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Weg mit dem Schwachsinn – zur längst überfälligen Ersetzung der Begriffe „Schwachsinn“ und „Abartigkeit“ in § 20 StGB und der verpassten Chance einer umfassenden Reform der Schuldfähigkeitsfeststellung

von Prof. Dr. Anja Schiemann 

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Abstract 
Der Referentenentwurf des BMJV zur Änderung des Strafgesetzbuches verfolgt drei Anliegen: primär geht es um eine Modernisierung des strafrechtlichen Schriftenbegriffs und eine Erweiterung der Strafbarkeit gem. §§ 86, 86a, 111 und 130 StGB bei Handlungen im Ausland. Die „Modernisierung“ der Begrifflichkeiten im StGB wird drittens auch ausgeweitet auf die veralteten Begriffe des „Schwachsinns“ und der „Abartigkeit“ in § 20 StGB und § 12 OWiG. Allerdings ist mit der Ersetzung der Begriffe ersichtlich keine inhaltliche Änderung beabsichtigt (Referentenentwurf, S. 34).[1] Insofern wird die Chance verpasst, nicht nur unzeitgemäße Begriffe zu ersetzen, sondern auch eine veraltete Regelungstechnik aufzugeben und wissenschaftlichen Erkenntnissen anzupassen. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich nicht mit dem Referentenentwurf in Gänze, sondern ausschließlich mit Implikationen im Hinblick auf die Schuld(un)fähigkeitsfeststellung.

The draft bill of the Federal Ministry of Justice and Consumer Protection (Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz) on the amendment of the German Criminal Code (StGB) pursues three objectives: primarily, it aims to modernise the concept of criminal writings and to extend criminal liability in accordance with Sections 86, 86a, 111 and 130 StGB for acts committed abroad. Thirdly, the “modernisation“ of concepts within the Criminal Code is also extended to the obsolete terms of „debility“ and „abnormality“ in Section 20 StGB and Section 12 Act on Regulatory Offences (OWiG). However, the replacement of these terms does clearly not intend any substantive amendment (draft bill, p. 34).  In this respect, the opportunity is missed not only to replace obsolete concepts, but also to abandon outdated legal regulation technique and adapt it to scientific findings. The present article does not address the draft in its entirety, but covers exclusively implications with regard to the ascertainment of (lacking) criminal responsibility.

I. Einleitung

§ 20 StGB normiert die Voraussetzungen, nach denen eine Person ohne Schuld handelt. Daher geht das Strafgesetzbuch grundsätzlich von der Prämisse aus, dass Personen ab 18 Jahren[2] im Normalfall schuldfähig sind, also die Fähigkeit besitzen, das Unrecht ihrer Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.[3] Die Feststellung der Schuldunfähigkeit erfolgt in zwei Schritten.[4] Im Rahmen der Eingangsmerkmale betrachtet man mögliche psychische Ursachen einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit.[5] Als Eingangsmerkmale benennt die aktuelle Gesetzesfassung des § 20 StGB die krankhafte seelische Störung, die tiefgreifende Bewusstseinsstörung, den Schwachsinn oder eine andere seelische Abartigkeit. Bejaht man mindestens eins[6] dieser Eingangsmerkmale, so wird in einem zweiten Schritt geprüft, ob der Täter infolge dieser psychischen Störung bei Begehung der Tat unfähig war, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Es muss also zwischen der Feststellung eines Eingangsmerkmales und den psychologischen Folgeerscheinungen im Hinblick auf die konkrete Tat ein kausaler Zusammenhang bestehen.[7]

Obwohl eine Beurteilung der psychischen Störung in der Regel durch einen psychowissenschaftlichen[8] Sachverständigen erfolgt, werden die Eingangsmerkmale mit Quantifizierungsbegriffen wie „tiefgreifend“ oder „schwer“ verbunden, die „normativ“[9] verstanden werden. Dabei sind diese Quantifizierungsbegriffe ebenso wie die benannten Eingangsmerkmale mit psychowissenschaftlichen Diagnosen nur bedingt oder gar nicht kompatibel.[10] Dies erschwert eine Zuordnung. Diese Diskrepanz zwischen psychowissenschaftlicher Diagnose und juristischer Subsumtion unter § 20 StGB führt nicht nur zu Verständigungsschwierigkeiten innerhalb der Disziplinen,[11] sondern auch zu unterschiedlichen „normativen“ Bewertungen der Schuld(unfähigkeit) des Angeklagten.[12] Dieses Dilemma ist nicht neu, sondern deutete sich bereits in der Reformdiskussion (1954-1968) an, bevor die geltende Fassung des § 20 StGB durch das 2. StrRG von 1969 geschaffen wurde und 1975 in Kraft trat.

II. Historischer Rückblick und Kritik an der Regelungssystematik des § 20 StGB

So kommt es auch, dass Schild § 20 StGB als „Produkt einer traurigen Geschichte“ bezeichnet.[13] Schaut man sich den Gesetzgebungsprozess näher an, so wird deutlich, dass sich während der Reformgeschichte von 1954 bis 1968 zunehmend Schwierigkeiten ergaben, die u.a. aus der Widersprüchlichkeit der Regelungsmaterie selbst erwuchsen.[14]

1. Krankhafte seelische Störung

Großes Anliegen der Reformbestrebungen war es, den sog. psychiatrischen Krankheitsbegriff wiederherzustellen. Nach diesem auf Kurt Schneider zurückgehenden Krankheitsbegriff werden nur solche psychischen Krankheiten erfasst, die auf nachweisbaren oder jedenfalls postulierten organischen Prozessen beruhen. Sind organische Veränderungen nicht feststellbar, so ist der Krankheitsbegriff nicht erfüllt.[15] Somit ist dieser psychiatrische/somatische Krankheitsbegriff der engste und schärfste der möglichen Krankheitsbegriffe.[16] Doch schon zur damaligen Reformdiskussion war dieser Begriff keinesfalls unumstritten[17] und wird heute generell als überholt angesehen.[18] Trotz dieser schon damals bestehenden Kritik wollte der Reformgesetzgeber der Ausweitung des Krankheitsbegriffs entgegenwirken[19] und verließ den Weg wissenschaftlich fundierter Begriffsbestimmung zugunsten rein kriminalpolitischer Erwägungen. Dies wird zum Beispiel in einer Bemerkung Ehrhardts in der 34. Sitzung des Sonderausschusses Strafrecht am 13.1.1965 deutlich: „Die Einbeziehung der Neurosen als eine der Voraussetzungen von Schuldunfähigkeit würde praktisch eine Auflösung des Strafrechts, zumindest in der Form des Schuldstrafrechts… bedeuten.“[20]

Die kriminalpolitische Ausrichtung des ersten Eingangsmerkmals hat zur Folge, dass psychiatrische Diagnosen dieses Merkmal nicht mehr bedienen können. Denn die moderne Psychiatrie und Psychologie orientiert sich an den Klassifikationssystemen  ICD-10 und DSM V, die weitgehend nicht von „Krankheit“, sondern von „psychischer Störung“ sprechen.[21] Eine unmittelbare Einstufung der verschiedenen psychischen Störungen ist daher nicht mehr möglich, so dass sich die Subsumtion an den früheren Konventionen orientieren muss.[22] Dies führt, um es mit den Worten Schilds zu formulieren, zu der „peinlichen Konsequenz“, dass die Begrifflichkeiten nicht interpretiert werden können.[23]

