztliche Mitwirkung mit dem tatbestandlichen Unwertgehalt des § 218 Abs. 1 StGB behaftet ist. So, wie das BVerfG aber bereits 1992 geschrieben hat, dass „um der Wirkung des Beratungskonzeptes willen nicht jede Folge der Rechtswidrigkeit gezogen“ werden kann,[76] verlangt die Einbindung der ärztlichen Mitwirkung in das Verfahren nach § 218a StGB vom Gesetzgeber auch, sein Ziel der Förderung eines bestimmten Wert- und Unrechtsbewusstseins hintanzustellen, weil er die rechtlichen Rahmenbedingungen für jene (erwünschte) ärztliche Mitwirkung am (für sich genommen unerwünschten) Abbruch schaffen muss. Wenn der Gesetzgeber insoweit aber auf die positiv-generalpräventive Wirkweise seines Abbruchsverbots weitgehend verzichtet, um eine ärztliche Durchführung des Abbruchs garantieren zu können, muss dies für die Annexvorschrift des § 219a StGB entsprechend gelten. Dass ein Arzt seine Bereitschaft zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs (§ 12 SchKG) öffentlich macht, kann und darf § 219a StGB schwerlich unterbinden, weil jene Bereitschaft zwar auf ein Verhalten von tatbestandlichem Unwertgehalt gerichtet, gleichzeitig aber ein integraler Bestandteil des gesetzlichen Schutzkonzeptes ist.[77] Die Zielsetzung der Vorschrift muss vor diesem Hintergrund wesentlich bescheidener sein und beschränkt sich darauf, eine irreführende Gleichstellung des Abbruchs mit anderen medizinischen Dienstleistungen zu unterbinden. Dem aber würde bereits durch eine entsprechende Klarstellungsobliegenheit ärztlicher Anbieter Genüge getan, welche – wie an anderer Stelle ausgeführt – in § 219a Abs. 2 StGB unschwer eingefügt werden könnte.[78]
Um sich im Parlament auf eine solche – oder auch eine andere kompromisshafte – Lösung zu verständigen, bedürfte es freilich einer doppelten Akzeptanz des Status quo: zum einen einer (vorläufigen) Akzeptanz der in den §§ 218 ff. StGB formulierten Kompromissgesetzgebung, zum anderen einer Akzeptanz des § 219a StGB als hieran anschließenden Annex. Ob die verschiedenen Fraktionen sich hierzu überwinden können, dürfte fraglich sein. Ein etwaiges Unbehagen wäre nachvollziehbar und wird auch von der Verfasserin geteilt,[79] bedeutet es doch, dass man mit der Fortschreibung der widersprüchlichen Regelung des Schwangerschaftsabbruchs „eine Konsequenz in der Inkonsequenz zu erreichen versucht und folglich etwaige Fehlentwicklungen nicht mehr hinterfragt, sondern hinnimmt“[80]. Jedoch wäre derjenige, dessen Wirken auf eine Revision der §§ 218 ff. StGB abzielt, gehalten, die von ihm gewünschte Diskussion (zum richtigen Zeitpunkt) auch ebenda zu beginnen statt „das Pferd von hinten aufzuzäumen“, indem er Änderungen einer bloßen Annexvorschrift verlangt, die nolens volens stets dem in den §§ 218 ff. StGB gefällten Werturteil folgen muss. Es wäre zu wünschen, dass die Fraktionen nach der abzuwartenden Sommerpause des Deutschen Bundestags noch zu dieser Einsicht gelangen.
[1] AG Gießen, medstra 2018, 126 m. Anm. Wörner, NStZ 2018, 416; ähnl. bereits LG Bayreuth, ZfL 2007, 16 m. Anm. Goldbeck, ZfL 2007, 14; krit. jeweils Hillenkamp, Hessisches Ärzteblatt 2/2018, 92 (94); weitere Nachw. zu Urteilsbesprechungen und Vorschlägen de lege ferenda bei Berghäuser, JZ 2018, 497-504.
[2] Der Internetauftritt der Allgemeinmedizinerin kann eingesehen werden unter: http://www.kristinahaenel.de/page_infos.php (zuletzt abgerufen am 13.7.2018). Zum Tatvorwurf s. ferner auch AG Gießen, medstra 2018, 126; Berghäuser, JZ 2018, 497.
