Gesetzentwürfe:
- Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen, Hessen: BR Drs. 362/16
- Gesetzentwurf des Bundesrates: BT Drs. 18/10145
- Gesetzesantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: BT Drs. 18/12558
- Änderungsantrag der Fraktionen CDU/CSU und SPD zum Gesetzentwurf des Bundesrates: Ausschussdrucksache 18(6)360
Empfehlungen der Ausschüsse: BR Drs. 362/1/16
Beschlussdrucksache: BR Drs. 362/16(B)
Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses: BT Drs. 18/12936
Bericht des Rechtsausschusses: BT Drs. 18/12964
Kleine Anfrage einzelner MdB sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: BT Drs. 18/8802
Antwort der Bundesregierung: BT Drs. 18/8993
Gesetzesbeschluss des Bundestages: BR Drs. 607/17
Illegale Autorennen mit tödlichem Ausgang für Unbeteiligte haben in letzter Zeit vermehrt für Schlagzeilen gesorgt. Die Durchführung solcher Rennen soll nicht mehr nur als Ordnungswidrigkeit geahndet, sondern unter Strafe gestellt werden. So sieht es ein entsprechender Gesetzesantrag vor, der in den Bundesrat eingebracht worden ist.
Mit § 315 d StGB-E soll ein neuer Straftatbestand „verbotene Kraftfahrzeugrennen“ ins Strafgesetzbuch eingefügt werden. Dieser stellt sowohl die Veranstaltung von als auch die Teilnahme von illegalen Autorennen unter Strafe. Eine qualifizierte Bestrafung ist für Fälle vorgesehen, in denen ein Rennteilnehmer – vorsätzlich oder fahrlässig – Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert konkret gefährdet. Zudem sieht der Entwurf den als Verbrechen ausgestalteten Qualifikationstatbestand vor, durch die Tat der Tod oder eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen wenigstens fahrlässig verursacht wurde. Außerdem wird die Einziehung des Tatfahrzeugs durch § 315 f StGB-E möglich. Daneben kann der Führerschein entzogen werden.
Am 23. September 2016 hat der Bundesrat dem Gesetzantrag der Länder Nordrhein-Westfalen und Hessen zugestimmt. Der Entwurf wurde am 04. November 2016 in den Bundestag eingebracht.
Ausführlich zu dem Gesetzesantrag s. den Beitrag von Kubiciel, jurisPR-StrafR 16/2016 Anm. 1.
Am 21. Juni 2017 fand im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz eine öffentliche Anhörung statt. Eine Liste der Sachverständigen und deren Stellungnahmen finden Sie hier. Einig waren sich die Experten darüber, dass die Teilnahme an illegalen Straßenrennen von einer Ordnungswisdrigkeit zu einer Straftat heraufgestuft werden sollte. Uneinigkeit bestand darüber, inwieweit dies auch für andere Formen des extremen Rasens gelten solle.
Seitens der Strafverfolgungsbehörden wurde berichtet, dass trotz diverser Projekte immer noch illegale Autorennen stattfänden. Die bisherigen Sanktionen erzielten keine ausreichende Abschreckung. Auch immer mehr Einzelraser, die sich im Wettbewerb mit allen Verkehrsteilnehmern sehen, machten die Straßen unsicher. Die Gefahr sei dabei mit der einer Trunkenheitsfahrt vergleichbar. Daher wurde die Möglichkeit der Einziehung der Fahrzeuge als Sanktion begrüßt. Rainer Fuchs, Kriminalhauptkommisar aus Köln:“ Nimmt man denen das Spielzeug weg, hört es auf.“
Die Einbeziehung von Einzelrasern in die neue Regelung (Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen: Ausschussdrucksache 18(6)360) wurde jedoch hinsichtlich der dort genannten Tatbestandsmerkmale kritisiert. Formulierungen wie „grob verkehrswidrig“, „rücksichtslos“ und „um eine besonders hohe Geschwindigkeit zu erzielen“ seien zu unbestimmt. Ferner seien abstrakte Gefährdungsdelikte durch objektive Merkmale gekennzeichnet. Bei den Rennen gehe es aber um subjektive Merkmale. Es sei abzusehen, dass die Verteidiger später in der Hauptverhandlung bestreiten, dass überhaupt ein Rennen stattgefunden habe. Dies führe zu Beweisproblemen und das Rennen sei letztendlich gar nicht nachweisbar.
Auf die Frage, ob die angestrebte Neuregelung angesichts des jüngst gesprochenen Mordurteils in Berlin überflüssig werde, erklärte Prof. Dr. Frank Peter Schuster, dass die Annahme, dass der Täter mit Vorsatz gehandelt habe, nicht haltbar sei. Der Täter habe als Schnellster ans Ziel kommen, aber keinen Unfall verursachen wollen. Daher bezweifelte er, dass das Urteil vor dem Bundesgerichtshof Bestand haben werde.
Am 27. Juni 2017 hat der Rechtsausschuss den Gesetzentwurf des Bunderates geändert (BT Drs. 18/12936). Es soll nun auch der Versuch ein illegales Straßenrennen durchzuführen strafbar sein, auch wenn es schlussendlich nicht stattfindet. Damit sollen auch die Organisatoren der Rennen strafrechtlich belangt werden können, wenn die Polizei frühzeitig von dem Event erfährt und das Rennen unterbindet. Auch Einzelraser sollen in Zukunft für „grob verkehrswidriges und rücksichtsloses“ Fahren belangt werden können.
