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Strafrechtlicher Umgang mit gruppenbezogenen Herabwürdigungen unter besonderer Berücksichtigung des § 192a StGB

von Prof. Dr. Dr. Frauke Rostalski und Dr. Erik Weiss

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Abstract
Der vorliegende Beitrag widmet sich dem strafrechtlichen Umgang mit gruppenbezogenen Herabwürdigungen. Nach Identifikation und Begründung der besonderen Strafwürdigkeit entsprechender Verhaltensweisen erfolgt eine kritische Analyse des strafrechtlichen Umgangs mit diesem Phänomen. Es werden die Beleidigungsdelikte sowie § 130 Abs. 1, Abs. 2 StGB in den Blick genommen. Ein besonderer Fokus liegt auf der verhetzenden Beleidigung gem. § 192a StGB und den Unzulänglichkeiten dieser Vorschrift. De lege ferenda wird für deren Streichung und die Einführung einer weiteren Qualifikation in § 185 StGB plädiert, die Beleidigungen „mittels der Reduzierung auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe“ erfasst.

This article is focused on how group-related degradation is dealt with under German criminal law. After identifying and justifying the special punishability of such behavior, a critical analysis of the criminal law approach to this phenomenon is presented. The insulting criminal offences as well as section 130 para. 1, para. 2 StGB are taken into consideration. A special focus is put on the inflammatory insult according to section 192a StGB and the inadequacies of this regulation. De lege ferenda, a plea is made for its deletion and the introduction of a further qualification in section 185 StGB, which covers insults „by reducing a person to membership of a group“.

I. Besondere Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabwürdigungen

Gruppenbezogene Herabwürdigungen lassen sich zumindest in zwei Kategorien einteilen: Solche, die an eine bestimmte Person adressiert sind, und solche ohne einen individualisierten bzw. zumindest individualisierbaren Bezug. Bevor die Frage beantwortet werden kann, ob die geltende Rechtslage diesem Kriminalitätsphänomen angemessen Rechnung trägt, muss geklärt werden, welche Rechtgüter davon betroffen sein können und ob, bzw. unter welchen Voraussetzungen dabei ein besonderes Gewicht des jeweiligen Angriffs anzunehmen ist.

1. Potentiell betroffene Rechtsgüter

a) Gruppenbezogene Herabwürdigungen können eine Vielzahl von rechtlich schutzwürdigen Interessen berühren. In erster Linie ist dabei an die Ehre zu denken. Mit Rainer Zaczyk definieren wir die Ehre als „das v. der Würde des Menschen geforderte und seine Selbstständigkeit als Person begründende Anerkennungsverhältnis mit anderen Personen (interpersonaler Begriff der Ehre). […] Freiheit gründet sich auf ein inneres Zentrum der Person, dessen Stabilität es ihr erst ermöglicht, mit Selbstbewusstsein als Rechtsperson gegenüber anderen aufzutreten und verantwortlich zu handeln. Die so verstandene Selbstständigkeit des Einzelnen ist kein sich vollständig allein erzeugender Status, sondern kann sich nur durch die Anerkennung anderer (in Interpersonalität) bilden und erhalten. Im Anerkennungsverhältnis liegt also – da es von der Würde jedes einzelnen Menschen gefordert wird – eine fundamentale zwischenmenschliche Beziehung, nicht etwa ein nur gesellschaftlich-zufälliges Ereignis.“[1] Das Zitat verdeutlicht die enge Verwobenheit des Ehrbegriffs mit dem der Menschenwürde.[2] Letztere wird im Sinne der „Objektformel“ in aller Regel negativ definiert.[3] Danach ist der Mensch in seiner Würde beeinträchtigt, sofern er „zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, zur vertretbaren Größe herabgewürdigt“ wird.[4] Ideengeschichtlich steht die positivierte Verfassungsnorm des Menschenwürdesatzes vor allem in der Tradition der Moralphilosophie Kants.[5] Deren Zentrum bildet der Kategorische Imperativ, den Kant unter anderem in der Fassung der sogenannten Zweckformel formuliert.[6] Danach gilt: „Handle so, daß du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden andern, jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchest.“[7] Bei der Zweckformel handelt es sich um das „Urbild des Prinzips des Respekts vor Personen“.[8] Von entscheidender Bedeutung ist daher die Frage nach den Kriterien, die den Personenstatus begründen. Kants Antwort fällt insoweit eindeutig aus: So liege der Grund dafür, einen Menschen als Person anzuerkennen und ihn in der Folge an dem Achtungskonzept der Zweckformel teilhaben zu lassen, nicht etwa in dessen biologischer Natur, sondern in  seiner  Vernunft, die  seinen Status als Person begründe: Das Personsein setze die „aktuell vorhandene Fähigkeit zur Selbstbestimmung“ voraus.[9]

