Referentenentwurf zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

zum Referentenentwurf: 

 

 

 

 

 

Sarah Sänger: Die neuen §§ 113, 114, 115 StGB. Eine Untersuchung dogmatischer Probleme und kriminalpolitischer Rationalitäten in Bezug auf die Novellierung des Widerstandsstrafrechts

von Prof. Dr. Anja Schiemann

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2023, Verlag Duncker & Humblot, ISBN: 978-3-428-18946-5, S. 613, Euro 79,90. 

Die am 23.5.2017 in Kraft getretene Reform der Widerstandsdelikte war und ist kriminalpolitisch heftig umstritten. Kaum eine rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Neukonstruktion und Strafverschärfung war positiv konnotiert. Allerdings kam Bolender in seiner Promotionsschrift zu dem Ergebnis, die Reform sei aus strafrechtsdogmatischer Sicht schlüssig und dieser demzufolge auch zuzustimmen.[1] Schon dem Untertitel nach darf der Leser vermuten, dass Sänger zu einem kritischeren Ergebnis kommt, fragt sie doch danach, welche dogmatischen Probleme die §§ 113, 114, 115 StGB seit der Novellierung aufwerfen und wie es trotz dieser Defizite zur Verabschiedung des Gesetzes kommen konnte. Es geht um die „Bewertung des Änderungsgesetzes auf seine Rationalität hin“ (S. 18).

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Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

Öffentliche Anhörung im Rechtsausschuss am 15. Januar 2024

 

 

 

 

Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze

Gesetzentwürfe: 

Die Fraktion CDU/CSU hat im November 2023 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Strafgesetzbuches zur Bekämpfung von Antisemitismus, Terror, Hass und Hetze auf den Weg gebracht (BT-Drs. 20/9310).

Hintergrund ist der Angriff der palästinensischen Terrororganisation Hamas vom 7. Oktober 2023. Infolge dessen kam es in Deutschland zu Pro-Palästina-Demonstrationen. Es sei „unerträglich und nicht hinnehmbar, dass der Hamas-Terrorismus und Antisemitismus auf deutschen Straßen und Schulhöfen bejubelt und propagiert, auf Demonstrationen das Existenzrecht Israels öffentlich geleugnet bzw. zur Zerstörung des Staates Israel aufgerufen wird und es auf den propalästinensischen Demonstrationen – wie beispielsweise in Berlin-Neukölln – zu gewalttätigen Ausschreitungen kommt“, so der Entwurf. Auch ein versuchter Brandanschlag auf eine Synagoge in Berlin am 18. Oktober 2023 sowie Davidstern-Markierungen an Berliner Wohnhäusern von Jüdinnen und Juden sei ein Alarmsignal. Zudem bewege sich die Anzahl der antisemitischen Straftaten in Deutschland auf einem hohen Niveau. Der Schutz jüdischen Lebens sei Staatsaufgabe und unverhandelbar. Deutschland trage aufgrund der nationalsozialistischen Verbrechen eine besondere geschichtliche Verantwortung und Verpflichtung dafür, den Antisemitismus zu bekämpfen. Daher seien durch den Gesetzgeber bestehende Schutzlücken zu schließen und ein Zeichen gegen Antisemitismus und judenfeindliche Tendenzen zu setzen. Zudem sollen unter generalpräventiven Gesichtspunkten antisemitische Straftaten „konsequent verfolgt und schulangemessen geahndet werden“.

Konkret sollen folgende Maßnahmen umgesetzt werden:

  • „Schließung der Schutzlücken beim Landfriedensbruch und Erhöhung des bisherigen Strafrahmens.“

Die Regelung des Landfriedensbruchs sei zu eng ausgestaltet. Strafbar macht sich nur, wer als Täter oder Teilnehmer Teil einer feindseligen Menschenmenge ist. Die Täter seien aber meist durch die umherstehende Mengen abgeschirmt, so dass dies gar nicht feststellbar ist. Nach § 125 Abs. 1 StGB sollen daher die folgenden Absätze 2 und 3 ergänzt werden:

„(2) Wer sich einer Menschenmenge, die die öffentliche Sicherheit bedroht, anschließt oder sich nicht unverzüglich aus ihr entfernt, obwohl aus der Menge mit vereinten Kräften Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Sachen oder Bedrohungen von Menschen mit einer Gewalttätigkeit begangen werden und er dies erkennen kann, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Absatz 2 ist nicht anzuwenden auf Personen, die in Ausübung dienstlicher oder beruflicher Pflichten handeln, es sei denn, dass sie das Verhalten der Menge unterstützen.“

Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 4 und wird wie folgt gefasst:

„(4) Soweit die in Absatz 1 Nummer 1 und 2 und Absatz 2 bezeichneten Handlungen in § 113 mit Strafe bedroht sind, gilt § 113 Absatz 3 und 4 sinngemäß. Dies gilt auch in Fällen des § 114, wenn die Diensthandlung eine Vollstreckungshandlung im Sinne des § 113 Absatz 1 ist.“

  • „Wiederherstellung der Strafbarkeit der sogenannten Sympathiewerbung im Rahmen von § 129 Abs. 1 und § 129a Abs. 5 Satz 2 StGB.“
  • „Schließung der Schutzlücken bei der Volksverhetzung (Strafbarkeit für das Leugnen des Existenzrechts des Staates Israel und für den Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel) und Erhöhung des Strafrahmens der Volksverhetzung; insbesondere durch Einführung eines besonders schweren Falls.“

Bislang ist das Leugnen des Existenzrechts Israels und der Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel nicht durch § 130 StGB erfasst. Zudem sei der Strafrahmen der Volksverhetzung teilweise zu niedrig. Der Fall, dass ein:e Täer:in antisemitisch handelt, wird nun durch einen besonders schweren Fall erfasst.

§ 130 Abs. 1 StGB soll wie folgt gefasst werden:

„(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,

    1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt oder Willkürmaßnahmen auffordert,
    1. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet oder
    1. das Existenzrecht des Staates Israel leugnet oder zur Beseitigung des Staates Israel aufruft,

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter antisemitisch handelt.“

Am 15. Januar 2024 fand im Rechtsausschuss eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier.

Die Expert:innen begrüßten grundsätzlich die Zielsetzung des Entwurfs, der konkrete Gesetzentwurf der Fraktion CDU/CSU traf jedoch nur bei einigen auf Zustimmung. Kritisiert wurden u.a. verfassungsrechtliche Probleme. So werde bspw. durch den Vorschlag, das Leugnen des Existenzrechts des Staates Israel und den Aufruf zur Beseitigung des Staates Israel als Volksverhetzung zu bestrafen, die Meinungsfreiheit eingeschränkt. Prof. Dr. Elisa Hoven kritisierte, dass der entsprechende Normvorschlag unzulässigerweise an einen Meinungsinhalt anknüpfe. Daher sei eher eine grundlegende Überarbeitung des § 130 StGB sinnvoll, um Strafbarkeitslücken zu schließen. Dem stimmte Felix Klein, Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung zu. Andreas Franck von der GenStA München sowie Prof. Dr. Michael Kubiciel von der Universität Augsburg sahen dies anders. Bei der von der Fraktion vorgeschlagenen Neuregelung handele es sich um ein allgemeines Gesetz, dass die Meinungsfreiheit beschränke und keinen Meinungsinhalt verbiete. Es sei vielmehr eine Gelegenheit „jüdisches Leben in Deutschland zu schützen“, so Franck. Die vorgesehene Verschärfung des Landfriedensbruchs warf ebenfalls verfassungsrechtliche Fragen auf. Stefan Conen vom DAV betonte, dass das grundrechtlich verankerte Recht der Versammlungsfreiheit tangiert werde und schlug eine Verbindung zum Brokdorf-Beschluss des BVerfG. Rechtsanwältin Kati Lang und Prof. Dr. Ulrike Lembke von der Humboldt-Universität Berlin lehnten den Gesetzentwurf allgemein ab. Bei der Bekämpfung antisemitischer Straftaten bestehe ein „Vollzugs- und nicht ein Regelungsdefizit“, so Lang. Dies liege an der „Mut- und Willenlosigkeit der Justiz“. Auch Lembke betonte, dass das Strafrecht vorhanden sei, es aber eher um eine konsistente und konsequente Anwendung dessen gehe. Lang schlug zudem vor, die Beteiligungsrechte bei antisemitischen Straftaten, bspw. durch eine Nebenklagemöglichkeit, zu stärken.

