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KriPoZ-RR, Beitrag 36/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 19.04.2021 – 1 BvR 1732/14: Dritte Verfassungsbeschwerde gegen Bestandsdatenauskunft ohne Erfolg

Leitsatz der Redaktion:

Die bloße Behauptung, Telemediendienste zu nutzen, genügt nicht, um die wahrscheinliche persönliche Betroffenheit von einer heimlichen Auskunftsabfrage darzulegen.

Sachverhalt:

Die Beschwerdeführenden haben sich mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Regelungen zur (Bestands-)Datenauskunft in § 180a des Landesverwaltungsgesetztes Schleswig-Holstein und § 8a Abs. 1 des Landesverfassungsschutzgesetztes Schleswig-Holstein sowie gegen § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG in der Fassung des Gesetzes vom 26. Februar 2007 gewendet.

Sie sähen sich in ihren Grundrechten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), Telekommunikationsgeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) und effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) verletzt.

Die Befugnisse zum Datenabruf für Polizei- und Verfassungsschutzbehörden bei Telekommunikations- und Telemediendiensteanbietern seien unverhältnismäßig, da die Eingriffsschwellen zu niedrig angesetzt und die Vorgaben an Transparenz, Rechtsschutz und Kontrolle nicht gewahrt seien.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung an, da sie zum Teil unzulässig und zum Teil unbegründet seien.

Soweit sich die Beschwerden gegen § 15 Abs. 5 Satz 4 TMG und gegen die Befugnisse der §§ 180a Abs. 4 LVwG, 8a Abs. 1 Satz 1 LVerfSchG in Bezug auf Telemediendiensteanbieter richteten, seien sie unzulässig.

Zum einen sei bezüglich der §§ 15 Abs. 5 Satz 4 TMG und 8a Abs. 1 Satz 1 HS 1 LVerfSchG Verfristung nach § 93 Abs. 3 BVerfGG eingetreten, da die Jahresfrist seit Inkrafttreten der Normen bereits verstrichen sei und die inhaltlichen Änderungen der Regelungen im Nachgang keinen nicht schon vorher bestehenden Regelungsinhalt eingeführt hätten, so das BVerfG.

Hinsichtlich der Befugnisse in § 180a Abs. 4 LVwG und § 8a Abs. 1 Satz 1 HS 2 LVerfSchG zum Datenabruf bei Telemediendiensteanbietern hätten die Beschwerdeführenden keine hinreichende persönliche Betroffenheit geltend gemacht.

Zwar genüge bei Ausforschungsbefugnissen, die eine Mitteilung ihres Vollzugs an den Betroffenen nicht vorsehen, die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführende von staatlichen Ausforschungsmaßnahmen betroffen sei. Diese Wahrscheinlichkeit müsse allerdings nachvollziehbar dargelegt und verdichtet sein. Der allgemeine Hinweis auf die Nutzung von Telemediendiensten durch die Beschwerdeführenden als Abgeordnete genüge für eine solche hinreichend verdichtete Wahrscheinlichkeit nicht, da es im Gegensatz zu Telekommunikationsdiensten bei Telemediendiensten eine Fülle von Angeboten mit mal intensiverer und mal wenig intensiver Datenspeicherung gebe. Daher sei es auch für die Nutzer solcher Dienste nicht gleichermaßen wahrscheinlich in das Visier staatlicher Überwachungsbehörden zu gelangen. Es komme immer auf den jeweiligen Nutzer und den jeweiligen genutzten Telemediendienst an. Daher genüge die pauschale Behauptung, man nutze solche Dienste, nicht, um die persönliche Betroffenheit von einer Ausforschungsmaßnahme zu begründen.

Im Übrigen seien die Verfassungsbeschwerden unbegründet, da die Befugnisse zum Datenabruf bei Telekommunikationsdienstleistern den Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit genügten.

Die Befugnisse sähen jeweils ausreichende Eingriffsschwellen in Form einer konkreten Gefahr, teilweise für nur bestimmte gewichtige Rechtsgüter, im Einzelfall vor. Damit genügten sie den Anforderungen des BVerfG sowohl für den Bestandsdatenabruf bei Telekommunikationsdiensteanbietern als auch den Abruf solcher Daten über dynamische IP-Adressen zu nachrichtendienstlichen Zwecken, da sie zweckgebunden und zum Schutz gewichtiger Rechtsgüter eingesetzt werden müssten.

 

Anmerkung der Redaktion:

Das BVerfG hat in seinen Entscheidungen zur Bestandsdatenauskunft (Bestandsdatenauskunft I im Jahr 2012 und II im Jahr 2020) bereits festgelegt, dass der Gesetzgeber sowohl Übermittlungs- als auch Abrufbefugnisse schaffen muss, die die Verwendungszwecke der Daten hinreichend begrenzen, mithin die Datenverwendung an bestimmte Zwecke, tatbestandliche Eingriffsschwellen und einen hinreichenden gewichtigen Rechtsgüterschutz binden.

 

 

 

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