Angriffe auf den Achtungsanspruch des Einzelnen, seine Ehre, sind damit nach unserem Verständnis stets zugleich Angriffe auf dessen „absoluten innern Wert“[10], seine Würde. Dabei sind Beeinträchtigungen der Ehre und damit der Würde in unterschiedlichen Graden denkbar. Wer einen anderen in seiner Ehre angreift, negiert – mehr oder weniger – das gegenseitige Anerkennungsverhältnis, das den Individuen in einem freiheitlichen Staat zugrunde liegt. Er degradiert den anderen damit zu einem nicht vollumfänglich gleichberechtigten Diskursteilnehmer, spricht ihm also in spezifischer Weise die Berechtigung ab, Gleicher im Recht zu sein. Je stärker dieser Angriff auf das innere Zentrum der Person ausfällt, desto gravierender ist sie in ihrer Fähigkeit beeinträchtigt, am gemeinsamen Friedensprojekt teilzunehmen. Dies hängt mit der Selbstwahrnehmung zusammen, die durch herabwürdigende Äußerungen erschüttert werden kann – aber gerade auch mit der Wahrnehmung der anderen, auf die es für eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Miteinander ankommt. Auch ihre Einschätzung von der Person des anderen kann infolge eines Angriffs auf dessen Ehre negativ beeinträchtigt werden, was wiederum auf den Angegriffenen und dessen Behandlung durch Dritte zurückfällt.

b) Nicht zuletzt zeigt sich damit auch die Nähe von Ehre und Würde zur Meinungsfreiheit. Wer in seinem Status als Gleicher im Recht degradiert wird, droht zu verstummen.[11] Unsicherheit im Hinblick auf den eigenen Status sowie Angst vor neuerlichen Angriffen lassen ihn schlimmstenfalls in seiner Meinungskundgabe weniger unbefangen auftreten, als dies ein freiheitliches Miteinander vorsieht. Und damit greift der Angriff auf die individuelle Ehre, Würde und Meinungsfreiheit zugleich – mittelbar – ein in den Bereich der kollektiven Rechtsgüter: Eine Gemeinschaft, deren Mitglieder aus Verunsicherung und Furcht in Schweigen verharren, muss sich in einem Kernelement einer jeden Demokratie angegriffen sehen: dem Marktplatz der Ideen.[12] Herabwürdigende Äußerungen haben damit zugleich eine die gesamte Gesellschaft berührende Dimension, wenngleich auch nur vermittelt über den Individualrechtsgüterschutz.

c) Herabwürdigungen von Gesellschaftsmitgliedern sind geeignet, andere mitzureißen.[13] Sie können Ausdruck von Unzufriedenheit, von in der Gesellschaft fortdauernden Ressentiments sein und damit wie ein Brennmittel für ein gewaltsames Ausleben von Konflikten wirken. Je nachdem, in welchem Kontext, in welcher Intensität und in welcher Verbreitung Herabwürdigungen  geäußert  werden, können sie dazu aufstacheln, den Worten und deren tiefer liegendem Gehalt der Ablehnung und des Hasses Taten folgen zu lassen. Damit ist eine weitere Schutzrichtung von Normen angesprochen, die spezifische Formen der Herabwürdigung untersagen und ggf. mit Strafe bewehren: der Schutz höchstpersönlicher Güter wie der Körperintegrität und des Lebens, die durch das Entfachen von Gewalt gefährdet sind.