2. Tiefgreifende Bewusstseinsstörung

Durch das enge Korsett des somatischen Krankheitsbegriffs ist auch die Lesart der anderen Eingangsmerkmale des § 20 StGB festgelegt. So bleiben für das Merkmal der Bewusstseinsstörung nur die nichtkrankhaften seelischen Störungen übrig.[24] Schon im Rahmen der Reformdiskussion war diese Festlegung umstritten, da in der psychiatrischen Krankheitslehre gerade Bewusstseinsstörungen infolge von Intoxikationen oder nach leichteren Hirntraumata den „Kernbereich der Bewusstseinsstörungen“ ausmachten, aber nach dem Willen des Gesetzgebers unter das Merkmal der krankhaften seelischen Störung fallen sollten.[25] Hinzu kam der Streit um die Erforderlichkeit eines eingrenzenden Adjektivs. Während zunächst vorgesehen war, durch das Wort „gleichwertig“ einen Bezug zur krankhaften seelischen Störung herzustellen,[26] entschied man sich während der Ausschussberatung für das Adjektiv „tiefgreifend“, um eine Parallelisierung zum engen Krankheitsbegriff zu verhindern.[27] Durch das Adjektiv tiefgreifend sollte laut Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht werden, dass die Störung über den Spielraum des Normalen hinausgehen und einen solchen Grad erreicht haben müsse, dass dadurch das seelische Gefüge des Betroffenen zerstört oder erschüttert ist.[28] Kritisiert wurde, dass seitens der Sachverständigen unklar bleibe, wie die Quantifizierung methodologisch durchzuführen sei.[29]

Da es sich bei dem Quantifizierungsbegriff jedoch um ein normatives Merkmal handelt, ist die Auslegung der Rechtsprechung vorbehalten. Diese orientiert sich aber – dem historischen Willen des Gesetzgebers widersprechend – an dem Krankheitswert einer Bewusstseinsstörung.[30]

3. Schwachsinn

Unter dem Merkmal des Schwachsinns verstand und versteht man einen speziellen Fall der früher in § 51 StGB a.F. normierten „krankhaften Störung der Geistestätigkeit“. Dies umfasste lediglich die angeborene Intelligenzschwäche ohne nachweisbaren Organbefund, da Intelligenzdefekte infolge hirnorganischer Prozesse bereits unter das Merkmal der krankhaften seelischen Störung fallen.[31] Heute erfassen die modernen Klassifikationssysteme den i.S. des § 20 StGB genannten Schwachsinn begrifflich als geistige Behinderung bzw. Intelligenzminderung.[32] Eine – wie nach der Gesetzessystematik erforderliche – Differenzierung zwischen organisch bedingten Intelligenzminderungen und solchen ohne bekannte Ursache wird in der forensischen Praxis allerdings nicht vorgenommen.[33] Schon sehr früh nach Inkrafttreten des § 20 StGB wurde zudem darauf hingewiesen, dass allein durch die Formulierung „wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit“ die explizite Benennung des Merkmals des Schwachsinns als Unterfall der Abartigkeit „eigentlich überflüssig“ sei.[34] Unbestritten dürfte wohl sein, dass die Bezeichnung einer Person als schwachsinnig diskriminierend und nicht mehr zeitgemäß ist.[35]

4, Schwere andere seelische Abartigkeit

Einen breiten Raum in der Reformdiskussion nahm schließlich das Ringen um das vierte Eingangsmerkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit ein. Aufgrund des engen Krankheitsbegriffs wollte man durch ein zusätzliches Merkmal andere Störungen erfassen, also solche, die rein seelisch bedingt sind und solche, die zwar körperlich bedingt, aber sich nicht in Form eines Organprozesses entwickelt haben. Zu ersteren zählte man Neurosen und Psychopathien, zur anderen Alternative zählte man Triebstörungen ohne Organbefund.[36] An der Begrifflichkeit der „Abartigkeit“ stieß man sich zunächst nicht, erst im Alternativentwurf wurde auf die diskriminierende Wirkung aufmerksam gemacht, so dass der Begriff der Abartigkeit durch den Passus „vergleichbare schwere seelische Störung“ ersetzt werden sollte.[37] Letztlich konnte sich eine sprachliche Anpassung aber nicht durchsetzen.

Neben der prinzipiellen Formulierungsfrage ging es in der Reformdebatte grundsätzlich darum, ob die Abartigkeiten nur schuldmindernd oder auch schuldausschließend sein können.[38] Erst „ganz zuletzt“ wurde die schwere andere seelische Abartigkeit in § 20 StGB aufgenommen.[39]Angemahnt wurde von den Vertretern einer differenzierenden Lösung die sog. Dammbruchgefahr, nach der es zu einer Auflösung des Schuldstrafrechts kommen würde.[40] Dadurch, dass sich der Gesetzgeber gegen die differenzierende Lösung entschieden hat,[41] ist die gesetzgeberisch ohnehin fragwürdige Unterscheidung in organische und nicht organische Störungen letztlich ohnehin überflüssig geworden.[42]

Trotz dieses Bekenntnisses des Gesetzgebers, dass „Abartigkeiten“ auch schuldausschließend sein können, wird doch prinzipiell davon ausgegangen, dass Psychopathien, Neurosen und Triebstörungen in der Regel beherrschbar sind.[43] Es kommt also auf den Ausprägungsgrad der Störung an.[44] Diese Quantifizierung sollte durch das Adjektiv der „schweren“ Abartigkeit zum Ausdruck gebracht werden, wobei der Gesetzgeber hierfür keinen Maßstab an die Hand gegeben hat.[45] Dieser sollte sich erst durch einen Blick auf das Merkmal der krankhaften seelischen Störung ergeben, so dass die Abweichung vom Normalen so erheblich sein muss wie bei den echten Psychosen.[46] Die Schweregradbeurteilung führt letztlich zu einer Überschneidung mit der zweiten Stufe der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit, so dass sie nicht nur überflüssig ist,[47] sondern eine klare Trennung der unterschiedlichen Voraussetzungen verhindert.[48] Dies führt – genauso wie bei der „tiefgreifenden“ Bewusstseinsstörung – dazu, dass eine zweistufige Prüfung gerade nicht stattfindet, sondern eine Vermischung der Stufen zu einer Beliebigkeit in der Argumentation führt.[49] Schild spricht zutreffend von einem Argumentieren vom Ergebnis her.[50] Ob eine psychische Störung unter das Merkmal der schweren anderen seelischen Abartigkeit fällt, ist aufgrund der gesellschaftlichen Zuschreibungen und unterschiedlichen Eingruppierungen seitens der Sachverständigen, von erheblichen Unsicherheiten geprägt.[51] Die Konturlosigkeit des Merkmals machen es unvorhersehbar, ob eine psychische Störung von Gutachtern und Gerichten schuldmindernd oder – in seltensten Ausnahmefällen – schuldausschließend wirkt.[52] Blau nannte daher die Entscheidungen über die schwere seelische Abartigkeit nicht „wahrheitsfähig“.[53]

5. Zwischenfazit

Insofern verwundert es nicht, dass angesichts dieser aus psychowissenschaftlicher Sicht überholten Regelungssystematik des § 20 StGB über die Unmöglichkeit einer sinnvollen Definition seiner Merkmale viel geschrieben worden ist. Der Vorschrift wird die Unbrauchbarkeit bescheinigt[54] und  auf die Unmöglichkeit einer Interpretation hingewiesen.[55] Außerdem wird kritisiert, dass der Wortlaut „eine stimmige Systematik“[56] verhindere und die Quadratur des Kreises erfordere.[57] Insgesamt zeigt sich durch die Inkompatibilität des Gesetzestextes mit psychowissenschaftlichen Erkenntnissen, dass die Vermischung der Grenzen und die Beliebigkeit der Auslegung der Norm durch die Rechtsprechung zu einem Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz gem. Art. 103 Abs. 2 GG führt.[58] Kröber warf dem BGH schon 1998 vor, an einer „Karlsruher Psychiatrie“ zu arbeiten, die „Tatgerichte und Gutachter in den diagnostischen Regionalismus der 50er Jahre“ zurückführt.[59]

III. Referentenentwurf und die Modernisierung der Begrifflichkeiten des § 20 StGB

Da schon bei Inkrafttreten der Neufassungen der Regelungen zur Schuld(un)fähigkeit die vier Eingangsmerkmale umstritten und der somatische Krankheitsbegriff, der erst zu der Gesetzessystematik geführt hat, bereits überholt war, erstaunt die Feststellung im Referentenentwurf, dass sich die Fassung von 1975 am damaligen psychiatrischen und psychologischen Sprachgebrauch orientierte.[60] Dies ist – wie unter II. aufgezeigt – ersichtlich nicht der Fall.

