KriPoZ-RR, Beitrag 26/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 23.01.2020 – 5 StR 518/19: Keine strafrechtliche Einziehung des Nachlasses bei deliktischer Herbeiführung des Erbfalls

Leitsatz der Redaktion:

Führt der Täter den Erbfall durch ein Tötungsdelikt herbei, kann der ihm durch seine Erbenstellung zufallende Nachlass nicht nach den §§ 73 ff. StGB eingezogen werden, da vorrangig und abschließend §§ 2339 Abs. 1 Nr. 1, 2340 ff. BGB zur Anwendung kommen.

Sachverhalt:

Das LG Lübeck hat den Angeklagten wegen Mordes verurteilt und die Einziehung des Nachlasses des getöteten Opfers angeordnet.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte seine Mutter getötet und dadurch als Erbschaft ein Hausgrundstück, ein Kraftfahrzeug und mehrere Bankguthaben erhalten. Diesen Nachlass hat das LG gem. § 73 Abs. 1 StGB eingezogen, da er durch eine rechtswidrige Tat erlangt worden sei.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob die Einziehungsentscheidung auf. Zwar sei es zutreffend, dass der Angeklagte den Nachlass durch die Tötung und damit durch eine rechtswidrige Tat im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB erlangt habe. Allerdings seien die Regelungen über die strafrechtliche Einziehung nach §§ 73 ff. StGB in solchen Fällen nicht anwendbar. Ihr Ziel sei es, eine von der Rechtsordnung nicht gebilligte Vermögenslage zu bereinigen. Werde die nach der Tat bestehende Güterlage von der Rechtsordnung gebilligt oder könne durch andere Rechtsinstitute rückgängig gemacht werden, bleibe für eine strafrechtliche Einziehung, die diese Wertung unterlaufen würde, kein Raum mehr, so der BGH.

Für die Situation, dass der Erblasser vom Erben getötet worden sei, gebe es allerdings mit § 2339 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2340 ff. im BGB eine vorrangig anzuwendende und abschließende Sonderregelung. Charakteristisch für dieses Regelungsinstitut sei es, dass die Möglichkeit zur Erbanfechtung im Wege einer Gestaltungsklage dem Willen des Anfechtungsberechtigten überlassen werde. Diese Wertung des Gesetzgebers würde durch eine Anwendung der §§ 73 ff. StGB unterlaufen.

Zudem würde durch die strafrechtliche Einziehung nur die Vermögenslage, nicht jedoch die Erbenstellung des Täters geändert. Das führte dazu, dass er weiter für die Nachlassverbindlichkeiten haften müsste, ohne den Nachlass zu erhalten. Des Weiteren würde der Staat durch eine Einziehung die Nachlassgläubiger benachteiligen, deren Ansprüche nun nicht mehr aus dem Nachlass befriedigt werden könnten.

 

Anmerkung der Redaktion:

Das Recht der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung ist 2017 umfassend reformiert worden. Weitere Informationen zu der Gesetzesreform finden Sie hier.

KriPoZ-RR, Beitrag 25/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 05.02.2020 – 3 StR 565/19: Vorwegvollzug bei Freiheitsstrafe über drei Jahren

Amtlicher Leitsatz:

Ordnet das Tatgericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an und verhängt eine zeitige Freiheitsstrafe von über drei Jahren, so richtet sich die Anordnung des Vorwegvollzugs eines Teils der Strafe stets nach § 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StGB; für die Anwendung des § 67 Abs. 2 Satz 1 StGB ist daneben kein Raum.

Sachverhalt:

Das LG Koblenz hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt und den Vorwegvollzug von einem Jahr und fünf Monaten angeordnet.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen habe sich der Angeklagte ernstlich bereit gezeigt, in der Haft eine Ausbildung zu beginnen und dann eine Therapie gemäß § 35 BtMG zu absolvieren. Diese Möglichkeit hatte das LG als erreichbar eingeschätzt und nach § 67 Abs. 2 Satz 1 StGB einen Vorwegvollzug angeordnet, um als Vorstufe der Behandlung die Erreichung des Maßregelzwecks zu erleichtern. Durch die Möglichkeit, eine Ausbildung zu beginnen, hatte das LG dem Beschuldigten vor Auge führen wollen, wie sehr der Drogenkonsum sein Leben beeinträchtig habe, was zu einer Förderung der Therapiebereitschaft hatte führen sollen.