2. Besonderheiten hinsichtlich der Angriffsintensität

Nach der Identifikation potentiell betroffener Rechtsgüter gilt es zu erörtern, ob mit Herabwürdigungen, die einen Gruppenbezug aufweisen, Besonderheiten hinsichtlich der jeweiligen Angriffsintensität einhergehen.

a) Im Hinblick auf den Ehr- und Würdeschutz lässt sich dies insoweit bejahen, als ein Gruppenbezug, in den die Individualbeleidigung gestellt wird, den Einzelnen als Individuum in der Gruppe – zumindest im Hinblick auf das Gruppenmerkmal – aufgehen lässt. Er ist dann nicht selbstständige Person für sich, die als Einzelne Anerkennung verdient. Vielmehr verschwimmen seine personalen Grenzen gegenüber der jeweiligen Gruppe und so droht der Betreffende seine weiteren Spezifika zu verlieren, die ihn als Menschen ausmachen. Ein Beispiel: Wer einer bestimmten Religion angehört, definiert sich zumindest in Teilen über diese Zugehörigkeit. Doch bereits diese Zuschreibung ist undifferenziert: Glaube ist eine höchstpersönliche Angelegenheit, die in ihren Facetten, ihrer Intensität und individuellen Bedeutung von Mensch zu Mensch unterschiedlich definiert und gelebt wird. Hinzu tritt, dass sich der religiöse Mensch in aller Regel nicht allein über diese Eigenschaft bestimmt – seine Persönlichkeit kann sich etwa noch durch seine Beziehung zu anderen Menschen, insbesondere seine Familie, seine berufliche Tätigkeit, Freizeitbeschäftigungen, politische Ansichten usw. kennzeichnen. Niemand definiert sich über bloß ein Merkmal – niemand ist bloß das Mitglied einer irgendwie gearteten Gruppe. Hierin liegt der tiefere Sinn der Rede von einer Entindividualisierung, die mit dem Gruppenbezug einer Herabwürdigung einhergehen kann. Wer andere mittels der Reduzierung auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe beleidigt, spricht ihnen individualisierende Merkmale ab, ordnet sie in einen Kontext ein, der vom Sprecher in spezifischer Weise (negativ) besetzt wird und damit zugleich nicht die Bedeutung trifft, die die Gruppenzugehörigkeit für das Individuum selbst einnimmt. Das Besondere an der gruppenbezogenen Beleidigung ist also regelmäßig das Hinzutreten eines weiteren, von der jeweiligen Ehrverletzung unabhängigen Rechtsgutsangriffs: Wer gegenüber einem Menschen christlichen Glaubens äußert, dass dieser „lediglich ein idiotischer Christ“ sei, greift den Betreffenden nicht allein durch die Unterstellung an, völlig unsinnig zu sein.[14] Zugleich lässt er ihn als Person in der Gruppe der Christen aufgehen und legt damit nahe, dass der Angesprochene auf diese Eigenschaft zu reduzieren ist. Dieses zusätzliche Unrechtsgewicht ist prinzipiell auch (straf-)rechtlich von Bedeutung. Die Vertiefung des Angriffs auf die Ehre begründet eine besondere Tatschwere und sollte daher im Strafmaß entsprechend zum Ausdruck kommen.