Recht zu geben ist der Begründung des Referentenentwurfs dahingehend, dass die Begriffe des Schwachsinns und der Abartigkeit nicht mehr zeitgemäß sind.[61] Die stigmatisierende, diffamierende Wirkung ist unbestreitbar.[62] Allerdings wird durch eine reine „Modernisierung“, die ersichtlich keine inhaltliche Änderung verfolgt,[63] die Chance verpasst, eine veraltete, psychowissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechende Regelung endlich! in ihrer Gesamtsystematik zu reformieren.

1. Intelligenzminderung

Der Referentenentwurf will weder an der Auslegung des Merkmals des Schwachsinns noch an der grundsätzlichen Systematik der Norm etwas ändern, so dass auch der neue Begriff der Intelligenzminderung als Unterart des vierten Merkmals verstanden werden soll.[64] Auch wenn erkannt wird, dass das Merkmal des Schwachsinns aufgrund der Einheitslösung und der Beibehaltung des 4. Merkmals der schweren anderen seelischen Abartigkeit in § 20 StGB, „gewissermaßen überflüssig“ geworden war, möchte man aufgrund der deutlichen Abgrenzbarkeit zu anderen Anomalien und der „gefestigten Auslegung der Merkmale des § 20 StGB durch die Rechtsprechung“ daran festhalten.[65]

Nun ist die Auslegung der Merkmale des § 20 StGB zwar alles andere als gefestigt. Allerdings ist die Auslegung des Merkmals Schwachsinn durch die Rechtsprechung und entsprechende psychowissenschaftliche Literatur in der Tat klar und bestimmt.[66] Unter Schwachsinn werden Stufen angeborener Intelligenzschwäche bzw. -minderung ohne nachweisbare Ursache verstanden, wobei zwischen leichter, mittelgradiger, schwerer und schwerster Intelligenzminderung differenziert wird.[67] Auch wenn die Auslegung dieses einen Merkmals als gefestigt angesehen werden kann, so findet doch aufgrund der durch den somatischen Krankheitsbegriff fehlgeleiteten Gesetzessystematik eine unnatürliche Differenzierung zwischen organisch bedingten Intelligenzminderungen und solchen ohne bekannte Ursache statt, die in der forensischen Praxis ersichtlich nicht vorgenommen wird.[68] Insofern wäre es geboten gewesen, diese unnatürliche Aufspaltung aufzugeben und eine Neuformulierung des § 20 StGB in Angriff zu nehmen.

Hält man entgegen psychowissenschaftlichen Erkenntnissen an den 4 Eingangsmerkmalen fest, so ist die Ersetzung des Merkmals Schwachsinn durch das Merkmal der Intelligenzminderung zu befürworten. Der Begriff der Intelligenzminderung wird auch in dem Diagnosemanual ICD-10 verwendet.[69] Daneben ist laut Begründung des Referentenentwurfs die Rechtsprechung ebenfalls dazu übergegangen, den Begriff des Schwachsinns durch den Begriff der Intelligenzminderung zu ersetzen.[70] Dies ist so nicht richtig, vielmehr subsumiert die im Referentenentwurf zitierte Rechtsprechung die Intelligenzminderung unter den Begriff Schwachsinn, den sie nach wie vor in den Entscheidungsgründen als Merkmal benennt.[71] Allerdings wird in mehreren Entscheidungen des BGH aufgrund der unnatürlichen Aufspaltung zwischen organischem und nicht organischem Befund in den Eingangsmerkmalen, die diagnostizierte Intelligenzminderung teilweise unter das Merkmal der krankhaften seelischen Störung und teilweise unter das Merkmal des Schwachsinns subsumiert.[72] Insofern wird – sofern man die Systematik beibehalten will – in Zukunft eine festgestellte Intelligenzminderung entgegen des ausdrücklichen Wortlauts bei organischer Ursache weiterhin unter die krankhafte seelische Störung fallen müssen.

Der Referentenentwurf setzt sich zudem noch mit dem am 25.5.2019 im Rahmen der 11. Revision des ICD[73] beschlossenen Oberbegriff „Disorders of intellectual development“ auseinander, der ggf. auch zu einem neuen deutschen Oberbegriff der „Intellektuellen Entwicklungsstörung“ führen könnte.[74] Letztlich kommt man aber zu dem Schluss, diese Veränderung hätte keinen Einfluss auf das Eingangsmerkmal. Es sei zum einen nicht absehbar, wie die notwendige deutsche Modifikation aussehen würde. Zum anderen handele es sich „bei den in § 20 StGB verwendeten Eingangsmerkmalen um eigenständige Rechtsbegriffe, die sich zwar an medizinischen Kategorien orientierten, die aber gerade nicht ständig an geänderte medizinische Begrifflichkeiten angepasst werden müssen“.[75]

Sicher ist der Begründung im Referentenentwurf Recht zu geben, dass juristische Begriffe nicht „ständig“ geänderten medizinischen Modifizierungen anzupassen sind. Insofern muss man in der Tat keinen Blick in die Zukunft richten, zumal die 11. Revision erst 2022 in Kraft treten und frühestens 2027 allein maßgebend sein soll.[76] Es ist daher sinnvoll, mit der Rechtsprechung und psychiatrisch/psychologischen Fachliteratur von dem Merkmal der Intelligenzminderung auszugehen. Allerdings ist noch einmal zu betonen, dass die neue Begrifflichkeit der Intelligenzminderung die systemwidrige Trennung von Intelligenzschwächen mit und ohne Organbefund nicht auflösen kann.

2. Schwere andere seelische Störung

Auch mit der Ersetzung des 4. Merkmals der Abartigkeit durch den Begriff der Störung ist ersichtlich keine inhaltliche Änderung gewünscht. Aufgrund des diskriminierenden und abwertenden Charakters des Begriffs „Abartigkeit“, soll durch die Ersetzung laut Begründung des Referentenentwurfs die Herabwürdigung des Angeklagten im Gerichtssaal vermieden werden.[77] Der Begriff der Abartigkeit findet sich nicht in den Diagnosemanualen, so dass eine Zuordnung zu den dort aufgeführten psychischen Störungen erfolgen muss, wobei durch das 4. Merkmal alle psychischen Störungen erfasst werden, die nicht auf einem postulierten oder nachweisbaren organischen Krankheitsprozess beruhen.[78] Somit setzt sich im 4. Merkmal die willkürliche Differenzierung zwischen „krankhaft“ und „nicht krankhaft“ fort und wird laut Begründung des Referentenentwurfs explizit aufrechterhalten.[79] Die Auffassung nämlich, dass bei den vom 4. Merkmal erfassten Persönlichkeitsstörungen, Triebstörungen, Neurosen, Suchtstörungen etc.[80] biologisch-organische Funktionsstörungen keine Rolle spielen, wird zunehmend als überholt angesehen. Dreßing gibt zu bedenken, dass es mit zunehmenden Möglichkeiten neurobiologischer Diagnostik absehbar sei, dass auch bei Persönlichkeitsstörungen eine Vielzahl neurobiologischer Normabweichungen gefunden werden.[81]