Entscheidung des BGH:

Der BGH entschied, dass die Anordnung des Vorwegvollzugs rechtsfehlerhaft gewesen sei, da das LG § 67 Abs. 2 Satz 1 StGB angewendet hatte. Zu dem Verhältnis von § 67 Abs. 2 Satz 1 StGB zu Satz 2 und 3 derselben Vorschrift führte der BGH aus:

Bei einer Freiheitsstrafe von über drei Jahren müsse sich die Anordnung des Vorwegvollzugs stets nach § 67 Abs. 2 Sätze 2 und 3 StGB richten, da zum einen der Wille des historischen Gesetzgebers dafür spreche. Dieser habe den hier zu entscheidenden Fall bewusst aus § 67 Abs. 2 StGB a.F. herausgenommen und abschließend in den Sätzen 2 und 3 geregelt. Dabei sei der Vorwegvollzug zwingend auf den Halbstrafenzeitpunkt auszurichten, da somit die Aussicht auf eine Aussetzung der Strafe zur Bewährung eine zusätzliche Therapiemotivation darstellen sollte.

Zudem habe der Rechtsausschuss im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen, dass es durch den Vorwegvollzug und die Unterbringung in der Maßregel, keine Verlängerung des Freiheitsentzuges geben dürfe.

Auch der Wortlaut und die Systematik sprächen für eine ausschließliche Anwendbarkeit der Sätze 2 und 3, da sowohl in Satz 1 als auch in Satz 2 von einem „Teil der Strafe“ gesprochen werde. Könnten nun beide Regelungen angewendet werden, führe dies dazu, dass es zwei verschiedene „Teile der Strafe“ geben würde. Einen mit fester Dauer (Satz 3) und einen, bei dem die Dauer im Ermessen des Gerichts stehe (Satz 1). Dass der Gesetzgeber für diesen Fall keine Regelung zur Auflösung dieses Zustands getroffen habe, zeige, dass eine ausschließliche Anwendung der Sätze 2 und 3 vorgesehen sei, so der BGH.

 

Anmerkung der Redaktion:

§ 67 Abs. 2 StGB war durch das Gesetz zur Sicherung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt vom 16. Juli 2007 in seine drei Sätze unterteilt worden, wobei die ursprüngliche Regelung in Satz 1 übernommen worden war.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 24/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 14.01.2020 – 4 StR 397/19: Versuchsbeginn bei Qualifikationstatbeständen

Leitsatz der Redaktion:

Sollen keine weiteren wesentlichen Zwischenakte bis zur Tatbestandsverwirklichung mehr erfolgen, liegt der Versuchsbeginn bei Qualifikationstatbeständen schon im Zeitpunkt der Erfüllung des qualifizierenden Merkmals.

Sachverhalt:

Das LG Halle hat den Angeklagten wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte er begonnen, ein Küchen- bzw. Terrassenfenster eines Einfamilienhauses aufzuhebeln. Dabei war er jeweils beobachtet und angesprochen worden und hatte sich daraufhin vom Tatort entfernt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung durch das LG. Der Angeklagte habe die Fenster aufgehebelt, um im Anschluss Gegenstände aus den Häusern zu entwenden. Dass er zu der für die Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Wegnahmehandlung noch nicht angesetzt hatte, sei für den Versuchsbeginn des Wohnungseinbruchdiebstahls in diesem Fall irrelevant. Nach dem Einbrechen in die Privathäuser, seien nach dem Tatplan des Beschuldigten keine weiteren wesentlichen Zwischenakte mehr bis zur Wegnahme erforderlich gewesen. Daher genüge die Verwirklichung dieses qualifizierenden Merkmals, um den Versuch beginnen zu lassen.