Dabei kommt es nach unserer Auffassung nicht darauf an, welcher spezifischen Gruppe der Betreffende in der herabwürdigenden Äußerung zugeordnet wird. Die Entindividualisierung des Subjekts, die mit dem durch den Sprecher unterstellten Aufgehen des Einzelnen in der Gruppe einhergeht, erfolgt unabhängig davon, ob es sich dabei um einen religiösen, geschlechtsbezogenen oder sonstigen Personenzusammenschluss handelt. Stets erfolgt ein vertiefter Angriff auf den personalen Achtungsanspruch, indem der Einzelne in der Rede des Sprechers relevanter Teile seiner individuellen Personalität beraubt wird. Erforderlich ist insoweit auch nicht, dass das jeweils in Rede stehende Gruppenmerkmal speziell für den Betreffenden oder zumindest in der allgemeinen Anschauung eine besondere Eignung aufweist, dass Menschen sich damit in erheblichem Umfang identifizieren. Es ist zutreffend, dass zum Beispiel Religion oder Herkunft für viele Menschen besonders bedeutsame Identifikationsmerkmale ausmachen. Dies ist indes nicht zwingend. Zudem kann gerade die Zuordnung zu einer Gruppe, zu der der Betreffende zwar gehört, von der er sich aber persönlich in vielen Aspekten unterscheidet (zum Beispiel bei Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, deren Glaubensgebote der Einzelne für sich allerdings individuell erheblich abweichend auslegt), als besonders schwerwiegende Entindividualisierung empfunden werden – indem nämlich durch den Gruppenbezug suggeriert wird, dass die von dem Betreffenden praktizierten Unterschiede nicht bestünden. Ohnedies erscheint es aus Gründen der Gleichbehandlung problematisch, spezifische personale Merkmale als besonders „werthafte“ zu begreifen, indem allein ihnen im (straf-)rechtlichen Kontext eine gesteigerte Bedeutung zukommen soll. Für eine solche Vorgehensweise spricht auch nicht, dass bestimmte Gruppen gesamtgesellschaftlich verletzlicher sind als andere – etwa aufgrund ihrer zahlenmäßigen Unterlegenheit, ihrer Geschichte oder ähnlichem.[15] Abstellend auf den Gedanken, dass die Unrechtsvertiefung einer gruppenbezogenen Herabwürdigung darin besteht, dass es durch Entindividualisierung zu einem zusätzlichen Angriff auf den Achtungsanspruch des Einzelnen kommt, ist nicht entscheidend, durch welche Gruppenzuordnung genau andere Persönlichkeitsmerkmale negiert werden.[16]

b) Neben der Unrechtserhöhung gruppenbezogener Herabwürdigungen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgüter Ehre bzw. Würde tritt im Hinblick auf entsprechende Äußerungen ein erhöhtes Risiko der Beeinträchtigung der individuellen Meinungsfreiheit. In der Sache spricht vieles dafür, die Beleidigungsdelikte aufgrund der engen Verwobenheit zwischen Ehre bzw. Würde, individueller und – (lediglich) darüber vermittelt – auch kollektiver Meinungsfreiheit zugleich als Vorschriften zur Ahndung von Angriffen auf die freie Meinungskundgabe zu interpretieren.[17] Hieraus können sich Folgefragen ergeben, soweit – wie dargelegt – die Verbindung zwischen der individuellen Meinungsfreiheit und dem gesamtgesellschaftlichen Interesse an einer funktionierenden Demokratie gezogen wird.[18] Nicht zuletzt wäre zu diskutieren, ob es alternativ eines eigenständigen Straftatbestandes bedarf, um diesem spezifischen Unrecht Rechnung zu tragen.[19]

c) Unter dem Aspekt der Beeinträchtigung höchstpersönlicher Rechtsgüter wie Leib und Leben weisen gruppenbezogene Äußerungen ihrerseits Besonderheiten auf. Kommt der Äußerung ein Aufstachelungspotential zu, dehnt der Gruppenbezug die Gefahr potentieller Gewalttaten auf sämtliche Gruppenangehörige aus. Der Gruppenbezug erhöht insoweit den Kreis möglicher Opfer der durch die Herabwürdigung ausgelösten Taten und damit auch die Qualität des Risikos.

II. Analyse und Kritik des strafrechtlichen Umgangs mit gruppenbezogenen Herabwürdigungen de lege lata

Der Gruppenbezug einer Herabwürdigung kann den Unrechtsangriff im Hinblick auf die Rechtsgüter Ehre bzw. Würde, Meinungsfreiheit sowie Leib und Leben erhöhen. Damit ist zu klären, ob bestehende strafrechtliche Vorschriften die besondere Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabwürdigungen adäquat erfassen.

1. Beleidigungsdelikte unter Einbeziehung von § 192a StGB

Mit Einführung des § 192a StGB bezweckte der Gesetzgeber die Schließung von Strafbarkeitslücken in Fällen, in denen „Schriften mit bestimmte Gruppen oder Teile der Bevölkerung verhetzendem Inhalt an einzelne Personen oder Personengruppen, die zu der betroffenen Personenmehrheit gehören, versandt werden“[20]. Während § 130 StGB in derart gelagerten Fällen („Zweipersonen-Verhältnis oder in Bezug auf einen geschlossenen Personenkreis“)[21] häufig an der fehlenden Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens scheitere, fehle es für eine Strafbarkeit gem. § 185 StGB an einem „konkrete[n] Bezug zu der betroffenen Person“[22] (bezüglich einer etwaigen Individualbeleidigung) bzw. der „Kollektivbeleidigungsfähigkeit“ (bezüglich einer Kollektivbeleidigung).

