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Praktiziertes Coronaleugnen als Problem der Überzeugungstäterschaft?

von Sebastian Prosche 

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Abstract
Das Phänomen der sog. Überzeugungstäterschaft ist ein altes Problem, das in Zeiten Corona-spezifischer Freiheitsbeschränkungen neu an Bedeutung gewinnt: Eine erhebliche Zahl von Verstößen wird durch Täter[1] begangen, die dies aus politischer oder moralischer Überzeugung tun. Aus diesem Grunde ist es lohnenswert, die vertretenen Lösungen zur Überzeugungstäterschaft darzustellen und anhand aktueller Beispiele herauszustellen, welche Lösung die überzeugendste ist.

The phenomenon of the so-called “Überzeugungstäterschaft” is an old problem that is gaining new significance in times of Corona-specific freedom restrictions: A considerable number of offences are committed by offenders who do so out of political or moral conviction. For this reason, it is worthwhile to present the solutions advocated on “Überzeugungstäterschaft” and to highlight, using current examples, which solution is the most convincing.

I. Einleitung

Die Frage der strafrechtlichen Behandlung von Tätern, die ihre Taten aus Überzeugung begehen (sog. Überzeugungstäterschaft), wurde zunächst von Radbruch[2] gestellt und ist seit jeher umstritten.[3] Sie hat in den vergangenen Monaten angesichts der Verstöße gegen Corona-spezifische Rechtsnormen erneute Bedeutung gewonnen.[4] Im vorliegenden Beitrag wird der Frage nachgegangen, wie die Rechtsfigur der Überzeugungstäterschaft strafrechtlich hinsichtlich solcher Verstöße zu behandeln ist. Unterschieden wurde zwischen Tätern, die entweder die Existenz des Corona-Virus oder dessen Gefährlichkeit in Abrede stellen oder zwar die Gefährlichkeit des Virus anerkennen, aber den Regierungen die Berechtigung absprechen, Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus zu erlassen.[5]

II. Begriff der Überzeugungstäterschaft

Radbruch sah vor, dass der Täter aufgrund dessen „achtenswerter Beweggründe“[6] durch Einführung einer speziellen Strafart privilegiert werden sollte: Da (politische) Mehrheitsmeinungen zu Minderheitsmeinungen werden könnten (und vice versa), stehe dem Staat keinerlei Wertung der Motive zu.[7] Hinsichtlich des Überzeugungstäters sei der einzig sinnvoll anwendbare Strafzweck der Schutz der Gesellschaft vor dem Täter (Charakter der Freiheitsstrafe als „Sicherungsverwahrung“[8]), nicht aber der der (Spezial- oder General-)Prävention, der Besserung des Täters oder der Vergeltung.[9]

Die Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe 1969 ebnete jegliche Unterscheidung verschiedener Formen der Kriminalstrafe ein.[10] Auch darüber hinaus fehlt es bis heute an einer gesetzlichen Verankerung der Überzeugungstäterschaft im StGB. Der Überzeugungstäter ist also de lege lata dem „gewöhnlichen“ Straftäter gleichgestellt.

Von Radbruch nicht vorgenommen, setzte sich im Schrifttum die Unterscheidung zwischen Überzeugungs- und Gewissenstäter weitgehend durch. Beide Rechtsfiguren hängen eng zusammen, wobei Überzeugungstäterschaft meistens als Oberbegriff fungiert.[11] Ausschlaggebend für die Abgrenzung ist die innere Einstellung des Täters: Während der Gewissenstäter einem Gewissenskonflikt unterliegt und sich zu seiner Handlung verpflichtet fühlt, gilt dies nicht für den Überzeugungstäter i.e.S.[12] Dieser ist von der Richtigkeit seiner Entscheidung motiviert, fühlt sich aber nicht zu seiner Tat verpflichtet.[13] Erforderlich für die Gewissenstäterschaft ist eine Lage, in der der Täter eine Gewissensentscheidung getroffen hat und sich bei Nichtbefolgung ernsthafter Gewissensnot ausgesetzt sähe.[14]

III. Überzeugungstäterschaft im Strafrecht

Die strafrechtliche Würdigung der Rechtsfigur der Überzeugungstäterschaft wird an zwei Fallbeispielen auf dem Gebiet des allgemeinen Strafrechts[15] vor dem Hintergrund von Rechtfertigungs- (1.) und Entschuldigungsgründen (2.), aber auch der Berücksichtigung in der Strafzumessung (3.), illustriert.

Als (plakatives) Fallbeispiel 1 dient ein Anschlag[16] auf ein Impfzentrum: Am 15.09.2021 wurde ein solcher in Sachsen verhindert.[17] Es wird davon ausgegangen, dass A die Existenz des Corona-Virus leugnet und eine Veränderung der DNA durch Impfungen infolge einer staatlichen „Verschwörung“ befürchtet. Vor diesen will A die Bevölkerung durch den Anschlag bewahren, weshalb ihn ein Gewissenskonflikt plagt (Gewissenstäter), womit der Schutzbereich des Art. 4 Abs. 1, 2 GG eröffnet ist.[18]

Als Fallbeispiel 2 werden die „Querdenker“-Demonstrationen herangezogen. Auf Demonstrationen, die durch die Versammlungsbehörden nicht untersagt wurden, kam es zu Straftaten, z.B. wurde am 29.8.2020 von 450 Personen versucht, das Berliner Reichstagsgebäude zu stürmen.[19] Es wird von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte durch B nach § 113 Abs. 1 StGB ausgegangen.[20] Dies tut B aus politischer Überzeugung (Überzeugungstäter i.e.S.).

