von Prof. Dr. Robert Esser, Prof. Dr. Mark A. Zöller, Beate Büttner, Prof. Dr. Jan-Hendrik Dietrich, Dr. Oliver Harry Gerson, Prof. Dr. Dieter Kugelmann, Prof. Dr. Markus Löffelmann, Dr. Markus Mavany, Dr. Tanja Niedernhuber und Dr. Martin Wiacek
Abstract
Im aktuellen Koalitionsvertrag (2021-2025) der Regierungsparteien der „Ampelkoalition“ ist im Zusammenhang mit dem Themenbereich „Sicherheit und Freiheit“ auch die Einrichtung einer sog. Freiheitskommission als unabhängiges Expertengremium vorgesehen. Mit dieser Kommission sollen für den Bereich der Sicherheitsgesetzgebung die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger stärker in den Fokus rücken und insgesamt die Qualität der Gesetzgebung im Zusammenhang mit staatlichen Überwachungsbefugnissen verbessert werden. Klare Konturen und Inhalte für die Arbeit einer solchen Freiheitskommission lassen sich allerdings im politischen Raum derzeit allenfalls in Ansätzen erkennen. Insofern stellen sich drängende Fragen nach Aufgaben, Befugnissen sowie der rechtlichen und organisatorischen Verankerung eines solchen Gremiums, das die Gesetzgebungspraxis im Bereich des Rechts der Inneren Sicherheit zukünftig maßgeblich prägen und verändern könnte. Zur möglichen Beantwortung solcher Fragen sollen mit dem vorliegenden Eckpunktepapier erste Vorschläge unterbreitet werden, um die rechtspolitische Diskussion über die Einrichtung der Kommission weiter anzuregen und nach Möglichkeit zu einer besseren Rechtssetzungspraxis beizutragen.
The current coalition agreement (2021-2025) signed by the parties of the “traffic light coalition” under the heading of “security and freedom” contains plans for introducing a so called “freedom commission” as an independent committee of experts. This commission shall shift the focus to civil liberties and improve the quality of legislation in the area of security law with regard to surveillance powers by the state. In the political sphere, clear shapes and structures for the work of such a freedom commission cannot be found so far. This leads to pressing questions concerning responsibilities, powers as well as the legal and organizational anchoring of such a committee which might cause significant changes of the legislation process in the area of internal security law. To provide possible answers to these questions, the position paper at hand aims at providing first proposals to stimulate the legal discussion on the establishment of the commission and wants to contribute to a better legislative practice.
I. Einleitung
1. Ausganglage: Koalitionsvertrag
Um die Qualität der Gesetzgebung im Recht der Inneren Sicherheit war es in den vergangenen Jahren nicht immer gut bestellt. Große Visionen fehlten. Stattdessen ging und geht es häufig darum, Einzelvorhaben möglichst schnell abzuarbeiten und als Stückwerk in Gesetzesform zu gießen. Zwingende verfassungsrechtliche Vorgaben wie die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern, der Bestimmtheits- und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz werden dabei ebenso wie internationale rechtliche Rahmenbedingungen bis heute häufig nur als unverbindliche Handlungsempfehlungen betrachtet.[1] Insbesondere der Frage, ob und wie sich neu zu schaffende Überwachungsbefugnisse in die bereits bestehende Sicherheitslandschaft einfügen, wurde nicht immer die nötige Beachtung geschenkt. In den einschlägigen Bundestags- oder Landtagsdrucksachen finden sich unter der Kategorie „Alternativen“ meist nur nichtssagende Floskeln wie „Keine“ oder „die Beibehaltung des bisherigen, als unbefriedigend empfundenen Zustandes“. Eine tiefergehende inhaltliche Auseinandersetzung mit den Aspekten der Geeignetheit und Erforderlichkeit neuer Gesetze und der mit ihnen geschaffenen Regelungsinstrumente findet kaum statt. Stattdessen verlässt sich die Politik darauf, dass es das BVerfG oder spätestens der EGMR – meist mehrere Jahre und mindestens eine Legislaturperiode später – schon richten werden. Die Folge sind aufwändige Korrektur- und Nachbesserungsverfahren.
Dieses fehlende Problembewusstsein überrascht schon deshalb, weil das BVerfG bereits in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung aus dem Jahr 2010[2] vor einer unkontrollierten Kumulation verschiedener Überwachungsmaßnahmen gewarnt hatte. Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört nach Ansicht des höchsten deutschen Gerichts sogar zur „verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik Deutschland“.[3] Auch in seinem Urteil zum Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) aus dem Jahr 2016 hält das BVerfG eine Totalüberwachung der Bürgerinnen und Bürger für unzulässig.[4]
Dies hat zur Folge, dass der Gesetzgeber die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einzelner Überwachungsmaßnahmen im Gesetzgebungsverfahren nicht isoliert betrachten darf. Vielmehr muss er sowohl bei der Einführung neuer als auch bei der Erweiterung bestehender Befugnisse das Wechselspiel und die Überschneidungen mit den bereits bestehenden Überwachungsbefugnissen im gesamten Recht der Inneren Sicherheit in einer Gesamtschau beachten.
An entsprechenden Mahnungen von höchster, verfassungsgerichtlicher Stelle für eine Verbesserung der Gesetzgebungspraxis mangelt es also nicht. Erst der Koalitionsvertrag der aktuellen Regierungsparteien aus dem Herbst 2021 hat jedoch eine stärker qualitätsverpflichtete Sicherheitsgesetzgebung mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen individueller Freiheit und kollektiver Sicherheit endlich auf die bundespolitische Agenda gesetzt. Dort heißt es zu den Stichworten „Freiheit und Sicherheit“:
„Die Eingriffe des Staates in die bürgerlichen Freiheitsrechte müssen stets gut begründet und in ihrer Gesamtwirkung betrachtet werden. Die Sicherheitsgesetze wollen wir auf ihre tatsächlichen und rechtlichen Auswirkungen sowie auf ihre Effektivität hin evaluieren. Deshalb erstellen wir eine Überwachungsgesamtrechnung und bis spätestens Ende 2023 eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der Sicherheitsgesetze und ihrer Auswirkungen auf Freiheit und Demokratie im Lichte technischer Entwicklungen. Jede zukünftige Gesetzgebung muss diesen Grundsätzen genügen. Dafür schaffen wir ein unabhängiges Expertengremium (Freiheitskommission), das bei zukünftigen Sicherheitsgesetzgebungsvorhaben berät und Freiheitseinschränkungen evaluiert.“[5]
Schon aus diesen wenigen Sätzen ergeben sich drei verschiedene Großvorhaben der Ampelkoalition:
- die Erstellung einer Überwachungsgesamtrechnung,
- eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der (bereits existierenden) Sicherheitsgesetze sowie
- die Einrichtung einer sog. Freiheitskommission als unabhängiges Expertengremium.
Diese drei Vorhaben weisen untereinander erhebliche inhaltliche Überschneidungen auf. Sie sind daher stets im Zusammenhang zu betrachten. Dabei wird insbesondere der Freiheitskommission zukünftig eine entscheidende Überprüfungs- und Beratungsfunktion zukommen. Da im rechtspolitischen Raum allerdings bislang noch kein feststehendes Konzept für die Ausgestaltung einer solchen Kommission existiert, sollen mit dem vorliegenden Beitrag erste Eckpunkte für mögliche Aufgaben, Befugnisse und die rechtliche Verankerung der Kommission unterbreitet werden. Das Ziel der nachfolgenden Ausführungen besteht somit darin, erste Gedanken für ein Konzept einer Freiheitskommission zu unterbreiten und auf diese Weise die rechtspolitische Diskussion über ein Gremium anzustoßen, das zumindest das Potenzial besitzt, die Rechtsstaatlichkeit der deutschen Sicherheitsarchitektur in Zukunft nicht nur maßgeblich zu beeinflussen, sondern auch nachhaltig zu verbessern.
2. Implikationen
Der politische Auftrag zur Schaffung effektiverer Sicherheitsgesetze verlangt nach einem Perspektivenwechsel in der Herangehensweise an die künftige Gesetzgebung im Bereich der Inneren Sicherheit. Anders als in der Vergangenheit kann es in Zukunft nicht mehr darum gehen, immer neue und damit „mehr Gesetze“ für „mehr Sicherheit“ auf den Weg zu bringen. Das politisch erklärte Ziel ist, qualitativ bessere Gesetze schon im Gesetzgebungsverfahren zu garantieren, um so eine spätere Fehl- oder Übersteuerung in der Gesamtwirkung sich „ergänzender“ Überwachungsmaßnahmen aufgrund von inkohärenten Überwachungsbefugnissen und letztlich sogar ein drohendes Testat der Verfassungswidrigkeit durch das BVerfG von vornherein zu vermeiden.
Auch die Sicherheitsgesetzgebung steht damit vor einer derzeit vielbeschworenen Zeitenwende: „weg von Quantität, hin zu mehr Qualität“. Dies impliziert vor allem mehr Übersichtlichkeit in Bezug auf bereits bestehende gesetzliche Regelungen für Überwachungsmaßnahmen (Transparenz), ihre Anwendung und Häufigkeit, ihre Wirkungen und Konsequenzen auf das Handeln des Einzelnen sowie auf die freiheitliche Gesamtbelastung (Evaluierung und Institutionalisierung) der Bürgerinnen und Bürger. Nicht zuletzt werden durch stimmigere und verständlichere Sicherheitsgesetze auch die Sicherheitsbehörden besser in die Lage versetzt, ihre wichtigen Aufgaben wirkungsvoll wahrzunehmen.
Eine neue Institution zur Sicherung gesetzlicher Qualitätsstandards bereits in einem frühen Stadium der Entstehung und Beratung von Gesetzen könnte substanziell zum Erreichen dieser Zielsetzungen beitragen. Diese Aufgabe soll laut Koalitionsvertrag eine Freiheitskommission mit zwei Tätigkeitsbereichen übernehmen: Einerseits soll sie „bei zukünftigen Sicherheitsgesetzgebungsvorhaben beraten“ und andererseits „Freiheitseinschränkungen evaluieren“. Des Weiteren könnte sie durch Stellungnahmen und Berichte wichtige praxisorientierte und wissenschaftlich fundierte Impulse liefern, um Debatten über neue Befugnisse im Sicherheitsbereich zu versachlichen.[6]
Schon die Implementierung eines solchen unabhängigen Gremiums zur Beratung der Bundesregierung bzw. des jeweils federführenden Bundesministeriums bei zukünftigen Vorhaben in der Sicherheitsgesetzgebung und zur Evaluation von Freiheitseinschränkungen stellt einen epochalen Schritt zur Veränderung des Prozesses der Entstehung von Gesetzen und der an ihm beteiligten Institutionen dar. Die diesbezügliche Strategie der Bundesregierung wirft aber auch Fragen auf. Im Koalitionsvertrag wird nicht geklärt, wie die Freiheitskommission zusammengesetzt werden soll, wo sie institutionell zu verorten ist und worin genau ihr Aufgabenbereich bestehen könnte. Zudem wird nicht hinreichend deutlich, was speziell unter einer „Überwachungsgesamtrechnung“ zu verstehen ist.
