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KriPoZ-RR, Beitrag 90/2020

Die Entscheidung im Original finden Sie hier.

BGH, Beschl. v. 18.11.2020 – 4 StR 35/20: Falsche Schlüssel vergisst man leicht

Amtlicher Leitsatz:

Ein bei dem Berechtigten in Vergessenheit geratener Schlüssel ist kein falscher Schlüssel im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB.

Sachverhalt:

Das LG Essen hat den Angeklagten wegen besonders schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit Wohnungseinbruchdiebstahl sowie unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln verurteilt.

Nach den, für den Leitsatz relevanten, tatgerichtlichen Feststellungen hatte der Angeklagte aus dem Schlüsselkasten seiner Lebensgefährtin einen Schlüssel für die Wohnung ihrer Ex-Schwiegereltern an sich genommen. Den Schlüssel hatte sie entweder von ihrem damaligen Ehemann oder seinen Eltern erhalten, was nach der Trennung in Vergessenheit geraten war.

Am nächsten Morgen war der Beschuldigte dann zu der Wohnung der Eheleute gefahren, die sich – wie er wusste – im Urlaub befunden hatten. Er hatte sich mit dem zuvor mitgenommen Schlüssel Zugang zur Wohnung verschafft und diverse Gegenstände und Bargeld entwendet. Danach hatte er spontan ein Feuer in der Wohnung gelegt, um seinen Diebstahl zu verschleiern.

Entscheidung des BGH:

Der BGH bestätigte im Grundsatz das Urteil des LG, hob jedoch die Verurteilung wegen Wohnungseinbruchdiebstahls auf, da der Angeklagte keinen falschen Schlüssel zur Tatausführung verwendet habe.

Ein Schlüssel sei im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB falsch, wenn er zum Tatzeitpunkt vom Berechtigten nicht oder nicht mehr zur Öffnung bestimmt sei. Dabei sei die Voraussetzung noch nicht erfüllt, wenn sich der Täter lediglich eines zur Öffnung durchaus gewidmeten Schlüssels unbefugt bediene. Daher sei für die Klassifikation eines Schlüssels als falsch allein der Wille des zur Verfügung über die Wohnung berechtigten, ob er den Schlüssel nicht, noch nicht oder nicht mehr zur Öffnung des Wohnungsschlosses bestimmt sehen möchte, maßgeblich. Dieser Wille könne ausdrücklich oder konkludent zum Ausdruck kommen.

So sei es in der neueren Rechtsprechung des BGH anerkannt, dass ein gestohlener oder abhanden gekommener Schlüssel seine Bestimmung zur Öffnung nicht von selbst verliere, sondern der Verlust vom Berechtigten dafür erst bemerkt werden müsse. Dann sei davon auszugehen, dass der Berechtigte den Schlüssel auch ohne für Dritte erkennbaren Willensakt, entwidmet habe.

Daher sei auch bei einem bloßen Vergessen eines Schlüssels noch keine Entwidmung desselben anzunehmen, so der Senat.

Es müsse verhindert werden, dass der erhöhte Strafrahmen der §§ 244 Abs. 1 Nr. 3 sowie 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB bereits zur Anwendung komme, ohne dass der Berechtigte überhaupt einen entsprechenden Willen zur Entwidmung gefasst habe. Für eine Entwidmung müsse ein verlorener Schlüssel daher zumindest wieder in das Bewusstsein des Berechtigten rücken, um dann von diesem als endgültig verloren betrachtet werden zu können.

Daher könne bei dem von den Ex-Schwiegereltern vergessenen Schlüssel nicht von einem falschen Schlüssel iSd § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ausgegangen werden.

 

Anmerkung der Redaktion:

Bei beendeten Vertragsverhältnissen sieht der BGH dies anders und nimmt bei Schlüsseln, die zurückzufordern vergessen worden sind, eine konkludente Entwidmung an (vgl. BGH, Urt. v. 24.02.1959 – 5 StR 668/58).

 

 

 

 

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