KriPoZ-RR, Beitrag 22/2021

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Besch. v. 03.03.2021 – 2 BvR 1746/18: Anforderungen an einen Anfangsverdacht für eine Wohnungsdurchsuchung

Leitsatz der Redaktion:

Eine Durchsuchung wegen des Verdachts der Geldwäsche setzt einen Anfangsverdacht dergestalt voraus, dass nicht nur für die Geldwäschehandlung ein solcher Verdacht besteht, sondern auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer Katalogvortat im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB in der Fassung vom 23. Juni 2017 (im Folgenden: § 261 StGB).

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hat gegen eine Entscheidung des LG Darmstadt, die Durchsuchungsbeschlüsse des AG bestätigt hatte, Verfassungsbeschwerde erhoben.

Gegen den Beschwerdeführer, den Vorstand einer Aktiengesellschaft, hatte der Verdacht der Geldwäsche bestanden, weshalb die StA beim AG Darmstadt einen Durchsuchungsbeschluss für die Wohnung des Beschuldigten erwirkt hatte.

In den Durchsuchungsanordnungen und dem angegriffenen Beschluss des LG Darmstadt war jedoch nicht dargelegt worden, aus welchen Gründen die Herkunft des Geldes gerade aus einer Katalogvortat des § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB möglich erscheinen sollte.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG sah den Beschwerdeführer durch die Durchsuchungsbeschlüsse und die bestätigenden Entscheidungen in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt.

Zwar prüfe das BVerfG grundsätzlich nicht die richtige Auslegung des einfachen Rechts, da die Unverletzlichkeit der Wohnung allerdings ein sehr wichtiges Verfassungsgut sei und daher Eingriffe nur bei entsprechend konkretisierten Verdachtsmomenten gerechtfertigt seien, sei das Gericht verpflichtet einzugreifen, wenn die Auslegung und Anwendung der einfachrechtlichen Bestimmungen über die prozessualen Voraussetzungen des Verdachts (§ 152 Abs. 2, § 160 Abs. 1 StPO) als Anlass für die strafprozessuale Zwangsmaßnahme und die strafrechtliche Bewertung der Verdachtsgründe objektiv willkürlich seien oder Fehler erkennen ließen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhten.

Konkret auf Durchsuchungsbeschlüsse bei Verdacht einer Geldwäsche bedeute dies, dass ein Anfangsverdacht nicht nur für die Geldwäschehandlung, sondern auch für das Herrühren des Vermögensgegenstands aus einer Katalogvortat nach § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB in der Fassung vom 23. Juni 2017 vorliegen müsse.

Dies begründete das BVerfG damit, dass nach der gesetzlichen Konzeption gerade das Vorliegen einer Katalogvortat wesentliches Merkmal der Strafbarkeit wegen Geldwäsche sei. Daher genüge es auch bezüglich dieser Vortaten nicht, wenn der Verdacht sich auf bloße Vermutungen ohne zureichende tatsächliche Anhaltspunkte gründe.

Die Voraussetzungen der Meldepflicht aus § 43 GwG (§ 11 GwG a.F.) dürften demnach nicht ohne Weiteres auf den Strafprozessualen Anfangsverdacht übertragen werden. 

Da weder das AG noch das LG Anhaltspunkte für das Vorliegen gerade einer solchen Katalogvortat und nicht bloß irgendeiner (anderen) Straftat angeführt hätten, seien die Durchsuchungsanordnungen sowie die angegriffene bestätigende Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht mit Art. 13 Abs. 1 GG zu vereinbaren.

 

Anmerkung der Redaktion:

Dies dürfte das BVerfG mittlerweile anders sehen, da seit einer Gesetzesänderung mit Inkrafttreten am 18. März 2021 jedes andere Delikt als taugliche Vortat einer Geldwäsche in Betracht kommt. Weitere Informationen zur Verschärfung des Geldwäschestrafrechts finden Sie hier.

 

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 80/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 23.09.2020 – 2 BvR 1810/19: Zur Ermessensausübung bei körperlichen Durchsuchungen im Strafvollzug

Leitsatz der Redaktion:

Bei einer körperlichen Durchsuchung mit vollständiger Entkleidung im Strafvollzug genügt ein Formblatt mit Ankreuzmöglichkeiten nicht, um eine genügende Ermessenausübung durch die Strafvollzugsbeamten zu dokumentieren.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer hat sich gegen die Entscheidungen des LG Regensburg – Strafvollstreckungskammer und des Bayerischen Obersten Landesgerichts zum BVerfG gewendet.