Das im Folgenden vorgeschlagene Konzept versteht die einzurichtende Freiheitskommission als Institution mit Evaluations-, Prüf- und Beratungskompetenzen („institutionalisierte Qualitätssicherung“). Der Begriff der Überwachungsgesamtrechnung kann in zweifacher Hinsicht verstanden werden: einerseits als ein konkretes Instrument zur Prüfung der Beeinträchtigung bürgerlicher Freiheiten, andererseits als eine Bezeichnung für den Mechanismus der Beteiligung der Freiheitskommission an Gesetzgebungsvorhaben im Bereich der Sicherheitsgesetzgebung.
3. Freiheitskommission und Überwachungsgesamtrechnung
Bei der Mitwirkung der Freiheitskommission im Rahmen der Gesetzgebung handelt es sich um die prozedurale Dimension der Überwachungsgesamtrechnung (Überwachungsgesamtrechnung als Prozess). Diese umfasst unter anderem die Beratung, Begleitung und Prüfung der Tätigkeiten des Gesetzgebers bei Gesetzgebungsvorhaben im Bereich der Sicherheitsgesetzgebung.
Dieser Tätigkeit der Kommission vorgelagert ist die Erstellung und Präsentation der Überwachungsgesamtrechnung. In erster Linie ist diese einInstrument zur Ermöglichung guter Gesetzgebung. Dieses Instrument kann von der Freiheitskommission im Rahmen ihres zukünftigen materiellen Prüfprogramms genutzt werden (Überwachungsgesamtrechnung als Produkt). Mit seiner Hilfe können Beeinträchtigungen bürgerlicher Freiheiten durch Anwendung von Überwachungsbefugnissen bestimmt und dargestellt werden (Ermittlung der Belastung der Bürger einerseits, komparative/überblicksartige Darstellung der Belastung andererseits).
Dogmatisch beschränkt sich das heute wohl überwiegende Verständnis der Überwachungsgesamtrechnung nicht mehr nur auf die vom BVerfG in der Vorratsdatenspeicherung zu betrachtende Massendatensammlung, sondern betrifft in einem hiervon abstrahierten Sinne einen an den Gesetzgeber adressierten Auftrag zur generellen Prüfung der „doppelten Verhältnismäßigkeit“ von Überwachungsmaßnahmen.[7] Auf Grundlage der Wirkungen eines jeden Überwachungsinstruments muss zunächst im jeweiligen Einzelfall separat die Verhältnismäßigkeit der Befugnis als solcher beurteilt werden (1. Stufe). Zusätzlich ist dann auf der Basis einer Gesamtbetrachtung aller bereits verfügbaren staatlichen Überwachungsmaßnahmen die Verhältnismäßigkeit der Gesamtbelastung der Freiheit(en) der Bürger unter Einschluss des konkreten, zur Überprüfung anstehenden Überwachungsinstruments in das Überwachungsinstrumentarium zu analysieren (2. Stufe).[8]
Diese Aufgabe gestaltet sich in der Umsetzung außerordentlich heikel und komplex. Ein grundsätzliches Problem dabei ist die „Berechenbarkeit“ der Intensität von Grundrechtseingriffen. Erforderlich ist die Anwendung eines „Methodenmixes“ aus präskriptiven und normativen Wertungsparametern. Dieser Methodenmix muss zum einen – quasi–empirisch – die objektive und subjektive Belastung der Bürger „messen“, andererseits eine Abwägung der widerstreitenden Interessen der Sicherheitsbehörden, der Bevölkerung als Gesamtheit und des Einzelnen im konkreten Fall vornehmen. Ein starrer Schematismus wäre an dieser Stelle weder konstruierbar noch hilfreich. Vielmehr bedarf es eines Mechanismus, der sowohl gewichtende als auch graduierende Wertungen zulässt und zueinander in Beziehung setzt.
II. Beteiligung der Freiheitskommission im Gesetzgebungsverfahren
1. Erforderlichkeit einer gesetzlichen Regelung
In der Absicht, fachliche Expertise bereits im Entwurfsstadium bei sicherheitsrechts- und kriminalpolitischen Gesetzesvorlagen zu verankern und auf diese Weise Gesetzesvorhaben „schon frühzeitig vor verfassungsrechtlichem Schiffbruch und unnötigen rechtspolitischen Streitereien zu bewahren“,[9] schafft die Bundesregierung mit der Freiheitskommission eine zentrale Institution im Rahmen der von ihr beabsichtigten Reform der Sicherheitsgesetzgebung auf Bundesebene. Die Freiheitskommission soll bei sicherheitsrechts- und kriminalpolitischen Gesetzesvorhaben prüfen und dahingehend beraten, ob entsprechende Entwürfe mit den grundrechtlichen Freiheiten vereinbar sind.
Die Pläne treffen dabei auch auf eine anhaltende Diskussion über die Beteiligung von Expertengremien an politischen Entscheidungsprozessen und die Frage, welchen Stellenwert diese Gremien in einem solchen Prozess haben sollen.
Es geht dabei nicht um eine Entparlamentarisierung von Gesetzgebung oder die Beschneidung der Kompetenzen von Kontrollgremien.[10] Auch neben der Tätigkeit der Freiheitskommission wird es Gutachtertätigkeit zu Gesetzesvorlagen geben; im Rahmen der parlamentarischen Behandlung werden weiterhin Sachverständigenanhörungen in den Ausschüssen stattfinden. Es sollen und müssen auch weiterhin parlamentarische Kontrollgremien und gesetzlich vorgesehene Evaluierungen existieren, die sich mit der Umsetzung von Sicherheitsgesetzen befassen. Insofern soll die Freiheitskommission – schon von Verfassung wegen – weder die parlamentarische noch die gerichtliche Kontrolle von Gesetzen ersetzen, sondern diese sinnvoll und notwendig ergänzen.
Um wirkungsvoll ihrem präventiven Zweck und der Ergänzung bestehender Beratungs- und Kontrollstrukturen gerecht zu werden, müssen die Aufgaben der Freiheitskommission klar definiert und ihre Unabhängigkeit sichergestellt sein. Zudem muss die Kommission organisatorisch einer Institution angegliedert werden, bei der sie ihrem Auftrag wirkungsvoll nachgehen kann. Zudem muss sie personell und im Hinblick auf ihre Mittel – insbesondere einer Geschäftsstelle – so ausreichend ausgestattet werden, dass ihre Arbeitsfähigkeit stets gesichert ist.
Zur Gewährleistung einer ausreichenden und dauerhaften Legitimation der Freiheitskommission sollte ihre Institutionalisierung auf einer gesetzlichen Grundlage geschehen. Dafür spricht bereits die praktische Erwägung, dass eine Verankerung der Kommission in einem Parlamentsgesetz ihr ein gewisses und vor allem notwendiges Maß an Kontinuität verschafft und die beabsichtigte Ernsthaftigkeit dieses neuen Gremiums zum Ausdruck bringt. Andernfalls könnte die Kommission – etwa nach einem möglichen Regierungswechsel – rasch, unbürokratisch und nahezu unbemerkt, d.h. ohne Mitwirkung des Parlaments, wieder aufgelöst werden.
Das Deutsche Ethikratgesetz (EthRG)[11] könnte dabei als mögliche Vorlage für ein Gesetz zur Einrichtung der Freiheitskommission auf Bundesebene dienen.[12] Zu den Aufgaben des Deutschen Ethikrats[13] gehört u.a. die Erarbeitung von Stellungnahmen sowie von Empfehlungen für politisches und gesetzgeberisches Handeln und die Berichtspflicht gegenüber Bundestag und Bundesregierung über seine Tätigkeit und den Stand der gesellschaftlichen Debatte über ethische, gesellschaftliche, naturwissenschaftliche, medizinische und rechtliche Fragen sowie die voraussichtlichen Folgen für Individuum und Gesellschaft, die sich im Zusammenhang mit der Forschung und den Entwicklungen insbesondere auf dem Gebiet der Lebenswissenschaften und ihrer Anwendung auf den Menschen ergeben (vgl. § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 4 EthRG). Nach § 2 Abs. 3 EthRG erarbeitet der Deutsche Ethikrat seine Stellungnahmen auf Grund eigenen Entschlusses, im Auftrag des Bundestags oder im Auftrag der Bundesregierung und leitet seine Stellungnahmen dem Bundestag und der Bundesregierung vor der Veröffentlichung zur Kenntnis zu. Eine gesetzliche Verpflichtung des Gesetzgebers oder der Bundesregierung, ihr gesetzgeberisches oder politisches Handeln an den Stellungnahmen und Empfehlungen sowie den Berichten auszurichten, besteht zwar nicht. Ähnlich wie beim Deutschen Ethikrat sollten die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Freiheitskommission aber gesetzlich verankert werden. Auf diese Weise wird die Prüfung von Grundrechtseinschränkungen zu einem unselbständigen „Huckepackverfahren“ des Gesetzgebungsverfahrens. Im fachplanerischen Planfeststellungsverfahren existiert ein solches Verfahrenselement zur Erhebung von Umweltauswirkungen als „Umweltverträglichkeitsprüfung“. Das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) regelt Details. Die Aufgabe der Freiheitskommission im Gesetzgebungsverfahren ließe sich insofern als eine Art „Überwachungsverträglichkeitsprüfung“ bezeichnen.
