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Das Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts – Zu den jüngsten Arbeiten am Bau für deutsche Weltrechtspflege

von Dr. Svenja Raube, LL.M. (Edinburgh)

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Abstract

„Auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges wurde das Völkerstrafrecht geboren. Unser Land sieht es daher als seine Pflicht an, bei der Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen eine Vorreiterrolle einzunehmen.“[1] Mit diesen Worten leitete der Bundesjustizminister die erste Lesung des Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts ein, das nun am 6. Juni 2024 verabschiedet worden ist. Die kurz nach dem 20. Geburtstag des Völkerstrafgesetzbuchs durch das Bundesjustizministerium angestoßene Reform bringt nicht nur Änderungen im materiellen Strafrecht, sondern auch im Strafverfahrens- und Justizverfassungsrecht mit sich, um die deutsche Strafrechtspflege über die schwersten Verbrechen der internationalen Gemeinschaft zu verbessern. Durch die Änderungen soll erstens das deutsche Völkerstrafgesetzbuch weiter an das Statut des Internationalen Strafgerichtshofs angeglichen werden, zweitens die Rechte der Opfer von Völkerrechtsverbrechen gestärkt und drittens die Breitenwirkung völkerstrafrechtlicher Verfahren und Urteile verbessert werden. Der folgende Beitrag enthält einen Überblick über die nun in Kraft tretenden Änderungen und eine Stellungnahme, inwieweit der Gesetzgeber den formulierten Zielen der Reform und dem Anspruch einer deutschen Vorreiterrolle gerecht geworden ist.

„International criminal law was born on the ruins of the Second World War. Our country therefore considers it its duty to play a pioneering role in the prosecution of crimes under international law.“ With these words, the German Federal Minister of Justice introduced the first reading of the Act on the Further Development of International Criminal Law, which was adopted on 6 June 2024. The reform, which was initiated by the Federal Ministry of Justice shortly after the 20th anniversary of the Code of Crimes against International Law (VStGB), brings about changes not only in substantive criminal law, but also in criminal procedural law and judicial constitutional law, with the aim of improving the German criminal justice system’s ability to deal with the most serious crimes of the international legal order. The amendments are intended, first, to further harmonize the Code of Crimes against International Law with the Statute of the International Criminal Court, second, to strengthen victims‘ rights, and third, to improve the impact and outreach of German international criminal law proceedings and judgments. The following article provides an overview of the amendments that will now come into force and assesses the extent to which the legislator has done justice to the stated aims of the reform and Germany’s intended pioneering role.

I. Anlass und Hintergrund der Reform

„We have been waiting for 18 years for someone to be held accountable. We consider this a start for justice to be finally delivered for the victims. […] If we can’t find justice in our own country, we will go elsewhere. That is why this Bai Lowe trial symbolizes a lot.”[2]

Am 30. November 2023 kam vor dem OLG Celle das weltweit erste Verfahren zum Abschluss, in dem sich ein Gericht mit den Verbrechen früherer Mitglieder von Sondereinheiten gambischer Streitkräfte beschäftigt hat.[3] Die Zuständigkeit des deutschen Oberlandesgerichts zur Verurteilung eines ehemaligen Mitglieds einer für den damaligen gambischen Präsidenten tätigen Spezialeinheit wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit basierte auf dem sogenannten Weltrechtspflegeprinzip, das in § 1 des deutschen Völkerstrafgesetzbuchs (VStGB) verankert ist. Nach diesem Prinzip kann Deutschland die Strafverfolgung über die Völkerrechtsverbrechen des Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit übernehmen, selbst wenn diese Verbrechen im Ausland begangen wurden und auch ansonsten in keinem Bezug zu Deutschland stehen.

Das am 30. Juni 2002 in Kraft getretene VStGB implementiert die Verbrechenstatbestände des Römischen Statuts (IStGH-Statut) in deutsches Recht. Während das deutsche Gesetzbuch im ersten Jahrzehnt seiner Geltung kaum zur Anwendung gebracht wurde[4], hat die Ermittlungs- und Verfolgungsaktivität des Generalbundesanwalts im Bereich der Völkerstraftaten seither signifikant zugenommen.[5] Heute sind Verfahren, in denen deutsche Gerichte über „die schwersten Verbrechen urteilen, die die internationale Gemeinschaft als Ganzes“ betreffen, keine Seltenheit mehr.[6] Große internationale Beachtung erlangt haben in den vergangenen Jahren etwa das Urteil des OLG Frankfurt im Dezember 2021 gegen ein ehemaliges Mitglied des sogenannten „Islamischen Staates“ wegen Völkermordes an den Jesidinnen und Jesiden im Nordirak[7] und die Urteile des OLG Koblenz gegen zwei ehemalige Mitglieder des syrischen Geheimdienstes in den Jahren 2022 und 2023.[8] Der von der deutschen Politik inzwischen regelmäßig wiederholte Anspruch einer deutschen Vorreiterrolle[9] entbehrt daher nicht der Grundlage. 

Trotz der beachtlichen Verdienste der deutschen Justiz im vergangenen Jahrzehnt, blieben die bisherigen deutschen Verfahren in vielerlei Hinsicht noch hinter dem erhobenen Anspruch zurück. Dies betraf insbesondere die Beteiligung der Betroffenen der angeklagten Völkerstraftaten sowie die Dokumentation und Rezeption der Prozesse. So beklagte etwa die Tochter eines der Opfer des Angeklagten vor dem OLG Celle, dass die gambische Bevölkerung dem Verfahren, trotz dessen historischen Bedeutung als Heilungsprozess für „eine ganze Nation“, aufgrund sprachlicher Barrieren nicht habe folgen können.[10] Das Bundesjustizministerium nahm sich dem bestehenden Reformbedarf kurz nach dem 20. Geburtstag des VStGB an und legte am 17. Juli 2023 einen Referentenentwurf vor[11], der am 1. November 2023 in den Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts mündete.[12] Nach einer Expertenanhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024[13] wurde das Gesetz am 6. Juni 2024 in der durch den Rechtsausschuss geänderten Fassung verabschiedet.[14]

Der vorliegende Beitrag soll einen Überblick über die nun mit dem Gesetz in Kraft tretenden Neuerungen bieten. Dabei knüpft er an eine ganze Reihe lesenswerter Beiträge aus der völkerstrafrechtlichen Wissenschaft an, die anlässlich des jüngsten runden Geburtstages des VStGB Bilanz zur bisherigen deutschen Völkerstrafrechtspflege gezogen und eine ganze Reihe von Reformvorschlägen unterbreitet haben, die der Gesetzgeber nun aufgegriffen hat.[15] Der Beitrag nimmt zunächst die Änderungen im materiellen Recht (II.) und sodann im Verfahrensrecht (III.) in den Blick, bevor er mit einer Gesamtwürdigung endet (V).

II. Änderungen im materiellen Recht

Auf breite Zustimmung im Gesetzgebungsverfahren sind zunächst die Anstrengungen des Gesetzgebers gestoßen, das materielle Recht weiter an das IStGH-Statut und den Stand des geltenden Völkergewohnheitsrechts anzupassen. Die durch das Gesetz in Kraft tretenden Änderungen im materiellen Recht betreffen im Wesentlichen Anpassungen in den Bereichen der sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmung, beim zwangsweisen Verschwindenlassen, bei den verbotenen Mitteln der Kampfführung und bei der Verursachung von Umweltschäden.

1. Änderungen im VStGB

a) Anpassungen in den Tatbeständen zum Schutz der sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmung (§ 7 Abs. 1 Nr. 6 und § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB)

Das Gesetz sieht zunächst die Aufnahme neuer Tatbestandsvarianten in die § 7 Abs. 1 Nr. 6 und § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB zur Schließung vorhandener Strafbarkeitslücken im Bereich der sexuellen Selbstbestimmung und der Reproduktionsfreiheit vor.[16] Die Aufnahme einzelner neuer Tatbestandsvarianten in das VStGB mag zwar kasuistisch wirken.[17] Doch hätte die alternative Vorgehensweise, nämlich die Schaffung einer Generalklausel, wie sie im IStGH-Statut enthalten ist[18], in einem Spannungsverhältnis zum deutschen Bestimmtheitsgebot nach § 1 Abs. 1 StGB und Art. 103 Abs. 2 GG gestanden.[19] Gegenüber solchen Spannungen zum Verfassungsrecht erscheinen die situativ gebotenen Anpassungen vorzugswürdig, und auch in Zukunft wird der Gesetzgeber die Entwicklungen der internationalen Rechtsprechung beobachten und gegebenenfalls weitere Anpassungen vornehmen. Im Folgenden seien die nun Beschlossenen beleuchtet:

aa) Aufnahme der neuen Tatbestandsvarianten des „sexuellen Übergriffs“, der „sexuellen Sklaverei“ und des „erzwungenen Schwangerschaftsabbruchs“

Zunächst wird der „sexuelle Übergriff“ als eigenständige Tatbestandsvariante in die § 7 Abs. 1 Nr. 6 und § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB aufgenommen. Nach der Gesetzesbegründung sollen unter den Begriff des sexuellen Übergriffs solche Sachverhalte fallen, die unter „jede andere Form sexueller Gewalt von vergleichbarer Schwere“ im Sinne der Auffangklausel des IStGH-Statuts subsumiert werden können.[20] § 7 Abs. 1 Nr. 6 und § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB sind der Fassung von § 177 StGB vor der Sexualrechtsreform 2016[21] nachgebildet. Mit der Einführung der „Nein-heißt-Nein-Lösung“ und des sexuellen Übergriffs als Grundtatbestand von § 177 Abs. 1 und 2 StGB entstanden Spannungen zwischen StGB und VStGB. Denn in seiner bisherigen Fassung knüpfte das VStGB noch allein an den Tatbestand der sexuellen Nötigung an, der dem IStGH-Statut fremd ist.[22] Diese Spannungen wurden nun durch die Anpassung des VStGB an § 177 StGB n.F. aufgelöst. Entsprechend der neuen Rechtslage stellen beide Vorschriften nun auf den erkennbaren entgegenstehenden Willen des Opfers ab und nicht mehr auf ein Nötigungselement, sodass es unerheblich wird, ob sich das Opfer verteidigt oder einen Verteidigungsversuch unternimmt.[23]

Während der Gesetzgeber die Spannungen zwischen VStGB und StGB damit in begrüßenswerter Weise aufgelöst hat, ist die Sorge geäußert worden, dass er nun Spannungen mit dem Völkerstrafrecht eingegangen sein mag, da das IStGH-Statut und die Verbrechenselemente jedenfalls vorwiegend auf eine Nötigung bzw. nötigungsähnliche Situation abstellen.[24] Ein materielles Hinausgehen des VStGB über das Völkergewohnheitsrecht wäre indes zumindest in Fällen ohne Inlandsbezug nicht zu rechtfertigen.[25] Denn in diesen Fällen verfügt Deutschland völkerrechtlich über eine Erlaubnis zur Strafverfolgung allein nach dem Weltrechtsprinzip, das wiederum eine völkergewohnheitsrechtliche Verankerung des jeweiligen Straftatbestandes voraussetzt.[26] Im Falle eines darüber hinausgehenden „überschießenden“ deutschen Strafrechts wäre deutsche Weltrechtspflege mithin nicht mehr legitim.[27]

Die Gesetzesbegründung betont, dass die Verbrechenselemente auch Sexualstraftaten unter Ausnutzung der Willens- oder Äußerungsunfähigkeit des Opfers umfassen, wodurch auch dem Rom-Statut das Verständnis zugrunde liege, dass ein Übergriff auch ohne konkreten Einsatz von Gewalt oder Drohung einen vergleichbaren Unrechtsgehalt aufweisen kann.[28] Sofern man dennoch dazu neigen sollte, dass das VStGB durch die Aufnahme des sexuellen Übergriffs nun in Teilen über das IStGH-Statut hinausgeht,[29] müsste die Lösung in einer völkerstrafrechtsfreundlichen, ggf. engeren Auslegung des Merkmals als in § 177 StGB liegen. Eine solche Auslegung dürfte von der Rechtsprechung, soweit relevant, zu bewerkstelligen sein. In die Richtung einer völkerstrafrechtsfreundlichen Auslegung deutet es, wenn der Gesetzgeber – nach entsprechender Empfehlung des Rechtsausschusses – für die Tatbestandsvariante des sexuellen Übergriffs nun ausdrücklich auf die Stellungnahme der Anklagebehörde des IStGH zu geschlechtsspezifischen Völkerstraftaten vom Dezember 2023 verweist.[30] Begrüßenswert ist auch der Verweis auf eine völkerstrafrechtsfreundliche, kontextsensible Auslegung des Merkmals des Sexualbezugs und die Berücksichtigung der Völkerstrafverfahren immanenten kulturellen Besonderheiten.[31]

Eine weitere Angleichung an das Römische Statut erfahren die Tatbestände der § 7 Abs. 1 Nr. 6 und § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB durch die Aufnahme des Tatbestandsmerkmals der „sexuellen Sklaverei“, wodurch der gesteigerte Unrechtsgehalt der sexuellen Sklaverei als Spezialform der bereits in § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB enthaltenen Sklaverei nun erstmalig zum Ausdruck gelangt.[32] Zwar dürfte die sexuelle Sklaverei bislang in der Regel dem Tatbestand der sexuellen Nötigung unterfallen sein,[33] doch wurde auf diese Weise der spezifische Unrechtsgehalt der sexuellen Sklaverei nicht angemessen abgebildet, der in der Verknüpfung der Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung mit der Ausübung von Eigentumsrechten an einer Person liegt. Auch wird die Aufnahme des Merkmals seiner Bedeutung in der jüngeren Rechtsprechung des IStGH gerecht.[34]

Ähnliches gilt für die Aufnahme der Tatbestandsvariante des erzwungenen Schwangerschaftsabbruchs, die im IStGH-Statut der Auffangklausel des Art. 7 Abs. 1 g) IStGH-Statut unterfällt.[35] Wenngleich auch diese Variante bereits unter andere Varianten des VStGB subsumiert werden konnte, gelangt nun der besonders schwere Unrechtsgehalt des Eingriffs in die körperliche Integrität sowie die reproduktive Selbstbestimmung und die Beendigung des ungeborenen Lebens zum Ausdruck.[36]

bb) Erweiterung der Tatbestandsvariante der erzwungenen Schwangerschaft 

Die bereits im VStGB enthaltene Tatbestandsvariante der „erzwungenen Schwangerschaft“ wird durch das Gesetz um eine weitere Absichtsvariante erweitert. Bislang forderte die Tatbestandsvariante die rechtswidrige Gefangenhaltung einer zwangsweise geschwängerten Frau in der Absicht, die ethnische Zusammensetzung einer Bevölkerung zu beeinflussen. Damit setzte das deutsche VStGB die in Art. 7 Abs. 2 f) IStGH-Statut enthaltene Legaldefinition indessen nur teilweise um. Denn diese lässt alternativ zu der letztgenannten Absicht diejenige genügen, „andere schwere Verstöße gegen das Völkerrecht zu begehen.“ Jene letztere Absicht, die laut den travaux préparatoires zum IStGH-Statut die enger gefasste erste Absichtsvariante ausgleichen sollte, kam zuletzt in der Ongwen-Entscheidung durch den IStGH zur Anwendung.[37] Da einer Übernahme der Formulierung im IStGH-Statut in das VStGB abermals Bestimmtheitsbedenken entgegengestanden hätten, bietet die nun erfolgte Aufnahme der Absichtsvariante „um Taten nach den §§ 6 bis 13 VStGB zu begehen“ in die § 7 Abs. 1 Nr. 6 und § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB eine sinnvolle Lösung.

Zu nicht unerheblicher Kontroverse hat die Ersetzung der bisherigen Formulierung „schwangere Frau“ durch die alters- und geschlechtsneutrale Formulierung „Mensch“ in § 7 Abs. 1 Nr. 6 VStGB bzw. „Person“ in § 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB geführt, die den Schutz der Vorschriften künftig auf Opfer jeglichen Alters oder Geschlechts ausweiten soll. Während die eine Seite die Änderung als einen „symbolträchtigen Beitrag zur Entwicklung eines gendersensiblen […] Völkerstrafrechts“ begrüßte[38], kritisierte die Gegenseite, dass das Völkerstrafrecht nicht der Platz für rein symbolische Anpassungen sei, zumal wenn diese geeignet seien, die weltweite Akzeptanz des Völkerstrafrechts zu einem Zeitpunkt zu schmälern, in dem sich dieses in der internationalen Gemeinschaft zunehmend Anfechtungen ausgesetzt sieht.[39] Rechtliche Bedenken dürften der Neuregelung immerhin nicht entgegenstehen. Insbesondere dürfte die vorgenommene Anpassung mit Art. 7 Abs. 3 IStGH-Statut harmonieren, der eine kontextspezifische Auslegung des Begriffs des Geschlechts verlangt.[40]

b) Änderungen beim Tatbestand des zwangsweisen Verschwindenlassens nach § 7 Abs. 1 Nr. 7 VStGB

Eine wichtige Änderung hat das materielle Recht beim Tatbestand des zwangsweisen Verschwindenlassens in § 7 Abs. 1 Nr. 7 VStGB erfahren, der das Unrecht der Beteiligung am Gesamtkomplex des zwangsweisen Verschwindenlassens erfasst, sofern dieses im Rahmen eines ausgedehnten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung erfolgt.[41] Die Praxis des zwangsweisen Verschwindenlassens wird seit den 1980er Jahren auf internationaler wie auf nationaler Ebene durch verschiedene rechtliche Instrumente einzuhegen versucht.[42]

Mit Inkrafttreten des Gesetzes wird nun erstens das bisherige Erfordernis der Nachfrage in § 7 Abs. 1 Nr. 7 lit. a VStGB gestrichen. Anlass hierfür war die Rüge des von der UN eingerichteten Ausschusses gegen das Verschwindenlassen[43] im Hinblick auf die Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland aus Artikel 5 des Internationalen Übereinkommens zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen (CED) vom 30. Dezember 2006.[44] Mit der Streichung des Nachfrageerfordernisses gleicht der Gesetzgeber das VStGB weiter an das IStGH-Statut an, in dessen Art. 7 Abs. 1 lit. i Abs. 2 lit. i ebenfalls kein explizites Nachfrageerfordernis enthalten ist.[45] Ferner werden durch die Streichung des Nachfrageerfordernisses bisher vorhandene Rechtsschutzlücken bei unterbliebener Nachfrage ausgeräumt,[46] die sich dadurch ergaben, dass die Anklagebehörde § 7 Abs. 1 Nr. 7 VStGB bislang ohne den Nachweis einer Nachfrage nicht in die Anklageschrift mit einbezog.[47] Auch erkennt der Gesetzentwurf nun ausdrücklich die nicht unerheblichen Gefahren für das Leib und Leben der nachfragenden Personen – in der Regel der Angehörigen des Opfers – an, die diesen beim Anstellen von Nachforschungen in Konfliktsituationen regelmäßig drohen.[48] Nicht sachgerecht erschien das Nachfrageerfordernis auch im Hinblick auf die Möglichkeit der leichten situativen Verhinderung einer Nachfrage gerade in staatlichen Machtapparaten, etwa durch die Schließung der für die Anfrage zuständigen Stelle.[49] Ein Problem, über das bislang wenig Klarheit besteht und das sich durch die Streichung des Nachfrageerfordernisses verschärfen dürfte, ist die Frage, wie der Täterkreis genau zu bestimmen ist und als vorgelagerte Frage, nach welchem Recht die Frage der Zuständigkeit der Auskunftserteilung zu ermitteln wäre.[50]

Zweitens hat der Gesetzgeber auf subjektiver Ebene Hand angelegt und auf die Empfehlung des Rechtsausschusses hin die Worte „für längere Zeit“ durch die Worte „nicht nur kurzzeitig“ ersetzt. Dies sollte der Klarstellung dienen, dass kein bestimmter Mindestzeitraum für die beabsichtigte Freiheitsentziehung erforderlich ist.[51] Wenngleich die neue Formulierung in § 7 Abs. 1 Nr. 7 VStGB n.F. nun vom IStGH-Statut abweicht und das Kriterium der „längeren Zeit“ bislang ohnehin großzügig ausgelegt worden ist,[52] erscheint diese gesetzgeberische Entscheidung vertretbar.