1. Rechtfertigungsgründe

a) Rechtfertigender Notstand, § 34 S. 1 StGB

Ob für den Überzeugungstäter i.e.S., der – wie im Fallbeispiel 2 –, lediglich eine abweichende Wertung vornimmt und daher die Freiheitsbeschränkungen ablehnt, der Schutzbereich des Art. 4 GG eröffnet ist, ist umstritten.[21] Hier soll der Überzeugungstäter i.e.S. in die Diskussion einer Privilegierung aufgenommen werden, allerdings nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 4 GG.

Voraussetzung für eine Rechtfertigung nach § 34 S. 1 StGB ist, dass dieser die Gewissensfreiheit aus Art. 4 GG zugänglich ist, d.h. dass sie geschütztes Rechtsgut sein kann. Mangels Nennung in § 34 S. 1 StGB kommt sie als „anderes Rechtsgut“ in Betracht. Art. 4 GG umfasst das Recht, hinsichtlich der Corona-Freiheitsbeschränkungen eine Gewissensentscheidung zu treffen und dieser entsprechend zu handeln.[22] Bei Nichtvornahme der nach Vorstellung des A in Fallbeispiel 1 gebotenen Handlung könnte A sein Wertesystem nicht aufrechterhalten.

Dennoch steht zu befürchten, dass bei Anerkennung eines irgendwie von der Rechtsordnung anerkannten Rechtsguts eine Ausweitung des Instituts des rechtfertigenden Notstands zu einem allgemeinen Rechtfertigungsgrund zu befürchten wäre.[23] Es würde kaum ein legitimes Interesse geben, welches nach dieser Auslegung nicht notstandsfähig wäre.[24] Daran ändert auch die Anerkennung des Art. 6 Abs. 1 EMRK als notstandsfähiges Rechtsgut nichts: Die EMRK hatte der Strafgesetzgeber nicht vor Augen. Nicht zuletzt kann Art. 4 GG entweder im Wege einer rechtfertigenden Pflichtenkollision oder durch Behandlung als eigenständiger Rechtfertigungsgrund Rechnung getragen werden. Die Gewissensfreiheit des Art. 4 GG stellt kein notstandsfähiges Rechtsgut dar.[25]

Überdies fiele eine Abwägung in Fallbeispiel 1 zwischen der Gewissensfreiheit des Täters sowie der körperlichen Unversehrtheit und des Lebens der Opfer zulasten der Gewissensfreiheit aus, sodass das geschützte Interesse das beeinträchtigte nicht deutlich überwiegt. Eine Rechtfertigung des Gewissenstäters i.R.d. rechtfertigenden Notstands nach § 34 S. 1 StGB ist abzulehnen.

b) Widerstandsrecht, Art. 20 Abs. 4 GG

Eine Vielzahl der Verstöße, die aufgrund der Ablehnung des politischen Systems erfolgen, wird durch Täter begangen, die sich auf das Widerstandsrecht aus Art. 20 Abs. 4 GG berufen.[26]

Die notwendige Beseitigung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung kann in Corona-spezifischen Fällen nur von Staatsorganen („Staatsstreich von oben“) ausgehen. Für ein solches Unterfangen[27] bestehen im Allgemeinen, aber auch in den Fallbeispielen 1 und 2 keinerlei Anhaltspunkte. Zwar sind einzelne Grundrechtsverletzungen durch Rechtssätze denkbar, nicht aber ein systematisches Aussetzen von Grundrechten oder anderer Bestandteile der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Gewaltsamer Widerstand gegen demokratisch legitimierte Entscheidungen ist nicht von Art. 20 Abs. 4 GG erfasst.[28] Zudem besteht wirksamer Rechtsschutz gegen Corona-spezifische Rechtssätze, was einem „Staatsstreich von oben“ entgegensteht.[29] Dies ergibt sich bereits daraus, dass Verwaltungsgerichte mehrfach Corona-spezifische Verordnungen aufgehoben haben.[30]Letzteres zeigt, dass durchaus „andere Abhilfe“ i.S.d. Art. 20 Abs. 4 GG möglich wäre und die Grenzen des Widerstandsrechts ebenfalls nicht eingehalten wären.

Ein Verbotsirrtum kommt mangels Unvermeidbarkeit i.S.d. § 17 S. 2 StGB nicht in Betracht. Der zivile Ungehorsam[31] („kleines Widerstandsrecht“) ist hingegen nur gerechtfertigt, wenn ein – hier nicht vorliegender – Rechtfertigungsgrund vorliegt[32] und stellt keinen eigenständigen Rechtfertigungsgrund dar.

c) Art. 4 GG als eigenständiger Rechtfertigungsgrund

Würde man den Täter i.R.d. Anerkennung von Art. 4 GG als eigenständigem Rechtfertigungsgrund davon freistellen, sich an (verfassungskonforme) Gesetze zu halten, so würden die Wertungen des Gesetzgebers unterlaufen. Dies wird davon unterstrichen, dass die Gewissensfreiheit schrankenlos gewährleistet würde, würde man dem Einzelnen das Recht zugestehen, seiner – gerichtlich kaum nachprüfbaren[33] – inneren Gewissensentscheidung und -verpflichtungen den Vorrang einzuräumen.[34] Die staatliche Rechtsordnung liefe leer.[35] Die Gewissensfreiheit findet ihre Grenze jedenfalls im einfachen Strafrecht.[36] Zudem bleibt es dem Gesetzgeber unbenommen, gesetzliche Ausnahmen bei Gewissenskonflikten zu etablieren. Dies ist z.B. in § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG oder im KDVG geschehen.[37] Corona-spezifische Ausnahmen existieren nicht.