2. Mitwirkungszeitpunkt im Gesetzgebungsverfahren
Um eine sinnvolle Tätigkeit der Freiheitskommission gewährleisten zu können, sollte diese zum frühestmöglichen Zeitpunkt in den Gesetzgebungsprozess einbezogen werden. Damit sie ihre Überprüfungs- und Beratungsfunktion erfüllen kann, käme eine Beteiligung erst im parlamentarischen Gesetzgebungsprozess von Bundestag und Bundesrat deutlich zu spät. Vielmehr sollte die Freiheitskommission schon durch das sachlich federführende Ministerium, im Kontext des Rechts der Inneren Sicherheit also im Regelfall durch das Bundesministerium der Justiz (BMJ) oder das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI), eingeschaltet werden. Sofern spezielle Materien wie z.B. das Gesetz über den Bundesnachrichtendienst (BNDG) oder das Gesetz über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter (ZFdG) betroffen sind, stünden dementsprechend Behörden wie das Bundeskanzleramt (BKAmt) oder das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in der Pflicht.
In der Praxis arbeitet meist auf Initiative des zuständigen Fachministers das in seinem Haus zuständige Referat einen ersten Entwurf für ein neues Gesetz aus. In diesem Stadium (Referentenentwurf) werden von dort aus im Rahmen der sog. Verbändeanhörung Stellungnahmen von Interessenverbänden (z.B. Polizeigewerkschaften, Anwaltskammern, Sozialverbänden oder Datenschutzbeauftragten) eingeholt. Zudem erfolgt eine Ressortabstimmung mit anderen Ministerien. Den fertigen Entwurf leitet das federführende Referat anschließend dem Minister zu, der diesen prüft und danach dem Kabinett, also der gesamten Bundesregierung, vorlegt.
Billigt das Kabinett den Entwurf, wird er als Regierungsentwurf dem Bundesrat zugeleitet und anschließend – mit der Stellungnahme des Bundesrates – dem Bundestag. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt das offizielle parlamentarische Gesetzgebungsverfahren erst beginnt, haben oft bereits monatelange Entwurfs- und Verhandlungsprozesse der Ministerialbeamten, Staatssekretäre und Minister stattgefunden, häufig abgeschlossen in Gestalt von mühsam errungenen Kompromissvorschlägen. Ein Blick in die (rechts-)politische Praxis zeigt, dass ab diesem Zeitpunkt in der Politik nur noch wenig Bereitschaft zu grundlegenden inhaltlichen Änderungen besteht.
Die Beteiligung der Freiheitskommission sollte somit, damit sie die gebotene Beratung im Gesetzgebungsprozess sicherstellen kann, idealerweise bereits dann erfolgen, wenn das federführende Ministeriumsreferat „sprechfähig“ ist, also einen ersten internen Entwurf erarbeitet hat. Spätestmöglicher Zeitpunkt wäre insoweit der Beginn der Verbändeanhörung. Letzteres hätte allerdings den Nachteil, dass das Votum der Freiheitskommission häufig nur eines von vielen wäre, möglicherweise im Reigen der Verbändestellungnahmen unterginge und noch dazu inhaltlich keine Berücksichtigung mehr für den Referentenentwurf (Verbändeanhörung) fände.
Allerdings wäre ein solches Beteiligungsverfahren nur für Gesetzesvorlagen der Regierung(en) brauchbar. Ressortanhörungen oder eine Verbandsanhörung finden bei Gesetzesvorlagen von Fraktionen oder Abgeordneten grundsätzlich nicht statt. Daher sollte auch für Gesetzesvorlagen aus der Mitte des Parlaments oder im Auftrag von Fraktionen und Abgeordneten in Anlehnung an § 2 Abs. 3 EthRG gesetzlich die Möglichkeit einer Selbstbefassung der Freiheitskommission geschaffen werden.
Damit Aufgabe und Wirkungsweise der Freiheitskommission für Gesetzesvorlagen, die aus der Mitte des Parlaments eingebracht werden, ebenfalls fruchtbar gemacht werden können, erscheint es sinnvoll, die Freiheitskommission in diesen Fällen spätestens in die parlamentarische Gesetzgebung einzubinden. Bundestag bzw. Bundesrat sollten daher dafür sorgen, dass jede Gesetzesinitiative der Freiheitskommission zur Bewertung bzw. Stellungnahme hinsichtlich ihrer Eingriffe in die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger vorgelegt wird, bevor die eigentliche parlamentarische Behandlung der Gesetzesvorlage beginnt. In einem solchen Verfahren, das durch die Geschäftsordnungen der jeweiligen Parlamente abzusichern wäre, läge kein unzulässiger Eingriff in das Gesetzesinitiativrecht.
3. Mitwirkungsmaterien
Darüber hinaus wäre klar zu definieren, für welche Gesetzgebungsmaterien der Freiheitskommission ein Recht zur Stellungnahme einzuräumen ist. Insbesondere ist zu vermeiden, dass das federführende Ministerium die Mitwirkungsrechte durch einseitigen Verweis auf fehlende Zuständigkeiten ausschließt, um das weitere Verfahren aus seiner Sicht entschlacken und beschleunigen zu können. Ein „Recht“ auf Stellungnahme (s. dazu unter 4.) bedeutet, dass die Mitglieder der Kommission auf dieses Recht auch selbstbestimmt verzichten können sollten, etwa weil sie selbst eine solche Stellungnahme nicht für erforderlich halten. Umgekehrt darf – schon zur Wahrung der Unabhängigkeit der Kommission – ein solches Recht nicht einseitig durch das Ministerium vorenthalten werden. Bestehen Zweifel an der Zuständigkeit der Kommission, so sollte die Befugnis zur Letztentscheidung bei der Kommission liegen.
In der Praxis ließen sich potenzielle Konflikte beispielsweise durch eine Voranfrage des zuständigen Referatsleiters an die Kommission lösen, ob diese beabsichtigt, zu einem bestimmten Gesetzgebungsverfahren Stellung zu nehmen. Eine solche Anfrage ließe sich, sofern die zur Stellungnahme erforderlichen Unterlagen gleich mitübersandt werden, auch in die gesamte Stellungnahmefrist integrieren, um für den Gesetzgebungsprozess insgesamt nicht zu viel Zeit zu verlieren.
Im Übrigen empfiehlt es sich, die Zuständigkeit der Freiheitskommission nicht formell an die Zuständigkeit einzelner Ministerien, sondern an materielle Kriterien zu binden. Schon ein kurzer Blick auf die gesetzliche Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik Deutschland zeigt, dass sich grundrechtssensible Überwachungsbefugnisse de lege lata auch in zahlreichen Spezialgesetzen befinden. Insofern bietet es sich an, an Aufgabenbeschreibungen wie die „Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten“, die „Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ oder die „nachrichtendienstliche Aufklärung“ anzuknüpfen.
Zu beachten ist allerdings, dass mit Blick auf die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern eine Freiheitskommission durch die Bundesregierung nur in Bezug auf solche Regelungsmaterien eingerichtet werden kann, die auch der Gesetzgebungskompetenz des Bundesunterfallen. Dazu zählen Gegenstände wie das materielle Strafrecht, das Strafverfahrensrecht, das Bundespolizeigesetz, das Bundeskriminalamtgesetz oder die Nachrichtendienstgesetze des Bundes.
Auf Landesebene müssten die einzelnen Länder selbst entscheiden, ob sie eine solche Kommission nach dem Vorbild des Bundes auch für Sicherheitsgesetze einrichten, die in die Zuständigkeit des Landesgesetzebers fallen.
4. Rechtsform der Mitwirkung (amicus curiae-Modell)
Um die Expertise des unabhängigen Expertengremiums nicht ins Leere laufen zu lassen, wäre verfahrensrechtlich ein zwingendes Beteiligungsrecht zu etablieren. Diesen Weg hat der Gesetzgeber auch im Falle des Nationalen Normenkontrollrates (NKR) gewählt. Er wurde durch das Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (NKRG)[14] im Jahr 2006 konstituiert[15] und ist derzeit beim Bundesministerium der Justiz (BMJ) eingerichtet. Die frühzeitige Beteiligung des NKR folgt bereits mittelbar aus der Aufgabennorm des § 1 Abs. 3 NKRG, indem ihm die Prüfung der Darstellung des Erfüllungsaufwandes neuer Gesetze gem. § 44 Abs. 4 i.V.m. §§ 42 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 5 GGO auferlegt wird. Direkt folgt sie in Form der Abgabe von Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen aus § 4 Abs. 1 Nr. 1-4 i.V.m. § 6 Abs. 1 S. 1 NKRG. Hieraus ergibt sich ein Recht des NKR zur Beteiligung[16] in der genannten Form an Gesetzgebungsverfahren.
Praktisch bietet sich an, der Freiheitskommission ein Recht zur Stellungnahme binnen angemessener Frist einzuräumen. Damit würde sich die Kommission dem vor allem im anglo-amerikanischen Recht verbreiteten Modell eines „amicus curiae“ annähern, dem es (in gerichtlichen Verfahren) gestattet wird, zu wichtigen Rechtsfragen Stellung zu nehmen. Die Stellungnahmefrist muss es allerdings gerade bei umfangreichen Gesetzgebungsvorhaben faktisch zulassen, zu den inhaltlichen Fragen wissenschaftlich fundiert Stellung zu nehmen. Insoweit kann man sich etwa an der Widerspruchsfrist nach § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO orientieren. Jedenfalls sollte der bislang im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren immer wieder anzutreffenden Praxis, Sachverständigen nur eine Stellungnahmefrist von wenigen Werktagen einzuräumen, mit Blick auf die freiheitswahrende Funktion der Tätigkeit der Freiheitskommission entgegengewirkt werden.
Die Freiheitskommission wäre danach als unabhängige, externe Stelle ohne unmittelbare organisatorische Anbindung an ein Fachministerium oder ein Gesetzgebungsorgan zu konzipieren. Sie könnte dem Referat, das den Gesetzentwurf schreibt, beratend zur Seite stehen und schließlich zum fertigen Entwurf eine Stellungnahme abgeben – bevor der Entwurf zur Kabinettsabstimmung übersandt wird. So hätte die Kommission die Möglichkeit, ihre Expertise bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt einzubringen und die Referenten bei der schwierigen Aufgabe eines Gesetzentwurfs zu unterstützen. Das Gremium wäre damit kein Organ im Gesetzgebungsprozess, sondern eine im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zwingend hinzuzuziehende Institution außerhalb des Bundestags, des Bundesrats und der Bundesministerien.[17]
5. Beifügung der Stellungnahmen zum Gesetzentwurf
Die Gesetzesbegründung ist für die Rechtsanwendung und die richterliche Kontrolle, insbesondere durch das BVerfG, von besonderer Bedeutung. Insbesondere das Telos einer Regelung lässt sich kaum ohne Rückgriff auf die Gesetzesbegründung und Gesetzesmaterialien erfassen. Die Beifügung der Stellungnahme der Freiheitskommission zu den Gesetzesmaterialien kann somit einen Beitrag leisten, die Einschätzungen der Kommission nicht nur im Gesetzgebungsprozess zu berücksichtigen, sondern auch in die Rechtspraxis zu implementieren. Eine solche Pflicht zur Beifügung bestimmter Materialien zu einer Gesetzesbegründung kennt die deutsche Rechtsordnung allerdings nicht. Dies ergibt sich konsequent aus der zwar umstrittenen,[18] aber herrschenden Meinung[19] in der verfassungsrechtlichen Literatur, wonach eine Pflicht zur Begründung eines Gesetzes für den Gesetzgeber nicht besteht. Auch das BVerfG hat sich in dieser Hinsicht positioniert:[20] Ist ein Gesetz per se schon nicht zu begründen, kommt eine Inhaltsbestimmung erst recht nicht in Betracht. Allerdings hat das BVerfG insoweit auch Ausnahmen anerkannt.[21] Im Übrigen ist jedenfalls ein verfassungsrechtliches Verbot, einfachrechtlich eine Begründungspflicht (im Sinne einer Selbstverpflichtung des Gesetzgebers) zu schaffen, nicht ersichtlich.