Insgesamt wird Seitens der Sachverständigen konstatiert, dass das 4. Merkmal mit dem medizinisch-diagnostischen Begriff der Persönlichkeitsstörung nicht kompatibel ist.[82] Daher ersetzen normative, moralisierende Begründungsmuster die Diagnose und es kommt zu so bizarren Formulierungen in den Urteilsgründen wie „Spielart des menschlichen Wesens unterhalb der für § 21 StGB bedeutsamen Schwelle“[83] oder „moralischer Sehbehinderung“.[84]

Insofern ist es bedauerlich, dass der Referentenentwurf sich nicht an den Kern des Übels herantraut und § 20 StGB einer generellen Revision unterzieht. So bleibt es bei der minimalinvasiven Bereinigung unsäglicher Begrifflichkeiten. Dass die Abartigkeit durch Störung ersetzt wird, ist nachvollziehbar. Orientiert wird sich an dem Alternativentwurf der Strafrechtslehrer, die das 4. Merkmal als vergleichbar schwere seelische Störung bezeichnen wollten.[85] Zudem nimmt man Anleihen am Therapieunterbringungsgesetz. In dessen § 1 Abs. 1 Nr. 1 wird der Begriff psychische Störung verwendet. Dennoch soll es aufgrund der Einheitlichkeit in Bezug auf die krankhafte seelische Störung bei der Bezeichnung „seelische“ Störung bleiben. Laut Referentenentwurf ist der Begriff der psychischen Störung ohnehin gleichbedeutend mit dem Begriff der seelischen Störung.[86] Dennoch ist nicht nachvollziehbar, warum sich nicht für den Begriff der psychischen Störung entschieden wurde, da ausschließlich dieser in den Diagnosemanualen ICD-10 und DSM-V verwendet wird. Daher hat sich der Gesetzgeber bei § 1 ThUG auch explizit bei der Begriffswahl an die psychiatrischen Diagnoseklassifikationssysteme angelehnt.[87]

Durch das Quantifizierungsadjektiv „schwer“ soll deutlich werden, dass nicht jede behandlungsbedürftige psychische Störung auch die Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit der psychisch erkrankten Person zur Folge hat.[88] Dies stimmt überein mit der Rechtsprechung des EGMR, der festgestellt hat, dass eine psychische Erkrankung nicht zwingend mit dem Fehlen strafrechtlicher Verantwortlichkeit verbunden sein muss, so dass der Begriff der psychischen Störung über den Begriff der Schuldunfähigkeit hinausgeht.[89] Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ohnehin noch die Voraussetzung geprüft werden muss, ob infolge der „seelischen Störung“ die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit aufgehoben oder erheblich vermindert ist. Dies dürfte bei leichteren psychischen Störungen ohnehin nicht der Fall sein. Von daher setzt sich durch die reine Begriffsglättung die doppelte Gewichtung der Erheblichkeit der Störung einmal beim Merkmal der Schwere und einmal bei der Prüfung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit fort.[90]

IV. Regelungen zur Schuldfähigkeit im Ausland

1. Österreich

In dem Referentenentwurf wird Bezug genommen auf § 11 des österreichischen Strafgesetzbuchs, der die Schuldunfähigkeit (dort als Zurechnungsunfähigkeit bezeichnet) wie folgt regelt:

„Wer zur Zeit der Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen einer geistigen Behinderung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, handelt nicht schuldhaft.“

Der österreichische Gesetzgeber hat sich also für den Passus „wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung“ entschieden. Der Referentenentwurf sieht hierin eine „ähnliche Formulierung“ wie die von ihm getroffene.[91] In der Tat kann auf die nähere Ausführung der den anderen Zuständen gleichwertigen Störungen ohne weiteres verzichtet werden, ergibt sich dies doch ohnehin aus der Gesetzessystematik und vor allem aus der vorliegenden Auslegung durch die Rechtsprechung.[92] Zudem ist der Wortlaut des österreichischen Paragrafen durch diese Verdeutlichung der Parallelisierung sehr sperrig. Eine Präzisierung ist daher entbehrlich.

Das diskriminierende Merkmal des Schwachsinns hat der österreichische Gesetzgeber bereits 2009 durch den Begriff der geistigen Behinderung ersetzt.[93] Bezug genommen wurde auf den Pschyrembel. Auch hier ging es aber lediglich darum, einen veralteten Begriff zu ersetzen.[94] Inhaltliche Änderungen waren mit der Begriffsmodernisierung auch in Österreich nicht verbunden.

2. Schweiz

Zu einer grundlegenden Reform anlässlich einer „Totalrevision des allgemeinen Teils“[95] entschloss man sich in der Schweiz. Zuvor war für die Beurteilung der „Zurechnungsfähigkeit“ so wie in Deutschland auch ein zweistufiges Verfahren vorgesehen, nach dem eines oder mehrere der benannten Eingangsmerkmale die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit aufheben mussten.[96] Im Vorentwurf war daher das einheitliche Eingangsmerkmal der „erheblichen psychischen Störung“ vorgesehen. Bezogen wurde sich auf die Klassifikation der WHO und der Begriff der psychischen Störung als eindeutig genug definiert erachtet. Auch die Arbeitsgruppe der Forensischen Psychiatrie der Schweiz empfahl die Verwendung dieses Begriffs.[97]

Letztlich ist in der Endphase der parlamentarischen Beratung die erhebliche psychische Störung als Eingangsmerkmal vollständig weggefallen. Dittmann spricht insofern von einem ganz offensichtlichen gesetzestechnischen Versehen. Eine dogmatische Kehrtwende sei damit nicht verbunden.[98] Die Formulierung des Art. 19 Abs. 1 chStGB lautet seit dem 1.1.2007 wie folgt:

„War der Täter zur Zeit der Tat nicht fähig, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder gemäss dieser Einsicht zu handeln, so ist er nicht strafbar.“

Das schweizerische Bundesgericht hat trotz dieser gesetzlichen Neuausrichtung an seiner langjährigen Rechtsprechungspraxis festgehalten und auf das Erfordernis hingewiesen, dass eine Störung, die zu einer Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit führen kann, eine qualifizierte Erheblichkeit aufweisen muss.[99] Die erhebliche psychische Störung wird demnach nach wie vor in Art. 19 Abs. 1 chStGB mit hineingelesen.

V. De lege ferenda Vorschlag

Insofern ist zu überlegen, ob nicht die Einführung eines einheitlichen Eingangsmerkmals nach Vorbild der zunächst geplanten schweizerischen Regelung der Schuldunfähigkeit auch für die deutsche Regelung sinnvoll wäre. Würde man die 4 Eingangsmerkmale durch den alleinigen Begriff der psychischen Störung ersetzen, so würde die unnatürliche Spaltung zwischen organisch bedingten Erkrankungen und solchen ohne erkennbare organische Ursache aufgegeben. Zudem würde eine Anpassung an die Diagnosemanuale ICD-10 und DSM-5 erfolgen, in denen ebenfalls der Begriff der psychischen Störung verwendet wird.