 

 

Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes

Gesetzentwürfe: 

 

Am 20. Dezember 2023 hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes zur Neustrukturierung des Bundespolizeigesetzes beschlossen. Er sieht vor, das Bundespolizeigesetz umfassen neu zu bearbeiten und zu strukturieren, insbesondere vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 20.4.2016 (1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09), in der Teile des BKAG für verfassungswidrig erklärt wurden. Entsprechende Regelungen im BPolG sollen daher angepasst werden.

Unter anderem sieht der Regierungsentwurf die Erweiterung der Befugnisse zur effektiven Aufgabenerfüllung im Bereich der Gefahrenabwehr vor:

  • Möglichkeit zur Telekommunikationsüberwachung und Erhebung von Verkehrs- und Nutzerdaten zum Schutz von Leib und Leben sowie Identifikation und Lokalisation von Mobilfunkkarten nach richterlichem Beschluss
  • Schaffung einer Rechtsgrundlage für zeitlich befristete Aufenthaltsverbote oder Meldeauflagen
  • Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Speicherung von DNA-Identifizierungsmuster

Des Weiteren soll eine Regelung für eine einfache Sicherheitsüberprüfung aller Beschäftigter bei der Bundespolizei zum Schutz vor Extremist:innen, die als Innentäter:innen agieren könnten, geschaffen werden. Um das Vertrauen in die Arbeit der Bundespolizei zu stärken und mehr Transparenz zu schaffen, ist eine Legitimations- und Kennzeichnungsplicht für Bundespolizeibeamt:innen und die Einführung von Kontrollquittungen vorgesehen. Auch Gewahrsamsräume sollen künftig mit Bild und Ton überwacht werden können. Flankierend werden datenschutzrechtliche Aspekte umgesetzt. So erhält u.a. der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit bei besonders eingriffsintensiven Maßnahmen zusätzliche Aufsichtsbefugnisse.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser dazu:„Wir haben heute die Reform eines der wichtigsten Sicherheitsgesetze unseres Landes auf den Weg gebracht und ein weiteres Vorhaben des Koalitionsvertrags umgesetzt. Unsere Reform bringt das Bundespolizeigesetz auf die Höhe der Zeit. Wir schaffen die besten Voraussetzungen, um den aktuellen Gefährdungslagen konsequent zu begegnen. Mit neuen Befugnissen geben wir der Bundespolizei alles Notwendige an die Hand, um ihre Aufgaben bestmöglich erfüllen zu können. Darüber hinaus stärken wir Bürgernähe und Transparenz.“

Am 26. Februar 2024 wurde der Regierungsentwurf in den Bundestag eingebracht, am 14. März erstmals im Plenum beraten und im Anschluss zur weiteren Beratung an den federführenden Innenausschuss überwiesen. Dort fand am 22. April 2024 eine Öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier

Die Expert:innen beurteilten den Regierungsentwurf unterschiedlich. Insbesondere das Vorhaben, eine Kennzeichnungspflicht für Bundespolizeibeamt:innen einzuführen, damit sog. Kontrollquittungen ausgestellt werden können, wurde von den Vertreter:innen der Gewerkschaften abgelehnt. Andreas Roßkopf von der GdP kritisierte, dass das geplante Vorgehen das Vertrauen der Kolleg:innen gegenüber dem Gesetzgeber schwinden ließe, da der Eindruck erweckt werde, dass bei der Bundespolizei in Teilbereichen von strukturellen Problemen gesprochen werden müsse. Stattdessen forderte er ein modernes Polizeigesetz, das es ermögliche, „auf Augenhöhe rechtssicher arbeiten zu können“. Hinsichtlich der Kennzeichnungspflicht und der Kontrollquittungen stimmte Heiko Teggatz von der DPolG Roßkopf zu. Darüber hinaus vermisse er in dem Regierungsentwurf Regelungen zur Gesichtserkennung, zur anonymisierten Verhaltenserkennung an Bahnhöfen, zur Quellen-TKÜ, zur Online-Durchsuchung und zur Erweiterung der Grenzzuständigkeit im Inland von 30 km auf 50 km. Letzteres sei seiner Ansicht nach dringend geboten. Auch Prof. Dr. Dr. Markus Thiel von der Deutschen Hochschule der Polizei sprach sich gegen eine allgemeine Kennzeichnungspflicht der Bundespolizeibeamt:innen und Kontrollquittungen aus. Er äußerte sich ebenfalls wie Teggatz dahingehend kritisch, dass versäumt werde, Rechtsgrundlagen für die Quellen-TKÜ sowie für die Online-Durchsuchung zu schaffen, obwohl gerade diese Befugnisse „anerkanntermaßen und von der Verfassungsgerichtsbarkeit bestätigt, verfassungskonform geregelt werden können“. Bei einer Ausweitung der bundespolizeilichen Befugnisse warnte Uta Schröder, Referatsleiterin im Ministerium für Inneres und Sport Niedersachsen, vor einer Erosion der Zuständigkeit der Länderpolizeien, insbesondere im Bereich der Aufenthaltsverbote und Meldeauflagen. Lea Voigt vom DAV riet ebenfalls in Bezug auf die Ausweitung der Befugnisse der Bundespolizei zur Zurückhaltung. Sie beurteilte die Eingriffsschwelle bei der TKÜ als zu niedrig angesetzt für eine „sehr eingriffsintensive Maßnahme“, die bereits bei Bagatellverfahren eingesetzt werden könne. Prof. Dr. Hartmut Aden von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin sprach sich dafür aus, die Eingriffsbefugnisse für anlassunabhängige Personenkontrollen zu reduzieren und Kontrollquittungen schon von Amts wegen bei allen Kontrollen auszugeben und nicht nur auf Verlangen. Dr. Felix Ruppert von der Ludwig-Maximilians-Universität München ergänzte, dass die Kontrollquittungen und die Kennzeichnungspflicht im Zusammenhang mit dem Verbot von Racial Profiling die Transparenz der Bundespolizei stärke und damit den Willkürvorwürfen entgegentrete. Uli Grötsch, Polizeibeauftragter des Bundes beim Deutschen Bundestag, bewertete den Gesetzentwurf insgesamt als gutes Signal an die Beamt:innen sowie an die Öffentlichkeit. Die vorgesehene Klarstellung zum Racial Profiling ordnete er nicht als Generalverdacht ein und begrüßte zudem ebenfalls die Einführung von Kontrollquittungen.

 

 

Referentenentwurf zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation

Gesetzentwürfe: 

Das BMJ hat am 18. Dezember 2023 einen Referentenentwurf zur Regelung des Einsatzes von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen sowie zur Tatprovokation veröffentlicht.

Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:
„Der Einsatz von V-Personen zur Strafverfolgung erfordert im Rechtsstaat eine besondere Sensibilität. Eine gesetzliche Regelung gibt es bis heute nicht, dabei ist sie dringend geboten. Erkenntnisse aus verschiedenen NSU-Untersuchungsausschüssen, dem Anschlag auf den Breitscheidplatz und auch jüngere Fälle aus der Praxis zeigen: es gibt einen konkreten praktischen Bedarf für eine gesetzliche Grundlage mit klaren Regeln für den Einsatz von V-Personen. Die Regelungen geben den Beamtinnen und Beamten Rechtssicherheit und zeigen zugleich die roten Linien des Rechtsstaats auf. Mit dem Entwurf zeigen wir, dass rechtsstaatliche Sicherungen möglich sind, ohne die grundsätzliche Effektivität der Maßnahmen einzuschränken.“

Der Einsatz von Verdeckten Ermittlern und von Vertrauenspersonen bewege sich in einem Spannungsverhältnis zwischen effektiver Strafverfolgung und rechtsstaatlich gebotener Transparenz und Kontrolle. Um der grundrechtlichen Sensibilität des Einsatzes von V-Personen gerecht zu werden, sollen nun konkrete Regelungen geschaffen werden, da der Einsatz von Vertrauenspersonen im Gegensatz zu Verdeckten Ermittlern bislang lediglich auf die Ermittlungsgeneralklausel des § 163 Abs. 1 S. 2 StPO gestützt wird. Berücksichtigt werden sollen dabei auch kollidierende staatliche Geheimhaltungsinteressen und gerichtliche Aufklärungspflichten beim Schutz der Identitäten von Vertrauenspersonen. Ebenso ohne Regelung sind derzeit die Voraussetzungen für eine rechtmäßige sowie die Folgen für eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation durch Verdeckte Ermittler und V-Personen.