Zwar müsse die Handlung des Täters für die Beurteilung, ob diese nach dem Tatplan ohne weitere Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollte, auch bei Qualifikationen oder Strafschärfungen meist in Beziehung zum Grundtatbestand beurteilt werden. Dies gelte jedoch nicht, wenn die Tatbestandserfüllung im unmittelbaren Anschluss geschehen soll und das Rechtsgut daher aus Tätersicht schon konkret gefährdet sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

Dies hatten der zweite (Beschl. v. 20.09.2016 – 2 StR 43/16) und fünfte Strafsenat (Beschl. v. 04.07.2019 – 5 StR 274/19) in anders gelagerten Fällen anders entschieden. Ein genereller Ausschluss des Versuchsbeginns beim Wohnungseinbruchdiebstahl, solange noch nicht unmittelbar zur Wegnahmehandlung angesetzt worden sei, schließe der vierte Senat aus.

 

 

Obergerichtliche Rechtsprechung betreffend Corona-Verordnungen

Entscheidungen aus dem Jahr 2020 finden Sie hier. Hier finden Sie Rechtsprechung der Verfassungs- und Oberverwaltungsgerichte zu den Corona-Verordnungen der einzelnen Bundesländer:

 

Entscheidungen des BGHs und BVerfGs:

 

BGH, Beschl. v. 08.02.2022 – 3 ZB 4/21: Unterbindungsgewahrsam wegen Verstoßes gegen Coronaschutzverordnung zulässig

Der BGH hat entschieden, dass § 3 Abs. 2 Nr. 8 der Coronaschutzverordnung NRW und die bußgeldbewehrte Anordnung kein Verfassungsrecht verletzen und damit die Rechtsbeschwerde des Betroffenen verworfen. Zur Unterbindung der Ordnungswidrigkeit war die angeordnete Freiheitsentziehung nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 PolG NRW nicht zu beanstanden. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 08/2022

 

BVerfG, Beschl. v. 31.01.2022 – 1 BvR 208/22: Vorsorgliches Verbot von Corona-Protesten gebilligt

Das BVerfG hat in einem Eilantrag entschieden, dass das vorsorgliche Verbot von nicht angemeldeten Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen („Montagsspaziergängen“) vorerst bestehen bleibt. Der Antrag des Antragstellers wurde damit abgelehnt. 

Der Schutz von Leben und körperlicher Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 GG) als geschützte Interessen der Allgemeinheit überwiege in einer Folgeabwägung gegenüber den Eingriffen in die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) des Beschwerdeführers. Insbesondere die Organisation der Versammlung (Anmeldung als unangemeldeter Spaziergang) verunmögliche die Kooperation mit der Versammlungsbehörde und spreche zu Lasten des Beschwerdeführers. 

Im Hauptsacheverfahren sei die offene Frage zu klären, ob ein präventives Versammlungsverbot mit Art. 8 GG vereinbar sei. 

 

BVerfG, Beschl. v. 16.12.2021 – 1 BvR 1541/20: Der Gesetzgeber muss Menschen mit Behinderung schützen („Triage-Urteil“)

Dem Staat ist es verboten Menschen wegen ihrer Behinderung unmittelbar oder mittelbar zu diskriminieren. Das Verbot sowie der Schutz vor Benachteiligung aufgrund der Behinderung auch durch Dritte ergeben sich aus Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG.

Dieser Schutzauftrag kann zu einer Schutzpflicht ausgedehnt werden, wenn bestimmte Konstellationen ausgeprägter Schutzbedürftigkeit vorliegen. Hierzu zählt die gezielte Ausgrenzung von Personen wegen einer Behinderung in Situationen, in denen eine Gefahr für hochrangige grundrechtlich geschützte Rechtsgüter wie das Leben oder auch Situationen struktureller Ungleichheit vorliegt.

Der Grund für diese Schutzpflicht ergibt sich aus dem Risiko der Benachteiligung wegen einer Behinderung bei der Zuteilung knapper, überlebenswichtiger intensivmedizinischer Ressourcen. ⇒ KriPoZ-RR, Beitrag 59/2021

 

BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 – 1 BvR 798/21 – 1 BvR 805/21 – 1 BvR 854/21 – 1 BvR 860/21 – 1 BvR 889/21: Corona-„Notbremse“ war verhältnismäßig

Das BVerfG hat entschieden, dass die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, die mit Inkrafttreten des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 23.04.2021 in das IfSG eingefügt wurden (§ 28 b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 10, Abs. 7; § 28 c), mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Verfassungsbeschwerden aller Beschwerdeführer wurden verworfen.

