KriPoZ-RR, Beitrag 29/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 28.04.2020 – 5 StR 15/20: Zum Versuchsbeginn beim Einbruchdiebstahl

Amtlicher Leitsatz:

Versuchsbeginn beim Einbruchdiebstahl.

Leitsatz der Redaktion:

Der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens im Sinne des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB genügt regelmäßig, um einen Versuchsbeginn zu bejahen.

Sachverhalt:

Das LG Flensburg hat den Angeklagten u.a. anderem wegen versuchten Diebstahls verurteilt. Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte Zigaretten aus einem Automaten entwenden wollten und dafür bereits Werkzeug bereitgelegt und den Automaten mit einer Decke abgedeckt gehabt. Daraufhin hatte er versucht eine Steckdose für seinen Trennschleifer zu finden, was ihm nicht gelungen war. Zum Einsatz des weiteren, für diesen Fall gedachten, Werkzeugs kam es nicht mehr, da der Angeklagte davon ausgegangen war, entdeckt worden zu sein.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung wegen versuchten Diebstahls der Zigaretten und nutze die Gelegenheit, um Aussagen zum Versuchsbeginn bei Einbruchdiebstählen zu treffen.

Grundsätzlich versuche eine Tat, wer aus seiner Sicht die Schwelle zum „jetzt geht’s los“ überschritten habe. Dafür müsse der Täter Handlungen vorgenommen haben, die nach seinem Tatplan in ungestörtem Fortgang ohne weitere Zwischenschritte unmittelbar in die Tatbestandsverwirklichung einmünden oder in unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen sollten.

Ein weiterer erforderlicher Willensimpuls zur Erfolgsherbeiführung spreche daher meist gegen die Annahme des Versuchsbeginns, so der BGH. Abgrenzungskriterium sei hierbei die konkrete Gefährdung des Rechtsguts aus Tätersicht. Bei Qualifikationen und Regelbeispielen komme es meist auf den Versuchsbeginn des Grunddelikts an, daher sei bei § 242 ff. StGB maßgeblich, ob aus Tätersicht durch seine Handlung bereits die konkrete Gefahr eines ungehinderten Zugriffs auf die Beute bestehe.

Dafür genüge schon der erste Angriff auf etwaige Schutzmechanismen, wenn sich der Täter nach Überwindung selbiger, einen ungehinderten Zugriff ohne weitere wesentliche Zwischenschritte erhofft. Dasselbe gelte bei mehreren hintereinanderliegenden Schutzmechanismen, wenn deren Überwindung in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehe. Daher genüge für einen Versuch des Einbruchdiebstahls gem. §§ 242 Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB regelmäßig der Beginn des Einbrechens, Einsteigens oder Eindringens.

Demnach habe die Verhüllung des Automaten für den Angeklagten den ersten Schritt zum Aufbrechen des Automaten bedeutet und damit den Versuchsbeginn ausgelöst.

 

Anmerkung der Redaktion:

Der Senat hob damit seine entgegenstehende Rechtsprechung auf. Er hatte in einem anderen Verfahren (BGH, Beschl. v. 04.07.2019 – 5 StR 274/19), das abgebrochene Aufbohren eines Türschlosses nicht als Versuchsbeginn zum Wohnungseinbruchdiebstahl angesehen.

Damit schließt sich der Senat nun der Rechtsprechung des 4. Senats an, der bereits beim Wohnungseinbruchdiebstahl das unmittelbare Ansetzen bei Vornahme der strafschärfenden Handlung ohne Verwirklichung des Grundtatbestands für den Versuchsbeginn ausreichen lassen hatte. Den KriPoZ-RR Beitrag zu dieser Entscheidung finden Sie hier.

 

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 24/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 14.01.2020 – 4 StR 397/19: Versuchsbeginn bei Qualifikationstatbeständen

Leitsatz der Redaktion:

Sollen keine weiteren wesentlichen Zwischenakte bis zur Tatbestandsverwirklichung mehr erfolgen, liegt der Versuchsbeginn bei Qualifikationstatbeständen schon im Zeitpunkt der Erfüllung des qualifizierenden Merkmals.

Sachverhalt:

Das LG Halle hat den Angeklagten wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte er begonnen, ein Küchen- bzw. Terrassenfenster eines Einfamilienhauses aufzuhebeln. Dabei war er jeweils beobachtet und angesprochen worden und hatte sich daraufhin vom Tatort entfernt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte die Verurteilung durch das LG. Der Angeklagte habe die Fenster aufgehebelt, um im Anschluss Gegenstände aus den Häusern zu entwenden. Dass er zu der für die Tatbestandsverwirklichung maßgeblichen Wegnahmehandlung noch nicht angesetzt hatte, sei für den Versuchsbeginn des Wohnungseinbruchdiebstahls in diesem Fall irrelevant. Nach dem Einbrechen in die Privathäuser, seien nach dem Tatplan des Beschuldigten keine weiteren wesentlichen Zwischenakte mehr bis zur Wegnahme erforderlich gewesen. Daher genüge die Verwirklichung dieses qualifizierenden Merkmals, um den Versuch beginnen zu lassen.