Allerdings ist zu bedenken, dass es sich auch bei dem im Rahmen von Gesetzen verwendeten Begriff der psychischen Störung um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt.[100] Nußstein geht sogar so weit, aufgrund der Unbestimmtheit des Begriffs der psychischen Störung in § 1 THUG verfassungsrechtliche Bedenken an der Vorschrift zu äußern.[101] Darüber hinaus machen die Revisionen von DSM und ICD deutlich, dass auch im psychowissenschaftlichen Kontext die Definition von psychischer Störung nichts Statisches oder Stabiles ist, sondern Terminologie und Kriterien zur Bestimmung einem stetigen Wandel unterworfen sind.[102]

Der Begriff der psychischen Störung ist angelehnt an den Begriff der psychischen Krankheit in Art. 5 Abs. Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK an. Auch dort wird der Begriff nicht definiert. Schon sehr früh wies der EGMR darauf hin, dass sich die Bedeutung des Terminus mit dem Fortschritt der psychiatrischen Forschung ändert.[103] Angesichts der fortschreitenden Entwicklung der psychiatrischen Erkenntnismethoden wurde daher auf eine abschließende Begriffsbestimmung verzichtet.[104] Dies trägt aber nur der Offenheit des Rechts für wissenschaftlichen Fortschritt Rechnung, lässt aber doch eine – diesem Fortschritt angepasste – konkrete Auslegung zu.

Auch der Begriff der psychischen Störung in § 1 ThUG orientiert sich an diesen weiten konventionsrechtlichen Vorgaben und lehnt sich an die psychiatrischen Diagnosemanuale an, ohne mit diesen deckungsgleich zu sein.[105] So gesehen ist ein in § 20 StGB verwendeter Rechtsbegriff der psychischen Störung auslegungsfähig und offen, kann aber durch die Inbezugsetzung zu der Terminologie in den Diagnosemanualen die diagnostische Zuordnung und Verständigung von Psychosachverständigen und Richtern erleichtern.

Juhász macht den Vorschlag, nicht nur den Begriff der psychischen Störung zu verwenden, sondern auch den der krankhaften Störung beizubehalten. In ihrer Dissertation spricht sie sich für eine europaweite Rechtsangleichung auch im Hinblick auf den Allgemeinen Teil des Strafrechts aus.[106] Die rechtsvergleichende Studie nimmt dabei die Schuldfähigkeit in den Blick[107] und formuliert folgenden de lege ferenda Vorschlag: „Wer bei Begehung der Tat aufgrund einer krankhaften oder sonstigen schweren psychischen Störung nicht fähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, handelt nicht schuldhaft“.[108]Dem Vorschlag ist nicht zuzustimmen. Zum einen hält er an der unglücklichen Differenzierung zwischen organischen und nicht organisch bedingten psychischen Störungen fest.[109] Zum anderen findet durch das Quantifizierungsmerkmal „schwer“ eine Vermischung der Prüfungsebenen bzw. eine doppelte Gewichtung der Erheblichkeit der psychischen Störung statt.[110]

Die Quantifizierung i.S. einer „erheblichen“ oder „schweren“ psychischen Störung ist nicht nur entbehrlich, sondern bedingt Unschärfen in der diagnostischen und rechtlichen Würdigung. Zwar hat der EGMR darauf hingewiesen, dass der mit der psychischen Störung vergleichbare Begriff der psychischen Krankheit nicht zwingend mit einer fehlenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit einhergehen muss und tendenziell über den Begriff der Schuldfähigkeit hinausgeht.[111] Dies wird jedoch schon dadurch erreicht, dass nur eine solche psychische Störung zur fehlenden strafrechtlichen Verantwortlichkeit führt, die die Unfähigkeit des Täters zur Folge hat, bei Begehung der Tat das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Führt eine psychische Störung zur Aufhebung oder erheblichen Verminderung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit, so bedeutet dies zwangsläufig, dass sie auch erheblich ist – sonst hätte sie ja nicht solche Ausmaße und wäre nicht handlungsleitend für den Täter. Würde man die Erheblichkeit schon auf der ersten Ebene berücksichtigen, so hätte auch die Eingrenzung auf ein Merkmal das Problem zur Folge, dass sich die Ebenen vermischen und beliebig austauschbar wären. Die Kritik, die schon in Bezug auf die Quantifizierungsbegriffe „tiefgreifend“ und „schwer“ geübt wurde, würde sich fortsetzen. Insofern ist der Begriff der psychischen Störung als Eingangsmerkmal ausreichend.

Rössner spricht sich ebenfalls gegen eine Vermischung der Ebenen aus und verzichtet auf ein Quantifizierungskriterium.[112] Er konkretisiert die psychische Störung allerdings durch den Passus „psychiatrisch klassifiziert“.[113] Meiner Meinung nach ist diese Spezifizierung einer „psychiatrisch klassifizierten psychischen Störung“ nicht notwendig. Dass die psychischen Störungen gutachterlich festgestellt werden müssen, liegt auf der Hand. Indem man eine psychiatrische Klassifizierung fordert, könnte das Merkmal aber dahingehend missgedeutet werden, dass nur noch psychiatrische Sachverständige eine solche Beurteilung vornehmen können – der alte Streit um die Frage des richtigen Psychosachverständigen könnte ohne Not wieder aufkeimen.

Ein gänzlicher Entfall des Eingangskriteriums, wie es Art. 19 chStGB vorsieht, ist dagegen meines Erachtens nicht zielführend. Da die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit psychische Funktionen sind, können sie auch nur aufgrund einer psychischen Störung beeinträchtigt sein.[114] Benennt man das Eingangsmerkmal nicht, so steckt man in dem Dilemma, nach einer Ursache für die Einsichts- und Steuerungsunfähigkeit zu suchen, ohne hierfür vom Gesetz aufgefordert worden zu sein. Eine solche Vorgehensweise – wie sie ersichtlich in der Schweiz erfolgt – würde hier in Deutschland einen Verstoß gegen das Analogieverbot darstellen und wegen Verletzung des § 103 Abs. 2 GG verfassungswidrig sein.

Daher schlage ich folgende Formulierung des § 20 StGB vor: „Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer psychischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.“

VI. Fazit und Ausblick

Der Referentenentwurf begnügt sich im Rahmen des § 20 StGB mit einer sprachlichen Modernisierung. Dass die unsäglichen Begriffe des Schwachsinns und der Abartigkeit endlich aus der Terminologie der Schuldfähigkeitsfeststellung gelöscht werden, ist höchste Zeit. Allerdings verpasst der Referentenentwurf die Chance, eine längst überfällige umfassende Reform des § 20 StGB in Angriff zu nehmen. Dennoch wird durch die sprachlichen Anpassungen der Blick wieder auf eine Vorschrift gelenkt, die trotz bestehender vielfältigster Kritik schon 40 Jahre unverändert fortbesteht. Vielleicht wird dieser Kritik im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens doch noch Gehör geschenkt. Wenn nicht, sollte sie zumindest Anlass sein, über eine Expertenkommission klären zu lassen, ob die Auslegung der Merkmale des § 20 StGB durch die Rechtsprechung tatsächlich so gefestigt ist, wie in der Begründung zum Referentenentwurf behauptet.[115] Daneben ist zu prüfen, ob die Eingangsmerkmale nicht vereinheitlicht werden oder zumindest in ihrer unnatürlichen Aufspaltung nach psychischen Erkrankungen mit oder ohne Organbefund aufgegeben werden können.