Auch ein Gedankenexperiment Roxins zeigt, dass Art. 4 GG nicht generell einen eigenständigen Rechtfertigungsgrund darstellen kann: Falls man einen Schwerkranken auf dessen Bitten aus Gewissensgründen tötet und dem stellte sich eine Person entgegen, weil sie den Schwerkranken aus Gewissensgründen nicht sterben lassen kann, so wären sowohl Tötung als auch deren Verhinderung gerechtfertigt.[38] Durchschlagend ist zudem noch folgende Überlegung: Wenn der Angriff auf das Impfzentrum durch Art. 4 GG gerechtfertigt wäre, könnten die angegriffenen Menschen mangels rechtswidrigen Angriffs keine Notwehr nach § 32 StGB üben, sondern handelten maximal aufgrund eines Erlaubnistatbestandsirrtums schuldlos. An einer fahrlässigen Tatbegehung dürfte es zwar i.d.R. fehlen; jedoch muss auch gegen einen im Gewissenskonflikt handelnden Täter Notwehr gestattet sein. Allein diese Überlegung schließt die Anwendung von Art. 4 GG als eigenständigen Rechtfertigungsgrund[39] auf Begehungsdelikte wie in Fallbeispiel 1 aus.

Zudem wären Grenzziehungen zwischen Bestrafung entgegenstehender Überzeugung des Täters und Zumutbarkeit normgemäßen Verhaltens trotz entgegenstehender Gewissensentscheidung kaum möglich.[40] Gewissenskonflikten kann anderweitig, etwa durch die Berücksichtigung in der Strafzumessung oder in der -verfolgung Rechnung getragen werden. Auch bei der Auslegung einzelner Tatbestandsmerkmale[41] kann die Gewissensfreiheit berücksichtigt werden, sodass es im Ergebnis der Anwendung von Art. 4 GG als eigenständigem Rechtfertigungsgrund nicht bedarf.

d) Rechtfertigende Pflichtenkollision

Zwar hat das BVerfG[42] im „Gesundbeter-Fall“ die Rechtfertigung aufgrund einer Pflichtenkollision des Täters bei einem Unterlassungsdelikt infolge einer Gewissensentscheidung[43] grundsätzlich für möglich gehalten.[44] Jedoch liegt einerseits in den Fallbeispielen jeweils ein Begehungsdelikt vor; andererseits kann die Kollision von Handlungs- und Unterlassungspflicht nur im Rahmen des rechtfertigenden Notstands nach § 34 StGB gerechtfertigt sein[45], was sich schon aus dem Vorrang der strafbewehrten Unterlassungspflicht ergibt.[46] Zudem kollidieren in den Fallbeispielen keine gleichwertigen Pflichten[47], da die Gewissensüberzeugung des Täters in Corona-spezifischen Konstellationen nicht der Rechtsordnung entsprungen ist.

Weiterhin gilt es zu bedenken, dass die Gewissensfreiheit ihre Grenzen spätestens findet, wenn strafrechtlich geschützte Individualrechtsgüter – wie in den Fallbeispielen 1 und 2 – anderer betroffen sind[48]; für Bedrängnissitua-tionen hat der Strafgesetzgeber Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe abschließend in den §§ 32 ff. StGB geregelt.

2. Entschuldigungsgründe

a) Verbotsirrtum, § 17 StGB

Es ist gerade Charakteristikum des Gewissens- bzw. Überzeugungstäters – so auch in den Fallbeispielen[49], dass dieser die rechtliche Wertung (etwa infolge einer vertieften Auseinandersetzung mit den Corona-Maßnahmen und „Informationen“ anderer Sympathisanten[50]) kennt, sich aber aufgrund einer abweichenden Gewissensentscheidung bzw. aus politischen, religiösen oder moralischen Motiven, die er für höherrangig hält, nicht an diese gebunden fühlt.[51] Die Motive, aus denen er sich der Rechtsordnung entgegensetzt, sind außergesetzlich und als solche unbeachtlich.[52] Auch eine eigenwillige Verfassungsinterpretation schützt den Täter nicht.[53] Die Unterstützung der rechtlichen  Wertung ist  für  das Unrechtsbewusstsein des Täters nicht notwendig; es kommt nur auf die Kenntnis der Wertung an[54], sodass auch § 17 StGB den Tätern in den Fallbeispielen keine Straffreiheit verschafft.

b) Entschuldigender Notstand, § 35 StGB (analog)

In Betracht kommt nur eine analoge Anwendung des § 35 StGB. Gegen die Ausweitung auf die Gewissensfreiheit als „persönlichkeitsnahes Recht“[55] streitet, dass § 35 StGB lediglich „körpernahe“ Rechtsgüter[56] – zu denen die Gewissensfreiheit nicht zählt – für notstandsfähig erklärt. Weiterhin hat der Gesetzgeber in § 35 StGB (bzw. in § 40 StGB a.F.) nach vorausgehender Debatte und der Kodifizierung eines schon vorher durch die Rechtsprechung angewandten Entschuldigungsgrundes[57] seinen Willen durch Verankerung einiger weniger, fundamentaler Rechtsgüter abschließend zum Ausdruck gebracht  (numerus clausus der notstandsfähigen Rechtsgüter).[58] Es soll insbesondere kein allgemeiner Straflosigkeitsgrund der persönlichen Unzumutbarkeit etabliert werden.[59] Eine planwidrige Regelungslücke besteht demnach nicht.