Folgende Regelungen sieht der Referentenentwurf daher vor:

  • Der Einsatz von V-Personen wird gesetzlich normiert und ihre Einsätze einer effektiven, richterlichen Kontrolle zugänglich gemacht, um auch der grundrechtlichen Sensibilität des Einsatzes von V-Personen gerecht zu werden. Hierzu werden flankierend Berichtspflichten eingeführt.
  • Die Regelungen zum Kernbereichsschutz (§ 100d Abs. 1 und 2 StPO) für Verdeckte Ermittler werden unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des BVerfG angepasst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.12.2022 – 1 BvR 1345/21) und auf V-Personen erstreckt.
  • Es soll festgelegt werden, wer grundsätzlich überhaupt als Vertrauensperson eingesetzt werden darf, wie die Einsätze beendet werden und wann Angaben über die V-Personen geheim gehalten werden dürfen. Staatliche Geheimhaltungsinteressen können hier mit gerichtlichen Aufklärungspflichten kollidieren.
  • Geregelt werden außerdem die Voraussetzungen eines zulässigen Verleitens zu einer Straftat und die strafprozessualen Folgen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation.

Gewährspersonen und Informanten fallen nicht unter den Anwendungsbereich der Neuregelungen. Sie bieten nur punktuelle Unterstützung bei den Ermittlungen und werden nicht von den Strafverfolgungsbehörden angeleitet.

Am 13. März 2024 hat die Bundesregierung ihren Regierungsentwurf in den Bundestag eingebracht. Erste Stellungnahmen finden Sie hier.

Am 26. April 2024 beschäftigte sich der Bundesrat mit dem Entwurf und nahm ebenfalls Stellung dazu. Insbesondere kritisierten die Abgeordneten, dass die vorgesehenen Regelungen über die Vorgaben des BVerfG hinausgingen. Den Einsatz von Vertrauenspersonen auf bestimmte Straftaten zu begrenzen, gehe zu weit. Vielmehr müsse es ausreichen, dass es sich um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handele. Des Weiteren stand der geplante Richtervorbehalt für den Einsatz von Vertrauenspersonen sowie der Einsatz der Tatprovokation in der Kritik. Ein Richtervorbehalt sei verfassungsrechtlich nicht erforderlich und könne künftige V-Leute abschrecken. Für sie erhöhe sich schließlich auf diese Art und Weise das Risiko der Enttarnung. Gleiches gelte für das geplante Wortprotokoll bei der Vernehmung von Vertrauenspersonen. Sprachstil, Wortwahl und Dialekt ließen Rückschlüsse auf die Person zu. Die Stellungnahme wird nun der Bundesregierung zwecks Gegenäußerung zugeleitet. 

 

 

Anpassung der Mindeststrafe des § 184b Abs. 1 S. 1 und Abs. 3 StGB

Hier finden Sie folgende Stellungnahmen: 

Öffentliche Stellungnahme im Rechtsausschuss am 10. April 2024: 

Zum Referentenentwurf:

 

 

 

 

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 51/23

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

Leitsätze der Redaktion:

  1. Auch das Bereitstellen eines Servers bzw. eine Tätigkeit als Webhoster kann eine mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB darstellen, insb. greift keine Haftungsprivilegierung nach § 10 TMG.

  2. Die bloße Kenntnis von Straftaten genügt auch bei Cyber-Straftaten nicht für den Gehilfenvorsatz.

Sachverhalt:

Nach den Feststellungen des LG betrieben die acht Angeklagten in einem NATO-Bunker auf einem ehemaligen Militärgelände im rheinland-pfälzischen Traben-Trarbach ein hochgesichertes Rechen- und Datenverarbeitungszentrum. Diese IT-Infrastruktur stellten sie insbesondere Betreibern illegaler Handelsplattformen im Internet gegen Entgelt zur Verfügung, wobei die technische Ausstattung auf eine anonyme, vor staatlichem Zugriff geschützte Nutzung ausgerichtet war. Die Beschuldigten wussten, dass die von ihnen vermieteten Server überwiegend zur Begehung von Straftaten im Internet, insbesondere zum Handel mit Betäubungsmitteln über Online-Handelsplattformen, genutzt wurden.

