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KriPoZ-RR, Beitrag 37/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BVerfG, Beschl. v. 17.02.2020 – 1 BvR 1624/16: Keine Vorverlagerung elementarer Fragen in das Prozesskostenhilfeverfahren

Leitsatz der Redaktion:

Maßgebliche Sachverhaltsumstände und höchstrichterlich noch nicht entschiedene komplexe Rechtsfragen dürfen nicht im summarischen Prozesskostenhilfeverfahren beurteilt werden, sondern führen bei unbemittelten Personen zu einem Anspruch auf Prozesskostenhilfe, um die Fragen in einem Hauptverfahren klären zu können.

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss des OLG München, das ihm die Prozesskostenhilfe für ein Berufungsverfahren verweigert hatte, da seine Amtshaftungsklage gegen das Land Bayern aufgrund menschwürdewidriger Unterbringung während er Untersuchungshaft nicht den nötigen Erfolg versprochen habe.

Der Kläger war für wenige Tage in der Untersuchungshaft in Hafträumen mit Grundflächen von 8,04 m² und 9,5 m² und abgeschlossenen Toiletten mit einem anderen Mithäftling untergebracht gewesen. Dies hielt er für einen Verstoß gegen seine Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG.

Das zuständige LG wies die Klage als unbegründet ab, was das OLG zum Anlass nahm, die Erfolgswahrscheinlichkeit im Berufungsverfahren als zu gering einzuschätzen, um dem Beschwerdeführer die Prozesskostenhilfe zu gewähren.

Entscheidung des BVerfG:

Das BVerfG entschied, dass der Beschwerdeführer durch den Beschluss des OLG in seinem Anspruch auf Rechtsschutzgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG verletzt werde.

Grundsätzlich sei es möglich, dass die Gewährung von Prozesskostenhilfe von den Erfolgsaussichten der Hauptsache abhängig gemacht werde, so das BVerfG. Gerade zur Verhinderung mutwilliger Klagen sei dies ein probates Mittel.

Allerdings dürfe dieses Vorgehen nicht dazu führen, dass die Prüfung wichtiger Fragen des Einzelfalls oder die Auseinandersetzung mit elementaren und noch nicht höchstrichterlich geklärten Rechtsfragen in das summarische Prüfungsverfahren des Prozesskostenhilfeantrags vorverlagert würden.

Es sei Aufgabe des Prozesskostenhilfeverfahrens, den Rechtsschutz im Hauptverfahren zu ermöglichen und nicht diesen selbst zu bieten. Daher erwachse dem unbemittelten Bürger ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe, wenn die Erfolgsaussichten seiner Klage zwar gering seien, wichtige und elementare Fragen jedoch eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren erforderlich machten.

So liege es auch in diesem Fall. Die Frage, wann die Unterbringung in der Untersuchungshaft den Inhaftierten in seiner Menschwürde beeinträchtige, sei höchstrichterlich noch nicht entschieden und müsse immer anhand des konkreten Einzelfalls beurteilt werden. Daher sei das Hauptverfahren erforderlich gewesen und die Prozesskostenhilfe hätte vom OLG nicht abgelehnt werden dürfen.

 

Anmerkung der Redaktion:

Auch für das Verfassungsbeschwerdeverfahren ist nach dem BVerfG die Prozesskostenhilfe nur zu bewilligen, wenn eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht und die Beschwerde nicht willkürlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 29.04.2020 – 2 BvR 363/20).

 

 

 

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