Infolgedessen ist die Einführung einer Pflicht zur Beifügung einer Stellungnahme der Freiheitskommission zu einem Gesetzentwurf möglich. Zwar besteht im Regelfall auch für die Gesetzesinitianten keine generelle verfassungsrechtliche Begründungspflicht hinsichtlich eines Gesetzentwurfs.[22]Anders als bei Gesetzen selbst kann eine sinnvolle Arbeit an einem Gesetzentwurf aber nur erfolgen, wenn die Beteiligten im Gesetzgebungsverfahren den Zweck und die Begründung des Entwurfs nachvollziehen können. Daher sehen die GOBT[23], die GOBR[24] und die GGO[25] Begründungspflichten für Gesetzentwürfe vor. Hierbei handelt es sich zwar nur um parlamentarisches Binnenrecht;[26] ein Verstoß ist verfassungsrechtlich irrelevant und nicht justiziabel. Dennoch führen diese Regelungen zu einer Selbstbindung der Gesetzesinitianten, die ein Abweichen in der Praxis nur schwer möglich macht.
Eine solche Pflicht zur Beifügung von Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen kennt die deutsche Rechtsordnung bereits. Stellungnahmen des NKR sind gem. § 6 Abs. 1 S. 2 NKRG[27] dem Gesetzentwurf der Bundesregierung bei Einbringung in den Bundestag bzw. bei der Zuleitung an den Bundesrat beizufügen. Eine korrespondierende Regelung findet sich auch in § 42 Abs. 1 S. 2 GGO.[28] Hierbei handelt es sich lediglich um Formvorschriften und keine sachliche Begrenzung des Initiativrechts, sodass dies verfassungsrechtlich unbedenklich ist.[29] Eine vergleichbare Regelung für die Freiheitskommission ist mithin möglich.
Hinsichtlich der Veröffentlichung von Stellungnahmen der Freiheitskommission und damit ihrer Sichtbarmachung im Gesetzgebungsverfahren könnte man sich an den einschlägigen Regelungen über den „legislativen Fußabdruck“ in den Lobbyregistergesetzen und deren Veröffentlichung durch die Parlamente orientieren. Jedenfalls sollte faktisch sichergestellt werden, dass Stellungnahmen der Freiheitskommission der Gesetzesvorlage beigefügt werden und anders als sog. Vorgangsmappen über ein Gesetzgebungsverfahren, in welche nicht veröffentlichte (Ausschuss)Protokolle eingestellt werden, auch über das Inter- und nicht nur über ein Intranet für jede und jeden abrufbar sind.
6. Pflicht zur Berücksichtigung der Stellungnahme
Eine Pflicht zur sachlichen Befassung mit dem Inhalt der Stellungnahme ergibt sich aus der Pflicht zur Einholung und Beifügung allerdings nicht. Eine solche Pflicht gesetzlich zu verankern, begegnet erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Aufgrund der dargestellten Freiheit der beteiligten Organe in Bezug auf den Gesetzgebungsprozess,[30] die das BVerfG[31] weit versteht und die nur im Rahmen der verfassungsrechtlichen Regelungen der Art. 65, 70-82 GG ff. begrenzt werden kann, ist eine Pflicht zur Befassung mit bestimmten Materialien im Gesetzgebungsprozess ausgeschlossen. Gleiches gilt für eine Pflicht zur Begründung einer Abweichung von einer fachkundigen Stellungnahme.[32] Solche Pflichten sind auch unter Beachtung der Grundsätze der Gesetzgebungslehre, insbesondere der Durchführung einer (prospektiven) Gesetzesfolgenabschätzung, verfassungsrechtlich nicht zwingend geboten. Gerade im Sicherheitsrecht handelt es sich jedoch um eine Obliegenheit des Gesetzgebers, der er Folge leisten kann und sollte (vgl. § 44 Abs. 1 GGO).[33]
Denkbar wäre daher eine Reform der einschlägigen Geschäftsordnung in der Form, dass bei den Ausschussberatungen ein Vertreter der Freiheitskommission gehört oder deren, ggf. in Bezug auf Änderungen zum Referentenentwurf aktualisierte, Stellungnahme verlesen werden kann.
Die Einbeziehung in die Arbeiten zum Gesetzentwurf ist beispielsweise für den NKR in § 45 GGO niedergelegt. § 45 Abs. 1 GGO regelt, dass das federführende Ministerium den NKR frühzeitig in die Vorarbeiten und Ausarbeitung einzubeziehen hat. § 45 Abs. 2 GGO verpflichtet das federführende Ministerium im Falle der Stellungnahme des NKR zur Prüfung, ob die Bundesregierung ihrerseits zu einer Stellungnahme veranlasst ist. Eine Aufnahme der Freiheitskommission in die Regelung des § 45 Abs. 1 GGO wäre somit eine Möglichkeit, die Beteiligung und Berücksichtigung der Freiheitskommission zumindest im Verfahren der Erstellung eines Regierungsentwurfes zu sichern. Sie böte zudem das politische Potenzial, die Entwicklung des Gesetzentwurfs im Wege des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens zu beeinflussen.
7. Alternative Umsetzungsmodelle
a) Aufwertung der Stellung der Datenschutzbeauftragten
Primäres Ziel der Tätigkeit der Freiheitskommission ist der Schutz der Freiheitsrechte. Darin begegnet sie den Aufgaben der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, die die Einhaltung des Datenschutzrechts überwachen und Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern bearbeiten (insbesondere Art. 58 Abs. 1 lit. a und lit. f DS-GVO[34]). Diesen Aufgaben liegt das Ziel der DS-GVO zu Grunde, die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf den Schutz personenbezogener Daten zu schützen (Art. 1 Abs. 2 DS-GVO). In seiner abwehrrechtlichen Funktion richtet sich das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gerade auch gegen den Staat und ist insbesondere bei der Sicherheitsgesetzgebung und der Einräumung oder Erweiterung von Eingriffsbefugnissen an Sicherheitsbehörden von großer Bedeutung.[35] In der modernen Sicherheitsarchitektur verfügen eine Vielzahl gerade der neu geschaffenen Eingriffsbefugnisse über eine informationelle Komponente. Auch der Einsatz von algorithmischen Systemen wird künftig verstärkt die polizeilichen und nachrichtendienstlichen Tätigkeiten prägen.[36]
Vor diesem Hintergrund könnte die Aufgabe der Freiheitskommission theoretisch auch auf die Datenschutzbeauftragten in den Ländern und im Bund übertragen werden. Ihre völlige Unabhängigkeit in Datenschutzfragen (Art. 52 DS-GVO, Art. 42 JI-RL[37]) wäre davon nicht betroffen, soweit zusätzliche Aufgaben auf sie übertragen würden.[38] Diese Aufgaben der Freiheitssicherung verschränken sich mit den spezifisch datenschutzbezogenen Aufgaben, sodass der vorhandene Sachverstand und die Erfahrung der Datenschutzaufsichtsbehörden fruchtbar gemacht werden könnten. Eine personelle Aufstockung wäre dann allerdings unabdingbar.
Dagegen spricht aber der Charakter der Freiheitskommission, die gerade einen breitbandigen Blick auf die Sicherheitsgesetzgebung haben soll, um sämtliche Grundrechte so weit als möglich zur Geltung kommen zu lassen. Dazu ist ein Ansatz praktischer Konkordanz erforderlich. Die Datenschutzaufsichtsbehörden sind bisher rechtlich gehalten, gesetzliche Regelungen aus der Perspektive des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu bewerten. Denn die konkretisierenden Regelungen in Art. 57 DS-GVO, Art. 46 JI-RL und auf Bundesebene § 14 BDSG weisen den Datenschutzbeauftragten Aufgaben der Überwachung des Datenschutzrechts zu. Zwar sind auch weitere Ziele zu verfolgen. Im Anwendungsbereich der DS-GVO soll der freie Datenverkehr (Art. 1 Abs. 3 DS-GVO) und im Anwendungsbereich der JI-RL soll der Austausch von Daten zwischen Behörden der Mitgliedstaaten nicht beschränkt werden. In der Abwägung der Ziele, die von den Datenschutzaufsichtsbehörden unabhängig vorgenommen werden, verfügt aber der Grundrechtsschutz über besonderes Gewicht, da sich die Datenschutzaufsichtsbehörden als Grundrechtsschutzbehörden verstehen.[39]
Aufgrund der technischen Entwicklung ist die Wahrung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gerade auch im Sicherheitsbereich von elementarer Wichtigkeit, weil hier klare rechtliche Bewertungen mit Bezug zum europäischen Recht erforderlich sind. Diese Zuspitzung der Sichtweise durch die Datenschutzaufsichtsbehörden dient der Freiheit der Bürgerinnen und Bürger gerade dann, wenn daneben ein auch stärker auf die Wahrung der Freiheitsrechte in ihrer Gesamtheit ausgerichtetes Gremium auftritt: die Freiheitskommission. Datenschutzaufsichtsbehörde und Freiheitskommission können sich in ihren Aufgaben ergänzen. Die Datenschutzaufsichtsbehörden beraten den Gesetzgeber, verfügen aber auch über eine Reihe von Abhilfemaßnahmen, mit denen ein Datenschutzverstoß im Einzelfall sanktioniert werden kann (Art. 58 DS-GVO; Art. 47 JI-RL). Demgegenüber bleibt die Freiheitskommission auf der abstrakt-generellen Ebene, ist dort aber aufgrund ihrer politiknahen Funktion und ihrer dauerhaft angelegten Tätigkeit wirkmächtig.