Durch die Neuregelungen liege eine erhebliche Verletzung in die Freiheit der Person, in die allgemeine Handlungsfreiheit sowie in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und in das Ehe- und Familiengrundrecht vor. Die Maßnahmen seien jedoch Bestandteil eines Schutzkonzeptes, welches der Gesetzgeber zur Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems entwickelt habe. Trotz des Eingriffsgewichtes überwiege die Bedeutung der überragend wichtigen Gemeinwohlbelange. Die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen seien damit verhältnismäßig und würden den verfassungsmäßigen Anforderungen standhalten.

 

BVerfG, Beschl. v. 01.06.2021 / 31.05.2021 – 1 BvR 927/21 / 1 BvR 794/21: Weitere Anträge gegen Viertes Bevölkerungsschutzgesetz (Bundesnotbremse) erfolglos

In weiteren Anträgen haben sich verschiedene Interessensgruppen (Sportler, Einzelhändler, Kosmetiker etc.) gegen die sie jeweils betreffenden Regelungen des IfSG an das BVerfG gewendet.

Wiederum hat das Verfassungsgericht festgestellt, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen anzusehen sind und sich die Begründetheit der Eilanträge daher anhand einer sog. doppelten Folgenabwägung zu beurteilen sind. Diese komme zu dem Ergebnis, dass der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers noch nicht überschritten worden sei und die Einschränkungen der sog. Bundesnotbremse daher in Kraft bleiben.

 

BVerfG, Beschl. v. 20.05.2021 – 1 BvR 968/21; 1 BvQ 64/21; 1 BvR 900/21; 1 BvR 928/21: Viertes Bevölkerungsschutzgesetzt bleibt in Kraft

Das BVerfG hat in mehreren Eilanträgen entschieden, dass die Änderungen des vierten Bevölkerungsschutzgesetzes am IfSG nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt werden. Mehrere Beschwerdeführende hatten die verschärften Regelungen für den Einzelhandel, die Schulschließungen, das Verbot kulutreller Veranstaltungen sowie die sonstigen Kontaktbeschränkungen angegriffen.

Nach Ansicht des BVerfG genügten die Vorwürfe der Unverhältnismäßigkeit nicht den hohen Hürden für eine vorläufige Außervollzugsetzung. Die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerden in der Hauptsachen seien offen und die deshalb anzustellende Folgenabwägung gehe jeweils zu Lasten der Beschwerdeführenden aus.

 

BVerfG, Beschl. v. 05.05.2021 – 1 BvR 781/21: Bundesnotbremse wird nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt

Das BVerfG hat entschieden, dass die mit dem vierten Bevölkerungsschutzgesetz eingeführte bundesweite Notbremse mit nächtlicher Ausgangssperre nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt wird. Die Regelgungen seien nicht offensichtlich verfassungswidrig, da sie einem legitimen Zweck dienten und die Angemessenheit nicht klar negativ ausfalle und letztlich im umfassenden Hauptsacheverfahren beurteilt werden müsse. Die deshalb anzustellende Folgenabwägung gehe zulasten der Antragsteller aus, da die möglichen Folgen, wenn das Gesetz außer Vollzug gesetzt würde, es jedoch verfassungsgemäß wäre, deutlich gravierender seien, als in der entgegengesetzten Konstellation.

 

Entscheidungen anderer VGs und OVGs:

 

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.02.2022 – 1 S 16/22: OVG erklärt präventives Verbot unangemeldeter Corona-Demonstratitionen für zulässig

Das OVG Berlin-Brandenburg hat entschieden, dass präventive Verbote für unangemeldete Demonstrationen zulässig sind. Damit wurde die Entscheidung des VG Cottbus aufgehoben. 

Es seien durch die Polizei ausreichend Gründe aufgeführt worden, dass es zu massiven Verstößen gegen die Coronaverordnung kommen könne. Insbesondere spreche die bewusst unterlassene Anmeldung der Versammlung für diese Annahme. Hinzu komme, dass eine hohe Infektionsgefahr bestehe.