Wichtiger als eine Anpassung der subjektiven Schwelle wäre indessen eine Streichung der objektiven Erheblichkeitsschwelle in § 7 Abs. 1 Nr. 7 lit. a VStGB gewesen, nach der der Täter einen Menschen „in schwerwiegender Weise“ seiner körperlichen Freiheit berauben muss.[53] Damit wäre § 7 Abs. 1 Nr. 7 lit. a VStGB nicht nur vollständig in Einklang mit dem IStGH-Statut gebracht worden, das die auf eine „längere Zeit“ ausgerichtete Zielsetzung genügen lässt,[54] sondern die Norm wäre auch an die Formulierung in Art. 2 CED und den neu geschaffenen § 234b StGB angeglichen worden, der ebenfalls keine objektive Erheblichkeitsschwelle kennt.[55] Auch der VN-Ausschuss hatte diese Schwelle mit Blick darauf gerügt, dass zwangsweises Verschwindenlassen auch objektiv nur eine kurze Zeitspanne dauern könne.[56] Tatsächlich ist das Risiko von Folter und Tötungen gerade in den ersten Stunden von Fällen des Verschwindenlassens besonders hoch, womit auch ein nur kurzzeitiges Verschwindenlassen zu schwerwiegenden Folgen und Traumata bei Opfern und Angehörigen führen kann.[57] Zudem dürfte auch eine nicht schwerwiegende Freiheitsberaubung, die mit dem erforderlichen Vorsatz im Hinblick auf die spätere Anschlusshandlung begangen wird, einen hinreichend schweren Unrechtsgehalt aufweisen.[58]

Kritik wurde auf subjektiver Ebene ferner am Absichtserfordernis geübt, das ebenfalls keinen Halt in der Legaldefinition in Artikel 2 CED findet. Ein solches Absichtserfordernis erscheint zwar vertretbar, da auch Art. 7 Abs. 2 lit. i IStGH-Statut, an dessen Legaldefinition § 7 Abs. 1 Nr. 7 VStGB anknüpft, „intention“ fordert. Doch subsumiert die herrschende Ansicht unter den Begriff des „intent“ iSd Art. 30 IStGH-Statut beide Formen des direkten Vorsatzes im deutschen Strafrecht.[59] Insofern wäre es wünschenswert gewesen, dass der Gesetzgeber hier neben der Absicht auch praktisch sichere Voraussicht, d.h. dolus directus zweiten Grades, für die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes hätte genügen lassen. Damit wären auch Beweisschwierigkeiten vermieden worden, die der Nachweis der entsprechenden Absicht regelmäßig mit sich bringen dürfte.[60]

Dem sinnvollen Vorschlag, in § 7 Abs. 1 Nr. 7 lit. b VStGB das Wort „verweigern“ durch das Wort „unterlassen“ zu ersetzen, wie dies noch im Referentenentwurf vorgesehen war[61], ist der Gesetzgeber bedauerlicherweise nicht gefolgt. Zwar steht die bisherige Formulierung im Einklang mit den Formulierungen des CED und des IStGH-Statuts.[62] Im Interesse der Rechtsklarheit wäre es jedoch wünschenswert gewesen, die Norm so umzuformulieren, dass sie das Fehlen eines Nachfrageerfordernisses deutlicher zum Ausdruck bringt.[63] Dies hätte auch zur Konsistenz mit der Neuformulierung des § 7 Abs. 1  Nr. 7 lit. a VStGB ohne Nachfrageerfordernis beigetragen. Nun weist lediglich die Gesetzesbegründung darauf hin, dass die weitere Verwendung des Wortes „weigern“ nicht das Erfordernis einer vorherigen Nachfrage indiziere.[64]

c) Erweiterung des Verfolgungstatbestands in § 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB um die „sexuelle Orientierung“

Ebenfalls in § 7 Abs. 1 VStGB hat der Gesetzgeber die „sexuelle Orientierung“ als neuen Verfolgungsgrund in § 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB aufgenommen. Dagegen wurde eingewendet, dass sich die Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung bislang nach herrschender Meinung bereits unter den Begriff der Verfolgung aufgrund des „Geschlechts“ habe subsumieren lassen.[65] Es ließ sich fragen, ob es nicht der Rechtsprechung hätte überlassen werden können, den bereits in § 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB vorhandenen Alternativen Konturen zu verleihen. Auch wurde im Rahmen der Expertenanhörung kritisiert, dass der Charakter der beispielhaften Aufzählung in dieser Norm durch die Aufnahme weiterer Verfolgungsgründe an Klarheit einbüße.[66]

Nicht zu überzeugen vermag es zunächst, wenn die Gesetzesbegründung die Aufnahme der sexuellen Orientierung mit der Einheit der nationalen Rechtsordnung begründet. So verweist der Gesetzgeber darauf, dass mit dem Gesetz zur Überarbeitung des Sanktionenrechts vom 26. Juli 2023 auch in § 46 Abs. 2 StGB geschlechtsspezifische, gegen die sexuelle Orientierung gerichtete Beweggründe aufgenommen worden seien.[67] Auf diese Norm rekurrierte auch der Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Begründung des Vorschlags, antisemitische Beweggründe als Verfolgungsgrund aufzunehmen.[68] Das Motiv einer Angleichung materieller, strafbarkeitsbegründender Verfolgungstatbestände an Strafzumessungsgründe erscheint jedoch bereits im Ausgangspunkt verfehlt, weswegen es misslich ist, wenn die Gesetzesbegründung ausgerechnet auf dieses Argument „im Wesentlichen“ abstellt.[69] Gleichwohl lässt sich zugunsten der Aufnahme vorbringen, dass sie der Klarstellung dienen wird, dass nicht nur die Verfolgung aufgrund sämtlicher geschlechtlicher Identitäten, sondern auch die Verfolgung aufgrund der sexuellen Ausrichtung und mithin auch die „Beziehungsebene“ zweifelsfrei erfasst sein soll.[70] Die Ergänzung steht auch der bisherigen weiten Auslegung des Begriffs „Geschlechts“ i. S. v. Art. 7 Abs. 3 IStGH-Statut nicht entgegen.[71]

d) Ausweitung der Strafbarkeit der Verursachung von Umweltschäden auf den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt in § 11 Abs. 1 Nr. 8 VStGB n.F.

Begrüßenswert ist die Ausweitung der Kriegsverbrechen der Verursachung von Umweltschäden auf den nicht-internationalen bewaffneten Konflikt in § 11 Abs. 1 Nr. 8 VStGB n.F. Bislang fand sich die Kriminalisierung von Angriffen, die zu unverhältnismäßigen Schäden an der Natur führen, wortgleich in § 11 Abs. 3 VStGB a.F. wieder, der diesen Tatbestand allerdings nach dem Vorbild von Art. 8 Abs. 2 lit. b (iv) IStGH-Statut auf internationale bewaffnete Konflikte beschränkte. Die Beschränkung auf internationale bewaffnete Konflikte war nicht nur deshalb abzulehnen, weil die Auswirkungen nicht-internationaler bewaffneter Konflikte auf die Umwelt in ihrer Schwere denen internationaler bewaffneter Konflikte in nichts nachstehen würden. Sie widersprach auch dem Stand geltenden Völkergewohnheitsrechts, um dessen Implementierung sich der Gesetzgeber ebenfalls mit der Reform zu bemühen versucht.[72] Dass Straftaten gegen die Umwelt nach dem Stand des Völkergewohnheitsrechts auch im nicht-internationalen bewaffneten Konflikt als Kriegsverbrechen gewertet werden können, zeigen etwa eine Studie des Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK)[73], aber auch die Arbeiten der VN-Völkerrechtskommission (ILC).[74] Die deutsche Anpassung im VStGB kommt insofern zu einem günstigen Zeitpunkt, als der Chefankläger des IStGH im Februar 2024 eine Initiative zur Ausweitung der Strafbarkeit von Umweltverbrechen verkündet hat.[75] Mit Blick auf das für das Ende dieses Jahres geplante Policy Paper des Chefanklägers dürfte die deutsche Entscheidung zugunsten einer Ausweitung daher auch auf internationaler Ebene ein wichtiges Zeichen senden.[76] 

Eine Reihe weiterer Vorschläge mit Blick auf die Umweltverbrechen hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen, wie etwa die Streichung der Unverhältnismäßigkeitsschwelle im VStGB. Diese ebenfalls in Art. 8 Abs. 2 lit. b (iv) IStGH-Statut enthaltene Schwelle findet in den zugrunde liegenden vertraglichen Verbotstatbeständen der Art. 35 Abs. 3 und 55 des 1. Zusatzprotokolls der Genfer Konventionen keinen Rückhalt. Auch ist die eigenständige Bedeutung dieser Schwelle neben der ohnehin hohen Anwendungsschwelle (durch die kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen „weit reichender, langfristiger und schwerer Schäden“) fraglich.[77] Letzteres mag auch der Rechtsausschuss gesehen haben, der immerhin darauf hingewiesen hat, dass Unverhältnismäßigkeit „in der Regel“ gegeben sei. Die eigentliche Problematik dürfte indessen weiterhin aus der Unklarheit der Schadensattribute „weit reichend“, „langfristig“ und „schwer“ sowohl im Rom-Statut als auch im VStGB folgen, für die keine Legaldefinitionen bestehen.[78] Entgegen anderslautender Vorschläge hat der Gesetzgeber nun an den drei Schadensattributen festgehalten und diese erneut nicht definiert.[79] Doch mahnt der Rechtsausschuss immerhin, dass die Erheblichkeitsschwellen in Art. 8 Abs. 2 lit. b (iv) IStGH-Statut einer kritischen Überprüfung unterzogen werden müssten.[80] Die kommenden Entwicklungen auf internationaler Ebene werden insoweit mit Spannung zu beobachten sein.

e) Angleichung der verbotenen Mittel der Kampfführung in § 12 VStGB

Allgemeine Zustimmung erfuhr die Aufnahme zweier weiterer Mittel verbotener Kampführung als neue Tatbestandsvarianten in den Katalog des § 12 Abs. 1 Nr. 4 und 5 VStGB n.F. zur Angleichung an die durch die Bundesrepublik Deutschland am 8. Dezember 2022 ratifizierten[81] Änderungen des Römischen Statuts hinsichtlich des Kriegsverbrechens des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung. Dabei handelt es sich zum einen um Waffen, deren Hauptwirkung darin besteht, durch Splitter zu verletzen, die im menschlichen Körper durch Röntgenstrahlen nicht entdeckt werden können[82] und zum anderen um Laserwaffen, die eigens dazu entworfen sind, dauerhaft zu Erblindung zu führen. Die Aufnahme beider Mittel in den Tatbestand der Kriegsverbrechen in Art. 8 IStGH-Statut wurde bereits auf der Vertragsstaatenkonferenz in New York im Dezember 2017 beschlossen[83] und tritt für die Bundesrepublik Deutschland ein Jahr nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunde in Kraft, die am 21. September 2023 erfolgt ist.[84] Entsprechend dem Normzweck von § 12 VStGB zielen die beiden neuen Tatbestandsvarianten darauf ab, die militärisch nicht erforderliche Schädigung von Kombattanten und sonstigen an den Kampfhandlungen beteiligten Personen zu vermeiden sowie die Zivilbevölkerung vor einer nicht-diskriminierenden Kampfführung zu schützen.[85]

2. Änderungen im StGB: Neuer Straftatbestand des Verschwindenlassens in § 234b StGB

Während die „systematische“ Begehungsweise des Verbrechens des zwangsweisen Verschwindenlassens regelmäßig über den völkerrechtlichen Straftatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit erfasst wird,[86] besteht daneben ein Sanktionierungsbedarf für Einzeltaten, die außerhalb eines großangelegten oder systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung stattfinden und somit nicht dem Tatbestand der Verbrechen gegen die Menschlichkeit unterfallen (sog. „sporadische“ Begehungsweise).[87] Diese Form der Begehungsweise kann nur über Straftatbestände außerhalb des Völkerstrafrechts erfasst werden.[88]

Insofern ist sehr zu begrüßen, dass der Gesetzgeber einer weiteren Rüge des VN-Ausschusses gegen das Verschwindenlassen und einer Reihe von NGOs nachgekommen ist und durch das Gesetz einen eigenen Tatbestand für das Verschwindenlassen in § 234b StGB aufgenommen hat.[89] In der Aufnahme ist ein deutlicher Richtungswechsel der Bundesregierung zu erkennen. So lautete die bisherige Position der Bundesregierung seit der Unterzeichnung des CED 2007[90], dass sich aus dem Übereinkommen keine rechtliche Notwendigkeit zur Schaffung eines eigenständigen Straftatbestandes ergebe.[91] Dieses Argument vermochte bereits angesichts des klaren Wortlauts von Art. 4 CED nicht zu überzeugen.[92] Der Verhaltensvorwurf konnte auch nicht hinreichend durch bereits bestehende Straftatbestände im deutschen Recht erfasst werden, wie es die Bundesregierung bislang vertreten hatte. Zwar unterfielen Fälle des Verschwindenlassens auch nach bisheriger Rechtslage zahlreichen Delikten des StGB.[93] Doch wird der spezifische Unrechtsgehalt des Delikts erst durch die Neuregelung abgebildet.[94] So ergaben sich Schutzlücken insbesondere hinsichtlich des zweiten Teilakts des Tatbestandes des Verschwindenlassens,[95] aber auch bei einer nach nationalem Recht rechtmäßigen Freiheitsberaubung (z.B. wegen nach nationalem Recht rechtmäßigem Haftbefehl o.Ä.). Denn in den letzteren Fällen war eine Beihilfestrafbarkeit (wegen nachfolgendem Verschleiern oder nachfolgender Nichtanerkennung) nicht möglich. Beihilfe zu § 239 StGB schied auch in solchen Fällen aus, in denen die Freiheitsberaubung z.B. durch den Tod des Opfers beendet war. Ferner wurde an der bisherigen Rechtslage kritisiert, dass diese keine angemessene Bestrafung von Fällen des Verschwindenlassens ermögliche und zu keiner angemessenen Verjährungsfrist führe, wodurch gegen die Art. 7 und 8 CED verstoßen werde. Beides hat der Gesetzgeber durch die Neuregelung behoben, die sowohl einen adäquaten Strafrahmen enthält als auch zu einer angemessenen Verjährungsdauer des Verbrechens führt. Auch aus kriminalpolitischer Sicht ist die Schaffung von § 234b StGB uneingeschränkt zu begrüßen.[96]

Auch die systematische Einbettung des Tatbestandes überzeugt. Die neue Norm wird in den Abschnitt der Straftaten gegen die persönliche Freiheit eingefügt und folgt aufgrund ihres vergleichbaren Unrechtsgehalts dem Straftatbestand der Verschleppung in § 234a StGB, an dessen Strafrahmen sie angelehnt ist. Zudem wird § 234b StGB in die Kataloge der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 Abs. 1 Nr. 5 StGB) sowie der Nichtanzeige geplanter Straftaten (§ 138 Abs. 1 Nr. 6 StGB) aufgenommen.[97]

Der Wortlaut des § 234b StGB ist seiner Definition nach der des Verschwindenlassens in Art. 2 CED nachgebildet: § 234b StGB ist als zusammengesetztes (Dauer-)Delikt formuliert, dessen Teilakte zueinander in einer „rechtlichen Bewertungseinheit“ stehen und typischerweise durch verschiedene Personen verwirklicht werden.[98] Die dualistische Struktur des Tatbestandes folgt hingegen den völkerstrafrechtlichen Tatbeständen der Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Verschwindenlassen in § 7 Abs. 1 Nr. 7 VStGB im IStGH-Statut und in den Verbrechenselementen.[99] § 234b StGB enthält zwei Begehungsformen, wobei der Täter in beiden Fällen als Amtsträger i. S. d. § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB oder im Auftrag oder mit Billigung eines Staates handeln muss.  Der Freiheitsberaubungstatbestand in § 234b Abs. 1 Nr. 1 StGB knüpft an ein Entführen i. S. d. §§ 232 Abs. 2 Nr. 2, 239a Abs. 1, 239b Abs. 1 StGB oder an eine sonstige Freiheitsberaubung nach § 239 StGB an. Die Verweigerung der Auskunftserteilung muss nicht notwendigerweise durch den Täter der Freiheitsberaubung erfolgen, stellt jedoch ein echtes objektives Tatbestandsmerkmal dar, auf das sich der Vorsatz des Täters erstrecken muss.[100]