Am 29. Juni 2017 hat der Bundestag den Gesetzentwurf in der Fassung des Rechtsausschusses mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen. Den Antrag der Grünen (BT Drs. 18/12558) lehnte das Parlament ab.
Am 22. September 2017 hat der Bundesrat in seiner Plenarsitzung die Strafverschärfung für illegale Autorennen gebilligt. Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zwecks Unterzeichnung zugeleitet. Es soll am Tag nach der Verkündung in Kraft treten.
Zusammenfassend werden folgende Neuregelungen getroffen:
Wer ein verbotenes Autorennen durchführt, es ausrichtet oder daran teilnimmt, kann mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren, bei schweren Personenschäden sogar mit Freiheitsstrafe bis zu 10 Jahren bestraft werden. Der Versuch der Durchführung ist nun ebenfalls erfasst. So können auch die Organisatoren solcher Rennen strafrechtlich verfolgt werden.
Auch der einzelne Auto- oder Motorradfahrer, der grob verkehrswidrig und rücksichtslos wie in einem Rennen rast, macht sich künftig strafbar.
Die Fahrzeuge der Teilnehmer können nun nach § 315f StGB eingezogen werden und das Veranstalten der Rennen wird als Katalogtat zur Entziehung der Fahrerlaubnis aufgenommen.
Das Sechsundfünfzigste Strafrechtsänderungsgesetz – Strafbarkeit nicht genehmigter Kraftfahrzeugrennen im Straßenverkehr vom 30. September 2017 wurde am 12. Oktober 2017 im Bundesgesetzblatt verkündet. Es trat am Tag nach seiner Verkündung in Kraft.
Weitere Informationen zu illegalen Autorennen finden Sie auch auf Bußgeldkatalog.org.
Eine Anklage wegen Mord aus niederen Beweggründen (so aktuell in Berlin) scheint doch etwas überzogen zu sein. Man sollte den relativen Strafzweck nicht aus den Augen verlieren. Das Maß der vom Täter zu sühnenden Schuld ist danach in erster Linie unter dem Gesichtspunkt der Erziehung und Besserung zu bestimmen. Dabei sollte der Fokus deutlich auf der Spezialprävention liegen und die Generalprävention mit ihrer abschreckenden Wirkung lediglich beschränkt Berücksichtigung finden.
Bei der hier angestrebten Verurteilung scheint doch einzig und allein die Generalprävention im Fokus zu stehen. Bleibt zu hoffen, dass hier keine „Rechtsbeugung“ unter dem Deckmantel der Generalprävention betrieben wird. Besonders im Hinblick darauf, dass der Mord die lebenslange Freiheitsstrafe vorsieht.
Grundsätzlich ist es natürlich schwierig als Außenstehende/r ohne Einblick in die Ermittlungsakte zu beurteilen, ob der Anklagevorwurf seine Berechtigung hat – zumindest die Staatsanwaltschaft und der für den Eröffnungsbeschluss zuständige Richter bejahten einen hinreichenden Tatverdacht.
Bedenkt man allerdings, dass in anderen Prozessen um illegale Autorennen Verurteilungen wegen fahrlässiger Tötung / fahrlässiger Körperverletzung ausgesprochen wurden, wirkt es dem ersten Anschein nach so, als würde ein Exempel statuiert werden.
Das mag daher rühren, dass die Thematik die mediale Berichterstattung in den letzten Monaten prägte und große Teile der Bevölkerung die ausgesprochenen Freiheitsstrafen, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurden, als zu milde empfinden.
Innerhalb der in Gesellschaft geäußerten Forderungen nach „Vergeltung“ und einer „härteren Bestrafung“ scheint sich damit ein Strafbedürfnis etabliert zu haben.
Dies ist unter dem Gesichtspunkt nachvollziehbar, dass das Phänomen illegaler Autorennen zuzunehmen scheint – valide Erkenntnisse existieren bedauernswerteweise nicht. Dabei sollte jedoch nicht außer Acht gelassen werde, dass solche Forderungen oftmals emotionsgeleitet und ohne juristisches Hintergrundwissen (insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis der Tötungsdelikte) geäußert werden.
Es sollte gerade vor dem Hintergrund der Straferwartung im Falle einer Verurteilung wegen Mordes berücksichtigt werden, dass eine fahrlässige Tötung ein Höchststrafmaß von 5 Jahren Freiheitsstrafe vorsieht.
Dabei kann der vorgeworfene Sorgfaltspflichtverstoß an objektiven Kriterien wie der Geschwindigkeitsüberschreitung, Berechnungen zu Bremswegen und Reaktionszeiten etc. ermittelt werden.
Dass von der Ausschöpfung dieses Strafrahmens kein Gebrauch gemacht wird, dürfte dem Umstand der Strafrahmenbildung geschuldet sein.
Die Einführung eines neuen Straftatbestandes § 315d ist daher unter dem Aspekt zu begrüßen, dass die Durchführung illegaler Autorennen nunmehr strafrechtlich geahndet werden kann und im Falle der Verursachung des Todes eine höhere Straferwartung nach sich ziehen dürfte als die Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung.
Somit kann die Norm ein adäquates Mittel darstellen, bestehende Schutzlücken zu schließen.