 

BayVGH, Beschl. v. 19.01.2022 – 20 NE 21.3119: 2G-Regel im Einzelhandel wird vorläufig außer Vollzug gesetzt

Auch der BayVGH hat entschieden, dass die bislang geltende 2G-Regel im Einzelhandel vorläufig außer Vollzug gesetzt wird. Dem Eilantrag der Antragstellerin hat das Gericht stattgegeben. 

Die Regelung greife in die Berufsfreiheit und den Gleichheitsgrundsatz der Antragstellerin ein. Bei der vorliegend strittigen Ausnahmeregelung „Ladengeschäfte zur Deckung des täglichen Bedarf“ ergebe sich nicht mit hinreichender Klarheit aus der Verordnung selbst welche Ladengeschäfte hiervon betroffen seien. Dies müsse sich aber – insbesondere für „Mischsortimente“ – aus der Verordnung selbst ergeben und nicht auf gerichtlicher Ebene entschieden werden. 

 

OVG NRW, Beschl. v. 22.12.2021 – 13 B 1858/21.NE: 2G-Regel im Einzelhandel ist nicht offensichtlich unverhältnismäßig

Das OVG NRW hat entschieden, dass die 2G-Regel im Einzelhandel in Kraft bleibt, da die Regelungen nicht offensichtlich unverhältnismäßig seien. Der Antrag der Antragstellerin wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Zwar greife die Maßnahme als Berufsausübungsregelung in Art. 12 Abs. 1 GG der betroffenen Betreiber sowie in Art. 2 Abs. 1 GG der potentiellen Kunden ein, gegenüber dem bezweckten Gesundheitsschutz der Bevölkerung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) als Rechtsgut von überragender Bedeutung sei dieser Eingriff allerdings gerechtfertigt.

Auch das OVG Saarland, VG Berlin und OVG Schleswig-Holstein beschlossen, dass die 2G-Regel im Einzelhandel in Kraft bleibt. Anders hingegen entschied das OVG Niedersachsen und setzte die 2G-Regel vorläufig außer Vollzug.

 

OVG Bremen, Beschl. v. 12.04.2021 – 1 B 123/21: Gastro-Schließung bleibt bestehen

Das OVG Bremen hat entschieden, dass die Beschränkungen für die Gastronomie aufgrund der Bremischen Coronaverordnung (§ 4 Abs. 2 Nr. 8) offensichtlich rechtmäßig sind und daher nicht einstweilig aufgehoben werden. Damit hat das Gericht den Eilanträgen dreier Gastronomiebetreibern nicht abgeholfen.

Das OVG hält eine Inanspruchnahme der Gastronomen als sog. Nichtstörer für möglich, da auch Dritte nach dem IfSG Adressat infektionsschützender Maßnahmen sein könnten. Darüber hinaus sei die Maßnahme auch verhältnismäßig, da zwar die Ansteckungsgefahr im Freien nach wissenschaftlichen Erkenntnissen wesentlich geringer sei, aber eine Schließung der Außengastronomie solle laut der Begründung des Gesetzgebers die Mobilität der Bevölkerung im Gesamten senken, was eine zulässige Erwägung innerhalb des gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums darstelle.

 

OVG Niedersachsen, Beschl. v. 09.04.2021 – 13 MN 170/21: Quarantänepflicht bei Rückreise bleibt in Kraft

Das OVG Niedersachsen hat entschieden, dass die Pflicht für Reiserückkehrer, sich in Quarantäne zu begeben, nicht offensichtlich rechtswidrig sei und daher nicht außer Vollzug gesetzt werde.

Es sei offen, ob die Regelung eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei, jedoch genügten offene Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht, um das Aussetzungsinteresse überwiegen zu lassen, da die anzustellende Folgenabwägung zugunsten des weiteren Vollzugs der Regelung ausgehe.

 

OVG NRW, Beschl. v. 19.03.2021 – 13 B 252/21.NE: Beschränkungen des Einzelhandels in NRW aufgehoben

Das OVG NRW in Münster hat die Beschränkungen für den Einzelhandel in der CoronaSchVO NRW vorläufig außer Vollzug gesetzt. Das Gericht hatte in der Differenzierung zwischen einzelnen Handelszweigen eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung und damit einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gesehen. Wenn kein sachlicher Differenzierungsgrund mehr ersichtlich sei, überschreite der Verordnungsgeber seinen ohnehin schon großen Gestaltungsspielraum, so die Richter.