Die Tatbestandsvariante der Verschleierung in § 234b Abs. 1 Nr. 2 StGB orientiert sich an Art. 2 CED und weicht von § 7 Abs. 1 Nr. 7 lit. b VStGB ab, der sich – wie an obiger Stelle gesehen – an Art. 7 Abs. 2 lit. i IStGH-Statut orientiert, in dem der Begriff der Verschleierung nicht enthalten ist.[101] Erst auf die Empfehlung des Rechtsausschusses hin fand die Alternative der Auskunftsverweigerung in § 234b Abs. 1 Nr. 2 StGB Eingang.[102] Ihre Aufnahme ist zu begrüßen, da zuvor zweifelhaft schien, ob die Nichtanerkennungsvariante von der Tathandlung des Verschleierns erfasst war.[103] Auch hier stellt sich indessen zumindest[104] die Frage, ob nicht eine Unterlassungsformulierung gegenüber der Variante der Auskunftsverweigerung vorzugswürdig gewesen wäre, zumal auch § 234b StGB kein Nachfrageerfordernis vorsieht. [105] Speziell im Hinblick auf die Benachrichtigungspflicht des Art. 104 Abs. 4 GG im deutschen Verfassungsrecht wurde der Vorschlag unterbreitet,  eine Tathandlung des Unterlassens einer Unterrichtung nach Art. 104 Abs. 4 GG einzufügen.[106] Während sich dieser Vorschlag nicht durchzusetzen vermochte, stellt die Gesetzesbegründung nun immerhin klar, dass der Verschleierungs- bzw. Auskunftsverweigerungstatbestand nach der Nr. 2 auch in Fällen einer rechtmäßigen Freiheitsberaubung erfüllt sein soll.[107]

In beiden Begehungsvarianten muss das Opfer, in Anlehnung an Art. 2 CED, durch die Tat objektiv dem Schutz des Gesetzes entzogen sein. In der Vorstellung des Gesetzgebers soll dies bei Erfüllung der objektiven Tatbestandsmerkmale regelmäßig, jedoch z.B. dann nicht der Fall sein, wenn es sich um eine „sehr kurzfristige“ Freiheitsberaubung handele oder dem Opfer Zugang zu Rechtsbehelfen oder einem Rechtsbeistand gewährt werde.[108] Die bloße Absicht in Bezug auf die Schutzlosigkeit genügt somit, anders als in § 7 Abs. 1 Nr. 7 VStGB, nicht. Mit Blick auf andere Bereiche besteht manche letzte Inkongruenz mit den Bestimmungen des CED, die jedoch wohl im Ergebnis hinnehmbar sind.[109]

III. Änderungen im Verfahrensrecht

Noch interessanter als die Änderungen im materiellen (Völker-)Strafrecht, die insgesamt zu begrüßen sind, sind die Anpassungen des deutschen Strafverfahrens- und des Justizverfassungsrechts. Die internationale Gemeinschaft stellt keine besonderen Anforderungen an die Durchführung von Völkerstrafverfahren, vielmehr hat der die Weltrechtspflege betreibende Staat seine eigenen Normen und Instrumente zur Anwendung zu bringen.[110] Da sich der deutsche Gesetzgeber bei Schaffung des VStGB gegen die Schaffung einer „Völkerstrafprozessordnung“ entschieden hat, mussten sich die durch den Gesetzgeber avisierten Änderungen im strafprozessualen Bereich in das bestehende Gefüge des deutschen Verfahrensrechts einfügen lassen. Mit den nun erfolgten Umgestaltungen verfolgte der Gesetzgeber zum einen das Ziel, die „Rechte der Opfer von Völkerrechtsverbrechen zu stärken“ und zum anderen, die Breitenwirkung völkerstrafrechtlicher Prozesse und Urteile zu verbessern.

1. Die Erweiterung des Rechts zur Nebenklage[111]

Sein Ziel, die „Rechte der Opfer völkerrechtlicher Verbrechen zu stärken“[112], suchte der Gesetzgeber mit einer Erweiterung der Nebenklagebefugnis auf die Verletzten von Völkerstraftaten zu erreichen.

a) Wertungsmäßige Gebotenheit und Sorge vor Entgrenzung

Die Ausweitung der Nebenklagebefugnis auf die durch Völkerstraftaten Verletzten ist im Ausgangspunkt zu begrüßen. Die bisherige Rechtslage erschien nicht nur in systematischer Hinsicht schwer vermittelbar, sondern auch aus wertungsmäßiger Sicht problematisch. Denn ausgerechnet die schwersten Straftaten, die die Weltgemeinschaft als Ganze berühren und die die „Schwelle der Vergleichbarkeit“ zu den in § 395 Abs. 1 StPO a.F. genannten StGB-Straftaten mühelos überschreiten, fanden sich im Nebenklagekatalog bislang nicht wieder. Zwar waren Opfer völkerrechtlicher Verbrechen zumindest häufig im Ergebnis dadurch zur Nebenklage berechtigt, dass sich ihre Nebenklagebefugnis über tateinheitlich begangene, im Nebenklagekatalog aufgeführte Straftaten oder über den Auffangtatbestand des § 395 Abs. 3 StPO begründen ließ. Doch ergab sich hieraus bloß eine wahrscheinliche und keine gesicherte Nebenklagebefugnis, insbesondere dort nicht, wo der Verfolgung eines tateinheitlich begangenen Verbrechens nach § 395 Abs. 1 StPO ein Verfahrenshindernis entgegenstand.[113] Daneben stellte sich die bisherige Rechtslage auch innerhalb bisheriger Verfahren als unzureichend dar, nämlich stets dann, wenn der Nebenkläger Verfahrensrechte im Hinblick auf die VStGB-Tat ausüben wollte.[114]

Wenngleich die wertungsmäßige Gebotenheit der Erweiterung im Gesetzgebungsverfahren kaum in Zweifel gezogen wurde, begegneten der Erweiterung der Nebenklagevorschriften zugleich die wohl erheblichsten Bedenken im Rahmen der Beratungen. Diese wurden insbesondere von der Justiz geäußert, die eine Entgrenzung der Nebenklage aufgrund der potenziellen großen Anzahl Betroffener von Völkerstraftaten befürchtete. Im Zentrum standen erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Handhabbarkeit sowie wegen der Konsequenzen mit Blick auf ein faires Verfahren und das Gebot der Waffengleichheit aus Sicht des Beschuldigten.[115] Zu diesen Sorgen trug auch die Weite des völkerstrafrechtlichen Tatbegriffs bei, durch die das Merkmal der „Tat“ in § 395 Abs. 1 StPO bei den Völkerstraftaten kaum zu einer Eingrenzung führt.[116]

Der Gesetzgeber hat diese Spannungen dadurch aufzulösen versucht, dass er der Erweiterung der Nebenklagebefugnis sowohl bereits „auf Tatbestandsebene“ einige Riegel vorgeschoben als auch auf „Rechtsfolgenebene“ Mechanismen geschaffen hat, die auch zukünftig die Durchführbarkeit umfangreicher Völkerstrafverfahren sicherstellen sollen.

b) Die Erweiterung des Nebenklagekataloges in § 395 Abs. 1 Nr. 2a) und 4a) StPO n.F.

Die zentralen Änderungen in den Nebenklagevorschriften finden sich in den § 395 Abs. 1 Nr. 2a) und 4a) StPO n.F., durch die die Völkerstraftaten in den Nebenklagekatalog aufgenommen werden. So soll künftig auch eine versuchte rechtswidrige Tat gegen das Leben nach den §§ 6 bis 8, 11 und 12 VStGB zur Nebenklage berechtigen, sowie rechtswidrige Taten nach den §§ 6 bis 8 und 10 bis 12 VStGB, durch die der Betroffene „in seinen Rechten auf körperliche Unversehrtheit, Freiheit oder auf religiöse, sexuelle oder reproduktive Selbstbestimmung oder als Kind in seinem Recht auf ungestörte körperliche und seelische Entwicklung“ verletzt wird. Voraussetzung ist nach dem Wortlaut beider Normen, dass „auch hier ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der verfahrensgegenständlichen Tat und der Rechtsgutverletzung besteht.“[117] Auf die Empfehlung des Rechtsausschusses hin ist eine Evaluierung der Anwendung der § 395 Abs. 1 Nr. 2a) und Nr. 4a) StPO n.F. in fünf Jahren vorgesehen.[118]

aa) Eine kritische Würdigung der tatbestandlichen Begrenzungen der Nebenklagebefugnis 

Die Erstreckung der Nebenklage auf Völkerstraftaten ist in dreifacher Hinsicht begrenzt worden.

Die erste Einschränkung ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber nicht alle Völkerstraftaten in § 395 Abs. 1 StPO n.F. aufgenommen hat. Zwar stellt § 395 Abs. 1 Nr. 2a) und 4a) StPO n.F. im Vergleich zum Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums vom Februar 2023 insbesondere im Hinblick auf die Aufnahme des Völkermordes nach § 6 VStGB eine begrüßenswerte Verbesserung dar.[119] Doch auch künftig erstreckt sich die Nebenklagebefugnis nicht auf alle Opfer von Völkerstraftaten:

So werden unter anderem Kriegsverbrechen gegen das Eigentum i.S.d. § 9 VStGB auch weiterhin nicht zur Nebenklage berechtigen, ein Umstand, der im Gesetzgebungsverfahren auf erhebliche Kritik gestoßen ist.[120] Gegen die Nichtaufnahme dieser Norm spricht bereits, dass Angriffe auf das Eigentum im Rahmen eines bewaffneten Konflikts für die Betroffenen einen ebenso schweren Eingriff darstellen können wie andere Kriegsverbrechen. Zwar mag der Einwand des Gesetzgebers, Eigentumsrechte seien schließlich auch in der bisherigen Systematik des Nebenklagekatalogs überwiegend ausgenommen, auf den ersten Blick plausibel erscheinen. Allerdings sind die deutschen Eigentumsdelikte schon in ihrer Schwere nicht mit Kriegsverbrechen vergleichbar. Auch in der Sache ginge ein solches Argument fehl, da die Eigentumsdelikte seit der Einfügung des § 395 Abs. 3 StPO zur Nebenklage berechtigen.[121] Schließlich lässt sich dem Gesetzgeber in systematischer Hinsicht auch § 395 Abs. 1 Nr. 6 StPO entgegengehalten, der Straftaten zum Schutz des geistigen Eigentums als Nebenklage einordnet.[122]

Eine zweite, gravierendere Begrenzung folgt daraus, dass der Gesetzgeber in § 395 Abs. 1 Nr. 4 a) StPO n.F. die Nebenklagebefugnis auf die Verletzung bestimmter Individualrechtsgüter beschränkt hat, was dazu führt, dass teilweise ganze Völkerstraftatbestandsvarianten nicht von der Nebenklageberechtigung erfasst werden.[123] Rechtsgüter, die der Gesetzesentwurf nicht erfasst, sind etwa die Menschenwürde, die geistige Unversehrtheit und das Recht auf Familie. Damit bleiben die Opfer bloß seelischer Schäden, wie zum Beispiel im Falle psychischer Folter nach § 7 Abs. 1 Nr. 5 VStGB von der eigenständigen Nebenklagebefugnis ausgeschlossen.[124] Der Rechtsausschuss hat nun zwar klargestellt, dass Fälle psychischer Folter über das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit erfasst werden können und verweist insofern auf die Rechtsprechung des BGH zu den Auswirkungen psychischer Beeinträchtigungen bei den Körperverletzungsdelikten.[125] Doch verbleiben damit noch immer Schutzlücken im Hinblick auf das Rechtsgut der seelischen Unversehrtheit, nämlich dann, wenn die psychische Beeinträchtigung nicht – wie nach der Rechtsprechung des BGH für eine Körperverletzung erforderlich – den Grad eines pathologischen Zustandes erreicht. Da die geistige Unversehrtheit im Völkerstrafrecht indessen fest als eigenständiges Schutzgut der Völkerstraftaten anerkannt ist[126], ist besonders der Ausschluss dieses Schutzguts (mit Ausnahme des Rechts auf seelische Entwicklung in der Kindheit) schwer verständlich.

Auch Formen geschlechtsbezogener Verfolgung, die nicht gleichzeitig das Recht auf sexuelle oder reproduktive Selbstbestimmung verletzen werden von der Regelung nicht erfasst.[127] Die Opfer von Zwangsehen werden der neuen Regelung zumindest dann nicht unterfallen, wenn man die Zwangsehe nicht als Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung, sondern als Angriff gegen die Menschenwürde und Missachtung der Eheschließungsfreiheit wertet, wie dies oft in der internationalen Rechtsprechung geschieht.[128]

Auch zeigt das letztere Beispiel, dass das geschützte Rechtsgut in vielen völkerstrafrechtlichen Tatbeständen umstritten ist und eine Zuordnung daher oftmals nicht unproblematisch vorzunehmen sein wird.[129] Von der Beschränkung auf bestimmte Individualrechtsgüter sind schließlich auch die in § 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB genannten Diskriminierungsformen und in gravierender Weise betroffen, bei denen keine unmittelbare Rechtsgutsverletzung eintritt.[130] Alles in einem erweckt die rechtsgutsbezogene Beschränkung den Eindruck einer faktischen Hierarchisierung der Opfer, obwohl zwischen den Völkerstraftaten zumindest keine stark ausgeprägte Hierarchie besteht.[131] Damit sendet die rechtsgutsbezogene Einschränkung nicht das Signal aus, die Opfer aller völkerrechtlicher Verbrechen stärken zu wollen. Nicht zuletzt jedoch wird der Gesetzgeber an dieser Stelle seinem Ziel des Gleichlaufs mit dem Rom-Statut nicht gerecht. Denn dieses gewährt den Betroffenen von Völkerrechtsverbrechen in Art. 68 Abs. 3 IStGH-Statut umfassende Opferrechte, soweit ihre persönlichen Interessen berührt sind – ohne eine Differenzierung zwischen verschiedenen Individualrechtsgütern vorzunehmen.[132]

Eine dritte, zumindest überflüssige Begrenzung liegt in dem Unmittelbarkeitserfordernis jeweils am Ende von § 395 Abs. 1 Nr. 2a) und 4a) StPO n.F.[133] Nach diesem Zusatz sollen solche durch Völkerstraftaten Betroffenen nicht zur Nebenklage berechtigt werden, die zwar unmittelbar durch die Gesamttat, aber allenfalls mittelbar durch die verfahrensgegenständliche (Einzel-)Tat des Angeschuldigten bzw. Angeklagten verletzt wurden. Dass auch dieser Zusatz nicht zu überzeugen vermag, ergibt sich aus einer letzten, zentralen Kritik, die sich gegen alle drei tatbestandlichen Einschränkungen üben lässt.

bb) Insbesondere: Zur Vernachlässigung des Verletztenbegriffs in § 373b Abs. 1 StPO 

Die Begrenzungen des Gesetzgebers vernachlässigen bzw. verkürzen bereits auf Tatbestandsebene allesamt ein übergreifendes Merkmal, das der Nebenklagebefugnis Grenzen setzt: § 395 Abs. 1 StPO setzt für die Entstehung der Nebenklagebefugnis voraus, dass das Opfer durch die rechtswidrige Tat „verletzt“ ist. Der Begriff des Verletzten ist seit 2021 in der Legaldefinition des § 373b Abs. 1 StPO geregelt, wonach Verletzte diejenigen sind, „die durch die Tat, ihre Begehung unterstellt oder rechtskräftig festgestellt, in ihren Rechtsgütern unmittelbar beeinträchtigt worden sind oder unmittelbar einen Schaden erlitten haben.“

Zunächst lässt sich grundsätzlich kritisieren, dass die Gesetzesbegründung zwar auf den Verletztenbegriff abstellt, ihn jedoch nicht ins Zentrum ihrer Überlegungen gerückt hat. Dass der Gesetzgeber nicht den Verletztenbegriff, sondern das Rechtsgutskonzept der jeweiligen Völkerstraftaten zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen gemacht hat, zeigt sich beispielsweise bei den Erwägungen zur Aufnahme des Völkermordes nach § 6 VStGB. So betont der Gesetzgeber bei seiner Begründung der Aufnahme dieses Tatbestandes, dass der individualrechtsgüterschützende Charakter des Völkermordtatbestandes nach jüngeren Tendenzen in der Rechtsprechung „nicht mehr ausgeschlossen“ sei.[134] Auf der anderen Seite begründet er die Nichtaufnahme des Verbrechens der Aggression gemäß § 13 VStGB in den Nebenklagekatalog damit, dass diese Norm „die staatliche Souveränität und den Frieden, jedoch keine Individualrechtsgüter“ schütze.[135] 

Bei einer genauen Betrachtung von § 373b Abs. 1 StPO stellt sich indes die Frage, ob der Gesetzgeber der Frage, ob einzelnen VStGB-Taten individualschützender Charakter zukommt, überhaupt Bedeutung bei der Entscheidung über die Aufnahme des Delikts in den Nebenklagekatalog hätte beimessen dürfen. Diese Zweifel ergeben sich daraus, dass die Legaldefinition des § 373b Abs. 1 StPO nicht nur einen rechtsgutsorientierten, sondern auch einen schadensorientierten Teil enthält. Die Entstehungsgeschichte des § 373b Abs. 1 StPO zeigt, dass mit der schadensorientierten Alternative auch die Begehung eines Kollektivdelikts eine „Verletzung“ herbeiführen können sollte.[136] Hinzuweisen ist insofern insbesondere darauf, dass § 373b Abs. 1 StPO dazu dienen sollte, die EU-Opferschutzrichtlinie umzusetzen, die ebenfalls nicht auf das Schutzgut des verwirklichten Straftatbestandes abstellt.[137] Dass es für die Frage der Aufnahme eines Delikts in den Nebenklagekatalog auf das Schutzgut nicht entscheidend ankommen kann, zeigt auch § 395 Abs. 3 StPO, der die Nebenklage für sämtliche Delikte öffnet.