[3] Entwurf vom 22.11.2017 (Die Linke), BT-Drs. 19/93; vgl. auch den Redebeitrag der BT-Abgeordneten Möhring v. 22.2.2018, BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1228; Antrag vom 24.11.2017, Hess-LT-Drs. 19/5455; Antrag vom 6.12.2017, HH-LT-Drs. 21/11248.
[4] Entwurf vom 2.2.2018 (Bündnis 90/ Die Grünen), BT-Drs. 19/630; vgl. auch den Redebeitrag der BT-Abgeordneten Schauws v. 22.2.2018, BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1221.
[5] Entwurf vom 2.3.2018 (SPD), BT-Drs. 19/1046; vgl. auch die Redebeiträge (jeweils v. 22.2.2018) der BT-Abgeordneten Högl und Fechner, BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1224 und 1230.
[6] Für eine ersatzlose Aufhebung des § 219a StGB haben sich nach dem Urteil außerdem verschiedene Bundesländer im Bundesrat stark gemacht; s. Antrag vom 12.12.2017 (Berlin, Brandenburg, Hamburg, Thüringen, nachträglicher Beitritt Bremens), BR-Drs. 761/17 (neu).
[7] Zusf. etwa ein Beitrag auf Zeit online vom 17.3.2018, welcher den Disput als „das erste Problem der großen Koalition“ betitelt; https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-03/schwangerschaftsabbruch-werbung-paragraf-219a-katharina-barley-justizministerin (zuletzt abgerufen am 13.7.2018); ferner Aktuelle Nachrichten, medstra 3/2018, S. V.
[8] Vgl. etwa den Redebeitrag der BT-Abgeordneten Harder-Kühnel (AfD) v. 22.2.2018, BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1225.
[9] S. aus jüngster Zeit Winkelmeier-Becker, in: Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion v. 28.6.2018, abrufbar unter: https://www.cducsu.de/presse/pressemitteilungen/werbung-fuer-die-beratung-nicht-den-abbruch (zuletzt abgerufen am 13.7.2018). Vgl. außerdem die Redebeiträge (jeweils v. 22.2.2018) der BT-Abgeordneten Harbarth und Winkelmeier-Becker (beide CDU), BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1223 u. 1229; Launert (CSU), BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1231.
[10] Entwurf v. 20.2.2018 (FDP), BT-Drs. 19/820; vgl. auch den Redebeitrag des BT-Abgeordneten Thomae v. 22.2.2018, BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1227; zusf. zu den Gesetzentwürfen Kubiciel, jurisPR-StrafR 5/2018, Anm. 1.
[11] BT-Drs. 19/93 (Die Linke), S. 2 u. 4; BT-Drs. 19/1046 (SPD), S. 2 u. relativierend S. 4 f.; vgl. auch Kriminalpolitischer Kreis, ZfL 2018, 31 (32) zu einer Ordnungswidrigkeit des Anpreisens.
[12] Die bislang vorliegenden schriftlichen Fassungen der Stellungnahmen der Sachverständigen werden nachfolgend mit „Stellungnahme“ zitiert und sind abrufbar unter https://www.bundestag.de/recht#url (zuletzt abgerufen am 13.7.2018).
[13] Zutreffend so benannt v. Duttge, medstra 2018, 129.
[14] Siehe etwa Eser, in: Schönke/Schröder, 29. Aufl. (2014), § 219a Rn. 1, § 218 Rn. 5 u. 6, Vor §§ 218-219b Rn. 9; Fischer, StGB, 65. Aufl. (2018), Vor §§ 218-219b Rn. 2; Gropp, in: MüKo-StGB, 3. Aufl. (2017), § 219a Rn. 1, § 218 Rn. 5, Vor § 218 Rn. 45.
[15] BVerfGE 39, 1 (37 u. 41). Siehe die hieran anschließenden Redebeiträge der BT-Abgeordneten Harbarth und Winkelmeier-Becker (beide CDU), BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1223 u. 1230; Launert (CSU), BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1232; Harder-Kühnel (AfD), BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1225 f.