Zwar müsse die Handlung des Täters für die Beurteilung, ob diese nach dem Tatplan ohne weitere Zwischenakte in die Tatbestandsverwirklichung einmünden sollte, auch bei Qualifikationen oder Strafschärfungen meist in Beziehung zum Grundtatbestand beurteilt werden. Dies gelte jedoch nicht, wenn die Tatbestandserfüllung im unmittelbaren Anschluss geschehen soll und das Rechtsgut daher aus Tätersicht schon konkret gefährdet sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

Dies hatten der zweite (Beschl. v. 20.09.2016 – 2 StR 43/16) und fünfte Strafsenat (Beschl. v. 04.07.2019 – 5 StR 274/19) in anders gelagerten Fällen anders entschieden. Ein genereller Ausschluss des Versuchsbeginns beim Wohnungseinbruchdiebstahl, solange noch nicht unmittelbar zur Wegnahmehandlung angesetzt worden sei, schließe der vierte Senat aus.

 

 

KriPoZ-RR, Beitrag 60/2019

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Urt. v. 23.10.2019 – 2 StR 139/19: Versuchsbeginn beim Eingehungsbetrug in mittelbarer Täterschaft

Leitsatz der Redaktion:

Entlässt der Hintermann den Tatmittler aus seinem unmittelbaren Herrschaftsbereich, ist darin dann noch kein Versuchsbeginn zu sehen, wenn die Tatbegehung erst nach einer längeren Zeit erfolgen soll oder eine konkrete Rechtsgutsgefährdung beim Opfer noch nicht eingetreten ist.

Sachverhalt (gekürzt):

Das LG Wiesbaden hat den Angeklagten wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung, schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung in zwei Fällen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in sieben Fällen verurteilt.

Nach den tatgerichtlichen Feststellungen hatte ein Bekannter des Angeklagten 2017 einen im Jahr 2008 gestohlenen PKW der Marke Bentley angekauft. Dem Angeklagten war daraufhin aufgefallen, dass das Fahrzeug eine sog. Doublette darstellte, also ein Fahrzeug mit gefälschter Fahrzeugidentifikationsnummer. Er hatte dann den gutgläubigen Zeugen S mit der Bitte kontaktiert, das Fahrzeug im Kundenauftrag zu verkaufen und ihm gefälschte Fahrzeugpapiere vorgelegt. Auf dieses Angebot hatte sich ein Interessent gemeldet, zu einem Vertragsschluss war es jedoch nicht gekommen.

In einer weiteren Tat, hatte der Angeklagte eine Garage angemietet, um in dieser mit seinen Bekannten von diesen gestohlene Autos „aufzubereiten“, also unter anderem die Fahrzeugidentifikationsnummer zu verändern. Die PKWs wurden vor einem Verkauf von der Polizei sichergestellt.

Entscheidung des BGH:

Der BGH hob das Urteil auf, da die Feststellungen eine Verurteilung wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung und wegen schweren Bandendiebstahls in Tateinheit mit gewerbs- und bandenmäßiger Urkundenfälschung nicht trügen.

Die Einschaltung des Zeugen S sei als mittelbare Täterschaft zu werten, was Auswirkungen auf die Beurteilung des Versuchsbeginns habe. Im Grundsatz sei der Versuchsbeginn bei Beteiligung eines mittelbaren Täters schon dann zu sehen, wenn der Hintermann die Einwirkung auf den Tatmittler abgeschlossen habe, so der BGH. Mit dem Entlassen des Tatmittlers sei ein unmittelbares Ansetzen für den Hintermann zu bejahen, wenn dieser die Vorstellung gehabt habe, dass die Tatbegehung in engem Zusammenhang mit seiner Einwirkung geschehe.

Etwas anderes müsse gelten, wenn die Tatbegehung erst nach längerer oder ungewisser Zeit erfolgen soll, das Opfer also nach der Vorstellung des mittelbaren Täters noch nicht oder nur möglicherweise konkret gefährdet ist.

In diesen Fällen sei auch für das unmittelbare Ansetzen des Hintermanns der Versuchsbeginn des Tatmittlers maßgeblich.

Zu diesen Gesichtspunkten blieben die Feststellungen des landgerichtlichen Urteils zu unkonkret.

Ebenso habe das LG nicht tragfähig begründet, warum eine Mittäterschaft des Angeklagten vorliegen solle, indem er die Garage anmietete.

Bei jeder Bandentat sei vereinzelt festzustellen, welchen Grad der Tatbeteiligung die Handlung eines Bandenmitglieds erfülle, dies gelte vor allem bei der Abgrenzung zwischen Mittäterschaft und Beihilfe. Hier sei eine wertende Gesamtbetrachtung mithilfe folgender Kriterien vorzunehmen: Interesse an der Durchführung der Tat, Umfang der Tatherrschaft und der Wille zur Tatherrschaft. Die ledigliche Förderung der Ausführung der eigentlichen Tathandlung genüge für eine (Mit-)Täterschaft gerade nicht.

Auch diese Fragestellung könne anhand der Feststellungen des LG nicht abschließend beurteilt werden, sodass eine Aufhebung des Urteils geboten gewesen sei.

 

Anmerkung der Redaktion:

Die breit diskutierte Frage nach dem Versuchsbeginn bei mittelbarer Täterschaft hat der BGH schon hier diskutiert.

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