Zu einer deutlichen systematischen Verkürzung des § 373b Abs. 1 StPO führt ferner die rechtsgutsbezogene Einschränkung in § 395 Abs. 1 Nr. 4a) StPO n.F. Denn diese Beschränkung führt bei genauer Betrachtung zu einer bislang im Gesetz nicht vorgesehenen „doppelten Verletztenprüfung“.[138] Eine solche ausgerechnet bei den Völkerstraftaten zu fordern, wohingegen keine andere der Varianten des Nebenklagekataloges eine rechtsgutsbezogene Einschränkung enthält, erscheint problematisch.

Auch der Zusatz, wonach für die Nebenklagebefugnis stets ein „unmittelbarer Zusammenhang zwischen der verfahrensgegenständlichen Tat und der Rechtsgutverletzung“ bestehen müsse, erscheint vor dem Hintergrund des § 373b Abs. 1 StPO zumindest überflüssig. Denn bei sinnvoller Auslegung führt bereits der Begriff des Verletzten in § 373b Abs. 1 StPO zu einer Begrenzung des Kreises der Nebenklage.[139] § 373b Abs. 1 StPO enthält ein eindeutiges Unmittelbarkeitskriterium, das für seine beiden Alternativen gilt.[140] Es wäre daher vorzugswürdig gewesen, dass der Gesetzgeber zunächst den Gerichten das Vertrauen entgegengebracht hätte, durch die Auslegung von § 373b Abs. 1 StPO zu sachgerechten Ergebnissen zu gelangen, anstatt der Nebenklagebefugnis auf gesetzlicher Ebene einen weiteren Riegel vorzuschieben. Im Ergebnis dürfte der letztere Zusatz allerdings nichts an der bestehenden Gesetzeslage ändern.[141]

Schließlich wären die Einschränkungen auf Tatbestandsebene auch deshalb nicht erforderlich gewesen, weil den Bedenken der Justiz vor einer Entgrenzung der Nebenklage allein über die Rechtsfolgenseite hinreichend hätte Rechnung getragen werden können, wie sogleich zu zeigen sein wird.[142]

c) Die Ausweitung des Rechts auf Beiordnung eines kostenlosen Rechtsbeistandes in § 397a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6 StPO n.F.

Die Erweiterung der Nebenklagebefugnis führt jedoch zunächst zu einer Erweiterung des Rechts, unabhängig von den Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6 StPO n.F. einen Rechtsbeistand beantragen zu können. Dies ist vor dem Hintergrund begrüßenswert, dass der Bedarf an einer umfassenden Betreuung von aus dem Ausland stammenden Opfer erhöht ist.[143] Ebenfalls begrüßenswert ist, dass auf das zusätzliche Merkmal der Unfähigkeit, die eigenen Interessen selbst ausreichend wahrnehmen zu können, wie es in den § 397a Abs. 1 Nr. 4 und 5 StPO vorgesehen ist, verzichtet worden ist, womit der regelmäßigen besonderen Schutzbedürftigkeit der Opfer in Völkerstrafverfahren Rechnung getragen werden sollte.[144] Es ist zu bedauern, dass die kritikwürdigen Beschränkungen der Nebenklagebefugnis, wie etwa die rechtsgutsbezogene Beschränkung in § 395 Abs. 1 Nr. 4a) StPO n.F., sich auch an dieser Stelle niederschlagen und zu einer entsprechenden Beschränkung des Rechts auf Beiordnung führen.[145]

d) Die Kollektivierung der Rechtswahrnehmung in § 397b Abs. 1 Nr. 2 S. 2 StPO n.F.

Sodann hat der Gesetzgeber versucht, der Sorge vor einer Entgrenzung der Nebenklage über die Rechtsfolgenseite weiter Einhalt zu gebieten, indem er ein Regelbeispiel in die Vorschrift der gemeinschaftlichen Nebenklagebefugnis eingefügt hat. Gem. § 397b StPO kann das Gericht für mehrere Nebenkläger einen gemeinschaftlichen Rechtsbeistand bestellen, wenn die Verletzten „gleichgelagerte Interessen“ verfolgen.[146] Im Hinblick auf Völkerstrafverfahren sollen gleichgelagerte Interessen künftig bei den Verletzten von Völkerstraftaten iSd § 395 Abs. 1 Nr. 2a) und 4a) StPO regelmäßig vorliegen, wenn den jeweiligen Taten der gleiche Lebenssachverhalt zugrunde liegt, wobei dies in Anlehnung an die Definition der prozessualen Tat zu ermitteln sein soll.[147]

Obgleich sich die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung bereits als solche mit guten Gründen kritisieren lässt[148], dürfte an ihr in nationalen Völkerstrafverfahren kaum ein Weg vorbeiführen, wie auch in der Wissenschaft bereits zutreffend ausgeführt worden ist.[149] So war es gerade die fehlende „Pool-Lösung“, die vor ihrer Einfügung in das Gesetz 2021 als zentrales praktisches Hindernis für eine ausdrückliche gesetzliche Nebenklagebefugnis für die Opfer von VStGB-Taten angesehen wurde.[150] Eine Lösung, die jener des § 397b StPO entspricht, wird auch vor dem IStGH praktiziert.[151] 

Allerdings wäre die Schaffung eines gesetzlichen Regelfalls für Völkerstrafverfahren besser unterblieben. Die Einführung eines gesetzlichen Regelfalls, der nur für Völkerstrafverfahren, nicht aber für andere Großverfahren gelten soll, ist unverständlich. Dass es eines gesetzlichen Regelbeispiels nicht bedurft hätte, zeigt auch die bisherige Praxis nationaler Völkerstrafverfahren, in der § 397b Abs. 1 StPO bereits erfolgreich angewendet worden ist und in denen für die Prüfung gleichgelagerter Interessen auf sachnahe Kriterien zurückgegriffen wurde.[152] Es bleibt zu hoffen, dass die Gerichte solche Kriterien auch weiterhin heranziehen werden. Um dem Sorge zu tragen, hat der Gesetzgeber auf die Empfehlung des Rechtsausschusses hin nun klarstellend den Zusatz aufgenommen, wonach es dem Gericht „unbenommen bleibt, zusätzliche sachnahe Kriterien im Einzelfall zu berücksichtigen.“[153]

e) Die Kollektivierung der Ausübung der Verfahrensrechte in § 397b Abs. 4 StPO n.F.

Ebenfalls um die Handhabbarkeit von Völkerstrafverfahren zu gewährleisten, wird in § 397b Abs. 4 StPO eine Vorschrift zur Kollektivierung der Rechtsausübung eingefügt, wonach die in § 397 Abs. 1 S. 3 und 4 StPO genannten Verfahrensrechte in den Fällen des § 397b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StPO n.F. grundsätzlich nur durch den bestellten oder beigeordneten Beistand ausgeübt werden. Die praktische Relevanz der Vorschrift ist eingeschränkt, weil sie nur greift, wenn sich die Nebenklagebefugnis allein aus VStGB-Taten ergibt.

Wenngleich die Idee der Kollektivierung der Rechtsausübung nachvollziehbar erscheint und auch die Erfahrungen des IStGH für diese Praxis sprechen[154], erscheint wenig geglückt, dass die Vorschrift die Rechtsausübung dem Rechtsbeistand unabhängig von der Anzahl der Nebenkläger vorbehalten will.[155] Dies lässt sich mit der gesetzgeberischen Intention, die Handhabbarkeit der Verfahren aufgrund der Vielzahl potenzieller Nebenkläger in solchen Verfahren zu garantieren, nicht in Einklang bringen.[156] Auch, um dem – auch hier entstehenden – Eindruck einer Schlechterstellung der Opfer völkerrechtlicher Verbrechen entgegenzuwirken, wäre es vorzugswürdig gewesen, die Norm auf sämtliche Großverfahren ab einer gewissen Anzahl an Nebenklägern auszudehnen.[157] Positiv ist, dass das Gericht es dem Nebenkläger nach § 397b Abs. 4 S. 2 StPO n.F. gestatten kann, seinen Schlussvortrag selbst zu halten. Dies berücksichtigt die hohe Bedeutung des Schlussvortrags aus viktimologischer Perspektive, der für das Opfer eine essenzielle Möglichkeit bedeutet, aus seiner Zeugenrolle herauszutreten. Da die Gewährung des Schlussvortrags indes im Ermessen des Gerichts steht, bleibt abzuwarten, inwieweit die Gerichte davon Gebrauch machen werden.[158]

f) Die Ausweitung des Anspruchs auf psychosoziale Prozessbegleitung in § 406g) Abs. 3 S. 1 StPO n.F.

Begrüßenswert ist, dass nebenklagebefugten Verletzten nach dem VStGB künftig ein Anspruch auf psychosoziale Prozessbegleitung zustehen soll. Dies geschieht durch eine Bezugnahme des § 406g Abs. 3 S. 1 StPO n.F. auf § 397a Abs. 1 Nr. 6 StPO. Durch die Aufnahme in § 406 Abs. 3 S. 1 StPO, der anders als S. 2 keine gesonderte Prüfung besonderer Schutzbedürftigkeit voraussetzt, werden die Schwere der Betroffenheit der Opfer völkerrechtlicher Verbrechen, ihre regelmäßig starke Traumatisierung sowie die Bedrohungslagen anerkannt, der sich diese Opfer regelmäßig ausgesetzt sehen. Die Ausdehnung des Anspruchs auf psychosoziale Prozessbegleitung liegt mithin auch im Interesse staatlicher Fürsorgepflicht.[159]

 2. Verbesserung der Breitenwirkung von Völkerstrafverfahren

Ein weiteres das Verfahren betreffende Ziel des Gesetzesvorhabens war die Verbesserung der Information über völkerstrafrechtliche Verfahren vor deutschen Gerichten. Bei aller Anerkennung, die die deutsche Justiz für ihre Übernahme von Weltrechtspflegeverfahren in den vergangenen Jahren erhalten hat, sah sich Deutschland dem Vorwurf ausgesetzt, „Weltrechtspflege ohne Weltrechtsbezug“ zu betreiben.[160]

Gewichtige Gründe, die für eine Erweiterung der Dokumentation völkerstrafrechtlicher Verfahren und für eine Verbesserung der sprachlichen Teilhabe sprachen, ergeben sich aus den Besonderheiten von Völkerstrafverfahren.[161] Obgleich es keine geschriebenen Anforderungen an die Durchführung nationaler Völkerstrafverfahren gibt, dürften sich in Fällen universeller Gerichtsbarkeit, in denen die Legitimation der deutschen Strafgerichtsbarkeit aus dem Weltrechtspflegeprinzip folgt, aus diesem Prinzip gewisse Mindestanforderungen an die Art und Weise der Durchführung der Weltrechtspflege ableiten lassen, wie bereits im Vorhinein der Reform eindrucksvoll aufgezeigt worden ist.[162] Die Änderungen des Gesetzes bringen nunmehr zutreffend zum Ausdruck, dass die deutsche Weltrechtspflege einem Interesse der internationalen Gemeinschaft als Ganzer dient.[163] Die Ergebnisse werden indessen davon abhängen, wie die Gerichte das ihnen vorbehaltene Ermessen ausüben werden. Es ist zu hoffen, dass die Gerichte sich tatsächlich als Akteure im System der Strafrechtspflege für die internationale Gemeinschaft verstehen werden[164] und dies in ihre Ermessenentscheidungen mit einbeziehen werden.

a) Die Aufzeichnung völkerstrafrechtlicher Verfahren

Reformbedarf ergab sich zunächst im Bereich der Aufzeichnung völkerstrafrechtlicher Verfahren. Die im internationalen Vergleich restriktive Handhabung von Aufzeichnungen im deutschen Strafverfahren hat ihren gesetzlichen Ausgangspunkt in § 169 Abs. 1 S. 2 GVG, der die grundsätzliche Unzulässigkeit von Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen normiert.[165] Dieser Grundsatz wurde durch § 169 Abs. 2 GVG moderat gelockert, der dem Gericht seit dem Jahr 2018 die Zulassung akustischer Dokumentation zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken ermöglicht, wenn es sich um ein Verfahren von „herausragender zeitgeschichtlicher Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland“ handelt.[166] Der Gesetzgeber hat die hiesige Reform genutzt, um § 169 Abs. 2 S. 1 GVG auch auf Filmaufnahmen zu erweitern und den bislang vorgesehenen Deutschlandbezug zu streichen. Auf die Einfügung eines neuen § 169 Abs. 2 S. 2 GVG-E, der es ermöglichen sollte, auf etwaige ohnehin im Rahmen der digitalen Verfahrensdokumentation angefertigte Aufnahmen zurückzugreifen, wurde angesichts der Verzögerung des Entwurfs zum Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz verzichtet.[167] Die Änderungen im Bereich der Audio- und Videodokumentation erwiesen sich mit Blick auf die gegenwärtige Diskussion um das Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz als nicht leicht, dennoch sind beide im Ergebnis zu begrüßen.[168] Denn auch ungeachtet der noch zur Debatte stehenden grundsätzlichen Pläne zur Dokumentation der Hauptverhandlung ist die Änderung des § 169 Abs. 2 GVG zur Stärkung völkerstrafrechtlicher Verfahren notwendig.[169]

Dies gilt zunächst für die Streichung der Wörter „für die Bundesrepublik Deutschland“. Mit dieser Einschränkung in § 169 Abs. 2 GVG hatte der Gesetzgeber intendiert, Verfahren von bloß regionaler Bedeutung vom Anwendungsbereich der Vorschrift auszuschließen – nicht jedoch solche mit weltweiter Bedeutung. Eine solche weltweite Bedeutung entfalten jedoch gerade Völkerstrafverfahren, die auf Grundlage des Weltrechtspflegeprinzips erfolgen. Nebenbei erschien selbst nach bisheriger Rechtslage unverständlich, wie die zeitgeschichtliche Bedeutung von Völkerstrafverfahren – etwa des weltweit ersten Verfahrens über Fälle der Staatsfolter in Syrien – selbst für die Bundesrepublik Deutschland verneint werden konnte.[170] Völkerstrafverfahren, in denen Deutschland die Strafrechtspflege treuhänderisch für die gesamte internationale Gemeinschaft übernimmt, dürften nicht nur für die gesamte Staatengemeinschaft, sondern auch für Deutschland von zeitgeschichtlicher Bedeutung sein. Daneben hat das Gericht im Al-Khatib-Verfahren in seiner Abwägung die Interessen der syrischen, in Deutschland befindlichen Diasporagemeinschaft nicht als inländisches Interesse verstanden.[171]

Auch die Ausweitung des § 169 Abs. 2 S. 1 GVG auf visuelle Aufzeichnungen ist grundsätzlich zu begrüßen. Der Aufzeichnung kommt gerade in Völkerstrafverfahren eine bedeutende Rolle zu. So beugt sie nicht nur der nachträglichen Delegitimierung der Verfahren und künftigen „Geschichtsleugnungen und Narrativverschiebungen“ vor, ein Risiko, das gerade im Falle einer Beteiligung staatlicher Akteure ein erstzunehmendes Risiko darstellt.[172] Auch bildet sie ein wichtiges Medium für die Anerkennung des erlittenen Unrechts der betroffenen Bevölkerung. Zur Erreichung dieses Ziels ist gerade die Möglichkeit der Zulassung von Ton- und Filmaufnahmen dienlich, da filmische Aufzeichnungen den gesamten Ablauf des Verfahrens unter Berücksichtigung non-verbaler Interaktionen erfassen und damit einen unmittelbareren Einblick in das Verfahren ermöglichen. Welche Bedeutung die umfangreiche Aufzeichnung von Prozessen für die Erinnerungskultur einer Bevölkerung und die Bewahrung von Wissen haben kann, ist nicht zuletzt aus der deutschen Geschichte bekannt.[173] In diesem Zusammenhang regt Boe etwa das eindrückliche Gedankenexperiment an, welche Konsequenzen es für die gesellschaftliche Aufarbeitung der NS-Verbrechen gehabt hätte, wenn die Nürnberger Prozesse nicht in Wort, Ton und Bild dokumentiert und der deutschen Bevölkerung in deutscher Übersetzung zugänglich gemacht worden wären, sondern etwa in New York oder Moskau ohne eine solche Übersetzung stattgefunden hätten.[174]

Gleichwohl bestanden im hiesigen Gesetzgebungsverfahren gegen die Zulassung von Ton- und insbesondere Filmaufnahmen jene Bedenken fort, die in den parallel geführten Beratungen über den Entwurf eines Gesetzes zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung ausgeführt wurden.[175] Diese Bedenken betrafen im Wesentlichen die Konsequenzen solcher Aufzeichnungen mit Blick auf die missbräuchliche Verwendung der Aufnahmen,[176] eine Erschwerung der Wahrheitsfindung durch Einschüchterungseffekte und Aussagehemmung und der Zeugenschutz im Allgemeinen.[177] Grundsätzlich dürfte den geäußerten Sorgen bereits durch das strenge Prozedere (Archivierung durch das Bundes- oder Landesarchiv, Sperrfristen und Löschung) beizukommen sein, das in den unverändert gebliebenen[178] § 169 Abs. 2 S. 3-5 GVG vorgesehen ist.[179] Die Sorge um die negative Beeinflussung des Aussageverhaltens von Zeugen durch Aufzeichnungen[180] verdiente jedoch Beachtung und dies nicht nur deshalb, weil es gerade dieses Argument war, aufgrund dessen die Oberlandesgerichte in bisherigenVölkerstrafverfahren die Zulassung von Tonaufzeichnungen wiederholt abgelehnt haben.[181] Auch ist zu berücksichtigen, dass Zeugen in Völkerstrafverfahren tatsächlich regelmäßig, gerade im Falle noch andauernder bewaffneter Konflikte, der Gefahr von Repressalien und Verfolgung durch ihre Heimatstaaten ausgesetzt sind.[182] Auch angesichts europäischer Opferschutzvorgaben[183] und mit Blick darauf, dass Zeugen regelmäßig aufgrund ihres Aussageinhalts identifiziert werden können, ließ sich anführen, dass der Gesetzgeber stärkere prozessuale Mechanismen zum Opferschutz hätte schaffen müssen.[184]