b) Schaffung eines echten unabhängigen Kontrollgremiums im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses
Theoretisch wäre es auch denkbar, mit der Freiheitskommission ein unabhängiges Kontrollgremium zu schaffen, das im Gesetzgebungsverfahren eine eigenständige Rolle und ggf. sogar ein eigenes Vetorecht besitzt. Dieser Ansatz scheitert jedoch bereits daran, dass durch eine solche Kontrolltätigkeit die verfassungsmäßigen Rechte der einzelnen Organe im Gesetzgebungsverfahren, insbesondere das Initiativrecht aus Art. 76 Abs. 1 GG, unzulässig eingeschränkt würden.[40] Ein solches Kontrollgremium, das weisungsfrei agierte und nicht aus (mittelbar) vom Volk gewählten Vertretern bestünde, litte auch unter einem gravierenden Legitimationsdefizit und verstieße gegen das Demokratieprinzip des Grundgesetzes, wenn es die gewählten Gesetzgebungsorgane kontrollieren könnte.[41]
8. Zwischenergebnis
Im Vergleich zu den vorstehend skizzierten Alternativmodellen erscheint das hier befürwortete Amicus curiae-Modell am erfolgversprechendsten. Eine solche Tätigkeit der Freiheitskommission ist verfassungsrechtlich zulässig, gewährleistet die unabhängige Prüfung von Gesetzentwürfen aus mehreren Blickwinkeln – nicht lediglich aus datenschutzrechtlicher Perspektive – und hat aufgrund der beratenden Funktion zum frühestmöglichen Zeitpunkt im Gesetzgebungsverfahren die größten Chancen, inhaltlich Berücksichtigung zu finden. Dieses Modell, bei dem sich Freiheitskommission, Datenschutzaufsichtsbehörden und weitere Akteure ergänzen, könnte eine echte Verbesserung hinsichtlich der Qualität zukünftiger Sicherheitsgesetze bewirken.
Durch eine Beteiligung der Freiheitskommission im Rahmen der Kabinettsvorlagen würde die Kommission in diesem Stadium die bereits nach geltender Rechtslage zu beteiligenden Institutionen, die nicht zu den betroffenen Ressorts zählen, ergänzen.[42] Das Ergebnis könnte eine Stellungnahme der Freiheitskommission mit einer Bewertung der gegenständlichen Ministerratsvorlage und möglichen Änderungs- und Ergänzungsvorschlägen sein. Mit diesen könnte sich dann der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren auseinandersetzen, wenn spätestens bis zur endgültigen Beschlussfassung des Kabinetts bzw. des Ministerrats nach Abschluss der Verbandsanhörung und ggf. einer 2. Ressortanhörung über den Normentwurf die Differenzpunkte der Freiheitskommission zu dem Normentwurf aufrechtzuerhalten sind, weil Stellungnahme und Empfehlung der Freiheitskommission in der Gesetzesvorlage unberücksichtigt geblieben sind.
III. Verhältnis der Freiheitskommission zu anderen, am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Institutionen
Die Arbeit der Freiheitskommission sollte im Konzert mit anderen Stellen erfolgen, die ebenfalls in das Gesetzgebungsverfahren einbezogen sind oder zukünftig einbezogen werden sollen. Da Doppelzuständigkeiten oder unklare Kompetenzverhältnisse zu vermeiden sind, ist eine Abgrenzung der jeweiligen Aufgabenbereiche erforderlich.
Eine wichtige Beratungsfunktion soll im Gesetzgebungsverfahren dem Nationalen Normenkontrollrat (NKR) zukommen. Gemäß § 1 Abs. 1 NKRG hat dieser die Aufgabe, die Bundesregierung bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen auf den Gebieten des Bürokratieabbaus und der besseren Rechtssetzung zu unterstützen. Letzteres erfolgt durch Prüfung der Darstellung des sog. Erfüllungsaufwandes neuer Regelungen für Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaft und öffentliche Verwaltung. Der Erfüllungsaufwand bezeichnet die gesamten Folgekosten eines Gesetzes oder einer Verordnung. Der NKR überprüft die Angaben des im Gesetzentwurf prognostizierten Erfüllungsaufwands auf ihre Nachvollziehbarkeit und Methodengerechtigkeit. § 1 Abs. 4 NKRG macht deutlich, dass die angestrebten Ziele und Zwecke von Regelungen nicht vom Prüfungsumfang umfasst sind. Nach § 45 Abs. 1 S. 1 GGO muss das im Gesetzgebungsverfahren federführende Bundesministerium den NKR im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit frühzeitig bei den Vorarbeiten und der Ausarbeitung einbeziehen, bevor der Entwurf einer Gesetzesvorlage der Bundesregierung zum Beschluss vorgelegt wird. Die Stellungnahmen des NKR werden Bestandteil der Parlamentsdrucksachen und sind öffentlich einsehbar. Die Prüfung der Transparenz von Gesetzesfolgekosten ex ante macht den Kern der Arbeit des NKR aus. Auf der Grundlage eines Beschlusses des Staatssekretärsausschusses „Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau“ ist darüber hinaus im Wege der „Fortentwicklung der Evaluierungskonzeption der Bundesregierung“ im Sommer 2019 die Möglichkeit geschaffen worden, den NKR mit einer systematischen Evaluierung zu befassen, wie sich der Erfüllungsaufwand nach dem Erlass eines Gesetzes tatsächlich entwickelt hat.[43] In Abgrenzung zu möglichen Aufgabenfeldern einer Freiheitkommission zeigt sich nach alledem, dass die Zuständigkeit des NKR im Gesetzgebungsverfahren vorwiegend auf die Transparenz von Kostenfolgen beschränkt ist.
Gleichfalls in den Gesetzgebungsprozess involviert ist der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI). Er fungiert als unabhängige Datenschutzaufsichtsbehörde nach Art. 51 Abs. 1 DS-GVO und ist gem. § 8 Abs 1 BDSG als oberste Bundesbehörde mit Dienstsitz Berlin eingerichtet.[44] § 12 Abs. 2 IFG sieht vor, dass die Aufgabe des Bundesbeauftragten für die Informationsfreiheit von dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz wahrgenommen wird.[45] Im Gesetzgebungsverfahren wirkt der BfDI beratend gegenüber Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung und anderen Einrichtungen und Gremien mit, soweit es um legislative oder administrative Maßnahmen zum Schutz der Rechte und Freiheiten natürlicher Personen in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten geht. § 14 Abs. 2 BDSG zufolge kann der BfDI zur Erfüllung dieser Aufgabe zu allen Fragen, die im Zusammenhang mit dem Schutz personenbezogener Daten stehen, von sich aus oder auf Anfrage Stellungnahmen abgeben. Damit korrespondiert § 20 Abs. 1 S. 2 GGO, wonach der BfDI auch in ressortübergreifend tätigen Ausschüssen beratend mitwirkt. Der BfDI wird demgemäß im Gesetzgebungsverfahren vorwiegend aus eigener Initiative tätig, ohne dass hierfür ein bestimmter Zeitpunkt festgelegt ist. Seine Beratungsfunktion ist materiell auf den Datenschutz und die Informationsfreiheit beschränkt. Die Tätigkeit der Freiheitskommission ginge hierüber deutlich hinaus.
Dem Koalitionsvertrag zufolge beabsichtigt die Regierungskoalition ebenfalls die Einrichtung eines „Zentrums für Legistik“.[46] Was sich genau dahinter verbirgt, ist noch Gegenstand regierungsinterner Diskussionen.[47] Während manche Stimmen im rechtswissenschaftlichen Schrifttum darin einen „Forschungsansatz“, eine „Gesetzgebungstheorie“ oder eine „Gesetzgebungslehre“ ausmachen wollen,[48] wird der Begriff in der Praxis eher im Sinne (guter) Gesetzestechnik verstanden. Als „Legisten“ werden im letzteren Falle insofern Referenten und Referentinnen in den Ressorts bezeichnet, die mit Rechtsetzung und ihrer Prüfung betraut sind.[49] Die Rede ist auch von „Normprüferinnen“ bzw. „Normprüfern“.[50] Aus ihrer Mitte hat sich Anfang 2017 das „Netzwerk Normprüfung“ gegründet, welches einem niederschwelligen Arbeitsaustausch innerhalb der Ministerialbürokratie dienen soll; auf der Suche nach Kriterien guter Gesetzgebung hat das Netzwerk einen signifikanten Bedarf der Normprüfungspraxis an wissenschaftlicher Beratung identifiziert.[51] Es spricht viel dafür, dass das im Koalitionsvertrag erwähnte „Zentrum für Legistik“ in diesem Zusammenhang zu sehen ist und Beratungsangebote für Regierung und Parlament bereithalten soll. Mit Blick auf vergleichbare Einrichtungen in der Schweiz[52] ist ebenfalls denkbar, das Zentrum mit Forschungs- und Entwicklungsaufgaben zu betrauen, um einer Verwissenschaftlichung der Gesetzestechnik Vorschub zu leisten.[53] Signifikante Überschneidungen mit dem Aufgabenspektrum der Freiheitskommission ergeben sich jedenfalls nicht.
IV. „Prüfprogramm“ der Freiheitskommission
1. Grundgesetz, Unionsgrundrechte, Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
Die Freiheitskommission ist angehalten, die Spezifität und Addition der „Belastung“ von freiheitsbeschränkenden Maßnahmen in erster Linie am Maßstab des Grundgesetzes zu analysieren und als „Gesamt“-Ergebnis festzustellen. Eine beratende Funktion der Freiheitskommission impliziert zudem eine Überprüfung neuer Überwachungsinstrumente anhand der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zudem spielen Fragen der Gesetzgebungstechnik eine Rolle.