[1]      Referentenentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches – Modernisierung des Schriftenbegriffs und anderer Begriffe sowie Erweiterung der Strafbarkeit nach den §§ 86, 86a, 111 und 130 des Strafgesetzbuches bei Handlungen im Ausland, abrufbar unter https://kripoz.de/wp-content/uploads/2019/09/refe-schriftenbegriff.pdf (zuletzt abgerufen am 15.10.2019).
[2]      Die Schuldunfähigkeit von Kindern unter 14 Jahren regelt § 19 StGB. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Jugendlichen richtet sich nach § 3 JGG.
[3]      S. Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 20 Rn. 1; Schild, in: NK-StGB, Bd. 1, 5. Aufl. (2017), § 20 Rn. 2; Streng, in: MK-StGB, Bd. 1, 3. Aufl. (2017), § 20 Rn. 2 nennt § 20 eine „Sonderregelung für Ausnahmesituationen; Fischer, StGB, 66. Aufl. (2019), § 20 Rn. 2 spricht vom „Postulat normalpsychologischer Motivierbarkeit durch Rechtsnormen“.
[4]      Teilweise wird von einem zweistufigen Modell, von Stockwerken oder von einer gemischten oder biologisch-psychologischen bzw. psychisch-normativen Methode gesprochen, vgl. hierzu mit weiteren Nachw. Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, StGB, § 20 Rn. 1; kritisch Streng, in: MK-StGB, § 20 Rn. 13 f. und Fischer, § 20 Rn. 5 f.; ausf. zu „Stockwerken und Gedankengebäuden“ Schiemann, Unbestimmte Schuldfähigkeit, 2012, S. 165 ff.
[5]      Fischer, § 20 Rn. 6; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, 29. Auf. 2018, § 20 Rn. 1; Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 5 – erfasst werden alle in Betracht kommenden psychischen Defektzustände. S. Eschelbach, in: BeckOK-StGB, 43. Ed. (Stand: 1.8.2019), § 20 Rn. 11 zu medizinisch-psychiatrische Ursachen.
[6]      Auch die Feststellung mehrerer Eingangsmerkmale ist möglich, vgl. Verrel/Linke, in: Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB, 4. Aufl. (2017), § 20 Rn. 5; Fischer, § 20 Rn. 6; Streng, StV 2004, 614 ff.; BGH, NStZ 2013, 519; NStZ-RR 2014, 75.
[7]      S. Schöch, in: LK-StGB, Bd. 1, 12. Aufl. (2007); Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 25; Fischer, § 20 Rn. 44. Zur tatkausalen Bedeutung s. auch BGH, NStZ 1991, 527 (528).
[8]      In Betracht kommen neben Psychiatern vor allem Psychologen, wobei es zu Problemen bei der Kompetenz-Abgrenzung kommen kann, s. Maisch/Schorsch, StV 1983, 32; Rauch, NStZ 1984, 497; Rasch, NStZ 1992, 257; Täschner, NStZ 1994, 221.
[9]      Zur Begriffsleere der normativen Auslegung vgl. ausf. Schiemann, S. 75 ff.; zur normativen Lesart in § 20 StGB s. Streng, in: NK-StGB, § 20 Rn. 18; Schild, in: MK-StGB, § 20 Rn. 33. Fischer sieht das Verhältnis zwischen empirischen und normativen Merkmalen als „letztlich ungeklärt“ an, s. ders., § 20 Rn. 5.
[10]    Ausf. Schiemann, S. 195 ff., S. 205 ff., S. 225 ff., S. 240 ff., S. 288 ff., 306 ff., 320 ff.; s. auch Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 21; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 20 Rn. 11; Fischer, § 20 Rn. 6.
[11]    Zu den Verständigungsschwierigkeiten s. ausf. Schiemann, S. 176 ff.; vgl. auch Nedopil, NStZ 1999, 433 (434, 438); Renzikowski, NJW 1990, 2905 (2906); ferner die Studie von Sreng, in: Festschr. f. Leferenz zum 70. Geb., 1983, S. 397 (400).
[12]    Vgl. im Einzelnen die zahlreichen Rspr-Beispiele bei Schiemann, S. 170 ff. Zusammenfassend auch Schiemann, R&P 2013, 80.
[13]    Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 21 (Überschrift).
[14]    So bereits Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 24.
[15]    S. Schneider, Klinische Psychopathologie, 5. Aufl. (1959), S. 1 ff.; Schneider, Die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit, 1948, S. 3 ff.; zusammenfassend bspw. Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 23 f. sowie Schiemann, S. 178 ff.
[16]    Krümpelmann, ZStW 1976, 6 (15).
[17]    Zur Diskussion ausf. Konrad, Der sogenannte Schulenstreit. Beurteilungsmodelle in der forensischen Psychiatrie, 1995, S. 18 ff.; s. auch Venzlaff, ZStW 1976, 57; Witter, in: Festschr. f. Richard Lange z. 70. Geb., 1976, S. 723 (724).
[18]    S. Schreiber/Rosenau, in: Dreßing/Habermeyer (Hrsg.), Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl. (2015), S. 89 (96); Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 69 jew. m.w.N.
[19]    S. BT-Dr V/4095, S. 10.
[20]    Ehrhardt, Protokolle IV, S. 649.
[21]    Internationale Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10), Diagnostische Kriterien (DSM V). Die Klassifikationssysteme haben ihrerseits keine Verbindlichkeit für die rechtliche Beurteilung der Schuldfähigkeit, s. Fischer, § 20 Rn. 7 m.zahlr. Rspr.-Nachw.
[22]    So auch Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 6; BGH, NStZ-RR 2013, 309.
[23]    Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 69.
[24]    Begründung zu § 24 E 1962, S. 139; Streng, in: MK-StGB, § 20 Rn. 36; Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 12; kritisch zum Anwendungsbereich Schiemann, R&P 2013, 80 (83 f.); Fischer, § 20 Rn. 28.
[25]    Hierzu Saß, Forensia 1983 (4), S. 3 (4).
[26]    Vgl. Horstkotte, in: Prot. V, S. 242; Schwalm, JZ 1970, 492.
[27]    S. Protokolle des Sonderausschusses IV, S. 236 f.; sowie V, S. 242 f. Ausf. zur Gesetzgebungsgeschichte Lenckner, in: Göppinger/Witter, Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd. I, 1972, S. 116 f., sowie Schiemann, S. 231 ff.
[28]    BT-Dr V/4095, S. 11.
[29]    Mende, in: Festschr. f. Paul Bocklmann z. 70. Geb., 1979, S. 311 (313 f.).
[30]    So die Auswertung bei Schiemann, S. 236 ff. sowie zusammenfassend S 261. S. auch Fischer, § 20 Rn. 29; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 20 Rn. 34 jew. m. Rspr-Nachw. Zur Uneindeutigkeit des Merkmals auch Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 14; kritisch auch Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 87.
[31]    Vgl. Lenckner, in: Göppinger/Witter, S. 118; Schreiber, NStZ 1981, 46 (47).
[32]    Vgl. Lammel, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, 2010, S. 372; zu den unterscheidbaren Graden ausf. Schiemann, S. 268 ff. Vgl. auch Streng, in: MK-StGB, § 20 Rn. 39; Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 101.