Insofern war der Vorschlag unterbreitet worden, § 68 Abs. 3 StPO nach dem Vorbild der Strafprozessordnung Österreichs zu reformieren[185] und dem Zeugen das Recht einzuräumen, neben Fragen zu seinen Personalien auch solche Fragen nicht beantworten zu müssen, die Rückschlüsse auf seine Identität oder die Identität anderer zu schützender und ggf. noch im Heimatstaat lebender Personen zulassen. Ergänzend wurde vorgeschlagen, Opferzeugen das Recht einzuräumen, der Aufzeichnung ihrer Aussage zu widersprechen, ggf. unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 StPO.[186] Die Ausweitung der Anonymisierung von Zeugen hätte den Zielen der Reform nicht im Wege gestanden, da sie nichts an der weiterhin gebotenen Dokumentation geändert hätte. Schutzmechanismen wie diese hätten indes nicht nur dem Opferschutz und dem Schutz der Angehörigen im Heimatstaat Rechnung getragen, sondern den Gerichten ihre Ermessenentscheidung zugunsten einer Aufzeichnung nach § 169 Abs. 2 S. 1 GVG n.F. – jedenfalls unter Opferschutzgesichtspunkten – erleichtert. Nun jedoch mag die Sorge nahe liegen, dass die Gerichte ihr Ermessen mit Blick auf den Zeugenschutz nicht zugunsten der erhofften Änderung der Aufzeichnungspraxis ausüben werden.[187] Wohl aus diesem Grund weist die Gesetzesbegründung nun darauf hin, dass die Gerichte die audiovisuelle Aufzeichnung in den Fällen von § 169 Abs. 2 GVG grundsätzlich zulassen sollen und dass möglichst mildere Mittel als ein Absehen von der Aufnahme gewählt werden sollen, wie beispielsweise die teilweise Untersagung der Aufnahme im Sinne von § 169 Abs. 2 S. 2 GVG.[188] Vorzugswürdig wäre es indessen gewesen, § 169 Abs. 2 S. 1 GVG n.F. als intendiertes Ermessen zu formulieren[189] und zur Eindämmung der Risiken die obigen Vorschläge zur Verbesserung des Zeugenschutzes umzusetzen.[190]

b) Einfügung des § 185 Abs. 4 GVG n.F. – Zugang zu Verdolmetschung

Neu in das Gerichtsverfassungsgesetz eingefügt wurde § 185 Abs. 4 GVG n.F., demgemäß sich künftig Personen, die für Presse, Hörfunk, Fernsehen oder für andere Medien berichten und der deutschen Sprache nicht mächtig sind, Verdolmetschungen in Gerichtsverhandlungen bedienen dürfen. Während sich § 185 Abs. 4 S. 1 GVG n.F. auf selbst und auf eigene Kosten organisierte Verdolmetschungen bezieht, kann das Gericht nach Satz 2 nach eigenem Ermessen die Nutzung gerichtlich bereitgestellter Verdolmetschungen zulassen. Anlass der Neuregelung war die Reaktion auf eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde, die aus einem der genannten Verfahren vor dem OLG Koblenz hervorgegangen war. Hier hatte das Gericht einen Antrag auf Übertragung der arabischen Übersetzung des gerichtlich bestellten Dolmetschers in den Zuschauerraum abgelehnt. Mit Beschluss vom 18. August 2020 entschied das BVerfG im Wege der einstweiligen Anordnung, dass es akkreditierten Medienvertretern mit besonderem Bezug zum syrischen Konflikt ermöglicht werden müsse, das Prozessgeschehen auf Arabisch zu verfolgen.[191] Zur Begründung verwies es auf das große Informationsbedürfnis der syrischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft, das in die Abwägungsentscheidung einzustellen sei, woraufhin das OLG Koblenz eine Mitnutzung des gerichtlichen Übersetzungssystems erlaubte.[192]

Die Neuregelung in § 185 Abs. 4 GVG n.F. ist begrüßenswert, da eine Strafrechtspflege auf Grundlage des Weltrechtsprinzips nur dann volle Legitimität für sich beanspruchen kann, wenn diejenigen, die sich der Berichterstattung über deutsche Völkerstrafprozesse annehmen, dem Verfahren ohne sprachliche Barrieren folgen können. Legitimes Ziel des Gesetzgebers war die gleichberechtigte Teilhabe ausländischer Berichterstatter, die durch Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. der in Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Pressefreiheit grundrechtlichen Schutz genießt.[193] Die Entscheidung für eine Ausgestaltung von § 185 Abs. 4 S. 2 GVG n.F. als Ermessensvorschrift und nicht als subjektiver Anspruch für Medienschaffende erscheint zwar vertretbar, doch hätte sich auch insofern über die Ausgestaltung als intendiertes Ermessen  nachdenken lassen.[194] Denn wenn bereits eine gerichtlich bereitgestellte Verdolmetschung existiert, auf die zurückgegriffen werden kann, dürften einer Nutzung auch durch Medienvertreter keine Bedenken entgegenstehen, auch, da insofern keine zusätzlichen Kosten entstehen.[195] Ob die Vorschrift den Schutz der Pressefreiheit ausländischer Berichterstatter ausreichend erhöht, wird nun davon abhängen, in welchem Umfang die Gerichte von ihr Gebrauch machen werden. Indessen ist zurecht bereits bemerkt worden, dass im Lichte der Entscheidung des BVerfG ohnehin regelmäßig dann eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegen wird, wenn für Medienschaffende der betroffenen Gesellschaft anderenfalls keine (zumutbare) Möglichkeit bestünde, das Verfahren zu verfolgen.[196] 

Begrüßenswert ist, dass sich der Gesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gegen eine Beschränkung der Norm auf „Medienvertreter“ entschieden hat. Die weitere Formulierung in der Neufassung stellt klar, dass § 185 Abs. 4 GVG nicht nur akkreditierte Mitglieder der Presse meint, die in Konfliktregionen unter starker staatlicher Kontrolle stehen können. Allerdings lässt das Gesetz damit bereits das durch die Völkerstraftat betroffene Opfer außer Acht. Zwar geht mit der Ausweitung der Nebenklagebefugnis auf Opfer völkerstrafrechtlicher Verbrechen im Sinne der Neufassung des § 395 Abs. 1 Nr. 2a) und 4a) StPO n.F. auch eine Ausweitung des Rechts auf Verdolmetschung nach § 187 Abs. 4 GVG einher. Doch besteht dieses Recht nur, soweit dies für die Ausübung von Aktivrechten erforderlich ist, nicht jedoch für das Opfer, das keine Aktivrechte ausüben, dem Prozess jedoch gleichwohl folgen können möchte. Dass letzteres nach dem Gesetzesvorhaben nicht ohne weiteres möglich ist, widerspricht dem in Art. 3 der EU-Opferschutzrichtlinie normierten Recht des Opfers „zu verstehen und verstanden zu werden.“[197] Noch weitergehend fragt sich jedoch darüber hinaus, ob sich die Vorschrift nicht auch für nicht-journalistische Zuschauer hätte öffnen lassen können, die ebenfalls zur sprachlichen Teilhabe an Völkerstrafverfahren berechtigt sein sollten. Insofern hätte man sich am Standard vor dem IStGH orientieren können, bei dem alle im Gerichtssaal Anwesenden an dem gerichtseigenen Übersetzungssystem teilhaben. Dies hätte auch der Problematik vorgebeugt, die entsteht, wenn keine Übersetzung erfolgen muss, weil der Angeklagte der deutschen Sprache mächtig ist.[198]

c) Übersetzung von Urteilen auf dem Gebiet des Völkerrechts

Begrüßenswert ist schließlich, dass das Bundesjustizministerium die Übersetzung „wegweisender“ nationaler Urteile mit Bezügen zum Völkerstrafrecht in die englische Sprache angekündigt hat.[199] Für die Wirkkraft völkerstrafrechtlicher Urteile ist unbestreitbar von Bedeutung, in welcher Sprache diese der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Wenngleich sich aus dem Weltrechtspflegeprinzip wohl keine völkerrechtliche Pflicht zur Übersetzung von Urteilen ableiten lassen dürfte, so ergeben sich aus dem letztgenannten Prinzip, das seinerseits durch die Prinzipien der Repräsentation, Solidarität, Subsidiarität und Publizität geprägt ist, doch sehr gute Gründe für eine Übersetzung von Urteilen.[200]

Die geplante Übersetzung in die englische Sprache erscheint zur Schonung der nun ohnehin geforderten gerichtlichen Ressourcen zumindest für den Anfang als genügend, wenngleich sich insoweit über eine Ausweitung der Übersetzung in die jeweilige Landessprache der betroffenen Bevölkerung oder in die sechs authentischen Sprachen des IStGH-Statuts nachdenken ließe.[201] Die angekündigte Übersetzung sollte indessen nicht bei Urteilen Halt machen, sondern sich auch auf Pressemitteilungen der Gerichte zu jenen prozessualen Entwicklungen erstrecken, die von Interesse für die Öffentlichkeit sind.[202] Gleiches gilt für die Informationen für Medienschaffende, die den Zugang zur gerichtlichen Hauptverhandlung betreffen, sind Medienschaffende doch bislang für die Übersetzung der im Akkreditierungsverfahren einzureichenden Unterlagen und Anträge auf die Unterstützung aus der deutschen und internationalen Zivilgesellschaft angewiesen.[203] Auch ist schließlich berechtigterweise zu bedenken gegeben worden, dass es der Rolle der Oberlandesgerichte als Akteure im System einer sich konstituierenden internationalen Strafrechtspflege zuträglicher wäre, wenn man den Gerichten die Übersetzung überließe, anstatt die Entscheidung über eine Übersetzung einzelfallanhängig durch das Bundesjustizministerium treffen zu lassen.[204]

3. Eine bedeutende Einfügung „in letzter Minute“[205]: Die Regelung der Unanwendbarkeit funktioneller Immunität in Völkerstrafverfahren in § 20 Abs. 2 S. 2 GVG n.F.

Während die Ziele der Stärkung der Opferrechte und der Verbesserung von Reichweite und Rezeption bereits im Referentenentwurf enthalten waren und somit im Gesetzgebungsverfahren ausgiebig diskutiert worden sind, fand eine letzte gewichtige Neuerung erst auf den letzten Metern des Gesetzgebungsverfahrens über eine Empfehlung des Rechtsausschusses Eingang in das Gesetz. Diese Änderung betraf die Einfügung eines Satzes in § 20 Abs. 2 S. 2 GVG n.F., der klarstellt, dass funktionelle Immunität die Erstreckung deutscher Gerichtsbarkeit auf die Verfolgung von Verbrechen nach dem VStGB nicht hindern soll. Damit hat der Gesetzgeber zu einem wichtigen Zeitpunkt die überzeugende Position des BGHgegen Immunität ratione materie aufgegriffen und eine Rechtsüberzeugung im Gesetz verankert, deren Bedeutung für nationale Völkerstrafverfahren kaum überschätzt werden kann.[206]

Die lange Zeit gefestigte Rechtsüberzeugung über die Unanwendbarkeit der funktionellen Immunität in nationalen Völkerstrafverfahren[207] ist in den vergangenen Jahren international ins Wanken geraten. Dies zeigte sich insbesondere in einer Reihe staatlicher Stellungnahmen zu einem Artikelentwurf der Völkerrechtskommission (ILC), die sich dem Thema im Jahre 2007 angenommen hat.[208] Das internationale Wanken hat auch Einfluss auf die Position der deutschen Bundesregierung genommen, deren Haltung zur Immunität ratione materie zuletzt bestenfalls als ambivalent bezeichnet werden konnte.[209] Dem stellte sich die deutsche Justiz entgegen: So hatte der BGH bereits in seinem Urteil vom 28. Januar 2021 ausführlich zu der Frage Stellung bezogen und klargestellt, dass, „jedenfalls die Strafverfolgung fremder nachrangiger Hoheitsträger wegen Kriegsverbrechen oder bestimmter anderer die Völkergemeinschaft als Ganzes betreffender Delikte zulässig“ sei.[210] Dass dies auch der bisherigen Haltung der deutschen Justiz in dieser Frage entsprach, zeigen etwa die Verurteilungen der beiden syrischen Geheimdienstler vor dem OLG Koblenz, für die Voraussetzung war, dass das Gericht im Hinblick auf die beiden Angeklagten nicht von einem Verfahrenshindernis aufgrund von entgegenstehender funktioneller Immunität ausging. In einer Haftfortdauerentscheidung vom 21. Februar 2024[211] hat der BGH nun auch noch die letzten verbleibenden Zweifel, wie weit seine bisherige Position verstanden werden durfte, beseitigt und sich nunmehr umfassend zur Unanwendbarkeit funktioneller Immunität bekannt.[212]

Wenngleich die nun in § 20 Abs. 2 S. 2 GVG n.F. normierte Rechtsüberzeugung dem Stand des geltenden Völkergewohnheitsrechts entspricht, bleibt fraglich, ob sie tatsächlich Eingang in eine gesetzliche Regelung hätte finden müssen. Denn es ist in erster Linie die Aufgabe der Bundesregierung und nicht des Gesetzgebers, die deutsche Völkerrechtsüberzeugung zum Ausdruck zu bringen und damit speziell in diesem Fall den deutschen Gerichten auf internationaler Ebene den Rücken zu stärken. Im Übrigen erfolgt der gesetzliche Immunitätsausschluss zwar an vertretbarer Stelle.[213] Doch enthielt § 20 Abs. 2 GVG bereits in seiner bisherigen Fassung eine hinlängliche Regelung. Die in dieser Norm anzutreffende dynamische Verweisung auf den jeweils geltenden Stand des Völkergewohnheitsrechts ist auch sachgerecht, da ein deutsches Gesetz über die Entwicklung des Völkergewohnheitsrechts nicht verfügen kann.[214] Gleichwohl wird die Intervention des deutschen Gesetzgebers nun dazu beitragen, das geltende Völkergewohnheitsrecht durch deutsche Staatenpraxis, die von einer entsprechenden Rechtsüberzeugung getragen ist, gegen die neueren Anfechtungen zu bekräftigen.[215] Auch ist die Einfügung in das Gesetz insofern begrüßenswert, als sie die Erwartung an die Bundesregierung nochmals erhöhen dürfte, ihre unentschlossene Haltung in dieser Frage bis zur zweiten Lesung des ILC-Artikelentwurfs dahin zu überdenken, dass Deutschland zu der völkerstrafrechtlichen Grundsatzfrage der funktionalen Immunität wieder mit einer Stimme spricht.

IV. Desiderate

Die vorgenommenen Anpassungen durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts sowohl im materiellen als auch im prozessualen Bereich sind insgesamt zu begrüßen. Indessen bleiben auch nach dieser Reform einige wichtige Desiderate:

So hat der Gesetzgeber das Weisungsrecht des Bundesjustizministers unangetastet gelassen. Die treuhänderische Weltrechtspflege Deutschlands kann nur dann volle Legitimität beanspruchen, wenn sie über jeden Zweifel politischer Einflussnahme erhaben ist. Eine Möglichkeit, solche Zweifel auszuräumen, hätte in der Einfügung einer Bereichsausnahme für Völkerstraftaten in § 147 Nr. 1 GVG gelegen.[216] Obschon die Bundesregierung im Koalitionsvertrag eine grundlegende Anpassung des Einzelfallweisungsrechts in Aussicht gestellt hat, führt der kürzlich vorgelegte Referentenentwurf des BMJ insoweit nicht zu Verbesserungen.[217]

Ein weiterer Bereich, in dem Verbesserungen im Hinblick auf die Gefahr einer Politisierung erforderlich gewesen wären, betrifft das bestehende Einstellungsrecht. Hier ist der Gesetzgeber erneut nicht dem Aufruf gefolgt, die Einstellungsentscheidung nach § 153f StPO der gerichtlichen Überprüfung zugänglich zu machen.[218] Zu Recht sind die durch die fehlende gerichtliche Überprüfbarkeit entstehenden Rechtsschutzlücken im Gesetzgebungsverfahren mit Blick auf die Schwere der Völkerstraftaten kritisiert worden. Die Ungleichbehandlung dieser Ermessensentscheidung im Vergleich zu anderen Ermessensentscheidungen ist nur schwerlich zu rechtfertigen, besonders, da sie der UN-Agenda 2030 und Artikel 11 der Opferschutzrichtlinie zuwiderläuft.[219] Zudem hat der Gesetzgeber der Forderung nach einer Einschränkung des Ermessens in Fällen, in denen die Tat gegen deutsche Staatsangehörige oder Menschen mit dauerhaftem Wohnsitz in Deutschland begangen wurde, nicht nachgegeben.[220]

Schließlich, und nicht zuletzt hat der Gesetzgeber es einmal mehr versäumt, den rechtlichen Rahmen für die Strafverfolgung deutscher Beschuldigter beim Verdacht von Völkerstraftaten im Ausland dadurch zu verbessern, dass er den Feldjägern einen sachgerechten Platz im Ermittlungsverfahren zuweist. Die Erfahrungen mit dem Kunduz-Verfahren hätten hierzu spätestens nach dem höflich formulierten Tadel des EGMR allen Anlass gegeben.[221] Es ist misslich, dass so der Eindruck nicht ganz von der Hand zu weisen ist, der Reformeifer des deutschen Gesetzgebers sei bei deutschen Verdächtigen vergleichsweise gering ausgeprägt. Trotz der jüngst auf der Baustelle für deutsche Völkerstrafrechtspflege erzielten Fortschritte gilt danach: der Bau bleibt unvollendet.