Soweit sich eine Maßnahme der Überwachung allerdings im Anwendungsbereich des Unionsrechts bewegt (Art. 51 Abs. 1 S. 1 GRCh) und unter dem Blickwinkel der Judikatur des BVerfG („Recht auf Vergessen/EuHb III“)[54] eine unionsrechtlich vollständig determinierte Materie betrifft, ist die Charta der Grundrechte auch für die Freiheitskommission alleiniger Prüfungsmaßstab. Maßgeblich für die Messung der Intensität einer Überwachung sind dann die vom EuGH ausgelegten Garantien der Charta – mit den vom BVerfG proklamierten Vorbehalten der Ultra-vires-Kontrolle und der Identitätskontrolle, die nach der Vorstellung des BVerfG auch im vollständig vereinheitlichten Bereich des Unionsrechts unberührt bleiben.[55]
Da die Grundrechte des Grundgesetzes über das Gebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung auch im Lichte der EMRK und der zu ihren Einzelgarantien vom EGMR entwickelten Leitsätze zu interpretieren sind,[56] muss die Freiheitskommission auch die für Überwachungsmaßnahmen relevanten Garantien der EMRK im Blick haben (Art. 8, Art. 10 EMRK). Soweit die Garantien der Charta der Grundrechte Prüfungsmaßstab sind, ergibt sich diese Notwendigkeit aus Art. 52 Abs. 3 GRCh. Da die Rechte aus Art. 7 GRCh (Achtung des Privat- und Familienlebens, Wohnung, Kommunikation), Art. 8 GRCh (Schutz personenbezogener Daten) und Art. 11 GRCh (Freiheit der Meinungsäußerung, Presse-/Medienfreiheit; Schutz journalistischer Quellen) den durch Art. 8 und Art. 10 EMRK garantierten Rechten entsprechen, haben diese die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihnen in der EMRK verliehen wird.
Im Hinblick auf die in seiner Judikatur zu den Anforderungen an die gesetzliche Grundlage (Art. 8 Abs. 2 EMRK) und die Durchführung von Überwachungsmaßnahmen entwickelten Parameter führt der EGMR auch im Rahmen von Art. 8 EMRK eine abschließende menschenrechtsspezifische Gesamtbetrachtung durch und beurteilt auf diese Weise, ob die Maßnahme bezogen auf den Einzelfall mit Art. 8 EMRK vereinbar ist („viewed as a whole“; „the assessment depends on ‘all of the circumstances of the case‘“)[57] – genau an dieser Stelle könnte ein tauglicher Anhaltspunkt für die menschenrechtliche Absicherung einer zu entwickelnden Überwachungsgesamtrechnung liegen.
2. Best Practice Guidelines für gute Sicherheitsgesetzgebung
Um den Gesetzgebungsprozess bestmöglich begleiten zu können, müssen zum materiellen Prüfprogramm einer Freiheitskommission auch die bereits existierenden Forschungsergebnisse aus dem Bereich des Sicherheitsrechts zählen. Dazu gehören neben thematisch einschlägigen, wissenschaftlichen Publikationen auch aktuelle empirische Studien. Zudem insinuiert bereits der Koalitionsvertrag, dass die Freiheitskommission sowohl möglicherweise schon für die Erstellung, jedenfalls aber für die weitere Anwendung und Fortschreibung einer Überwachungsgesamtrechnung als auch für eine unabhängige wissenschaftliche Evaluation der Sicherheitsgesetze[58] geschaffen werden soll.
Es spricht vieles dafür, dass die Freiheitskommission nach ihrer Einrichtung diese Aufgaben übernehmen soll. Schließlich handelt es sich angesichts eines sich schon durch den technischen Fortschritt dynamisch entwickelnden Sicherheitsrechts weder bei der Überwachungsgesamtrechnung noch bei der Evaluation um statische Aufgaben, die nach einmaliger Erledigung abgeschlossen sind. Sie müssen vielmehr dynamisch weiterentwickelt und in regelmäßigem Turnus fortgeführt werden.
Im Übrigen dürfte es sich empfehlen, einer Freiheitskommission eine „Checkliste“ mit Best Practice-Guidelines an die Hand zu geben, die stichwortartig diejenigen Prüfpunkte enthalten, die bei Gesetzgebungsvorhaben mit Überwachungsnormen zwingend zu durchlaufen oder zumindest zu durchdenken sind.
3. Konzeption einer Überwachungsgesamtrechnung („Berechnungsfragen“)
Was genau die Überwachungsgesamtrechnung bedeuten und als Arbeitsauftrag der Freiheitskommission umfassen soll, ist noch nicht eindeutig definiert. Gemeint ist ein Konzept, dass die tatsächlichen Belastungen des Bürgers durch Sicherheitsgesetzgebung transparent macht und damit als Instrument dient, um bei der zukünftigen Gesetzgebung in diesem Bereich die Belastungshärte für den Bürger zu bestimmen. Im Rahmen des Forschungsprojekts, aus dem das vorliegende Eckpunktepapier entstanden ist, werden bislang zwei konkrete Modelle einer Überwachungsgesamtrechnung als Prüfmaterie ergebnisoffen diskutiert:
a) Vergleichsmatrix als Instrument zur Bemessung der Intensität und Verhältnismäßigkeit von Grundrechtseingriffen
Wie bereits die Bezeichnung „Überwachungsgesamtrechnung“ suggeriert, geht es dabei um die „Berechnung“ der Auswirkungen von Überwachungsmaßnahmen, d.h. die Überwachungsgesamtrechnung muss Elemente der Summierung, Faktorisierung und Relationierung beinhalten. Sie stellt hingegen keinen Tatbestand in Form einer einzelnen Norm oder eines Normengeflechts dar, sondern beschreibt eine besondere Form der Überprüfung der Verhältnismäßigkeit von Überwachungsmaßnahmen.[59] Insoweit zeigt sich, dass die gewöhnliche juristische Methode – die Subsumtion – an ihre Grenzen gerät.[60]
Für die Handhabbarmachung bieten sich Methoden an, die zum einen empirisch unterlegt sind, zum anderen mit Gewichtungsfaktoren arbeiten.[61]Es geht dabei darum, mögliche Auswirkungen von Sicherheitsgesetzen zu bestimmen, in ihrer konkreten Ausprägung auf den Bürger zu messen und sie sodann in Beziehung zueinander sowie in Beziehung zu den Auswirkungen anderer Sicherheitsgesetze zu setzen. Insoweit geht es eher um die Bestimmung einer idealen Belastung der Freiheitsrechte. Die „Berechnung“ ist demzufolge nicht so zu verstehen, dass eine simple Addition oder Subtraktion von Wirkungen durchgeführt werden soll. Vielmehr muss in der Art einer gewichteten Matrix aufgezeigt werden, welche partikularen Intensitäten von und durch Sicherheitsgesetzgebung und mittels der Verschränkung ihrer Rechtsfolgen auf den Bürger einwirken.
Statt der „gewöhnlichen“ Subsumtion müssen für die Anwendung der Überwachungsgesamtrechnung somit Instrumente genutzt werden, die sowohl qualitative Gewichtungen als auch quantitative Vergleiche ermöglichen. Eine – denkbare – Umsetzungsmöglichkeit wäre die Nutzbarmachung einer der Subsumtion zumindest artverwandten, rechtstheoretisch aber leicht differenzierten Methode, die es zulässt, statt der starren Abarbeitung eines Schemas eine fluide Bewertung von Umständen vorzunehmen (sog. „bewegliches System“ [62]).[63] Zudem bedarf es zusätzlich einer – wenn nicht empirisch so doch zumindest „mathematisiert“ grundierten – jura-externen Grundkonzeption, die Gewichtungen entschlüsseln und veranschaulichen kann.[64] Eine vertiefte Ausarbeitung des beispielhaften Modells einer Überwachungsgesamtrechnung bleibt aus Platzgründen einer gesonderten Publikation vorbehalten.[65]
b) Repräsentative Bestimmung der Überwachungsbelastung
Versteht man die Überwachungsgesamtrechnung als „doppelte Verhältnismäßigkeitsprüfung“[66], bedarf einer Klärung, ob und wie weit der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sich als Fundament einer solchen „Gesamtrechnung“ eignet. Das macht einen Rückgang auf die umstrittenen methodischen Grundlagen der Verhältnismäßigkeitsprüfung erforderlich.[67] Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass die zu berücksichtigenden Faktoren – Eingriffskosten in Gestalt der Verletzung von Grundrechtssubstanz einerseits und der durch Überwachung zu erwartende Nutzen andererseits – nicht unmittelbar anhand eines gemeinsamen Maßstabs miteinander „verrechnet“ werden können. Kosten und Nutzen von Überwachung verhalten sich verfassungsrechtlich asymmetrisch zueinander, weil Nutzenparameter (außerhalb des Untermaßverbots) nicht verfassungsrechtlich determiniert sind, die Kosten hingegen schon.[68] Wie groß der Nutzen von Überwachung ist, stellt mit anderen Worten keine verfassungsrechtliche Frage dar, sondern eine Zuschreibung durch den die Überwachung legitimierenden Gesetzgeber unter Berücksichtigung rechtstatsächlicher Erkenntnisse.
Vor diesem Hintergrund kann eine als spezifische Verhältnismäßigkeitsprüfung verstandene Überwachungsgesamtrechnung keine Saldierung der Kosten und des Nutzens von Überwachung und auch keine Bestimmung von deren zulässiger Höchstgrenze leisten. Eine Überwachungsgesamtrechnung kann aber ein Instrument sein, um die Eingriffskosten von Überwachung – die Überwachungsbelastung – systematisch und fortschreibungsfähig zu erfassen. Hierfür ist es erforderlich, im Wege einer konkreten Betrachtung verfassungsrechtlich verankerte Parameter zur Bestimmung der Eingriffsintensität ausgewählter Überwachungsmaßnahmen zu definieren und mit statistischen Daten (etwa zur Häufigkeit der Maßnahmen und Anzahl betroffener Personen) zu unterlegen.[69] Die Überwachungsbelastung kann so zwar nicht absolut, aber repräsentativ ermittelt werden. Bei der Bestimmung der Parameter und der Auswahl der Maßnahmen können rechtstatsächliche Erkenntnisse in Form von Expertenwissen einfließen. Die Verfügbarkeit der benötigten statistischen Daten kann durch eine Berichtspflicht der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern auf der Grundlage der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für statistische Zwecke (Art. 73 Abs. 1 Nr. 11 GG) gewährleistet werden.
Die kontinuierliche Bestimmung einer repräsentativen Überwachungsgesamtbelastung könnte wiederum ein Instrument zur Evaluation der Sicherheitsgesetzgebung durch eine Freiheitskommission sein (Überwachungsgesamtrechnung als Prozess).