Auch liegt keine vergleichbare Interessenlage vor: Straflosigkeitsgrund des § 35 StGB ist, dass der Täter sich infolge der Kollision gleichwertiger Interessen in einer außergewöhnlichen psychischen Zwangslage befindet, sodass ihm normgemäßes Verhalten nicht mehr zumutbar ist.[60] Dies ist weder in den Fallbeispielen noch im Allgemeinen ersichtlich. Motive wie die von religiös motivierten Tätern (Rettung des „ewigen Lebens“[61]) werden von der staatlichen Rechtsordnung nicht als schützenswert anerkannt.[62] Zudem steht zu befürchten, dass bei einer analogen Anwendung des § 35 StGB auf Art. 4 GG auch eine Erweiterung auf andere Rechtsgüter im Raum steht.[63]

c) Art. 4 GG als eigenständiger Entschuldigungsgrund

Einerseits ist die Gewissensentscheidung und der resultierende -konflikt des Täters durch den Staat zu respektieren, woraus vereinzelt Unzumutbarkeit als Entschuldigungsgrund[64] abgeleitet wird.[65] Andererseits ist zu betonen, dass die Grenzen der Gewissensfreiheit jedenfalls dann erreicht sind, wenn das Grundgesetz selbst sie zieht[66] (etwa durch Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) oder der Strafgesetzgeber dem geschützten Rechtsgut einen hohen Rang einräumt. Insoweit hat der Täter diese gesetzgeberische Wertung zu akzeptieren. Ihm bleibt die Wahl, seinen Gewissenskonflikt zu überwinden[67] und das jeweilige Rechtsgut nicht zu verletzen oder aber die Kriminalstrafe zu akzeptieren. Sozialethischer Schuldvorwurf ist gerade, dass der Täter nicht zu einer Überprüfung seiner Gewissensentscheidung bereit war.[68]

Falls sich eine Kriminalstrafe wie in BVerfGE 32, 98 als unangemessen herausstellen sollte[69] – was in den Fallbeispielen nicht ersichtlich ist, kann durch die §§ 153 ff. StPO[70] der Gewissensfreiheit des Täters aus Art. 4 GG Rechnung getragen werden, sodass das verfassungsrechtlich geschützte[71] Schuldprinzip geachtet ist. Es ist anzuerkennen, dass bei Verbrechen eine Einstellung nach §§ 153 ff. StPO nicht möglich ist.[72] Dies ist aufgrund des erhöhten Unrechtsgehalts eines Verbrechens auch nicht geboten; dem Täter ist umso mehr aufzugeben, seinen Gewissenskonflikt zugunsten der Rechtsordnung aufzulösen. Daher ist ein prinzipieller Entschuldigungsgrund für Gewissens- sowie Überzeugungstäter abzulehnen. Die Entscheidung des Gesetzgebers, abgesehen von §§ 17, 35 StGB de lege lata keinen materiell-rechtlichen Entschuldigungsgrund zu verankern, ist zu respektieren. Dem könnte nur de lege ferenda entgegengewirkt werden.

d) Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens

Ein allgemeiner Schuldausschließungsgrund, der aus der Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens resultiert, ist jedenfalls für vorsätzliche Begehungsdelikte abzulehnen. Problematiken der Zumutbarkeit kann durch Auslegung oder durch gesetzlich geregelte Strafaufhebungsgründe (z.B. § 258 Abs. 6 StGB) begegnet werden.[73] Wie bei § 35 StGB besteht die Gefahr der Umgehung der gesetzlichen Wertungen – hier würde gar ein gesetzlich nicht geregelter Entschuldigungsgrund angewendet. Von Extremkonstellationen abgesehen, mutet das Gesetz es dem Einzelnen zu, der eigenen Gewissensüberzeugung zu misstrauen und sich den allgemein gültigen Normen zu beugen.[74] Ansonsten liefe der Rechtsgüterschutz zulasten der Allgemeinheit leer.[75] Auch in den Fallbeispielen ist eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung von Corona-spezifischen Rechtssätzen (auch nach §§ 47 Abs. 6, 80 Abs. 5 VwGO) möglich; bei einem terroristischen Anschlag kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Täter das Unterlassen des Anschlags nicht zumutbar gewesen wäre.

3. Strafzumessung

Auf der Ebene der Strafzumessung kommt die Verhängung einer besonderen Strafart[76], eine Privilegierung in der Strafzumessung[77] oder Vorzüge im Strafvollzug[78] in Betracht.

Nach der hier vertretenen Auffassung wird einer prinzipiellen Strafmilderung jedenfalls für Taten wie im Fallbeispiel 1 entgegengetreten. Zwar wird in der Rechtsprechung ein „Wohlwollensgebot“ für Gewissenstäter (i.d.R. den Kriegsdienst verweigernde Zeugen Jehovas) statuiert.[79] Dem ist aber entgegenzuhalten, dass weitgehend Einigkeit darüber besteht, dass bei Taten von islamistischen, rechts- oder linksextremistischen Terroristen, keine Strafmilderungen, sondern aufgrund des menschenverachtenden Charakters der Taten[80] eher -schärfungen angezeigt sind.[81] Zu berücksichtigen ist, ob die jeweiligen Überzeugungen bzw. Gewissensentscheidungen noch nachvollziehbar sind.[82] Gegen eine obligatorische Strafmilderung bei „achtenswerten Beweggründen“ spricht die Unbestimmtheit dieses Begriffs und die daraus resultierende Notwendigkeit der tatgerichtlichen Bewertung.[83] Gegen ein Wohlwollensgebot ist bei einer Gewissensentscheidung nichts einzuwenden; jedenfalls in Fallbeispiel 1 ist davon aber eine Ausnahme zu machen.