[16] BVerfGE 39, 1 (37).
[17] Bis zum Ende der achten Entwicklungswoche seit der Empfängnis wird ungeborenes menschliches Leben als Embryo, im Anschluss als Fetus bezeichnet; Moore/Persaud/Torchia, Embryologie, 6. Aufl. (2013), S. 2.
[18] Zum Schutzpflichtkonzept siehe BVerfGE 39, 1 (1 u.41 f.); ferner etwa Müller-Terpitz, Der Schutz des pränatalen Lebens, 2007, S. 101 ff. Zur Art des postulierten Schutzniveaus (eigenständig, individuell, gleichwertig) vgl. etwa BVerfGE 39, 1 (1 u. 36, 59); BVerfGE 88, 203 (203 u. 252, 267); zusf. Berghäuser, Das Ungeborene im Widerspruch, 2015, S. 117 ff. m.w.N.
[19] Hierzu und vorstehende Zitate aus BT-Drs. 19/820, S. 2 u. 4, 5 jeweils m. Verweis auf BVerfGE 88, 203 (252 f.).
[20] BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1227.
[21] S. dazu Berghäuser, S. 97.
[22] BVerfGE 88, 203 (251 f.): „Jedenfalls in der so bestimmten Zeit der Schwangerschaft handelt es sich bei dem Ungeborenen um individuelles, in seiner genetischen Identität und damit in seiner Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit bereits festgelegtes, nicht mehr teilbares Leben, das im Prozess des Wachsens und Sich-Entfaltens sich nicht erst zum Menschen, sondern als Mensch entwickelt“; Hervorhebungen nicht im Original.
[23] BT-Drs. 19/93 (Die Linke); 19/630 (Bündnis 90/ Die Grünen); 19/1046 (SPD); auf „eine – gerne verschwiegene – manifeste Drittbetroffenheit“ des ungeborenen Lebens gleichsam hinweisend: Duttge, medstra 2018, 129.
[24] Vgl. die Redebeiträge der BT-Abgeordneten Schauws (Bündnis 90/ Die Grünen), Möhring (Die Linke), Fechner und Högl (beide SPD), BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1221-1223, 1228-1229, 1230-1231 u. 1224-1225. Einzig die Abgeordnete Högl fasste das geschützte Rechtsgut im Schlusssatz ihres Beitrags einmalig in Worte.
[25] BT-Drs. 19/93 (Die Linke); 19/630 (Bündnis 90/ Die Grünen); 19/1046 (SPD).
[26] 5. StrRG vom 18.6.1974, BGBl. I, S. 1297; zur Genese des Gesetzes Rogall, in: SK-StGB, 9. Aufl. (2017), § 219a Rn. 2.
[27] Dazu u. vorstehendes Zitat aus BT-Drs. 7/1981 (neu), S. 17 f.; s. auch Eser, in: Schönke/Schröder, § 219a Rn. 1; Kühl, in: Lackner/Kühl, 28. Aufl. (2014), § 219a Rn. 1.
[28] Vgl. BT-Drs. 7/1981 (neu), S. 17 f.; dazu bereits Berghäuser, JZ 2018, 497 (499 f.).
[29] Dies gilt selbst im Falle des indizierten Abbruchs; vgl. etwa Kröger, in: LK-StGB, 11. Aufl. (2005), Vorbem. §§ 218 ff. Rn. 29: Rechtfertigung nicht durch die Einwilligung der Schwangeren, sondern mit Rücksicht auf den notstandsähnlichen Konflikt.
[30] S. etwa BVerfGE 39, 1 (57 f. u. 66).
[31] Demnach ist es Teil der an den Gesetzgeber gerichteten Schutzpflicht, dass er „den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben“ habe; BVerfGE 88, 203 (204 u. 261); ähnl. a.a.O., S. 272. „Die von der Verfassung geforderte rechtliche Missbilligung des Schwangerschaftsabbruchs muss auch in der Rechtsordnung unterhalb der Verfassung deutlich in Erscheinung treten“; so schon BVerfGE 39, 1 (53); ähnl. a.a.O. S. 44; entsprechend BVerfGE 88, 203 (272 ff.). Weiterführend Berghäuser, S. 124 ff., 245 ff. m.w.N.