[33]    Günter, in: Venzlaff/Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl. (2009), S. 295 (297). Seifert weist in der Folgeauflage darauf hin, dass angesichts der molekulargenetischen und neurobiologischen Fortschritte für die absehbare Zukunft erwartet werden kann, dass kaum noch ein intelligenzgeminderter Rechtsbrecher dem dritten Merkmal zugeordnet wird (in: Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, 6. Aufl. [2015], S. 271 [273 f.]; Lammel, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, S. 398 formulierte es so: Dadurch wurde im Rahmen der juristischen Terminologie unter ätiologischen Gesichtspunkten getrennt, was unter phänomenologischen Gesichtspunkten oft nicht zu trennen ist: nämlich die dem Eingangsmerkmal des Schwachsinns zuzuordnende (angeborenen) Intelligenzminderungen ohne bekannte Ursache und die dem Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung zuzuordnenden (frühkindlich erworbenen) Intelligenzminderungen infolge verschiedenster Schädigungsmuster“. Durchgreifende praktische Konsequenzen für die Beurteilung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sieht er allerdings nicht.
[34]    Bauer/Thoss, NJW 1983, 305 (308), sprechen von einem Versäumnis des Gesetzgebers; vgl. auch Schreiber, NStZ 1981, 46 (47).
[35]    So Schiemann, S. 269. Steinböck, in: Seidel/Hennicke, Delinquentes Verhalten von Menschen mit geistiger Behinderung – eine interdisziplinäre Herausforderung, 2001, S. 28 (29), spricht von einem „Unwort“.
[36]    Schwalm, Prot. IV, S. 640; ders. JZ 1970, 493. Vgl. auch Schwalm, Protokoll IV, S. 141; Meyer, ZStW 1976, 46 (52).
[37]    Rasch, NStZ 1982, 177 (178); Erhardt jedoch hat den Einwand der Diskriminierung abgelehnt, ausf. hierzu Sieverts/Schneider, Handwörterbuch der Kriminologie II, 1977, S. 344 (385).
[38]    S. Streng, in: MK-StGB, § 20 Rn. 7; Schiemann, S. 276.
[39]    So Lenckner, in: Göpping/Witter, S. 119.
[40]    Schneider, Prot. IV, S. 248; BT-Dr. V/4095, S. 10; s. auch Rasch, NStZ 1982, 177; Schneider, NStZ 1981, 46 (47).
[41]    BT-Dr. V/4095, S. 45; Horstkotte, Prot. V, S. 245.
[42]    So bereits Lenckner, in: Göppinger/Witter, S. 119 unter Verweis auf die Begründung zu § 25 E 1962, S. 142; s. auch Schiemann, S. 276.
[43]    Unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte Lenckner, in: Göpping/Witter, S. 119; Schiemann, S. 276 f.; vgl. auch Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 22; Schöch, in: LK-StGB, § 20 Rn. 152.
[44]    BGH, NJW 2004, 1810 (1812); Streng, in: MK-StGB, § 20 Rn. 41; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 20 Rn. 47.
[45]    So spricht Lencker, in: Göpping/Witter, S. 119, von einem „Gradbegriff, der noch der Ausfüllung bedarf“. S. auch Schiemann, S. 277.
[46]    S. Schiemann, S. 277; vgl. auch Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 22; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 20 Rn. 11 a.
[47]    So Rasch, StV 1991, 126 (127); ders., NStZ 1982, 177.
[48]    So bereits Schiemann, S. 277; s. ebenso Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 24.
[49]    Ausf. Schiemann, S. 328 ff.
[50]    Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 102. Fischer nennt die zur Schweregradbestimmung angewandte Formel „tautologisch“, § 20 Rn. 38a.
[51]    Bereits Schünemann, in: Hirsch/Weigend, Strafrecht und Kriminalpolitik in Japan und Deutschland, 1989, S. 147 (167); s. auch Schiemann, S. 279 f.
[52]    Schiemann, S. 283; zum großen individuellen Ermessensspielraum auch Platz, in: de Boor/Rode/Kammeier, Neue Diskussionen um die „schwere andere seelische Abartigkeit“, § 20 StGB, 2003, S. 49 (59).
[53]    Blau, in: Festschr. f. Rasch,1993, S. 113 (123).
[54]    Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 24.
[55]    So ebenfalls Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 69
[56]    Schreiber/Rosenau, in: Dreßing/Habermeyer, Psychiatrische Begutachtung, S. 89 (98).
[57]    Schünemann, GA 1986, 293 (297).
[58]    Ausf. und mit zahlreichen Rspr.-Nachw. Schiemann, S.190 ff.; zum Ergebnis auch dies., R&P 2013, 80 (86).
[59]    So Kröber nach den einleitenden Worten „So geht es nicht“ in einer Entscheidungsanmerkung, NStZ 1998, 80.
[60]    So der Referentenentwurf auf S. 24.
[61]    Referentenentwurf, S. 1.
[62]    So Referentenentwurf, S. 24 unter Verweis auf Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 3 und Schöch, in: LK-StGB; § 20 Rn. 68. Auch schon vorher wurde auf die diskriminierende Wirkung des Begriffs Abartigkeit hingewiesen, s. Rasch, NStZ 1982, 177 (178).
[63]    Ausdrücklich für beide Begriffe Referentenentwurf, S. 47 und 48.
[64]    Referentenentwurf, S. 47.
[65]    Referentenentwurf, S. 47 unter Verweis auf Ehrhardt, 34. Sitzung des Sonderausschusses „Strafrecht“, 4. Wahlperiode, S. 655; Wolfslast, JA 1981, 464.
[66]    Schiemann, S. 272.
[67]    Vgl. Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 18; Streng, in: MK-StGB, § 20 Rn. 38 f.; Fischer, § 20 Rn. 35 (Debilität, Imezillität, Idiotie). Zur zunehmenden Fragwürdigkeit der Unterscheidungen Kühl, in: Lackner/Kühl, § 20 Rn. 10; zur Relativierung der Einteilung der Intelligenzminderung durch IQ-Werte auch Lammel, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, 2010, S. 372 (388).
[68]    Schiemann, S. 272; Günter, in: Venzlaff/Foerster, S. 295 (297).
[69]    International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10. Revision, German Modification, F70-73, abrufbar unter https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/icd/icd-10-gm/ (zuletzt abgerufen am 18.10.2019). Daneben gibt es
[70]    Referentenentwurf, S. 47.
[71]    Insofern wird der nach wie vor verwendete Begriff des Schwachsinns nur durch die diagnostisch festgestellten Intelligenzminderungen ausgefüllt, s. BGH, Beschl. v. 24.5.2017 – 1 StR 55/17 = BeckRS 2017, 116350; BGH, Beschl v. 19.9.2017 – 1 StR 299/17 = BeckRS 2017, 135890; BGH, NStZ-RR 2018, 239. Dagegen subsumiert die Kommentarliteratur unter den Schwachsinn die Intelligenzschwäche, s. Fischer, § 20 Rn. 35; Kühl, in: Lackner/Kühl, 3 20 Rn. 10; Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 101; Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 18; Streng, in: MK-StGB, § 20 Rn. 38 (beide Intelligenzschwäche); eine unterschiedliche Bedeutung zwischen Intelligenzschwäche und Intelligenzminderung ist damit nicht verbunden, so dass diese Begriffe synonym zu verstehen sind. Aufgrund der Verwendung des Begriffs Intelligenzminderung im ICD-10 und auch in der psychiatrischen Fachliteratur ist aber der Begriff Intelligenzminderung vorzugswürdig, s. auch Lammel, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, Handbuch der Forensischen Psychiatrie, Bd. 2, S. 373 ff.; Lehmkuhl/Sinzig, in: Berger, Psychische Erkrankungen. Klinik und Therapie, 3. Aufl. (2009), 935 ff.; Konrad/Huchzermeier/Rasch, Forensische Psychiatrie und Psychotherapie, 5. Aufl. (2019), S. 295; Müller/Nedopil, Forensische Psychiatrie, 5. Aufl. (2017), S. 254; Seifert, in: Dreßing/Habermeyer, S. 271 (271), der daneben noch den Begriff der geistigen Behinderung für geeignet hält.