Überdies ist in den Fallbeispielen strafschärfend zu berücksichtigen, dass die täterliche Motivation egozentrischen Motiven und damit keinen „achtenswerten“ Beweggründen entspringt.[84] Soweit diese der Ablehnung der verfassungsmäßigen Ordnung, inklusive des verfehlten Berufens auf das Widerstandsrecht aus Art. 20 Abs. 4 GG, entspringen, so ist (vorbehaltlich eventueller Irrtümer) nicht überzeugend, dass sich dies strafmildernd auswirken sollte.

Näherliegend ist es, alle Faktoren inklusive eines – bei Corona-Straftaten abseits von Extremkonstellationen wie in Fallbeispiel 1 schwerlich vorstellbaren – Gewissenskonflikts oder der Überzeugung des Täters in eine Gesamtschau einfließen zu lassen[85] und strafmildernde und -schärfende Faktoren – so auch die Motive des Täters[86] – zu ermitteln und gegeneinander abzuwägen. Dies entspricht ohnehin der üblichen Vorgehensweise bei der Strafzumessung[87]; eine generelle Strafschärfung oder -milderung ist nach der hier vertretenen Ansicht aufgrund der Vielzahl der möglichen Schattierungen der jeweiligen Überzeugungen und der aus ihnen entspringenden Taten nicht geboten.

IV. Fazit

Mangels besonderer Strafart[88] bleiben de lege lata Lösungen über die Strafvoraussetzungen bzw. über die Schuld als Zumessungsfaktor der Strafe. Aus der Sicht des Verfassers sind Rechtfertigungs- sowie Entschuldigungslösungen jedenfalls in ihrer Totalität abzulehnen; lediglich in Ausnahmekonstellationen verfangen diese. Ebenfalls scheiden Rechtsfolgenlösungen aus, sofern sie eine spezielle Strafart oder eine Privilegierung im Strafvollzug vorschlagen. Überzeugender ist die Berücksichtigung der Motive des Täters in der Strafzumessung. Dem Schuldgrundsatz kann durch Berücksichtigung der Beweggründe des Täters Rechnung getragen werden – auch dadurch, dass in geeigneten Fällen nach § 60 StGB von Strafe abgesehen wird. Nach der hier vertretenen Ansicht wird ein grundsätzliches „Wohlwollensgebot“[89] bei Gewissenskonflikten vorgeschlagen, das durch Eberts Kontraindikationen eingegrenzt wird: unkritische Prüfung der eigenen Überzeugung durch den Täter, politisch motivierte Terrorakte sowie eine verwerfliche Tatbegehung.[90]

Für Verstöße mit Corona-Bezug kommt eine Milderung kaum in Betracht. Bei der vertretenen Strafzumessungslösung handelt es sich lediglich um die Anwendung der dem Strafrecht zugrunde liegenden Prinzipien – insbesondere des Schuldprinzips –; eine Privilegierung i.e.S. liegt damit schon gar nicht vor. Eine weitere („echte“) Privilegierung kann nur de lege ferenda erfolgen und ist nicht geboten.

Letztlich bleibt mit Spannung abzuwarten, ob die Gerichte und Verwaltungsbehörden auf straf- sowie ordnungswi-drigkeitenrechtlicher Ebene Corona-Verstößen eher wohlwollend oder mit Härte entgegentreten werden. Diese Rechtsprechung bzw. Behördenpraxis wird in den folgenden Monaten und Jahren den Gegenstand weiterer rechtswissenschaftlicher Betrachtungen bilden.

 