V. Aufbau, Struktur und Zusammensetzung der Freiheitskommission
Nähere Angaben zu Größe und Zusammensetzung der Freiheitskommission sucht man im Koalitionsvertrag vergeblich. Eine Orientierung für die potenzielle Zielrichtung und Zusammensetzung der Freiheitskommission bieten frühere Anträge der aktuellen (Mit-)Regierungspartei FDP an den Deutschen Bundestag, wonach „eine unabhängige Freiheitskommission mit Experten aus den Bereichen Justiz, Wissenschaft und Zivilgesellschaft eingesetzt werden“ solle. In Form eines langfristig institutionalisierten, ständigen Beratungsgremiums solle diese im Gesetzgebungsverfahren mitwirken und „ähnlich der Monopolkommission, dem Deutschen Ethikrat oder den „Wirtschaftsweisen“ ausgestaltet sein.[70]
Konkrete Angaben zur zahlenmäßigen Zusammensetzung sind den Anträgen nicht zu entnehmen. Insoweit könnte sich die Freiheitskommission zwischen bestehenden Regelungsvorbildern wie dem Ethikrat (26 Mitglieder)[71] und der Monopolkommission sowie dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (fünf sog. „Wirtschaftsweisen“)[72] bewegen. Angesichts der vorstehend skizzierten, umfangreichen Aufgaben der Freiheitskommission liegt es zunächst nahe, die Freiheitskommission mit ausreichenden Personalressourcen auszustatten, um ihre Arbeitsfähigkeit sicherzustellen. Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können die Mitglieder bei der Vorbereitung von Kommissionssitzungen unterstützen. Vorzugswürdig erscheint bei der binnenstrukturellen Aufgabenverteilung ein Berichterstatter-Modell.
Eine ähnliche Funktion wie die des Ethikrats, der im Rahmen der Corona-Pandemie die Bundesregierung hinsichtlich der Umsetzung grundrechtsintensiver und die Gesamtgesellschaft betreffender Maßnahmen zur Eindämmung der Weiterverbreitung des Corona-Virus beraten hat, könnte auch der Freiheitskommission zukommen: Sie könnte über die Beratung im Einzelfall hinaus generell zu einem verstärkten Diskurs über freiheitseinschränkende Überwachungsmaßnahmen führen und damit einen zentralen Beitrag zur gesellschaftlichen Meinungsbildung leisten.[73]
Um dieser anspruchsvollen Aufgabe gerecht zu werden, bedarf es einer pluralistischen Zusammensetzung der Freiheitskommission mit im Kern hohem juristischem Sachverstand. Da es letztlich immer um die Begleitung von Gesetzesvorhaben geht, sollte sich die Kommission im Schwerpunkt aus renommierten und einschlägig ausgewiesenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus den juristischen Teildisziplinen des Strafrechts und des Öffentlichen Rechts zusammensetzen. Weiterhin ist – auch zur Absicherung der Praktikabilität der Stellungnahmen – die Einbindung erfahrener Praktiker mit einschlägiger wissenschaftlicher Betätigung zu empfehlen, wobei die Mitglieder immer nur für ihre Person sprechen sollten. Weiterer Sachverstand könnte zudem etwa aus Bereichen wie Soziologie, Politologie, Philosophie, Geschichte, Psychologie und Ökonomie sowie von zivilgesellschaftlichen Organisationen für die Beratungen der Freiheitskommission beigezogen werden. Um klar zwischen Politikberatung einerseits und politischer Entscheidung andererseits zu trennen und um zu verhindern, dass die Freiheitskommission zum Spielball partei- bzw. fraktionspolitischer Interessen wird, sollten deren Mitglieder weder einer gesetzgebenden Körperschaft des Bundes oder eines Landes noch der Bundes- oder einer Landesregierung oder den diesen zugeordneten Ministerien angehören dürfen.[74] Ansonsten bestünde die Gefahr, dass Abgeordnete, Minister oder Ministeriumsbeamte im „Gewand“ des Experten letztlich sich selbst beraten.
Wie im Ethikratgesetz sollte auch hinsichtlich der Freiheitskommission gesetzlich festgehalten werden, dass dieses Gremium und deren Mitglieder unabhängig und nicht an Weisungen gebunden sind.[75]
VI. Eckpunkte
Aus alledem lassen sich zusammenfassend die folgenden Eckpunkte für die Einführung der im Koalitionsvertrag vorgesehenen Freiheitskommission ableiten:
- Die Freiheitskommission sollte auf der Grundlage eines Gesetzes im formellen Sinn eingerichtet werden.
- Vorzugswürdig erscheint eine Konzeption als unabhängige, externe Stelle, die im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses zwingend hinzuzuziehen ist.
- Die Kommission sollte in einem möglichst frühen Stadium des Erlasses von Sicherheitsgesetzen eingebunden werden.
- Um eine effektive Kommissionsarbeit zu gewährleisten, sollte der Freiheitskommission ein Recht zur Stellungnahme binnen angemessener Frist eingeräumt werden.
- Für die Mindestdauer der Stellungnahmefrist kann man sich an der Monatsfrist nach § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO orientieren.
- Die Stellungnahme der Freiheitskommission sollte dem jeweiligen Gesetzentwurf beigefügt werden.
- Eine faktische Berücksichtigung der Stellungnahmen durch die Gesetzgebungsorgane des Bundes kann durch eine entsprechende Änderung der einschlägigen Geschäftsordnungen (von Bundestag und Bundesrat) sichergestellt werden.
- Es empfiehlt sich, die Zuständigkeit der Freiheitskommission an materielle Kriterien wie die „Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten“, die „Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ oder die „nachrichtendienstliche Aufklärung“ zu binden.
- Zum Prüfprogramm einer solchen Freiheitskommission gehören neben dem Verfassungsrecht auch die EU-Grundrechtecharta und die EMRK. Zudem sind neben einschlägigen Best Practice-Regelungen auch Erkenntnisse aus der Evaluation von Sicherheitsgesetzen sowie die Überwachungsgesamtrechnung zu berücksichtigen.
- Um ihren anspruchsvollen Aufgaben auch praktisch gerecht werden zu können, bedarf es einer interdisziplinären und pluralistischen Zusammensetzung der Freiheitskommission mit einer ausreichend großen Mitgliederzahl.
[1] Vgl. dazu bereits Zöller/Niedernhuber, Sicherheitsrecht und Ampelkoalition: Was bringt die „Überwachungsgesamtrechnung“?, LTO v. 18.3.2022, online abrufbar unter: https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/sicherheit-gesetze-polizei-nachrichtendienste-ueberwachung-gesamtrechnug-ampel-koalitionsvertrag-gesetzgebung/ (zuletzt abgerufen am 9.9.2022).
[2] BVerfGE 125, 260 (323).
[3] BVerfGE 125, 260 (324).
[4] BVerfGE 141, 220 (280 f.).
[5] Mehr Fortschritt wagen – Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), Bündnis 90/Die Grünen und den Freien Demokraten (FDP), S. 86.
[6] Vgl. hierzu BT-Drs. 19/19009, S. 3.
[7] In diesem Sinne wohl Poscher/Kilchling/Landerer, GSZ 2021, 225 (226 f.); Moser-Knierim, Vorratsdatenspeicherung – Zwischen Überwachungsstaat und Terrorabwehr, 2014, S. 248; a.A. Braun/Albrecht, VR 2017, 151 (152 ff.).
[8] Roßnagel, NJW 2010, 1238 (1240); deduziert aus BVerfG, NJW 2010, 833 (Vorratsdatenspeicherung); nunmehr auch Friedewald/Roßnagel/Bile/Geminn/Hansen/Bieker/Karaboga, DuD 2022, 572; a.A. Löffelmann, Überwachungsgesamtrechnung und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, 2022, S. 80: Beschränkung auf die „Kosten“ von Überwachung, d.h. auf die Überwachungsgesamtbelastung.
[9] Zöller/Niedernhuber (Fn. 1).
[10] So auch Ahmed/Kroll/Stephanblome, Grundrechtsschonende Sicherheit – eine Freiheitskommission für Deutschland, IFSH-Policy-Brief 1/22, S. 2.
[11] Das EthRG regelt die Bildung des Deutschen Ethikrats, seine Aufgaben und Stellung, die Zahl seiner Mitglieder, deren Berufung und Amtszeit, deren Aufwandsentschädigung u.a.
[12] Für eine Anlehnung an den Ethikrat auch Ahmed/Kroll/Stephanblome (Fn. 10).
[13] Ausführlich Vöneky, Recht, Moral und Ethik, 2010, S. 240 ff.
[14] Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates vom 14.8.2006 (BGBl. I S. 1866), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 19.6.2022 (BGBl. I S. 920).
[15] Näher dazu Röttgen, ZRP 2006, 47 (47 ff.); kritisch Schröder, DÖV 2007, 45 (45 ff.); diff. Kirchhoff, Die Allgemeinheit des Gesetzes, 2009, S. 293.
[16] Vgl. Linke, JZ 2016, 1081 (1082) m.w.N., der nicht von einem Recht des NKR, sondern der Vorlagepflicht des federführenden Ressorts spricht.
[17] S. insoweit auch den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst (GBD) im Niedersächsischen Landtag, der weisungsunabhängig und parteipolitisch neutral arbeitet, sich aus erfahrenen Juristinnen und Juristen mit der Befähigung zum Richteramt zusammensetzt und durch eine Geschäftsstelle unterstützt wird; https://www.landtag-niedersachsen.de/der-landtag/landtagsverwaltung/gesetzgebungs-und-beratungsdienst/.
[18] Krit. Redeker/Karpenstein, NJW 2001, 2825 ff.; zur Funktion der Gesetzesbegründung Spitzlei, JuS 2022, 315 ff.
[19] Statt Vieler Hebeler, DÖV 2010, 754 (762); Schwarz/Bravidor, JZ 2011, 653 (659), jew. m.w.N.
[20] Vgl. nur BVerfGE 143, 246 (Rn. 278 ff.); 130, 263 (301 f.).
[21] Z.B. BVerfGE 143, 246 (Rn. 279); 130, 263 (301 f.); siehe auch Schwarz/Bravidor, JZ 2011, 653 (654 f.); krit. Hebeler, DÖV 2010, 754 (759 ff.).
[22] BVerfGE 75, 246 (268); 132, 134 (162); 137, 34 (73 f.); 143, 246 (Rn. 278 f.); Dietlein, in: Epping/Hillgruber, BeckOK-GG (Stand: 15.5.2022), Art. 76 Rn. 2.2; Masing/Risse, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. (2018), Art. 76 Rn. 70; Mann, in: Sachs, GG, 9. Aufl. (2021), Art. 76 Rn. 7.
[23] § 76 Abs. 2 GOBT.
[24] § 26 Abs. 3 S. 2 GOBR.
[25] § 42 Abs. 1, 43 GGO.