 

OLG Hamm, Beschl. v. 08.02.2021 – 1 RBs 2, 4-5/21: Ansammlungsverbot der CoronaSchVO NRW voraussichtlich rechtmäßig

Das OLG Hamm hat in mehreren Beschlüssen entschieden, dass das Ansammlungsverbot im öffentlichen Raum (§ 12 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 3 Nr. 2 CoronaSchVO) rechtmäßig ist. Das Verbot sei von der Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Begriffliche Unbestimmtheiten bestünden bei den Begriffen „Zusammenkunft“ und „Ansammlung“ nicht.  Auch bestünden keine Bedenken gegen die materielle rechtmäßigkeit der Regelung, da sie insbesondere verhältnismäßig sei.

Eine ähnliche Entscheidung erging am 28.01.2021 vom 4. Senat für Bußgeldsachen: 4 RBs 446/20.

 

SächsOVG, Beschl. v. 07.02.2021 – 3 B 424/20: § 5 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 SächsCoronaSchVO sind voraussichtlich rechtmäßig

Das Sächsische OVG hat entschieden, dass die Zutrittsbeschränkung für Groß- und Einzelhandelsmärkte, die eine Verkaufsfläche von über 800 qm aufweisen, voraussichtlich rechtmäßig ist und somit nicht einstweilen außer Vollzug zu setzten ist.

Die Verordnung der Sächsischen Staatsregierung stütze sich auf eine ausreichende Verordnungsermächtigung, die Voraussetzungen dieser lägen zudem auch vor, die Norm sei ausreichend bestimmt und greife zudem nicht in unverhältnismäßiger Weise in die Grundrechte der Antragstellerin ein.

 

BayVGH, Beschl. v. 26.01.2021 – 20 NE 21.162: 15 KM-Regelung außer Kraft gesetzt

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die 15 KM-Regelung aus § 25 Abs. 1 Satz 1-3 BayIfSMV vorläufig außer Vollzug gesetzt. Die Norm verstoße gegen den Bestimmtheitsgrundsatz (abgeleitet aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 Abs. 3 GG), da für den Bürger nicht erkennbar sei, welchen räumlichen Geltungsbereich die ihn hieraus treffende Pflicht, keine touristische Tagesausflüge über einen Umkreis von 15 km um die Wohnortgemeinde zu unternehmen, hat. Sowohl in zeitlicher als auch in räumlicher Hinsicht sei aus der Regelung nicht unmittelbar ersichtlich, ab welchem Zeitpunkt das Verbot gelte und wie sich der erlaubte Aufenthaltsbereich für den Normunterworfenen konkret darstelle.

 

OVG Thüringen, Beschl. v. 07.01.2021 – 3 EN 851/20: Schließung des Einzelhandels gerechtfertigt

Das OVG Thüringen hat den Antrag auf Außervollzugsetzung der Sondereindämmungsmaßnahmenverordnung einer Möbelhausbetreiberin abgelehnt.

Es müsse offenbleiben, ob die Differenzierung in § 8 Abs. 2 3. ThürSARS-CoV-2-SonderEindmaßnVO, wonach Geschäfte des Einzelhandels für den Publikumsverkehr grundsätzlich zu schließen seien, jedoch der Kfz-Handel weiterhin geöffnet sei, nach Art. 3 GG sachlich zu rechtfertigen sei. Eine solche Rechtfertigung sei ausgehend von der besonderen Infektionslage und dem dadurch bedingten Handlungsdruck des Verordnungsgebers nicht ausgeschlossen, so das OVG.

Allein eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes eröffne dem Verordnungsgeber, soweit nicht andere rechtserhebliche Gesichtspunkte Anderes geböten erneut einen Entscheidungsspielraum, diesen Gleichheitsverstoß zu beseitigen. Dies schließe vorliegend nicht aus, im Interesse des Infektionsschutzes und der Vermeidung weiterer Infektionen, Kontaktbeschränkungen gegebenenfalls auch für weitere, bislang geöffnete Bereiche des Wirtschaftslebens einzuführen.

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