[32] Vgl. BVerfGE 88, 203 (253, 258 u. 273 f.); zusf. Berghäuser, S. 125 f.
[33] Dazu bereits Hillenkamp, Hessisches Ärzteblatt 2/2018, 92 (93); Berghäuser, JZ 2018, 497 (499 f.); zust. Kubiciel, Stellungnahme, S. 3 u. 6 m. Ziff. II.1 u. II.2.a a. E.; s. ferner auch Kommissariat der deutschen Bischöfe, Kath. Büro in Berlin, Stellungnahme, S. 5 m. Ziff. 2.
[34] Rund 101.200 gemeldete Schwangerschaftsabbrüche im Jahr 2017; Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung 074 vom 6.3.2018.
[35] BVerfGE 39, 1 (66).
[36] Zur bestätigenden Abbildung eines (noch) vorhandenen Wert- und Rechtsbewusstseins – statt Bildung eines nicht (mehr) vorhandenen Bewusstseins – vgl. Berghäuser, S. 127 ff. m.w.N.
[37] BT-Drs. 19/820, S. 4 u. 5.
[38] Dazu bereits Berghäuser, JZ 2018, 497 (502); Duttge, medstra 2018, 129 (130); Kommissariat der deutschen Bischöfe, Stellungnahme, S. 5 m. Ziff. 2 a. E.; a. A. der Entwurf der FDP, BT-Drs. 19/820, S. 4 u. 5; Kriminalpolitischer Kreis, ZfL 2018, 31; Frommel, JR 2018, 239 (240 f.).
[39] Hierzu und zum Nachfolgenden Berghäuser, JZ 2018, 497 (500). Zum Anschluss dieser gesetzlichen Regelung an die zweite Schwangerschaftsabbruchsentscheidung vgl. BVerfGE 88, 203 (319 ff., ferner 205, 312).
[40] Hierzu und vorstehende Zitate aus BVerfGE 88, 203 (319 f., ferner 205, 312). Dazu bereits Hillenkamp, Hessisches Ärzteblatt 2/2018, 92 (93); im Anschluss hieran Kubiciel, Stellungnahme, S. 6 m. Ziff. II.2.a; s. ferner auch Kommissariat der deutschen Bischöfe, Stellungnahme, S. 5 m. Ziff. 2.
[41] S. etwa Harbarth und Winkelmeier-Becker (beide CDU), BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1223 u. 1230; Launert (CSU), BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1232; Harder-Kühnel (AfD), BT-Plenarprotokoll 19/14, S. 1226. Unterstützung erfährt diese Einschätzung aber etwa durch Kubiciel, Stellungnahme, S. 5 f. m. Ziff. II.2.a; ders., ZRP 2018, 13 (14), u. jurisPR-StrafR 5/2018, Anm. 1 m. Ziff. II.1; Kommissariat der deutschen Bischöfe, Stellungnahme, S. 4 m. Ziff. 2.; zu Recht abl. Merkel, Stellungnahme, S. 6.
[42] So aber u. Zitat aus Kriminalpolitischer Kreis, ZfL 2018, 31; a. A. auch Preuß, medstra 2018, 131 (133); Dt. Juristinnenbund, Stellungnahme, S. 5 unten u. 12 f.; zutreffend hingegen Duttge, medstra 2018, 129.
[43] Ausführlich zu den §§ 219 StGB, 5 SchKG Berghäuser, S. 624 ff.
[44] Dazu auch Wörner, NStZ 2018, 417 (418); vgl. auch Dt. Juristinnenbund, Stellungnahme, S. 8.
[45] Ausführlich zu den gesetzlich anerkannten Beratungsstellen Berghäuser, S. 635 ff.; zu pro familia und AWO, ebda., S. 641 ff.
[46] Pro familia, Für selbstbestimmte Sexualität: Ziele und Programm, 4. Aufl. (2010), S. 4; Standpunkt Schwangerschaftsabbruch, 4. Aufl. (2006), S. 4. Für eine Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen und insbesondere Fristenlösung ohne Pflichtberatung tritt auch die Arbeiterwohlfahrt (AWO) ein; s. AWO, Standards Schwangerschaftsberatungsstellen, 2010, S. 3 m. Standard 5 u. S. 7; Grundsatzprogramm, 2005, S. 21.