 

[1]      Rede des Bundesjustizministers anlässlich der Ersten Lesung eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts vor dem Deutschen Bundestag, 30. November 2023, online abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Reden/DE/2023/1130_Bundestag_Voelkerstrafrecht.html (zuletzt abgerufen am 30.6.2024).

[2]      Aussage eines Nebenklägers zum Prozessauftakt vor dem OLG Celle, s. Gambian Dictatorship’s Crimes go on Trial in Germany, Justice Info v. 25.4.2022, online abrufbar unter: https://www.justiceinfo.net/en/91253-gambian-dictatorship-crimes-trial-in-germany.html (zuletzt abgerufen am 8.7.2024).

[3]      Pressemitteilung des OLG Celle vom 30.11.2023, online abrufbar unter: https://oberlandesgericht-celle.niedersachsen.de/startseite/
aktuelles/presseinformationen/staatsschutzverfahren-wegen-des-verdachts-von-verbrechen-gegen-die-menschlichkeit-in-gambia-227625.html (zuletzt abgerufen am 8.7.2024).

[4]      Die Bilanz des deutschen VStGB im ersten Jahrzehnt seines Bestehens als „ernüchternd“ bezeichnen Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl. (2020), Rn. 488.

[5]      Dies ging einher mit einer Ausweitung der Ressourcen des Generalbundesanwalts und des Bundeskriminalamts, s. ausführlich zur Verbesserung der Anwendungspraxis Geneuss, in: Bock/Wagner, Gerechtigkeit aus der Ferne, 2023, S. 55.  

[6]      S. Präambel des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs, online abrufbar unter: https://www.icc-cpi.int/sites/default/files/2024-05/Rome-Statute-eng.pdf (zuletzt abgerufen am 8.7.2024).

[7]      OLG Frankfurt, Urt. v. 30.11.2021 – 5-3 StE 1/20 – 4 – 1/20, dieses wurde bestätigt in BGH, Beschl. v. 30.11.2021 – 3 StR 230/22.

[8]      Für das erstgenannte Verfahren s. OLG Koblenz, Urt. v. 24.2.2021 – 1 StE 3/21, dieses wurde bestätigt in BGH, Beschl. v. 20.4.2022 – 3 StR 367/21. Für das zweite, noch nicht rechtskräftige Verfahren s. OLG Koblenz, Urt. v. 13.1.2022 – 1 StE 9/19.

[9]      Fn. 1; BT-Drs. 20/9471, S. 10.

[10]    Zitiert nach Fn. 1.

[11]    BMJ, Referentenentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts v. 17.7.2023.

[12]    Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts v. 1.11.2023.

[13]    Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw48-de-voelkerstrafrecht-979660 (zuletzt abgerufen am 24.6.2024).

[14]    BT-Drs. 20/9471.

[15]    Kreß, DRiZ 2022, 72 (75); Interview mit Prof. Claus Kreß im Deutschlandfunk, 23. Januar 2022, online abrufbar unter: https://www.deutschlandfunk.de/interview-kress-prof-claus-voelkerrechtler-universitaet-koeln-dlf-2ab60fd7-100.html (zuletzt abgerufen am 8.7.2024); Bock/Wagner, Gerechtigkeit aus der Ferne?, Herausforderungen der nationalen Verfolgung von Völkerrechtsverbrechen, 2023; Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, 2023; Castillejos-Aragón, The Road to Koblenz: Pathways for International Justice through the exercise of universal jurisdiction in Germany, Konrad-Adenauer-Foundation, New York Office, 2024, online abrufbar unter: https://www.kas.de/de/web/newyork/veranstaltungsberichte/detail/-/content/the-road-to-koblenz (zuletzt abgerufen am 8.7.2024).

[16]    Allgemein kritisiert wurde, dass die verschiedenen Schutzrichtungen der Tatbestandsvarianten in §§ 7 Abs. 1 Nr. 6 und 8 Abs. 1 Nr. 4 VStGB nicht zum Ausdruck gelangen. So fordert Bock, dass klarer unterschieden werden müsse zwischen den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung einerseits (die durch die Tatbestandsvarianten des sexuellen Übergriffs, der sexuellen Nötigung, der Nötigung zur Prostitution und der sexuellen Sklaverei betroffen werden) und gegen die Reproduktionsfreiheit (Beraubung der Fortpflanzungsfähigkeit, erzwungene Schwangerschaft und erzwungener Schwangerschaftsabbruch). Dies hätte dadurch geschehen können, dass man die Varianten unter verschiedenen Nummern hätte ausführen können, s. Bock, KriPoZ 2023, 349 (353).

[17]    Insofern kritisch Bock, KriPoZ 2023, 349 (353).

[18]    §§ 7 Abs. 1 g), 8 Abs. 2 b) xxii), 8 Abs. 2 e) vi) IStGH-Statut („andere Formen sexueller Gewalt“).

[19]    Dagegen wird eingewandt, dass Spannungen mit dem Bestimmtheitsgebot schließlich auch an anderen Stellen des Gesetzes hingenommen werden, s. Bock, KriPoZ 2023, 349 (353).

[20]    BT-Drs. 20/9471, S. 27.

[21]    Die Reform des deutschen Sexualstrafrechts geht zurück auf die Verpflichtung zur strafrechtlichen Sanktionierung nicht einvernehmlicher sexueller Handlungen nach Art. 36 Abs. 1 des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt vom 11. Mai 2011 (sog. Istanbul-Konvention), s. Werle/Jeßberger, in: MüKo-StGB, VStGB, Bd. 9, 4. Aufl. (2022), § 7 Rn. 82.

[22]    Altunjan/Steinl, Sexualisierte und reproduktive Gewalt als Völkerrechtsverbrechen, Verfassungsblog v. 17.7.2022, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/sexualisierte-und-reproduktive-gewalt-als-volkerrechtsverbrechen/ (zuletzt abgerufen am 1.7.2024); Krüger, in: LK-StGB, VStGB, Bd. 20, 13. Aufl. (2023), § 8 Rn. 16.

[23]    BT-Drs. 20/9471, S. 24.

[24]    Dies wird mit dem Argument befürwortet, dass im speziellen Kontext völkerstrafrechtlicher Verbrechen ohnehin in der Regel Zwang gegeben sei, weswegen das IStGH-Statut zu Recht auf objektive Umstände vielmehr als auf den Willen des Opfers abhebe, s. Schwarz, Das völkerstrafrechtliche Sexualstrafrecht 2019, S. 229 f. Dies mit dem Argument kritisierend, dass dem Opfer durch dieses Verständnis seine Einverständnisfähigkeit in sexuelle Handlungen in Konflikten abgesprochen würde, s. Grewal, JICL 2012, 373 (373 ff.). Für den Vorschlag einer Kombinationslösung, die im Ausgangspunkt auf das fehlende Einverständnis abstellen, aber auch die objektiven Umstände makrokrimineller Kontexte berücksichtigen würde, s. Altunjan/Steinl, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 186.

[25]    Bock, KriPoZ 2023, 349 (352).

[26]    Kreß, JICJ 2006, 561 (583); Werle/Jeßberger in: LK-StGB, Bd. 1, 13. Aufl. (2020), Vorb. § 3 Rn. 240.

[27]    Weigend/Kuhli, in: MüKo-StGB, VStGB, § 2 Rn. 3.

[28]    BT-Drs. 20/9471, S. 24, verweisend auf die Verbrechenselemente zu Artikel 7 Abs. 1 g) Alternative 6 Nr. 1, Element Nr. 2 („or the invasion was committed against a person incapable of giving genuine consent“); s. auch Stellungnahme zum (Regierungs-)Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, Richter am OLG Dr. Andreas Schmidtke, S. 5, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/988356/81ca301e28e272
553dbec31f5b77be1b/Stellungnahme-Schmidtke.pdf (zuletzt abgerufen am 11.7.2024).

[29]    Bock, KriPoZ 2023, 349 (352); bereits vor der Reform Altunjan/Steinl, in: Jeßberger/Epik, 20 Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S.179 (185).

[30]    BT-Drs. 20/11661, S. 15; Office of the Prosecutor, Policy on Gender-Based Crimes, December 2023, online abrufbar unter: https://www.icc-cpi.int/sites/default/files/2023-12/2023-policy-gen
der-en-web.pdf (zuletzt abgerufen am 1.7.2024). 

[31]    BT-Drs. 20/9471, S. 25, 31.

[32]    Dazu, dass hier allerdings keine wirklichen Strafbarkeitslücken bestanden, da die Handlungen ohnehin stets den Tatbestand der sexuellen Nötigung erfüllt haben dürften, s. Bock, KriPoZ 2023, 349 (352).

[33]    Werle/Jeßberger, in: MüKo-StGB, VStGB, § 7 Rn. 82.

[34]    Altunjan/Steinl, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 179 (194 f.).

[35]    Altunjan/Steinl, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 179 (195).

[36]    Bock, KriPoZ 2023, 349 (352).

[37]    IStGH, Urt. v. 4. Februar 2021 (Ongwen, TC) para. 3061; Altunjan/Steinl, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 179 (193).

[38]    S. nur Bock, KriPoZ 2023, 349 (353), für eine entsprechende Änderung ausgesprochen hatten sich im Vorhinein auch Altunjan/Steinl, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 179 (193).

[39]    S. etwa die Stellungnahme zum (Regierungs-)Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, Richter am OLG Dr. Andreas Schmidtke, S. 2.

[40]    Altunjan/Steinl, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 179 (193); ausführlich zur Definition s. Oosterveld, Harvard Human Rights Journal 18 (2005), 55 (55 ff).

[41]    Zum tatsächlichen Phänomen des Verschwindenlassens s. Grammer, Der Tatbestand des Verschwindenlassens, 2005, S. 9 ff.; Ott, Enforced Disappearance in International Law, 2011.

[42]    Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (96) m.w.N.

[43]    Eine erste Rüge war bereits im Jahr 2014 erfolgt, s. UN-Committee on Enforced Disapearances, Concluding observations on the report submitted by Germany under article 29, paragraph 1, of the Convention, CED/C/DEU/CO/1, 27.03.2014; für die Rüge aus dem Jahr 2023 s. UN Committee on Enforced Disapearances, Concluding observations on the additional information submitted by Germany under article 29 (4) of the Convention, CED/C/DEU/OAI/1, 21.3.2023.

[44]    Durch die Bundesrepublik Deutschland ratifiziert am 30. Juli 2009 (BGBl. 2009 II, S. 932).

[45]    Teilweise wird ein Nachfrageerfordernis indessen ungeachtet des Wortlauts dennoch in Art. 7 Abs. 1 lit. i, Abs. 2 lit. i des IStGH-Statuts hineingelesen, ohne nähere Begründung s. Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, Rn. 1103; ein Nachfrageerfordernis im Schweizer StGB nehmen etwa auch Vest/Sutter an, in: Vest et al., Die völkerstrafrechtlichen Bestimmungen des StGB, 2014, Art. 264 a) Rn. 312, obwohl dieses nicht im Wortlaut des Art. 264 a) StGB angelegt ist.

[46]    Stellungnahme, Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, Deutsches Institut für Menschenrechte, 25. August 2023, S. 5. Die Stellungnahmen zum Referentenentwurf sind allesamt online abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2023_Fortentwicklung_Voelkerstrafrecht.html (zuletzt abgerufen am 8.7.2024).

[47]    Ein Beispiel hierfür ist das Verfahren vor dem OLG Koblenz, in dem das Verbrechen des Verschwindenlassens in der Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft aufgrund fehlenden Nachweises einer Nachfrage nicht einmal erwähnt wurde, obgleich die Voraussetzungen von Art. 2 CED vorlagen, s. Stellungnahme, Deutsches Institut für Menschenrechte, Überprüfung Deutschlands durch den Ausschuss gegen das Verschwindenlassen auf Grundlage des von Deutschland vorgelegten Berichts gemäß Art. 29(4) der Konvention gegen das Verschwindenlassen, S. 7.

[48]    S. auch bereits Committee on Enforced Disappearances, Concluding observations on the additional information submitted by Germany under article 29 (4) of the Convention, CED/C/DEU/OAI/1 v. 14.4.2023, Rn. 7.

[49]    Grammer, Der Tatbestand des Verschwindenlassens einer Person, S. 190.

[50]    Insoweit stellt sich die Frage, ob die Zuständigkeit der Auskunftserteilung nach dem nationalen Recht des jeweiligen Staates zu ermitteln wäre oder ob insoweit direkt auf das Völkerrecht rekurriert werden kann.

[51]    BT 20/11661, S. 15.

[52]    Werle/Jeßberger, in: MüKo-StGB, VStGB, § 7 Rn. 97.

[53]    So auch Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, BT-Drs. 20/11668, S. 1, 4.

[54]    Art. 7 Abs. 2 lit. i IStGH-Statut.

[55]    S.u. II 2.

[56]    Committee on Enforced Disappearances, Concluding observations on the additional information submitted by Germany under article 29 (4) of the Convention, 31.03.2023, CED/C/DEU/OAI/1, Rn. 7.

[57]    ECCHR, Alternative Report to the additional information submitted by the Federal Republic of Germany on 3 July 2020 under Article 29, paragraph 4 of the Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance (CED/C/DEU/AI/1), 12.7.2021, online abrufbar unter: https://www.ecchr.eu/fileadmin/Juristische_Dokumente/ECCHR_Alternative_Report_2021.pdf (zuletzt abgerufen 1.7.2024); Committee on Enforced Disappearances, Yrusta v. Argentina, Communication 1/2013, UN-Doc. CED/C/10/D/1/2013, Rn. 10.3.

[58]    Stellungnahme Prof. Geneuss vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 31. Januar 2024, S. 5 f.

[59]    Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, Rn. 532 ff.

[60]    Stellungnahme von Amnesty International zum Referent:innenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts v. 24.08.2023, S. 12.

[61]    BMJ, Referentenentwurf: Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts v. 17.7.2023, S. 5; Vorschlag von Prof. Kreß in der Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2023/kw48-de-voelkerstrafrecht-979660 (zuletzt abgerufen am 24.6.2024); Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, BT-Drs. 20/11668, S. 4. Die Einfügung einer entsprechenden Unterlassungsvariante hatte die CDU/CSU auch für den neu geschaffenen § 234b StGB beantragt. 

[62]    Vgl. Art. 2 CED, Art. 7 Abs. 1 lit. i) Abs. 2 lit. i) IStGH-Statut.

[63]    Stellungnahme ECCHR (Dr. Patrick Kroker) vor dem Rechtsausschuss in Expertenanhörung am 31. Januar 2024, S. 36.

[64]    BT-Drs. 20/9471, S. 28.

[65]    Dies führte die CDU/CSU im Ergebnis gegen die Aufnahme des neuen Verfolgungsgrundes an, s. BT-Drs. 20/11668 S. 4. Tatsächlich ließ sich die Verfolgung aufgrund der „Abweichung von hetero-normativen Vorstellungen“ als eine Verfolgung aus Gründen des „sozial konstruierten“ Geschlechts darstellen, s. Werle/Jeßberger, in: MüKo-StGB, VStGB, § 7 Rn. 124. Dagegen wandte sich der Deutsche Juristinnenbund, der die Definition des IStGH-Statuts für ambivalent hält, s. Deutscher Juristinnenbund, Stellungnahme zum Referent:innenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, S. 3 ff.

[66]    Stellungnahme zum (Regierungs-)Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts (BT-Drs. 20/9471), Richter am OLG Dr. Andreas Schmidtke, S. 8.

[67]    BGBl. 2023 I Nr. 203.

[68]    Dieser Vorschlag blieb letztlich erfolglos. In § 46 Abs. 2 StGB sind die antisemitischen Beweggründe seit März 2021 aufgeführt, s. BT-Drs. 20/11668 S. 5. Für eine Kritik an der Nichtaufnahme s. Stellungnahme zum (Regierungs-)Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts (BT-Drs. 20/9471), Richter am OLG Dr. Andreas Schmidtke, S. 3.

[69]    BT-Drs. 20/9471, S. 29.

[70]    Ebd.

[71]    Dies stellt auch der Gesetzgeber klar, s. BT-Drs. 20/9471, S. 29; insoweit verweist der Gesetzentwurf auf die Stellungnahme der Anklagebehörde des Internationalen Strafgerichtshofs, s. „Policy on the Crime of Gender Persecution“ v. 7. Dezember 2022.

[72]    Dienelt, Die Umwelt als vergessenes Kriegsopfer, Verfassungsblog v. 14.2.2024, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/die-umwelt-als-ein-vergessenes-kriegsopfer/(zuletzt abgerufen am 5.7.2024).

[73]    Auf diese verweist auch der Rechtsausschuss in seiner Beschlussempfehlung, nämlich auf Regel 45 der IRK-Studie zum humanitären Völkergewohnheitsrecht, International Law Commission, UN Dokument A/77/10, International Law Comission (72. Sitzung 2022); BT-Drs. 20/11661, Beschlussempfehlung S. 16.

[74]    Draft principles on the protection of the environment in relation to armed conflicts, with commentaries (2022), online abrufbar unter: https://legal.un.org/ilc/texts/instruments/english/commentaries/8_7_2022.pdf (zuletzt abgerufen am 8.7.2024).

[75]    Statement v. 16. Februar 2024, The Office of the Prosecutor launches public consultation on a new policy initiative to advance accountability for environmental crimes under the Rome Statute, online abrufbar unter: https://www.icc-cpi.int/news/office-prosecutor-launches-public-consultation-new-policy-initiative-advance-accountability-0 (zuletzt abgerufen am 24.6.2024).

[76]    Insofern fordert der Rechtsausschuss die Bundesregierung in seiner Beschlussempfehlung dazu auf, auch auf internationaler Ebene auf eine entsprechende Änderung im Rom-Statut hinzuwirken, BT-Drs. 20/11661, Beschlussempfehlung S. 16.

[77]    Dörmann, in: MüKo-StGB, VStGB, § 11 Rn. 174.

[78]    Auch die travaux préparatoires der Ursprungsnorm in § 35 Abs. 3 1. Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen erhellen hierüber nicht, s. Dienelt, Die Umwelt als vergessenes Kriegsopfer, Verfassungsblog v. 14.2.2024.