[1]      Zur besseren Lesbarkeit wird nur die männliche Form verwendet; selbstverständlich sind alle Geschlechter angesprochen.
[2]      Radbruch, ZStW 1924, 30 (34)
[3]      Greffenius, Der Täter aus Überzeugung und der Täter aus Gewissensnot, 1975, S. 71 ff.; Kahlo, in: Klesczewski/Müller/Neuhaus, Kants Lehre vom richtigen Recht: Aufklärung der Menschheitsfragen der gegenwärtigen Jurisprudenz?, 2005, S. 101 (104); Köhler, Strafrecht AT, 1. Aufl. (1997), S. 428; Rudolphi, in: FS Welzel, 1974, S. 605 (663).
[4]      OLG Hamm, BeckRS 2021, 1231; AG Dortmund, COVuR 2020, 896; AG Berlin-Tiergarten, BeckRS 2021, 36251; Caliskan, BZ v. 8.12.2020, online abrufbar unter: https://www.berliner-zeitung.de/gesundheit-oekologie/warum-manche-menschen-sich-nicht
-an-corona-regeln-halten-li.121146?pid=true (zuletzt abgerufen am 10.3.2022); Nachtwey/Schäfer/Frei, Politische Soziologie der Corona-Proteste, online abrufbar unter: https://osf.io/preprints/socarxiv/zyp3f/ (zuletzt abgerufen am 10.3.2022), S. 14 ff., 54 f.
[5]      Nachtwey/Schäfer/Frei, S. 20 ff.
[6]      Lang-Hinrichsen, JZ 1966, 153 (156).
[7]      Radbruch, ZStW 1924, 30 (37); Sproß, Die Unrechts- und Strafbegründung bei dem Überzeugungs- und Gewissenstäter, 1992, S. 10 f.
[8]      „Sicherungsverwahrung“ ist hier nicht i.S.d. § 66 StGB zu verstehen.
[9]      Radbruch, ZStW 1924, 30 (37); Sproß, S. 10 f.
[10]    BGBl. I 1969, S. 645 (657).
[11]    Roxin, GA 2011, 1 (4); Ebert, Der Überzeugungstäter in der neueren Rechtsentwicklung. Zugleich ein Versuch zu seiner Beurteilung de lege lata, 1975, S. 60 f., 74; Hirsch, Strafrecht und Überzeugungstäter, 1996, S. 8 f.; Greffenius, S. 61 ff. Die Abgrenzung wird nach unterschiedlichsten Schattierungen vorgenommen; vgl. zum Meinungsstand nur Bopp, Der Gewissenstäter und das Grundrecht der Gewissensfreiheit, 1974, S. 25 ff.
[12]    Ebert, S. 74.
[13]    Greffenius, S. 19 ff., 35 ff.; Hirsch, S. 27; Joecks/Kuhlanek, in: MüKo-StGB, Bd. 1, 4. Aufl. (2020), § 17 Rn. 21; Neumann, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), § 17 Rn. 42 ff.
[14]    Roxin, GA 2011, 1 (3). Die Voraussetzungen an eine Gewissenstat sind erheblich strenger als an eine Überzeugungstat.
[15]    Mit dem Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 23.5.2020 wurden Verstöße, bei denen keine Ansteckung eines anderen Menschen nachweisbar sind, zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft; Rau, StV 2020, 722. Eine Ansteckung dürfte in der Praxis kaum nachweisbar sein. Es stellen sich ähnliche Vorsatz- und Kausalitätsprobleme wie bei einer HIV-Infektion; BGHSt 36, 1; 36, 262 (267); BayObLG, NJW 1990, 131; Frisch, JuS 1990, 362; Neumann/Saliger, in: NK-StGB, § 212 Rn. 17; Schneider, in: MüKo-StGB, Bd. 4, 3. Aufl. (2017), § 212 Rn. 54 ff.; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), § 223 Rn. 7-7c. Mangels Versuchsstrafbarkeit des § 74 IfSG bleibt lediglich eine Ordnungswidrigkeit.
[16]    In Betracht kommt insbesondere eine Strafbarkeit nach §§ 211 ff., §§ 223 ff. StGB; eventuell auch nach § 308 StGB.
[17]    Online abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/panorama/braende-versuchter-brandanschlag-auf-impfzentrum-in-sachsen-dpa. urn – newsml – dpa – com – 20090101 – 210915 – 99 – 223320 (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[18]    Vgl. nur Böse, ZStW 2001, 40; Ebert, S. 46 f. Vom BVerfG wird Art. 4 Abs. 1, 2 GG als einheitliches Grundrecht aufgefasst;      BVerfGE 24, 236. Die genaue Abgrenzung ist in einem strafrechtswissenschaftlichen Beitrag entbehrlich, sodass zukünftig von Art. 4 GG gesprochen wird.
[19]    Online abrufbar unter: https://www.rbb24.de/politik/thema/2020/ co-ronavirus/beitraege_neu/2020/08/berlin-reaktionen-reichsflaggen-absperrungen – durchbrochen – reichs.html (zuletzt abgerufen  am 10.3.2022).
[20]    Die Diensthandlung liegt in der „Verteidigung“ des Reichstags,    deren Rechtmäßigkeit (§ 113 Abs. 3 S. 1 StGB) unterstellt wird.
[21]    Ebert, S. 76 f. argumentiert, auch Überzeugungstätern i.e.S. könne die Gewissenshaftigkeit ihrer Entscheidung kaum abzusprechen sein; ähnlich Heinitz, ZStW 1966, 615 (630 f.); a.A. Roxin, GA 2011, 1 (3); Rudolphi, FS Welzel, S. 605 ff; Greffenius, S. 71. Selbst Ebert, S. 46, 59 gibt zu, dass nur für denjenigen Täter Art. 4 GG in Betracht kommt, der vor einem Gewissenskonflikt steht. Der Streit ist infolge der Tatsache, dass die Abgrenzung zwischen Überzeugungs- und Gewissenstätern umstritten ist, uferlos.
[22]    Roxin, GA 2011, 1 (4).
[23]    Roxin, GA 2011, 1 (4 ff.); Neumann, NK-StGB, § 34 Rn. 24; Erb, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 34 Rn. 66.
[24]    Neumann, in: NK-StGB, § 34 Rn. 24.