[47] S. dazu etwa pro familia, Satzung, § 2 Nr. 1 Abs. 1 S. 3; Broschüre Schwangerschaftsabbruch, 6. Aufl. (2015), S. 10; Standpunkt Schwangerschaftsabbruch, S. 17; Für selbstbestimmte Sexualität: Ziele und Programm, S. 14. Ebenda auch zur in BVerfGE 88, 203 (287 u. 302 f.) eingeforderten organisatorischen und wirtschaftlichen Trennung von Beratungsstellen und Abbruchseinrichtungen.
[48] Vgl. pro familia, Standpunkt Schwangerschaftsabbruch, S. 19 f.; dazu Berghäuser, S. 647 f.
[49] Zum Schweigen über die Abbruchsgründe in der Konfliktberatung ausdrücklich etwa das Diakonische Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Diakonie Korrespondenz 4/2001, S. 16; näher Berghäuser, 629 ff. m.w.N.
[50] Vor dem Hintergrund von BVerfGE 88, 203 (282 f.) ist eine solche Beratungspraxis jedenfalls bedenkenswert; dazu Berghäuser, S. 648, 655 f., 656 ff.
[51] So aber wohl Kubiciel, Stellungnahme, S. 5 f. m. Ziff. II.2.a; ders., jurisPR-StrafR 5/2018, Anm. 1 m. Ziff. II.1.
[52] Nach der zweiten Schwangerschaftsabbruchsentscheidung darf der Staat nur solchen Einrichtungen die Beratung anvertrauen, die u.a. „nach ihrer Grundeinstellung zum Schutz des ungeborenen Lebens […] die Gewähr dafür bieten, dass die Beratung im Sinne der verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Vorgaben erfolgt“; BVerfGE 88, 203 (287).
[53] Zusf. Berghäuser, 654 ff. Insoweit geht Kubiciel (Stellungnahme, S. 9 m. Ziff. III.2) zu weit, wenn er für den Fall einer Streichung des § 219a StGB auf die Gefahr hinweist, dass Ärzte rechtliche Implikationen verzerren könnten, indem sie z.B. nicht von einem Fetus, sondern von „Schwangerschaftsgewebe“ sprechen. Entgegen seiner Zitierung eines Beitrags der Verfasserin (vgl. a.a.O., Fn. 34 den Verweis auf Berghäuser, JZ 2018, 497 [503]) sind solche versachlichenden Beschreibungen nicht von der Schutzrichtung des § 219a StGB erfasst, sodass die Gefahr eines solchen Sprachgebrauchs (der i. Ü. auch in den Informationsmaterialien von pro familia nachvollzogen werden kann; vgl. pro familia, Standpunkt Schwangerschaftsabbruch, S. 13 u. 14, u. Broschüre Schwangerschaftsabbruch, S. 15 u. 18, jeweils zum Absaugen oder Abbluten eines „Schwangerschaftsgewebes“) auch kein Argument gegen eine Streichung des Werbeverbots begründet.
[54] Vgl. BVerfGE 88, 203 (270): „Allerdings ist es nicht zulässig, nicht indizierte Schwangerschaftsabbrüche für gerechtfertigt (nicht rechtswidrig) zu erklären […]“; a.a.O., S. 274: „Werden […] Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Voraussetzungen aus dem Straftatbestand ausgeklammert, so bedeutet dies lediglich, dass sie nicht mit Strafe bedroht sind“; a.a.O., S. 210: „Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs bleibt auch in diesen Fällen unberührt“. Ausführl. m.w.N. Berghäuser, S. 548 ff.; s. auch Kubiciel, jurisPR-StrafR 5/2018, Anm. 1, Ziff. II.3; krit. Frommel, ZfL 2018, 17; Merkel, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), § 218a Rn. 63.
[55] BT-Drs. 19/820, S. 1 u. 4.
[56] BR-Drs. 761/17 (neu), S. 3 u. 5.
[57] Dazu und vorstehendes Zitat aus BT-Drs. 19/93, S. 1, 4 u. 5 (unter fälschlicher Zitierung des § 218 StGB für die bemühte Straffreiheit des Abbruchs).