[26] Masing/Risse (Fn. 22), Art. 76 Rn. 70; Mann (Fn. 22), Art. 76 Rn. 7; vgl. auch Hebeler, DÖV 2010, 754 (754); Dietlein (Fn. 22), Art. 76 Rn. 2.2.
[27] § 6 Abs. 1 NKRG hat folgenden Wortlaut: „Der Nationale Normenkontrollrat gibt seine Stellungnahmen zu den Gesetzentwürfen nicht öffentlich ab. Diese Stellungnahmen und die Stellungnahmen der Bundesregierung dazu werden dem Gesetzentwurf bei der Einbringung in den Bundestag beziehungsweise bei der Zuleitung an den Bundesrat beigefügt.“
[28] § 42 Abs. 1 GGO hat folgenden Wortlaut: „Gesetzesvorlagen bestehen aus dem Entwurf des Gesetzestextes (Gesetzentwurf), der Begründung zum Gesetzentwurf (Begründung) und einer vorangestellten Übersicht (Vorblatt) entsprechend Anlage 3. Gibt der NKR eine Stellungnahme ab (§ 45 Abs. 2 GGO), ist diese der Gesetzesvorlage beizufügen; das Gleiche gilt für eine Stellungnahme der Bundesregierung dazu.“
[29] Masing/Risse (Fn. 22), Art. 76 Rn. 70; Mann (Fn. 22), Art. 76 Rn. 7.
[30] Kersten, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, 97. Aufl. (2022), Art. 77 Rn. 14; Bryde, in: von Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. (2021), Art. 77 Rn. 5; Wolff, in: Hömig/Wolff, GG, 13. Aufl. (2022), Art. 77 Rn. 3.
[31] BVerfGE 1, 144 (151); 29, 221 (234); 36, 321 (330).
[32] Zur Begründungsbedürftigkeit siehe Ahmed/Kroll/Stephanblome (Fn. 10).
[33] Dazu Thiel, VM 2019, 224 m.w.N.
[34] VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung).
[35] Vgl. BVerfGE 141, 220 Rn. 141 (BKAG); Beschl. v. 27.5.2020 – 1 BvR 1873/13 u.a. – Bestandsdatenauskunft II, NJW 2020, 2699 m. Anm. Holznagel.
[36] BVerfG, NVwZ 2021, 226 (Antiterrordateigesetz II); dazu Golla, NJW 2021, 667.
[37] RL (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates.
[38] Zur Unabhängigkeit vgl. EuGH, Urt. v. 9.3.2010 – C-518/07, ECLI:EU:C:2010:125 (Kommission/Deutschland); EuGH, Urt. v. 16.10.2012 – C-614/10, ECLI:EU:C:2012:631 (Kommission/Österreich); EuGH, Urt. v. 8.4.2014 – C-288/12, ECLI:EU:C:2014:237 (Kommission/Ungarn).
[39] Kugelmann/Buchmann, in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann (Hrsg.), DS-GVO/BDSG, 2. Aufl. (2020), Art. 57 Rn. 23, 27.
[40] BVerfGE 1, 144 (153 f.); 145, 348 (Rn. 35); Kment, in: Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. (2022), Art. 76 Rn. 6.
[41] S. etwa BVerfGE 38, 258 (270 ff.); 47, 253 (27); 77, 1 (40 f.); 83, 60 (72 ff.); 93, 37 (66 ff.); 135, 155 (221 f.); Pieroth, JuS 2010, 473 (481); Schröder, JA 2017, 809 (814); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, 17. Aufl. (2022), Art. 20 Rn. 7 ff.
[42] So bestimmt bspw. § 7 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Bayerischen Staatsregierung, dass u. a. der Landesbeauftragte für den Datenschutz bei allen thematisch einschlägigen Vorhaben frühzeitig zu beteiligen und seine Haltung in der Ministerratsvorlage darzustellen ist.
[43] Siehe dazu schon Nationaler Normenkontrollrat, Der Nationale Normenkontrollrat, Informationsbroschüre, 2016, S. 12.
[44] Ausführlich, Wolff, in: Schantz/Wolff (Hrsg.), Das neue Datenschutzrecht, 2017, Rn. 1078 ff.
[45] Zur Doppelfunktion Schnabel, in: Gersdorf/Paal, BeckOK Informations- und Medienrecht, IFG (Stand: 1.5.2022), § 12 Rn. 31 ff.
[46] Koalitionsvertrag (Fn. 5), S. 9.
[47] So die Antwort der BReg in einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU-Fraktion, s. BT-Drs. 20/1277, S. 2 f.
[48] Vgl. Meßerschmidt, ZJS 2008, 111 (111 ff.).
[49] Nationaler Normenkontrollrat, Erst der Inhalt, dann die Paragrafen, McKinsey&Company Studie, Oktober 2019, S. 23.
[50] Vgl. Hamann, ZG 2020, 65 (66).
[51] Ausführlich Hamann, ZG 2020, 65 (66 ff.)
[52] Siehe z.B. Zentrum für Rechtsetzungslehre an der Universität Zürich, https://www.zfr.uzh.ch/de.html (zuletzt abgerufen am 9.9.2022).
[53] In diesem Sinne die Forderungen von Schulze-Fielitz, JZ 2004, 862 (870); Hamann, ZG 2020, 65 (68 ff.); Sack/Jacoby, ZG 2017, 132 (141).
[54] BVerfG, Beschl. v. 1.12.2020 – 2 BvR 1845/18 u.a. = NJW 2021, 1518 (1519, Rn. 35: „Verfahren der Überstellung im Anwendungsbereich des RB-EuHb“).
[55] BVerfGE 123, 267 (353 f.) = NJW 2009, 2267; BVerfGE 126, 286 (302 ff.) = NJW 2010, 3422; BVerfGE 134, 366 (382 ff.) = NJW 2014, 907, Rn. 22 ff.; BVerfGE 140, 317 (336 f.) = NJW 2016, 1149, Rn. 42 f.; BVerfGE 142, 123 (194 ff.) = NJW 2016, 2473, Rn. 136 ff.; BVerfGE 146, 216 (252 ff.) = NJW 2017, 2894, Rn. 52 ff.; BVerfGE 151, 202 (287 ff.) = NJW 2019, 3204, Rn. 120 ff.; BVerfG, NJW 2020, 1647, Rn. 105 ff.; BVerfG, NJW 2021, 1518, Rn. 40 ff.
[56] BVerfGE 111, 307 (317) = NJW 2004, 3407 (3408) – Görgülü.
[57] Vgl. etwa: EGMR, Weber u. Saravia/Deutschland (E), 29.6.2006, Nr. 54934/00, § 106; Dragojević/Kroatien, 15.1.2015, Nr. 68955/11, § 83; Hambardzumyan/Armenien, 5.12.2019, Nr. 43478/11, § 61; (GK) Big Brother Watch u.a./UK, 25.5.2021, Nr. 58170713, § 425; (GK) Centrum för rättvisa/Schweden, 25.5.2021, Nr. 35252/08, § 373; vgl. Vortrag von Esser, 3. Projektsitzung des Arbeitskreises am 11.2.2022.
[58] Zu den unterschiedlichen Ansätzen der Evaluation von Sicherheitsgesetzen siehe Weingärtner, Die Evaluation von Sicherheitsgesetzen, Deutsches Institut für Menschenrechte, 2021.
[59] Instruktiv Roßnagel, NJW 2010, 1238 (1240); deduziert aus BVerfG, NJW 2010, 833 (Vorratsdatenspeicherung).
[60] Subsumtion führt stets zu binären Ergebnissen, d.h. sie ist weder geeignet zu gewichten noch Abwägungen vorzunehmen.
[61] In diese Richtung auch der Vorschlag eines „Periodischen Überwachungsbarometers“; vgl. hierzu die Konzeptstudie von Poscher/Kilchling/Landerer (2022) sowie die Beiträge von Poscher/Kilchling/Landerer, GSZ 2022, 225 ff. und Poscher/Kilchling, DRiZ 2022, 110 ff.
[62] Hierzu erstmals Wilburg, Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerlichen Recht, 1951; Wilburg, AcP 163 (1964), 346 ff.; Canaris, Systemdenken und Systembegriff in der Jurisprudenz, 1969, 74 ff.; Westerhoff, Die Elemente des Beweglichen Systems, 1991; Schmoeckel, AcP 197 (1997) ,1 (28); aus neuerer Zeit Maurer,Das Bewegliche System zur Konkretisierung der Sittenwidrigkeit bei § 826 BGB, 2017; Paas, Das bewegliche System. Zur Karriere einer juristischen Denkfigur, 2021.
[63] Die exemplarische Ausarbeitung des aufgezeigten ÜGR-Mechanismus geht auf einen Vortrag von Gerson im Rahmen der 4. Projektsitzung des Arbeitskreises am 20.5.2022 an der LMU zurück.
[64] Für diese Zwecke kann die sog. „Lieferantenmatrix“ herangezogen werden, dazu näher Arnolds/Heege/Röh/Tussing, Materialwirtschaft und Einkauf, 13. Aufl. (2016), S. 21 ff.
[65] Hierzu Gerson, KriPoZ 6/2022.
[66] Roßnagel, NJW 2010, 1238, 1240; ders., NJW 2016, 533 (534).
[67] Vgl. nur Schlink, Abwägung im Verfassungsrecht, 1976; Hirschberg, Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, 1981
Jestaedt/Lepsius (Hrsg.), Verhältnismäßigkeit. Zur Tragfähigkeit eines verfassungsrechtlichen Schlüsselkonzepts, 2015.
[68] Teilweise wird in diesem Zusammenhang im Schrifttum auch von der Inkommensurabilität der Abwägungsgegenstände gesprochen; näher Löffelmann, Überwachungsgesamtrechnung und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, 2022, S. 39 ff. m.w.N.
[69] Ausf. hierzu Löffelmann (Fn. 68), S. 95 ff.
[70] BT-Drs. 19/19009, S. 3; BT-Drs. 19/23695, S. 4, 6.
[71] § 4 Abs. 1 EthRG.
[72] Bzgl. der Monopolkommission s. § 45 Abs. 1 GWB; bzgl. der „Wirtschaftsweisen“ s. § 1 Abs. 2 SachvRatG.
[73] Vgl. hierzu die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zum EthRG, BT-Drs. 16/2856, S. 7.
[74] Vgl. BT-Drs. 16/2856, S. 8 f.
[75] Vgl. BT-Drs. 16/2856, S. 8.