Er war nach einem Familienbesuch in der Anstaltscafeteria unter vollständiger Entkleidung körperlich durchsucht worden. Die Durchsuchung war auf einem Formblatt mit Ankreuzmöglichkeiten von zwei männlichen Strafvollzugsbeamten protokolliert worden. Die Anstaltsleitung hatte zuvor die Durchsuchung jedes sechsten Gefangenen nach Besuchskontakten genehmigt, wobei die Maßnahme bei einer sehr fernliegenden Gefahr des Missbrauchs des Besuchsrechts unterbleiben solle.

Der Beschwerdeführer hatte daraufhin die gerichtliche Entscheidung über die Durchsuchungsanordnung beantragt, da sie ohne konkreten Anlass erfolgt und damit rechtswidrig gewesen sei.

Sowohl Land– als auch Oberstes Landesgericht hatten die Entscheidung der JVA bestätigt.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG nahm die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gab ihr statt.

Der angegriffene Beschluss des Landgerichts verletze den Beschwerdeführer in dem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG folgenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht.

Die Durchsuchung unter vollständiger Entkleidung stelle einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Gefangenen dar.

Deshalb habe der Bayerische Landesgesetzgeber in Art. 91 BayStVollzG ein ausdifferenziertes Regelungskonzept für Durchsuchungen geschaffen.

Nach der Konzeption der Regelungen in Art. 91 Absatz 2 und Absatz 3 BayStVollzG sei es zwar von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BayStVollzG mit Entkleidung verbundene Durchsuchungen – etwa im Wege der Stichprobe – auch für persönlich an sich unverdächtige Gefangene angeordnet werden, sofern Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, gefährliche Häftlinge könnten sonst die für sie angeordneten Kontrollen auf dem Umweg über von ihnen unter Druck gesetzte Mithäftlinge umgehen. Dabei dürfe aber nicht die in Art. 91 BayStVollzG vorgesehene Abstufung der Anordnungsbefugnisse unterlaufen werden. Eine Anordnung auf der Grundlage des Art. 91 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 BayStVollzG dürfe daher jedenfalls nicht zur Durchsuchung aller oder fast aller Gefangenen vor jedem Besuchskontakt und damit zu einer Durchsuchungspraxis führen, die das Strafvollzugsgesetz aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich nur in den Konstellationen des Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG erlaube.

Mit seiner Annahme, die Durchsuchungsanordnung sei sowohl auf Art. 91 Absatz 3 als auch auf Absatz 2 BayStVollzG zu stützen, habe das LG die abgestufte und ausdifferenzierte Regelung der Ermächtigungsgrundlagen im BayStVollzG verkannt.

Dies sei aber im Ergebnis nicht durchschlagend, da die Durchsuchung auch allein auf Art. 91 Abs. 3 BayStVollzG hätte gestützt werden können.

Allerdings habe das LG Bedeutung und Tragweite des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts dadurch verkannt, dass es angenommen habe, eine ausreichende Ermessensausübung durch die Justizbeamten ergebe sich ohne darüber hinausgehende Prüfung bereits aus dem bei der Durchsuchung ausgefüllten Formblatt.

Auf dem Formblatt habe sich lediglich ankreuzen lassen, ob die Gefahr des Missbrauchs des Besuchs nach den genannten Kriterien besonders fern gelegen habe oder nicht. Ein Feld zur Dokumentation konkreter Erwägungen oder eine sonstige Möglichkeit zur Begründung der Gefahr eines Missbrauchs des Besuchs durch den Gefangenen sei in dem verwandten Formblatt nicht vorgesehen gewesen. Daher habe das bloße Ankreuzen des vorgesehenen Feldes in dem konkret eingesetzten Formblatt nicht genügt, um bereits daraus auf eine sorgfältige Ermessensabwägung im Einzelfall zu schließen.

Zudem habe sich das LG nicht mit der Frage auseinander gesetzt, ob möglicherweise mildere Mittel zur Gefahrbeseitigung hätten eingesetzt werden können.

 

Anmerkung der Redaktion:

Bereits im Jahr 2016 hatte das BVerfG entschieden, dass körperliche Durchsuchungen unter vollständiger Entkleidung auch stichprobenartig zulässig seien, solange in der Anordnung die Abweichungskompetenz des jeweiligen Beamten im Einzelfall vorgesehen sei. Die Entscheidung finden Sie hier.

 

 

 

 

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