[58] BT-Drs. 7/1981 (neu), S. 17 f.; BT-Drs. 7/1983, S. 19 f. Vgl. dazu auch § 219a Abs. 2 StGB u. s. Berghäuser, JZ 2018, 497 (498 f.); Eser, in: Schönke/Schröder, § 219a Rn. 1 u. 3; Gropp, in: MüKo-StGB, § 219a Rn. 1; krit. aber Merkel, Stellungnahme, S. 3 ff.
[59] An dieser Beurteilung änderte sich auch für den Fall nichts, dass man § 218a Abs. 1 StGB buchstäblich als Ausschluss von der Tatbestandsmäßigkeit verstehen will. Denn selbst dann wäre zunächst ein tatbestandsmäßiges Verhalten i. S. d. § 218 Abs. 1 StGB und damit der für § 219a StGB maßgebliche Unwertgehalt gegeben, der erst in einem zweiten nachfolgenden Schritt (der Gesetzessystematik folgend: ausnahmsweise) wieder verneint wird; vgl. zu § 218a StGB Gropp, in: MüKo-StGB, § 218a Rn. 10; Schulz, StV 1994, 38 (44 f.).
[60] BT-Drs. 19/630, S. 1 u. 4.
[61] BT-Drs. 19/1046, S. 1 u. 4.
[62] BT-Drs. 19/1046, S. 4 u. 6; krit. bereits Kubiciel, jurisPR-StrafR 5/2018, Anm. 1 m. Ziff. II.3.
[63] BVerfGE 88, 203 (275); dazu Berghäuser, S. 550 f. m.w.N.
[64] Zitat aus einem Beitrag der Verfasserin, die aber nur von einer „jedenfalls prima facie“ folgerichtigen Ergänzung schreibt und i. Ü. von einer begrenzten positiv-generalpräventiven Wirkweise des Abbruchsverbots auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Einschränkung des § 219a StGB schlussfolgert; vgl. Berghäuser, JZ 2018, 497 (499 f.) u. s. dazu noch unten III.2.; insoweit verkürzt zitiert von Kubiciel, Stellungnahme, S. 3 m. Ziff. II.1 m. Fn. 12.
[65] Vgl. BT-Drs. 19/93 (Die Linke), S. 1 u. 4; BT-Drs. 19/630 (Bündnis 90/ Die Grünen), S. 4; BT-Drs. 19/1046 (SPD), S. 1, 4 u. 6; BR-Drs. 761/17 (neu), S. 2 f. u. 5 (Berlin, Brandenburg, Hamburg, Thüringen, Bremen). Von einem nicht gerechtfertigten Eingriff gehen u.a. aus: Frommel, ZfL 2018, 17; Dt. Juristinnenbund, Stellungnahme, S. 11; Merkel, Stellungnahme, S. 4; Preuß, medstra 2018, 131 (133); krit. auch F.-C. Schroeder, ZRP 1992, 409 (410).
[66] Vgl. BT-Drs. 19/93 (Die Linke), S. 2 u. 4; ebenso HH-LT-Drs. 21/11248, S. 1; Hess-LT-Drs. 19/5455; BT-Drs. 19/630 (Bündnis 90/ Die Grünen), S. 4; BT-Drs. 19/1046 (SPD), S. 1, 4 u. 6; BR-Drs. 761/17 (neu), S. 2 u. 5 (Berlin, Brandenburg, Hamburg, Thüringen, Bremen); so auch Dt. Juristinnenbund, Stellungnahme, S. 11 f.[67] Vgl. nur § 219a Abs. 2 StGB; zutreffend ferner Duttge, medstra 2018, 129; Kubiciel, Stellungnahme, S. 8 f. m. Ziff. III.2; ders., jurisPR-StrafR 5/2018, Anm. 1 m. Ziff. II.2; Kommissariat der deutschen Bischöfe, Stellungnahme, S. 7 f. m. Ziff. 4.a; Fischer, Unangenehme Unordnungen, in: Spiegel online v. 12.5.2018, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/panorama/thomas-fischer-zu-karl-marx-219a-gewalt-a-1207274.html (zuletzt abgerufen am 13.7.2018).