[72]    So BGH, Beschl. v. 24.10.2018 – 1 StR 457/18 = BeckRS 2018, 33321; zu der Schwierigkeit der Einordnung, ob eine hirnorganische oder andere Schädigung vorliegt s. BGH, Besch. V. 22.8. 2012 – 4 StR 308/12 = BeckOK 2012, 21266.
[73]    Abrufbar unter https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/icd/icd-11/ (zuletzt abgerufen am 18.10.2019).
[74]    Referentenentwurf, S. 48; unter Verweis auf Konrad/Hucherzermeier, R&P 2019, 84 (87).
[75]    Referentenentwurf, S. 48.
[76]    So jedenfalls der Referentenentwurf, S. 48. Das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information, nennt zwar den 1.1.2022 als Termin des Inkrafttretens. Zur Einführung in Deutschland wird aber kein spezifischer Zeitpunkt benannt, sondern vage von mehreren Jahren gesprochen, s. unter https://www.dimdi.de/dynamic/de/faq/faq/Wann-kommt-die-ICD-11/ (zuletzt abgerufen am 18.10.2019). Das Jahr 2027 ergibt sich wohl aus der eingeräumten Übergangsfrist von 5 Jahren, s. hierzu unter https://www.aok-gesundheitspartner.de/plus/krankenhaus/meldungen/index_22187.html (zuletzt abgerufen am 18.10.2019).
[77]    Referentenentwurf, S. 48. Schreiber/Rosenau, in: Dreßing/Habermeyer, S. 102 weisen insofern darauf hin, dass in der Praxis zunehmend versucht werde, den Begriff der Abartigkeit im Gerichtssaal zu vermeiden. Müller/Nedopil, Forensische Psychiatrie, S. 40, weist darauf hin, dass der „unglücklich gewählt(e)“ Begriff von vielen Gutachtern nur als „das vierte Merkmal“ bezeichnet wird; so auch Schöch, in: LK-StGB, § 20 Rn. 68.
[78]    BGHSt 34, 22 (24); Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 19 m. zahlr. Nachw. zu Lit. und Rspr.; s. auch Fischer, § 20 Rn. 39; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 20 Rn. 9.
[79]    Referentenentwurf, S. 48.
[80]    Zu den erfassten Störungen s. ausführlich Schiemann, S. 279 ff.; Schöch, in: LK-StGB, § 20 Rn. 153 ff.; Streng, in: MK-StGB, § 20 Rn. 41 ff.
[81]    Dreßing, in: Venzlaff/Foerster, S. 309 (312). Zum zunehmenden Organbezug psychischer Erkrankungen vgl. auch Maier, in: Schneider, Entwicklungen der Psychiatrie, 2006, S. 27 (29).
[82]    So Habermeyer/Saß, ForensPsychiatrPsycholKriminol 2007, 10 (11). Ausf. Schiemann, S. 280 ff.
[83]    So BGH, StV 1997, 630.
[84]    BGH, NStZ-RR 2008, 70 (71).
[85]    Dieser Vorschlag wurde vom Bundestag im Januar 1968 in erster Lesung beraten, s. BT-Dr. V/2285, S. 4.
[86]    Referentenentwurf, S. 49.
[87]    BT-Drs. 17/3403, S. 54; s. auch Coen, in: BeckOK-StPO, 34. Ed. (Stand 1.7.2019), § 1 ThUG Rn. 28.
[88]    Referentenentwurf, S. 49
[89]    S. EGMR, Glien gg. Deutschland, Urt. v. 28.11.2013, Kammer V, Bsw. Nr. 7.345/12; vgl. auch die Anm. von Scharnagl, NLMR 2013, 436 (437).
[90]    So spricht auch Schild, in: NK-StGB, § 20 Rn. 33, davon, dass bei der Bewusstseinsstörung und der Abartigkeit die Zweistufigkeit aufgegeben werde; ausf. auch Schiemann, S. 277 ff.
[91]    Referentenentwurf, s. 49.
[92]    Zur in Bezug auf eine krankhafte seelische Störung vergleichbaren Schwere der „Abartigkeit“ s. BGH, NJW 1986, 2893 (2895); NJW 1991, 2975 (2977); vgl. m. zahlr. Rechtspr.-Nachw. auch die Kommentarliteratur: Fischer, § 20 Rn. 37; Eschelbach, in: BeckOK-StGB, § 20 Rn. 47; Perron/Weißer, in: Schönke/Schröder, § 20 Rn. 19; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 20 Rn. 11a.
[93]    678 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXIII. GP, S. 5, abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/I/I_00678/fname_141842.pdf (zuletzt abgerufen am 20.10.2019).
[94]    S. 678 der Beilage XXIII GP Regierungsvorlage, Beilage, S. 22, abrufbar unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIII/I/I_00678/fname_141844.pdf (zuletzt abgerufen am 20.10.2019).
[95]    So Dittmann/Graf, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, S. 691 (693).
[96]    Zunächst sollte an dieser Methode auch festgehalten und nur die von der Psychiatrie als überholt angesehenen Begriffe Geisteskrankheit, Schwachsinn oder mangelnde geistige Entwicklung ersetzt werden, s. Graf, in: Dreßing/Habermeyer, S. 767 (769); Dittmann/Graf, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, S. 691 (693).
[97]    S. Dittmann, in: Venzlaff/Foerster, S. 919 (921); Dittmann/Graf, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, S. 691 (693 f.).
[98]    Dittmann, in: Venzlaff/Foerster, S. 919 (921); Dittmann/Graf, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, S. 691 (694).
[99]    Hierzu Dittmann/Graf, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, S. 691 (694); so auch die neuere Rspr., s. Bundesgericht, Urt. v. 23.8.2017 – 6 B_202/2017, abrufbar unter: https://www.bger.ch/ext/eurospider/live/de/php/aza/http/index.php?highlight_docid=aza%3A%2F%2F23-08-2017-6B_202-2017&lang=de&type=show_document&zoom=YES& (zuletzt abgerufen am 20.10.2019).
[100]   So zu § 1 ThUG Coen, in: BeckOK-StPO, § 1 ThUG Rn. 27.
[101]   S. Nußstein, NJW 2011, 1194; kritisch auch Mahler/Pfäfflin, R&P 2012, 130 (132, 136).
[102]   Mahler/Pfäfflin, R&P 2012, 130 (132); Hoff/Saß, in: Kröber/Dölling/Leygraf/Saß, S. 1 (144)
[103]   EGMR, EuGRZ 1979, 650 – Winterwerp.
[104]   So auch EGMR, NJW 2014, 369; s. auch Coen, in: BeckOK-StPO, § 1 ThUG Rn. 27.
[105]   BT-Drs. 17/3403, S. 54; s. auch Coen, in: BeckOK-StPO, § 1 ThUG Rn. 28; BVerfG, Beschl. v. 15.9.2011 – 2 BvR 1516/11 = BeckRS 2011, 54839 m. Anm. Krehl, StV 2012, 25.
[106]   S. Juhász, Die strafrechtliche Schuldfähigkeit, 2013, S. 6: „Wer BT sagt, muss auch AT sagen“.
[107]   Hier wird sich beschränkt auf Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich und England, vgl. dies., S. 91 ff.
[108]   Juhász, S. 333.
[109]   Auch wenn sie den juristischen Krankheitsbegriff ablehnt, so hält sie es für zweckmäßig, hier weiterhin zwischen Krankheiten im medizinischen Sinn und sonstigen psychischen Störungen zu unterscheiden, vgl. Juhász, S. 341 f.
[110]   Vgl. zuvor unter III. 2.
[111]   S. nochmals EGMR, Glien gg. Deutschland, Urt. v. 28.11.2013, Kammer V, Bsw. Nr. 7.345/12; hierzu auch Coen, in: BeckOK-StGB, § 1 ThUG Rn. 27.
[112]   Rössner, in: Schöch/Jehle, Angewandte Kriminologie zwischen Freiheit und Sicherheit, 2004, S. 391 (402 f.).
[113]   Rössner, a.a.O., S. 391 (403).
[114]   So auch Dittmann, in: Venzlaff/Foerster, S. 919 (921).
[115]   Referentenentwurf, S. 47.

 

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