[25]    Anderer Auffassung ist Böse, ZStW 2001, 40 (47 f.).
[26]    Online abrufbar unter: https://www.br.de/nachrichten/wissen/fak-tenfuchs-wie-der-corona-widerstand-desinformation-nutzt,Ry1w3 hJ (zuletzt abgerufen am 10.3.2022); https://m.facebook.com/1050 09501463231/videos/1065114830976672/ (zuletzt abgerufen am 10.3.2022). Einige Protagonisten berufen sich auf die friedliche Revolution 1989; https://zeitgeschichte-online.de/geschichtskultur/ friedliche-revolution-20 (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[27]    Insbesondere bedürfte es mehr als
nur „einzelner“ Verfassungswidrigkeiten, nämlich eines Staates, der sich durch Nichtachtung von Recht und Gesetz auszeichnet, BVerfGE 5, 85 (378).[28]    Paeffgen/Zabel, in: NK-StGB, vor §§ 32 ff. Rn. 180.
[29]    BVerfGE 5, 85 (377); BayVGH, Beschl. v. 7.5.2020 – 20 NE 20.955, juris.
[30]    Nur beispielhaft BVerfG, NJW 2020, 1426; OVG Lüneburg, NdSVBl 2021, 21; VGH Mannheim, VBlBW 2021, 42; KommJur 2021, 106.
[31]    Ziviler Ungehorsam sind bewusste Normverletzungen als Form politischer Auseinandersetzung, Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 34 Rn. 41a.
[32]    BVerfGE 73, 206 (250); NJW 1993, 2432; Lenckner, JuS 1988, 349; Hirsch, S. 31.
[33]    OLG Stuttgart, NJW 1963, 776.
[34]    Roxin, in: FS Maihofer, 1988, S. 389 (405); Ebert, S. 46.
[35]    Zum gleichen Ergebnis mit anderer Begründung kommt Gallas, ZStW 1964, 1 (24), der das Überwiegenskriterium des § 34 S. 1 StGB als grundsätzlich ausreichend ansieht, um beliebige Gewissensentscheidungen als Rechtfertigungsgrund auszuschließen, aber i.R.d. Abwägung der körperlichen Unversehrtheit den Vorrang einräumt.
[36]    Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 93. EL (2020), Art. 4 Rn. 85; Greffenius, S. 79 ff.
[37]    Böse, ZStW 2001, 40 (62 f.).
[38]    Roxin, GA 2011, 1 (7).
[39]    So in BVerfGE 32, 98 für Unterlassungsdelikte angenommen, vgl. Fn. 42.
[40]    Hirsch, S. 26; Heinrich, Strafrecht AT, 6. Aufl. (2019), Rn. 530; Jung, JZ 2012, 926 (927 f.); Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, 50. Aufl. (2020), § 13 Rn. 710.
[41]    Böse, ZStW 2001, 40 (42). Ein Beispiel wäre die Zumutbarkeit i.R.d. § 323c Abs. 1 StGB.
[42]    BVerfGE 32, 98. Ein Zeuge Jehovas hatte die Ablehnung einer Bluttransfusion durch seine sterbende Ehefrau „gefördert“, anstatt seinen „Einfluss als Ehemann“ auf sie zur Rettung einzusetzen. Die Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 330c Abs 1 StGB a.F. hat das BVerfG infolge einer rechtfertigenden Pflichtenkollision aufgehoben. Das BVerfG bemühte insbesondere das Argument, dass sich der Täter nicht aus mangelnder Rechtsgesinnung gegen die staatliche Rechtsordnung auflehnte.
[43]    Nicht verschwiegen werden soll, dass dies harter Kritik begegnete: Dem BVerfG wird entgegengehalten, dass auch die Verteidigung der Rechtsordnung Zweck der Verfolgung des staatlichen Strafanspruchs ist. Bemängelt wird, dass das BVerfG über die bisherige Privilegierung des Überzeugungs- und Gewissenstäters de lege lata hinausgehe und dass die Glaubensfreiheit des Täters nach Auffassung des BVerfG auch durch Rechte anderer nicht beschränkt werde. Dies weiche die engen Voraussetzungen des Absehens von Strafe nach § 60 StGB auf; Ebert, S. 23 f.
[44]    Anders entschied das BVerfG bei Kriegsdienstverweigerern: BVerfGE 19, 135; 23, 127; 23, 191. Wiederum anders aber BVerwGE 94, 82 zur Schulpflicht.
[45]    Jäger/Gründel, ZIS 2020, 151; Küper, JuS 2016, 1070 (1074 f.); Rönnau, JuS 2013, 113; Otto, Jura 2005, 470 (474); Lackner/Kühl, StGB, 29. Aufl. (2018), § 34 Rn. 15; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, vor §§ 32 ff. Rn. 75.
[46]    Lackner/Kühl, StGB, § 34 Rn. 15.
[47]    Böse, ZStW 2001, 40 (46).
[48]    AG Kitzingen, BeckRS 2021, 8708.
[49]    Dies zeigt sich bereits durch Bs Teilnahme an den Demonstrationen – er protestiert gerade gegen die Maßnahmen. Auch „Coronaleugnern“ wie A ist i.d.R. bekannt, dass die Zerstörung eines Impfzentrums und die mögliche Tötung oder Verletzung von Menschen verboten ist.
[50]    Online abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/faktenfinder/freiheitsboten-flyer-101.html (zuletzt abgerufen am 10.3.2022).
[51]    BGHSt 2, 194 (208); 4, 1; Ebert, S. 54; Lackner/Kühl, StGB, § 17 Rn. 2; Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, § 17 Rn. 7.
[52]    Der Täter ist insb. zu einer „Gewissensanspannung“ hinsichtlich der Rechtmäßigkeit seines Handelns verpflichtet; BGHSt 4, 1.
[53]    Neumann, in: NK-StGB, § 17 Rn. 40.
[54]    Neumann, in: NK-StGB, § 17 Rn. 12.
[55]    Timpe, JuS 1984, 859 (863); Müssig, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 35 Rn. 16; Neumann, in: NK-StGB, § 35 Rn. 13.