Entscheidung des BGH:

Der Schuldspruch des LG wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB) hielt der Überprüfung durch den BGH weitgehend stand. Der Senat hat die Schuldsprüche klarstellend dahin präzisiert, dass die Angeklagten jeweils der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer auf die Begehung besonders schwerer Straftaten gerichteten kriminellen Vereinigung schuldig sind. Den Einwand der Angeklagten, ihre Tätigkeit als Webhoster sei wegen der Haftungsprivilegierung des § 10 TMG in Verbindung mit der E-Commerce-Richtlinie der Europäischen Union nicht strafbar, hat der BGH als nicht durchgreifend angesehen. Ein Gehilfenvorsatz hinsichtlich der mittels der Server begangenen Straftaten liege jedoch nach zutreffender Auffassung des LG nicht vor. Insbesondere bestehe kein Anlass, die Anforderungen an die Konkretisierung des Gehilfenvorsatzes speziell für Computerstraftaten herabzusetzen, so der BGH.

 

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SONDERHEFT "NOTWEHRRECHT"

ALLGEMEINE BEITRÄGE

Einführung zum Sonderheft
von Prof. Dr. Elisa Hoven und Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

Notwehr und Notwehrexzess - Vorschlag einer neuen Formulierung der §§ 32, 33 StGB 
von Prof. Dr. Elisa Hoven und Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

Kommentar: Zur Nothilfe im Entwurf einer Neuregelung des § 32 StGB 
von Prof. Dr. Armin Engländer 

Kommentar zum Regelungsentwurf des § 33 E-StGB - Notwehrexzess und Putativnotwehrexzess 
von Prof. Dr. Anna H. Albrecht 

Versammlungsfreiheit und Notwehr 
Dogmatische Betrachtungen an der Schnittstelle von Verfassungsrecht und Strafrecht am Beispiel von Straßenblockaden durch Klimaaktivisten 

von Prof. Dr. Christian Ernst 

Der Wutbürger aus der Zweiten Reihe - Überlegungen zur Einschränkung des Notwehrrechts durch die Versammlungsfreiheit 
von Prof. Dr. Christian Rückert

Die Rechtswidrigkeit des Angriffs als Voraussetzung des Notwehrrechts 
von Prof. Dr. Volker Erb 

Das deutsche Notwehrrecht - Ein knapper Blick von außen 
von Prof. Dr. Felix Bommer 

Der neueste Stand des Reformvorschlags zur Notwehr
von Prof. Dr. Thomas Weigend 

ENTSCHEIDUNGEN/ANMERKUNGEN

BVerfG erklärt Wiederaufnahme des Strafverfahrens zuungunsten des Freigesprochenen in § 362 Nr. 5 StPO für verfassungswidrig 
BVerfG, Urt. v. 30.10.2023 - 2 BvR 900/22

Anmerkung zur Entscheidung des BVerfG zu § 362 Nr. 5 StPO
von Prof. Dr. Wolfgang Mitsch 

Die Rechtsprechung und der Widerstand mit Gewalt - Plädoyer gegen eine fortschreitende begriffliche Entkonturierung - Zugleich Besprechung von KG, NJW 2023, 2792 ("Letzte Generation")
von Prof. Dr. Fredrik Roggan 

BVerfG zu Gewicht und Reichweite der Forschungsfreiheit 
BVerfG, Beschl. v. 25.9.2023 - 1 BvR 2219/20

BUCHBESPRECHUNGEN

Ralf Kölbel (Hrsg.): Whistleblowing. Bd. 1. Stand und Perspektiven der empirischen Forschung 
von Prof. Dr. Anja Schiemann

Johannes Makepeace: Der Polygraf als Entlastungsbeweis
von Prof. Dr. Anja Schiemann 

TAGUNGSBERICHT

Das 7. Forum zum Recht der Inneren Sicherheit (FORIS)
von Ruben Doneleit und Isabella Klotz 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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