[79]    Dazu, dass eine solche Definition aber eine Gelegenheit für den Gesetzgeber geboten hätte, Klarheit zu schaffen und auch andere Staaten zu inspirieren, s. Dienelt, ebd., die zudem darauf hinweist, dass sich zumindest das redaktionelle Versehen hätte korrigieren lassen, dass der deutsche Wortlaut entgegen der deutschen Übersetzung der Ursprungsnorm in § 35 Abs. 3 1. Zusatzprotokoll der Genfer Konventionen nicht von „ausgedehnten, langanhaltenden und schweren Schäden“, sondern von „weit reichenden, langfristigen und schweren Schäden“ spricht.

[80]    BT-Drs. 20/11661, S. 16.

[81]    BGBl. II 2002, S. 635.

[82]    Als Beispiele nennt der Gesetzesentwurf insbesondere Geschosse aus Plastik, Holz, Glas und anderen nichtmetallischen Bestandteilen, s. BT-Drs. 20/9471, S. 34.

[83]    Resolution on amendments to Article 8 of the Rome Statute of the International Criminal Court, Resolution ICC-ASP/16/Res. 4 v. 14.12.2017.

[84]    Vgl. Art. 121 Abs. 5 IStGH-Statut.

[85]    Kreß in: MüKo-StGB, VStGB, § 12 Rn. 1.

[86]    Art. 7 Abs. 1 lit. i), Abs. 2 lit. i) IStGH-Statut, § 7 Abs. 1 Nr. 7 VStGB.

[87]    Zu der Unterscheidung s. Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (96); Grammer unterscheidet zwischen „klassischem“ massenhaften Verschwindenlassen und „isoliertem Auftreten“ von Verschwindenlassen, s. Grammer, Der Tatbestand des Verschwindenlassens einer Person, S. 13 ff.

[88]    Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (96).

[89]    BT-Drs. 20/9471, S. 35.

[90]    Unterzeichnung des CED am 26. September 2007 und Ratifikation am 24. September 2009, BGBl. 2009 II, S. 932.

[91]    BT-Drs. 16/12592, v. 8.4.2009, S. 33; m.w.N. Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (99).

[92]    Mit weiteren Argumenten Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (100).

[93]    Die Gesetzesbegründung, in der sich die bislang vertretene Rechtsauffassung der Bundesregierung spiegelt, nennt insoweit die Straftaten gegen das Leben (§§ 211 f., 221 f. StGB), die körperliche Unversehrtheit, (§§ 223 ff. StGB) und die persönliche Freiheit (§§ 234a, 235, 239 bis 239b StGB), Begünstigung (§ 257 StGB), Strafvereitelung (§ 258 StGB) und bestimmte Straftaten im Amt (§§ 339, 340, 345, 357 StGB), s. BT-Drs. 20/9471 S. 35.

[94]    So argumentieren auch Jeßberger und Geneuss, dass Schwere und Komplexität der Straftat bislang nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, die sich durch die „zeitlich abgeschichtete Verschränkung von zwei Teilakten“ ergibt. Auch sei nach Art. 24 CED Opfer des Verschwindenlassens nicht nur die verschwundene Person selbst, sondern zudem „jede natürliche Person, die als unmittelbare Folge eines Verschwindenlassens geschädigt worden ist“, worunter auch Angehörige des Verschwundenen fallen können. Zu prüfen sei daher, ob nicht auch Angehörige Verschwundener als Rechtsgutsträger einbezogen sein können, s. Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (101).

[95]    Die deutschen Rechtspflegedelikte, die zur Erfassung dieses Verhaltens regelmäßig angeführt wurden (wie etwa § 258 oder § 339 StGB), enthielten insoweit Lücken, als sie nach überwiegender Ansicht allein die innerstaatliche Rechtspflege schützen und weder den Angriff auf die verschwundene Person noch auf Angehörige adressieren, s. Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (101).

[96]    Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (101) m.w.N.

[97]    BT-Drs. 20/9471, S. 34 f.

[98]    Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (102).

[99]    Art. 2 CED liegt demgegenüber ein einheitlicher Tatbestand zugrunde, s. Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (97).

[100]   BT-Drs. 20/9471, S. 35.

[101]   Der Gesetzgeber stellt klar, dass eine Verschleierung „ähnlich wie bei § 261 Absatz 2 StGB“ voraussetzen soll, dass der Täter unzutreffende oder irreführende Angaben macht, die darauf abzielen, den Verbleib oder das Schicksal des Opfers zu verbergen“, s. BT-Drs. 20/9471, S. 35.

[102]   Diese trägt, wie bereits gesehen, zu Konsistenz mit Art. 2 CED, Art. 7 Abs. 1 i), Abs. 2 ii) IStGH-Statut und § 7 Abs. 1 Nr. 1 b) VStGB bei.

[103]   Mit ausführlichen Nachweisen, s. Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (103).

[104]   Weitere denkbare Handlungsvarianten, die in § 234b StGB nicht aufgenommen wurden, sind die Nichtanerkennung und die Falschauskunft. Die Nichtanerkennung enthält jedoch Art. 2 CED, mit dem insofern kein Gleichklang besteht.

[105]   Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, BT-Drs. 20/11668, S. 5; Stellungnahme Prof. Kreß in Anhörung des Rechtsausschusses am 31.1.2024, s. Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024.

[106]   So erwogen von Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (103); Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU BT-Drs. 20/11668, S. 2, 5.

[107]   BT-Drs. 20/11661, S. 17; dies befürworteten etwa Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (103).

[108]   BT-Drs. 20/9471, S. 35.

[109]   Keine Regelung enthält der Gesetzentwurf etwa für die Vorgesetztenverantwortlichkeit wegen der Verletzung einer Aufsichtspflicht bzw. des Unterlassens der Meldung einer Straftat, wie sie in Art. 6 Abs. 1 b) CED enthalten ist, s. Jeßberger/Geneuss, KriPoZ 2024, 95 (104). Dies erscheint jedoch wohl vor dem Hintergrund vertretbar, dass eine entsprechende Sondernorm im StGB misslich wäre. Zu weiteren Deckungslücken s. auch Stellungnahme des DIMR, Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts am 31. Januar 2024, S. 6.

[110]   Der Grund liegt laut Boe darin, dass die dezentrale Durchsetzung von Völkerstrafrecht nicht behindert werden und Staaten von der Inanspruchnahme des Weltrechtsprinzips nicht abgeschreckt werden sollen, s. Boe, ZStW 2022, 926 (955).

[111]   Demnächst näher hierzu s. Raube, Die Erweiterung der Nebenklagebefugnis auf Völkerstraftaten nach dem Gesetz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, Zwischen dem Ideal kraftvoller Weltrechtspflege und der Sorge vor Entgrenzung (im Erscheinen 2024).

[112]   Zur Vereinfachung wird in diesem Beitrag die im Gesetzentwurf ebenfalls verwendete Terminologie des „Opfers“ übernommen, wenngleich der Begriff Schwierigkeiten aufwirft und sich der Gesetzgeber in der StPO statt dieser Terminologie für den Begriff des „Verletzten“ entschieden hat. Streng genommen müsste aufgrund der Unschuldsvermutung sogar stets vom „hypothetisch“ oder „potentiell“ Verletzten gesprochen werden, s. ausführlich Weißer/Duesberg in: Gercke/Temming/Zöller, Strafprozessordnung, 7. Aufl. (2023), Vorb. §§ 395 ff. Rn. 5 ff.; Barton, in: Hilgendorf/Kudlich/Valerius, Handbuch des Strafrechts, Bd. 7, 2020, § 19 Rn. 37.

[113]   Valerius, in: MüKo-StPO, 2019, § 395 Rn. 79.

[114]   So standen dem Nebenkläger bislang etwa keine Verfahrensrechte gegen eine etwaige Einstellung des VStGB-Vorwurfs nach den §§ 154, 154 a) StPO und kein Revisionsrecht im Hinblick auf die VStGB-Delikte zu, s. ECCHR, Stellungnahme von März 2022, Betroffenenrechte stärken, Strafbarkeitslücken schließen, S. 3.

[115]   Stellungnahme zum (Regierungs-)Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, Richter am OLG Dr. Andreas Schmidtke, S. 10; Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, Nr. 20/23, August 2023, S. 2 f.; BRAK, Stellungnahme zum Referentenentwurf vom September 2023, S. 4.

[116]   So liegt nach der Rechtsprechung des BGH zum Völkermord nur dann eine materiell-rechtliche Einzeltat vor, wenn sich „die tatbestandlichen Handlungen auf eine bestimmte, etwa durch ihren Lebensraum näher konkretisierte nationale, rassische, religiöse oder ethnische (Teil)Gruppe beziehen und die mehreren Handlungen als ein einheitlicher örtlich und zeitlich begrenzter Lebenssachverhalt erscheinen“, s. BGH, Urt. v. 30.4.1999 – 3 StR 215-98, NStZ 1999, 396 Rn. 403.

[117]   BT-Drs. 20/11661, S. 7.

[118]   BT-Drs. 20/11661.

[119]   Während in dem im Februar 2023 veröffentlichten Eckpunktepapier der Bundesregierung nur die Aufnahme von Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 VStGB und Kriegsverbrechen nach § 8 VStGB – jeweils nur „mit Ausnahmen“ – in den Nebenklagekatalog vorgesehen war (s. BMJ, Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts v. 23.2.2023, S. 2), werden durch das Gesetz nun die §§ 6-8 und 10-12 VStGB in den Nebenklagekatalog aufgenommen.

[120]   Die gesetzgeberische Entscheidung, das Verbrechen der Aggression nach § 13 VStGB nicht in den Nebenklagekatalog aufzunehmen, ist demgegenüber weitestgehend akzeptiert worden. Doch geht insoweit die Begründung für die Nichtaufnahme fehl, s.u. III 1 b) (2) und Fn. 134.

[121]   S. zum Ganzen Bock, KriPoZ 2023, 349 (355).

[122]   Diese Variante wird von der h.M. für systemwidrig gehalten, weil die Delikte nicht die Schwere der Delikte gegen Leib und Leben erreichen; dennoch wurde die Norm trotz zwischenzeitig geplanter Streichung im Normtext belassen, s. Weiner, in: BeckOK-StPO, 52. Ed. (Stand: 1.7.2024), § 395 Rn. 22; Schmitt, in: Meyer/Goßner/Schmitt, 67. Aufl. (2024), § 395 Rn. 6.

[123]   Z.B. § 7 Abs. 1 Nr. 5 und 10 VStGB.

[124]   Dies wurde in zahlreichen Stellungnahmen bemängelt, s. nur Stellungnahme Prof. Geneuss vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 31. Januar 2024, S. 7.

[125]   Dies stellte der Rechtsausschuss klar, s. BT-Drs. 20/661 und verweist insoweit auf die Rechtsprechung des BGH (BGH, Beschl. v. 18.7.2013 – 4 StR 168/13).

[126]   Knauer, Der Schutz der Psyche im Strafrecht, 2013, S. 196.

[127]   Damit würden beispielsweise vom Taliban-Regime verfolgte Frauen und Mädchen als mögliche Opfer geschlechtsspezifischer Verfolgung nicht erfasst, da Kern des Verfolgungstatbestands die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und nicht die Verletzung eines der aufgezählten Individualrechtsgüter ist, s. Stellungnahme von Amnesty International zum Referent*innenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts v. 24.8.2024, S. 6.

[128]   Deutscher Juristinnenbund, Stellungnahme zum Referent:innenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, S. 8.

[129]   Das Risiko einer einschränkenden Auslegung ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung, die eine Aufzählung vornimmt, welche Rechtsgüter durch welche Völkerstraftatbestände geschützt werden, wenngleich diese auch nicht als abschließend zu verstehen ist, s. BT-Drs. 20/9471, S. 36 ff. („insbesondere“).

[130]   BT-Drs. 20/9471, S. 40.

[131]   Dies bemängelt etwa zurecht Stellungnahme von Amnesty International zum Referent:innenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts v. 24.8.2023, S. 6.

[132]   So Bock, KriPoZ 2023, 349 (354).

[133]   Ein ähnlicher Vorschlag, der auf einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der „vorgeworfenen Handlung und der Verletzung“ abgestellt hat, wurde auch im Rahmen der Expertenanhörung unterbreitet (s. Stellungnahme zum (Regierungs-)Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, Richter am OLG Dr. Andreas Schmidtke, S. 13 und auch Stellungnahme zum Gesetzesvorhaben zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts von Oberstaatsanwalt b. BGH Meyer-Wieck, S. 3) und im Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU aufgegriffen, s. BT-Drs. 20/11668, S. 6.

[134]   BT-Drs. 20/9471, S. 37.

[135]   BT-Drs. 20/9471, S. 41 (Hervorhebung durch die Autorin). Dieses Argument geht aus hiesiger Sicht schon in der Sache fehl, da sich auch beim Verbrechen der Aggression Individualschutz begründen lässt, s. nur Dannenbaum, in: Bock/Conze, Rethinking the Crime of Aggression – International and Interdisciplinary Perspectives, 2022, S. 225 (240 ff.).

[136]   So nennt die Gesetzesbegründung als möglichen Anwendungsfall für § 373b Abs. 1 StPO ausdrücklich die Aussagedelikte, deren geschütztes Rechtsgut zwar die Rechtspflege sei. Hier könnten Verletzte aber auch die durch die Folgen eines Aussagedelikts betroffene Verfahrensbeteiligte sein, „weil durch die Rechtspflege auch die Interessen der Verfahrensbeteiligten gewährleistet werden sollen“, s. BT-Drs. 19/27654 S. 101; s. auch Werkmeister, in: Bock/Wagner, Gerechtigkeit aus der Ferne, S. 130. Auch Allgayer zufolge müsste künftig die Betroffenheit durch Straftaten, die nicht unmittelbar dem Schutz des Einzelnen, sondern überindividuellen Belangen der Allgemeinheit dienen (z.B. auch die Umweltstraftaten in §§ 324 ff. StGB), genügen, um die Verletzteneigenschaft zu begründen, jedenfalls „wenn ein unmittelbar aus der Tat resultierender Schaden entstanden ist oder sein kann“, s. Allgayer, in: KK-StPO, 9. Aufl. (2023), § 373b Rn. 9 ff.; vgl. auch Weiner, in: BeckOK-StPO, § 373b Rn. 14 f.

[137]   So hat der deutsche Gesetzgeber in § 373 b) Abs. 1 StPO die Definition des „Opfers“ in Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Opferschutzrichtlinie (RL 2012/29/EU) umgesetzt, die ebenfalls auf eine Schädigung als direkte Folge einer Straftat und damit allein auf die unmittelbare Betroffenheit des Opfers abstellt. Die weite Formulierung in Art. 2 der Richtlinie („körperliche, geistige oder seelische Schädigung oder einen wirtschaftlichen Verlust“) umfasst damit auch Straftaten, die keine Individualrechtsgüter betreffen, s. Schmitt, in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 373b Rn. 5.

[138]   S. zutreffend Bock, KriPoZ 2023, 349 (355); Deutscher Juristinnenbund, Stellungnahme zum Referent:innenentwurf des Bundesministeriums der Justiz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, S. 8.

[139]   S. Stellungnahme Prof. Kreß in der Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024.

[140]   BT-Drs. 20/9471, S. 40.

[141]   Auch der Rechtausschuss erkennt an, dass zwischen jeder Verletzung und Tat ein Zusammenhang gegeben sein müsse. Insofern sei die Formulierung „auch hier“ gewählt worden, um der Gefahr von Umkehrschlüssen zu begegnen, s. BT-Drs. 20/11661, S. 17.

[142]   Hierzu s.u. III 1 d) und e).

[143]   Dies sieht auch der Gesetzgeber selbst, s. BT-Drs. 20/9471, S. 42; Bock, KriPoZ 2023, 349 (356).

[144]   BT-Drs. 20/9471, S. 42.

[145]   Auch hier hat auf Empfehlung des Rechtsausschusses Eingang in den Gesetzestext gefunden, dass auch dieses Recht nur gelten soll, sofern ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der verfahrensgegenständlichen Tat und der Rechtsgutverletzung besteht. Auch diese Klarstellung wäre aus hiesiger Sicht verzichtbar gewesen.

[146]   Durch eine Anpassung in § 406h) Abs. 3 S. 1 StPO n.F. wird die Möglichkeit der gemeinschaftlichen Nebenklagevertretung künftig auch auf das Stadium des Ermittlungsverfahrens ausgedehnt.

[147]   BT-Drs. 20/11661, S. 18.

[148]   Weiner, in: BeckOK-StPO, 51. Aufl. (Stand: 1.4.2024), § 397b Rn. 3 ff. m.w.N.

[149]   So etwa Bock, KriPoZ 2023, 349 (356).

[150]   Werkmeister, in: Bock/Wagner, Gerechtigkeit aus der Ferne, S. 122; Werle/Vormbaum, JZ 2017, 12 (16); Ritscher, Stellungnahme zu BT-Drs. 18/6341, S. 9, online abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/419818/5e5763448fabb7dfefd0219ec33c573e
/drb-data.pdf (zuletzt abgerufen am 10.7.2024).

[151]   Rule 90 Abs. 2, Rules of Procedure and Evidence, online abrufbar unter: https://www.icc-cpi.int/sites/default/files/Publications/Rules-of-Procedure-and-Evidence.pdf (zuletzt abgerufen am 10.7.2024); s. hierzu auch Bock, Das Opfer vor dem internationalen Strafgerichtshof, S. 497.

[152]   Dies zeigt etwa der Fall Anwar R. vor dem OLG Koblenz, in dem Faktoren wie Betroffenheit, Alter und Geschlecht berücksichtigt wurden, mit weiteren Nachweisen s. ECCHR, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, August 2023, S. 12

[153]   BT-Drs. 20/11661 S. 18.

[154]   Vgl. Rule 91 (siehe Fn. 151).

[155]   Andere fordern bereits eine Ausnahme, wonach jedenfalls auf Antrag des bestellten oder beigeordneten Beistandes der Nebenkläger selbst eines der in § 397 Abs. 1 S. 3, 4 StPO genannten Rechte ausüben können sollte, s. Stellungnahme von Amnesty International zum Referent:innenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, S. 8.