[56]    Es ist gerade Telos des § 35 StGB, dass aufgrund der „Bedrängnissituation“ (des eigenen Körpers oder gar Lebens) ausnahmsweise die Verletzung
von Rechtsgütern anderer entschuldigt ist, Müssig, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 35 Rn. 16. 
[57]    RGSt 61, 242.
[58]    OLG Frankfurt, StV 1989, 107. Vgl. zum Willen des historischen Gesetzgebers BT-Drs. IV/650, S. 161 f.; Lackner/Kühl, StGB, § 35 Rn. 3.
[59]    Timpe, JuS 1984, 859 (863); Perron, in: Schönke/Schröder, StGB, § 35 Rn. 4; Müssig, in: MüKo-StGB, Bd. 1, § 35 Rn. 16.
[60]    Roxin, GA 2011, 1 (18); Wessels/Beulke/Satzger, § 9 Rn. 445, § 13 Rn. 683.
[61]    Peters, JZ 1966, 457.
[62]    Ebert, S. 64.
[63]    Neumann, in: NK-StGB, § 35 Rn. 13.
[64]    Ebert, JuS 1976, 319 (321); Neumann, in: NK-StGB, § 17 Rn. 46.
[65]    Dem strafrechtlichen Schuldurteil steht nach Ebert, S. 66 f. das verfassungsgerichtliche Gebot der Toleranz der Gewissensentscheidung gegenüber; die Schuld sei jedenfalls gemindert. Er beschränkt dies auf Täter, die sich nach ernsthafter Prüfung zu ihrer Tat genötigt sahen. Ähnlich argumentiert Greffenius, S. 82 f.
[66]    Ebert, S. 68.
[67]    Dem Täter ist eine ernsthafte „Gewissensanspannung“ zuzumuten, BGHSt 4, 1.
[68]    Ebert, S. 55.
[69]    Ähnlich argumentiert Roxin, GA 2011, 1 (11), der sich für ein Absehen von Strafe einsetzt, wenn Grundrechte anderer höchstens peripher berührt werden. Nach hiesiger Auffassung wiegt die Schuld zwar weniger schwer, jedoch soll die Normverletzung durch den Schuldspruch sanktioniert werden – insbesondere würden durch RoxinsVorschlag die engen Voraussetzungen des § 60 StGB aufgeweicht –, sodass dem auf Rechtsfolgenebene angemessen begegnet werden kann. Der Staat kann sein Sanktionsrecht mit Nachsicht ausüben und §§ 153 ff. StPO zur Anwendung bringen.
[70]    Dies ist seit dem 24.8.2018 noch in der Revisionsinstanz möglich; in BGH, wistra 2019, 292 kam dies erstmals zur Anwendung.
[71]    BVerfGE 9, 167 (169); 20, 323 (331); BGHSt 2, 194 (200); 10, 59; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, vor §§ 13 ff. Rn. 103 f.
[72]    Beukelmann, in: Beck-StPO, 39. Edition (2021), § 153 Rn. 23; Peters, in: MüKo-StPO, Bd. 1, 1. Aufl. (2016), § 153 Rn. 8.
[73]    RGSt, 66, 397 (399); Lackner/Kühl, StGB, vor §§ 32 ff. Rn. 30; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, vor §§ 32 ff. Rn. 124; Engländer, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), vor §§ 32 ff. Rn. 51.
[74]    Heinitz, ZStW 1966, 615 (631 f.).
[75]    Schlehofer, in: MüKo-StGB, Bd. 1, vor §§ 32 ff. Rn. 335 f.
[76]    Noll, ZStW 1966, 638 (657 ff.); Radbruch, ZStW 1924, 30 (35 f.); Peters, Grundprobleme der Kriminalpädagogik, 1960, S. 305. Diese Lösung ist spätestens durch die Einführung der Einheitsfreiheitsstrafe überholt.
[77]    BGHSt 8, 162 (165); Gallas, in: FS Mezger, 1954, S. 311 (319 f.); Baumann et al., Alternativ-Entwurf eines Strafgesetzbuches, 1966, S. 108 f. 
[78]    Peters, in: FS Mayer, 1966, 257 (280). Auf Besonderheiten einzelner Inhaftierter ist jedoch ohnehin individuell einzugehen.
[79]    BVerfGE 23, 127 (134); BayObLGSt 1980, 15 (16); OLG Düsseldorf, StV 1996, 377; Böse, ZStW 2001, 40 (67).
[80]    Dies ist insbesondere durch die Tötung von Menschen als Zeichen politischen oder religiösen Protests begründet.
[81]    Maier, in: MK-StGB, Bd. 2, 4. Aufl. (2020), § 46 Rn. 209.
[82]    Zum Beispiel wurde eine geminderte Schuld bei Sitzblockierern, die sich als Atomwaffengegner verstehen und für eine friedliche Welt eintreten, angenommen, BayObLGSt 1992, 15.
[83]    Ebert, S. 78.
[84]    Online abrufbar unter: https://journals.sagepub.com/doi/full/10.11 77/1948550620934692 (zuletzt abgerufen am 10.3.2022), SPP 2020, 1111 (1112 f.).; Peters, S. 305.
[85]    Zu beachten ist das Verbot der Doppelbestrafung nach § 46 Abs. 3 StGB.
[86]    Ebert, S. 81 ff. schlägt drei Kontraindikationen für eine Strafmilderung vor: Dem Täter ist eine kritische Prüfung der eigenen Überzeugung abzuverlangen, politisch motivierte Terrorakte sind ebenso wie eine besonders verwerfliche Tatbegehung auszuschließen. Diese Begrenzungen der Strafmilderung erscheinen nachvollziehbar.
[87]    Maier, in: MüKo-StGB, Bd. 2, § 46 Rn. 196 ff.
[88]    Die Abschaffung der Einheitsfreiheitsstrafe ist nicht absehbar.
[89]    BVerfGE 23, 127 (134).
[90]    Vgl. Fn. 86. Roxins Begrenzung auf Fälle, in denen Grundrechte anderer maximal peripher betroffen sind (vgl. Fn. 69) bedarf es nicht, da es sich um einen Schuldspruch handelt und der Täter lediglich auf Strafzumessungsebene „privilegiert“ wird.

 

 

 

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