[68] Zu einer (symbolischen) Kompromissgesetzgebung s. bereits F.-C. Schroeder, ZRP 1992, 409 (410) bzgl. § 218a Abs. 1 StGB i. d. F. des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes v. 27.7.1992; ferner u.a. Fischer, §§ 218-219b Rn. 10a ff.; Gärditz, ZfL 2018, 18 (19); Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT/1, 10. Aufl. (2009), § 6 Rn. 1; ausführlich Berghäuser, insb. S. 531 ff. (zu § 218a Abs. 2 StGB) u. 667 ff. (zu § 218a Abs. 1 StGB).
[69] Hierzu und zum Nachstehenden Berghäuser, S. 798 ff., 817 ff. Zu einem dilatorischen Formelkompromiss in der Notlagenindikation früheren Rechts vgl. Frommel, ZRP 1990, 351 (354); allgemein zu Begriff und Funktion eines solchen Kompromisses Neves, Symbolische Konstitutionalisierung, 1998, S. 42 u. 88; Schmitt, Verfassungslehre, 5. Aufl. (1970), S. 31 f.
[70] Gesetz zur Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKGÄndG) v. 26.8.2009, BGBl. I, S. 2990; zusf. hierzu Berghäuser, S. 821 ff.
[71] Gesetz zur Regelung der Präimplantationsdiagnostik (PräimpG) v. 21.11.2011, BGBl. I, S. 2228; vgl. hierzu BGH, ZfL 2010, 87 (91); zusf. u. krit. Berghäuser, S. 838 ff. Anders als nach dem SchKGÄndG war hier jedoch allenfalls die Frage eines pränidativen statt postnidativen Ungeborenenschutzes betroffen.
[72] Nachzulesen auf taz.de vom 18.6.2018, Abtreibungen sollen straffrei sein, abrufbar unter: https://www.taz.de/Archiv-Suche/!5513523&s=patricia%2Bhecht/ (zuletzt abgerufen am 13.7.2018); in diesem Sinne auch bereits Die Linke Hamburg, BT-Drs. 21/11248, S. 1.
[73] Ausführlich dazu Berghäuser, S. 822 ff.; s. außerdem Duttge/Bernau, ZfL 2009, 42 (46) m. These 12.
[74] Krit. noch Berghäuser, S. 838 ff. m.w.N.; vgl. exemplarisch aus der Diskussion im Vorfeld der Einfügung des § 3a Abs. 2 ESchG LG Berlin, ZfL 2009, 93 (96 f.); Schroth, NStZ 2009, 233 (235 f. u. 238); auch nach Inkrafttreten noch Frommel, JZ 2013, 488 (491).
[75] Hierzu und zum Nachfolgenden bereits Berghäuser, JZ 2018, 497 (502 f.).
[76] BVerfGE 88, 203 (270 u. 280).
[77] Insoweit verfängt der Hinweis u.a. des Dt. Juristinnenbundes auf die Einbindung der ärztlichen Abbruchstätigkeit in das gesetzliche Schutzkonzept; vgl. Dt. Juristinnenbund, Stellungnahme, S. 7 oben u. 19.
[78] Weiterführend dazu Berghäuser, JZ 2018, 497 (503 f.). nebst Eintreten für die Normierung einer sog. Informationsgarantie im SchKG.
[79] Vgl. etwa Berghäuser, S. 843 ff., insb. S. 847 ff. und 856 ff. Ebenda plädiert die Verfasserin selbst für eine transparente gesetzliche Regelung in den §§ 218 ff. StGB, die sich in offener Abkehr von der These eines gleichwertigen Schutzniveaus in allen Entwicklungsstadien menschlichen Lebens zu einem nur prozeduralen Ungeborenenschutz bekennen sollte. Eine solche Aufkündigung der Kompromissgesetzgebung setzte jedoch die (gegenwärtig noch wenig wahrscheinliche) Bereitschaft voraus, das Gesamtkonzept und nicht nur einen Annex in Frage zu stellen.
[80] Zitat aus Böckenförde-Wunderlich, Präimplantationsdiagnostik als Rechtsproblem, 2002, S. 230.