[156]   Zu dieser Intention s. BT-Drs. 20/9471, S. 42.

[157]   Stellungnahme Prof. Kreß in Anhörung des Rechtsausschusses am 31.1.2024, s. Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024.

[158]   S. auch Hassfurther, Gelungene Änderungen und verpasste Chancen, Verfassungsblog vom 12. Juni 2024, online abrufbar unter: https://verfassungsblog.de/gelungene-anderungen-und-verpasste-chancen/ (zuletzt abgerufen am 8.7.2024).

[159]   S. näher Bock, KriPoZ 2023, 349 (356), auch zu den Zielen der psychosozialen Prozessbegleitung und der Bedeutung gerade im Völkerstrafverfahren.

[160]   Frei übersetzt nach Boe, ZStW 2022, 926 (927); Dünkelsbühler/Suttor/Borger, Universal jurisdiction without universal outreach?, Völkerrechtsblog v. 13.1.2021, online abrufbar unter: https://voelkerrechtsblog.org/de/universal-jurisdiction-without-universal-outreach (zuletzt abgerufen am 10.7.2024).

[161]   Kreß, DRiZ 2022, 72 (75).

[162]   Zu einem umfassenden, äußerst instruktiven Nachweis s. Boe, ZStW 2022, 926 (927).

[163]   Stellungnahme Prof. Kreß in Anhörung des Rechtsausschusses am 31.1.2024, s. Öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024.

[164]   Geneuss, in: Bock/Wagner, Gerechtigkeit aus der Ferne, S. 61.

[165]   Hierzu im Vergleich zum IStGH bereits Bock, KriPoZ 2023, 349 (356).

[166]   Deutscher Bundestag, Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderungen (Gesetz über die Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren – EMöGG), BT-Drs. 18/10144 v. 6.10.2016, S. 11, 19.

[167]   BT-Drs. 20/11661, S. 19. Damit begegnete der Gesetzentwurf der Kritik, auf ein Gesetz zu verweisen, das noch nicht in Kraft sei, s. Stellungnahme von Bundesanwalt beim BGH Klinge zur Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zum Gesetzesvorhaben, 28.1.2024, S. 5. Entsprechend wurden auch die in § 169 Abs. 2 S. 3 GVG n.F. eingefügten Worte „oder die Verwendung der Aufnahmen“ gestrichen.

[168]   Obgleich das Bundesjustizministerium derzeit nach dem Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz grundlegend die Dokumentation erstinstanzlicher Hauptverhandlungen vor den Land- und Oberlandesgerichten plant, ist der Erfolg dieses Gesetzgebungsverfahrens bislang ungewiss, das auf erheblichen Widerstand gestoßen ist. Der Bundesrat hat das Gesetz im Dezember 2023 blockiert und den Beschluss des Bundestags zur digitalen Dokumentation im Strafverfahren wegen „erheblicher und tiefgreifender fachlicher Bedenken“ zur grundlegenden Überarbeitung an den Vermittlungsausschuss überwiesen, online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/justiz/j/bundesrat-blockade-dokumentation-hauptverhandlung-virtuelle-justiz/ (zuletzt abgerufen am 5.7.2024).

[169]   Dies schon deshalb, da nach dem neuen Gesetz nur eine Nutzung der Aufzeichnungen zu Strafverfahrenszwecken vorgesehen ist und die Aufzeichnungen nach rechtskräftigem Abschluss wieder gelöscht werden sollen. Den derzeit in Rede stehenden Aufzeichnungen käme mithin lediglich eine verfahrensinterne Wirkung zu, die der Bedeutung von Völkerstrafverfahren für die betroffene Bevölkerung und die Zeitgeschichte nicht gerecht werden würde, s. Bock, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 62. Zudem ist nach dem Gesetzesentwurf vom 10. Mai 2023 nur die Tonaufzeichnung als regelmäßig verpflichtend und die Videoaufnahme nur fakultativ vorgesehen.

[170]   Bock, KriPoZ 2023, 349 (357).

[171]   Geneuss, in: Bock/Wagner, Gerechtigkeit aus der Ferne, S. 62.

[172]   Epik, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 265.

[173]   Bock, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 61.

[174]   Boe, ZStW 2022, 926 (979).

[175]   S.o. Fn. 168; Stellungnahme zum (Regierungs-)Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, Richter am OLG Dr. Andreas Schmidtke, S. 3.

[176]   S. Gmel, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 274 f., beispielhaft auf den Fall Lübcke hinweisend, in dem unbefugt Videos der Beschuldigtenvernehmung veröffentlicht wurden.

[177]   Stellungnahme zum (Regierungs-)Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, Richter am OLG Dr. Andreas Schmidtke, S. 3.

[178]   Kritisch insoweit Bock, mit Blick darauf, dass dies zwar den Zeugenschutz, nicht jedoch die Verbesserung der Öffentlichkeitswirksamkeit deutscher Völkerstrafprozesse fördern wird, da die Aufzeichnungen der betroffenen Bevölkerung damit wiederum nur verzögert zur Verfügung stehen, s. Bock, KriPoZ 2023, 349 (357 f.).

[179]   So werden die Gerichte auch nach wie vor verpflichtet sein, die Aufzeichnungen selbst vorzunehmen, diese nur zu wissenschaftlichen und historischen Zwecken herzustellen, und diese nicht herauszugeben, sondern gemäß § 169 Abs. 2 S. 4 GVG dem zuständigen Bundes- oder Landesarchiv anzubieten, das wiederum an strenge Schutzfristen gebunden ist, s. Epik, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 267 m.w.N. Auch enthält die Gesetzesbegründung nach den Empfehlungen des Rechtsausschusses nun detaillierte Angaben zu diesem Prozedere, BT-Drs. 20/11661, S. 20 f.

[180]   Auch hätte es sich angeboten, im Hinblick auf diese Bedenken stärker die Erfahrungen des Internationalen Strafgerichtshofs in den Blick zu nehmen, aus dessen Praxis sich die genannten Sorgen „nur rudimentär“ ableiten lassen, s. Stellungnahme Prof. Geneuss vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 31. Januar 2024, S. 8.

[181]   So durch das OLG Koblenz und das OLG Frankfurt, die eine akustische Aufzeichnung aus diesem Grunde ablehnten, s. Burghardt/ Thurn, KJ 2022, 109 (110); ECCHR Stellungnahme von März 2022, Betroffenenrechte stärken, Strafbarkeitslücken schließen, S. 6.

[182]   So argumentierte der Deutsche Richterbund in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf, Nr. 20/23, August 2023, S. 4 f. Gegen die fehlende empirische Untermauerung dieser Befürchtung s. Epik, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 267, der ferner darauf hinweist, dass für die Normalisierung der audiovisuellen Aufzeichnung, wie bereits der – heute als normal empfundenen – Protokollierung, bedeutsam werde, wie stark die Aufzeichnung künftig in den Fokus gerückt werde.

[183]   Zu nennen sind etwa die Istanbul-Konvention und die Opferschutzrichtlinie (RL 2012/29/EU), s. die weiteren Nachweise des DIMR, Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte zum Referentenentwurf v. 25. August 2023, S. 12.

[184]   Konkrete Vorschläge ergeben sich etwa aus dem umfassenden Bericht einer durch das BMJ eingesetzten Expertengruppe zur Dokumentation der strafrechtlichen Hauptverhandlung, die den Vorschlag unterbreitet hat, Standards für ein Absehen von Aufzeichnungen zu definieren, s. BMJ, Bericht der Expertinnen- und Expertengruppe zur Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung (2021), online abrufbar unter: https://www.bmj.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Fachpublikationen/2021_Abschlussbericht
_Hauptverhandlung_Anlagenband.pdf?__blob=publicationFile&v
=3 (zuletzt abgerufen am 8.7.2024). Für eine Erwägung dieser s. Gmel, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 276. Die Möglichkeit der Schaffung prozessualer Schutzmechanismen wird häufig anhand der Praxis internationaler und nationaler Gerichte, insbesondere im anglo-amerikanischen Rechtskreis, illustriert (s. Schmitt, NStZ 2019, 1 [1 ff.]), verweisend auf die Praxis internationaler Gerichte; Epik, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 267; Bock, KriPoZ 2023, 349 [357]), gegen einen Vergleich mit der internationalen Praxis indes etwa Gmel, in: Jeßberger/Epik, Zwanzig Jahre Völkerstrafgesetzbuch, S. 275.

[185]   S. § 162 StPO Österreich; s. Stellungnahmen von Prof. Kreß und Bundesanwalt beim BGH Klinge in der Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024; Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU, BT-Drs. 11668, S. 2.

[186]   Stellungnahme Prof. Kreß in der Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024.

[187]   Vgl. Bock, KriPoZ 2023, 349 (357).

[188]   Dies fand auf die Empfehlung des Rechtsausschusses hin Eingang, s. BT-Drs. 20/11661, S. 19. Bock weist darauf hin, dass bereits die letztere Norm zeigen dürfte, dass eine „pauschale Nichtaufzeichnung“ regelmäßig nicht verhältnismäßig sein dürfte, s. Bock, KriPoZ 2023, 349 (357).

[189]   Eine Ausgestaltung sowohl des § 169 Abs. 2 S. 1 GVG als auch des § 185 Abs. 4 S. 2 GVG als intendiertes Ermessen forderte etwa ECCHR, s. Stellungnahme ECCHR zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, August 2023, S. 24 f.

[190]   Stellungnahme Prof. Geneuss vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 31. Januar 2024, S. 8.

[191]   Bock, KriPoZ 2023, 349 (358); BVerfG, NJW 2020, 3166; BVerfG, Beschl. v. 18.8.2020 (1 BvR 1918/20).

[192]   OLG Koblenz, Folgemitteilung vom 19.8.2020, online abrufbar unter: https://olgko.justiz.rlp.de/presse-aktuelles/detail/folgemitteilung-staatsschutzverfahren-gegen-zwei-mutmassliche-mitarbeiter-des-syrischen-geheimdienstes-prozessbeginn-am-23-april-2020-aktenzeichen-1-ste-9/19 (zuletzt abgerufen am 08.7.2024).

[193]   BT-Drs. 20/9471, S. 45.

[194]   Stellungnahme Prof. Kreß in der Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024; Stellungnahme Prof. Geneuss vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 31. Januar 2024, S. 8.

[195]   S. hierzu den Gesetzentwurf selbst, BT-Drs. 20/9471, S. 22; Stellungnahme Reporter ohne Grenzen zum Referentenentwurf, August 2023, S. 5.

[196]   Bock, KriPoZ 2023, 349 (358).

[197]   Artikel 3 RL 2012/29/EU; zum Ganzen Bock, KriPoZ 2023, 349 (359).

[198]   Dafür, dass dies in dem derzeit vor dem OLG Frankfurt laufenden Verfahren gegen den ehemaligen syrischen Militärarzt Alaa M. der Fall ist, s. Bock, KriPoZ 2023, 349 (359).

[199]   Erste Schritte in diese Richtung war bereits das OLG Koblenz nach der Entscheidung des BVerfG gegangen, indem es die Urteilsverkündung ins Arabische übertragen und auch die entsprechenden Pressemitteilungen zur Verkündung ins Englische und z.T. Arabische übersetzt hat. Die Urteile sind jedoch nicht aus dem deutschen übersetzt worden, s. Boe, ZStW 2022, 926 (929).

[200]   S. instruktiv Boe, ZStW 2022, 926 (926 ff.).

[201]   Zu entsprechenden Vorschlägen s. Stellungnahme Reporter ohne Grenzen zum Referentenentwurf, August 2023, S. 15; Stellungnahme der Gewerkschaft der Polizei zum Referentenentwurf, August 2023, S. 2.

[202]   Als Beispiele wurden in den Stellungnahmen der Erlass von Haftbefehlen, Festnahmen, Anklageerhebungen sowie Verfahrenseröffnungen, Hinweise zum Akkreditierungsverfahren von Medienvertretern und Terminmitteilungen genannt, s. Stellungnahme von Amnesty International zum Referent:innenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, August 2023, S. 8.

[203]   S. Stellungnahme Reporter ohne Grenzen zum Referentenentwurf, August 2023, S. 6 f.

[204]   Boe, Fortschritt oder Flickenwerk, Verfassungsblog vom 17.1.2024, online abrufbar unter: https://voelkerrechtsblog.org/de/fortschritt-oder-flickwerk/ (zuletzt abgerufen am 5.7.2024).

[205]   Hassfurther, Gelungene Änderungen und verpasste Chancen, Verfassungsblog vom 12. Juni 2024.

[206]   Kreß, Immunität für Völkermord? Die Janusköpfigkeit der deutschen Völkerrechtspolitik, FAZ v. 21.2.2024.

[207]   S. noch Kreicker, Völkerrechtliche Exemtionen I, 2007, S. 180.

[208]   Zum ILC-Artikelentwurf s. https://legal.un.org/ilc/reports/2017/
english/chp7.pdf (zuletzt abgerufen am 8.7.2024); für einen Überblick über die staatlichen Stellungnahmen s. de Andrade Pacheco, Where do States Stand on Official Immunity Under International Law?, Just Security v. 19.4.2024, online abrufbar unter: https://www.justsecurity.org/94830/where-do-statesstand-on-official-immunity-under-international-law/ (zuletzt abgerufen am 10.5.2024).

[209]   Kreß, Immunität für Völkermord? Die Janusköpfigkeit der deutschen Völkerrechtspolitik, FAZ v. 21.2.2024. Für die deutsche Stellungnahme zum Artikelentwurf vom November 2023 etwa s. Comments and observations by the Federal Republic of Germany on the draft articles on “Immunity of State officials from foreign criminal jurisdiction”, November 2023, online abrufbar unter: https://legal.un.org/ilc/sessions/75/pdfs/english/iso_germany.pdf (zuletzt abgerufen am 8.7.2024).

[210]   BGH, NJW 2021, 1326 (1329).

[211]   Für eine Kommentierung des Beschlusses s. Raube, KriPoZ 2024, 216 ff.

[212]   So nun zuletzt auch der Paris Cour d’Appell am 6. Juni 2024, s. https://scm.bz/en/the-paris-court-of-appeal-rejects-functional-immunity-of-former-syrian-central-bank-governor-adib-mayaleh/ (zuletzt abgerufen am 10.05.2024).

[213]   Valerius in: BeckOK-GVG, 23. Aufl. (Stand: 15.5.2024), § 20 Rn. 4. Auch hat der BGH in seinem Urteil vom 28. Januar 2021 erwogen, dass sich die Beachtlichkeit einer etwaigen völkergewohnheitsrechtlichen Immunität aus § 20 Abs. 2 GVG oder aus Art. 25 GG herleiten lassen könnte, wobei er die Frage im Ergebnis offenließ, s. BGH, NJW 2021, 1326 (1327). Ein alternativer Vorschlag im Rahmen der Expertenanhörung ging dahin, die Unanwendbarkeit funktioneller Immunität im VStGB selbst als eigenständige Regelung (§ 5a VStGB) zu regeln, s. Stellungnahme von Prof. Ambos zum Rechtsausschuss zum Regierungsentwurf zur Reform des Völkerstrafrechts, S. 2; dieser Vorschlag wurde im Änderungsantrag der CDU/CSU aufgegriffen, s. BT-Drs. 20/11668, S. 1.

[214]   S. auch Prof. Kreß in der Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses am 31. Januar 2024.

[215]   So auch bereits Stellungnahme von Prof. Ambos zum Rechtsausschuss zum Regierungsentwurf zur Reform des Völkerstrafrechts, S. 2.

[216]   So auch vorgeschlagen in der Stellungnahme von Amnesty International zum Referent*innenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, S. 13; s. auch die Stellungnahme von ECCHR, Für eine nachhaltige Reform des deutschen VStGB, Stellungnahme zum Eckpunktepapier des Bundesministeriums der Justiz zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, April 2023, S. 17.

[217]   So sieht dieser zwar vor, dass „justizfremde Erwägungen“ unzulässig sein sollen, bekennt sich dann jedoch zur Zulässigkeit von „übergeordnete[n] politische[n] Überlegungen […] im Einklang mit den Straf- und Verfahrensvorschriften“ ebenso wie „Anweisungen zu streitigen oder ungeklärten Rechtsfragen“, s.  Referentenentwurf des BMJ eines Gesetzes zur Erhöhung der Transparenz von Weisungen gegenüber der Staatsanwaltschaft vom 30.04.2024, S. 6; s. auch Hassfurther, Gelungene Änderungen und verpasste Chancen, Verfassungsblog vom 12. Juni 2024.

[218]   Dies hätte beispielsweise durch eine Reform von § 172 StPO (so vorgeschlagen in ECCHR, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, August 2023, S. 19) oder durch eine Ausstattung von § 153 f) mit einem eigenständigen Rechtsbehelf (so vorgeschlagen in Stellungnahme von Amnesty International zum Referent*innenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, S. 14) geschehen können.

[219]   S. Ziel 16 der UN-Agenda 2030; RL 2012/29/EU; ECCHR, Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, August 2023, S. 20 ff.

[220]   Stellungnahme Prof. Geneuss vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages am 31. Januar 2024, S. 9. Um der Straflosigkeit in diesen Fällen starken Inlandsbezugs entgegenzuwirken, hätte sich insofern die Aufnahme eines gerichtlichen Zustimmungsvorbehaltes in § 153 f) StPO angeboten, wie er bereits aus dem Bereich der Opportunitätseinstellungen bekannt ist, so im Fall von § 153 Abs. 1 S. 1, § 153 a) Abs. 1 S. 1, § 153 b) StPO; s. Vorschlag Stellungnahme von Amnesty International zum Referent*innenentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Völkerstrafrechts, S. 13; Ambos, MüKo-StGB, VStGB,§ 1 Rn. 35.

[221]   EGMR (Große Kammer), Urt. v. 16.2.2021 (Hanan/Deutschland), Nr. 4871/16, Nr. 224; näher Kreß. DRIZ 2022, 72 (75).

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