KriPoZ-RR, Beitrag 62/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 27.05.2020 – 1 StR 118/20: Analoge Anwendung des § 306e Abs. 1 StGB

Amtlicher Leitsatz:

§ 306e Abs. 1 StGB ist auf die Qualifikation des § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB analog anzuwenden, wenn der Täter – anstatt den Brand zu löschen – die (konkrete) Lebensgefahr für das Opfer freiwillig durch anderweitige Rettungshandlungen beseitigt.

Sachverhalt:

Das LG Heilbronn hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatten der 65-jährige Angeklagte und seine 17-jährige Freundin beschlossen, sich gemeinsam das Leben zu nehmen. Dazu hatten sich beide im Wohnwagen des Angeklagten aufgehalten, den dieser daraufhin mithilfe von Benzin entzündet hatte.

Nachdem der Fluchtweg für beide durch die Flammen versperrt worden war, entschloss sich der Beschuldigte doch noch das Leben der beiden zu retten. Ihm war es gelungen ein Fenster zu öffnen und half dem Mädchen aus dem Wagen. Anschließend konnte er sich selbst durch das Fenster retten.

Entscheidung des BGH:

Der BGH änderte den Schuldspruch ab und verurteilte den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, da die abstrakte Lebensgefährdung in § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB von § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB verdrängt werde, die Gesundheitsbeschädigung des Grundtatbestandes der Körperverletzung jedoch nicht.

Den Strafausspruch hob er komplett auf, da das LG zu Unrecht eine Strafmilderung nach § 306e StGB abgelehnt habe.

Zwar erfordere die Vorschrift ihrem Wortlaut nach das Löschen des Brandes, allerdings komme eine analoge Anwendung in Betracht, wenn die Lebensgefahr für das Opfer vom Täter auf anderen Wegen beseitigt werde.

Eine Literaturansicht lehne eine solche Anwendung des § 306e StGB auf § 306a Abs. 2 StGB und § 306b Abs. 2 Nr. 1 StGB generell ab, da die Vorschrift andere Rechtsgüter in Bezug nehme.

§ 306e StGB beziehe sich auf den Schaden an den angezündeten oder zerstörten Gegenständen und wolle diesen verhindern, wohingegen § 306a Abs. 2 StGB und § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB Leib und Leben schützen wollten. Somit beziehe sich der „erhebliche Schaden“ in § 306e StGB auf den Sachschaden. Eine Beseitigung der Lebensgefahr komme daher nicht als Anknüpfungspunkt für die tätige Reue in Betracht.

Die Gegenansicht hält eine analoge Anwendung für möglich, da es sinnwidrig sei lediglich die Löschung des Brandes zu belohnen und andere – wahrscheinlich effektiverere und sicherere – Methoden der Gefahrbeseitigung außer Acht zu lassen.

Eine weitere Ansicht halte die analoge Anwendung der §§ 314a Abs. 2 und 3, 320 Abs. 2 und 3 StGB für die sachgerechteste Lösung.

Nach Ansicht des BGH sei die analoge Anwendung des § 306e StGB aus systematischen Gründen und nach dem Telos der tätigen Reue die vorzugswürdige Lösung.

Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der gewählten Formulierung in § 306e StGB andere Formen der Gefahrbeseitigung habe ausschließen wollen, so der Senat. Das Löschen des Brandes stelle nur einen speziellen Fall der Gefahrabwendung dar, weshalb die Interessenlage mit anderen Abwendungsmöglichkeiten vergleichbar sei.

Die Analoge Anwendung des § 306e StGB sei demnach aus systematischen Gründen die sachgerechteste Lösung.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die tätige Reue nach § 306e StGB war durch das Sechste Gesetz zur Reform des Strafrechts in das StGB eingefügt worden. Dadurch sollten die Brandstiftungsdelikte umfassend neu geordnet und die Anwendung der Tätigen Reue für die jeweiligen gemeingefährlichen Straftaten besser handhabbar gemacht werden.

 

 

 

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