a) Als Schutzgut des § 192a StGB wird explizit die „Ehre betroffener Personen“[23] Dies manifestiert sich auch in der Voraussetzung, dass der Inhalt an einen Gruppenangehörigen gelangen muss. Die Einordnung im Abschnitt der Ehrdelikte ist daher schlüssig. Dass eine Ehrverletzung in einschlägigen Konstellationen nach Einschätzung des Gesetzgebers häufig ausscheidet, stellt insoweit keinen Widerspruch dar. § 192a StGB ist als „(konkretes) Gefährdungsdelikt“[24] ausgestaltet. Erforderlich ist lediglich, dass der Täter den Inhalt an einen Gruppenangehörigen gelangen lässt, d.h. derart in den Verfügungsbereich der anderen Person[25] überführt, dass diese vom Inhalt Kenntnis nehmen kann. Die verhetzende Beleidigung ist damit einer Ehrverletzung, die an eine tatsächliche Kenntnisnahme geknüpft ist, vorgelagert. Sobald ein Inhalt in den Verfügungsbereich einer Person gelangt, ist regelmäßig zu vermuten, dass diese ihn auch zur Kenntnis nimmt, bzw. hängt es mit anderen Worten „nur noch vom Zufall ab“, ob eine Kenntnisnahme erfolgt. In Anlehnung an die Differenzierung und Terminologie im Bereich abstrakter und konkreter Gefährdungsdelikte ist die Kategorisierung des § 192a StGB als konkretes Gefährdungsdelikt daher schlüssig. Der Rekurs in den Gesetzesmaterialien darauf, dass „derartige Inhalte […] das Recht der Betroffenen auf gleichberechtigte Teilnahme am gesellschaftlichen und politischen Leben an[greifen] und […] ihre Menschenwürde [verletzen]“[26], begründet weder eine in Gänze abweichende noch eine zusätzliche Schutzrichtung.[27] Der Achtungsanspruch bzw. Ehranspruch des Einzelnen stellt eine notwendige Bedingung für die eine Demokratie konstituierende Beteiligungsmöglichkeit am öffentlichen Diskurs dar. Ein Angriff auf die Ehre einer Person beinhaltet daher stets zugleich einen Angriff auf ihre Stellung als gleichberechtigter Kommunikationspartner innerhalb des gemeinsamen Friedensprojekts. Insoweit gibt der Gesetzgeber lediglich einen zutreffenden Zusammenhang zwischen dem Ehranspruch des Einzelnen und dem Demokratieprinzip wieder. Der zusätzliche Verweis auf die Menschenwürde hängt mit dem teilweisen Rückgriff auf entsprechende Voraussetzungen des § 130 StGB zusammen und führt ebenfalls zu keiner abweichenden Ratio. Wie bereits einleitend aufgezeigt, stellen Herabwürdigungen, die dem Einzelnen die Subjektqualität oder seine Anerkennung als Gleicher im Recht absprechen, ebenfalls Ehrverletzungen dar, die allerdings aufgrund ihrer Intensität schwereres Unrecht begründen und daher entsprechend härter geahndet werden sollten.

b) Dass die Einführung des § 192a StGB angezeigt war, mithin dass die identifizierten Strafbarkeitslücken bestanden, ist nach hiesiger Einschätzung nur teilweise zutreffend.[28]

aa) Eine Strafbarkeit gem. § 130 Abs. 1 StGB dürfte in den einschlägigen Fallkonstellationen tatsächlich häufig, jedoch nicht zwingend immer[29] an der erforderlichen Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören, scheitern.[30] Für deren Bejahung müssen konkrete Tatumstände bei genereller Betrachtung zu der Befürchtung Anlass geben, dass das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit durch die Äußerung erschüttert werde.[31] Da die Eignung zur Friedensstörung stets im Wege einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände festzustellen ist, kann der geschlossene(re) Personenkreis für sich allein keine kategorische Ablehnung derselben tragen. Gleichwohl fungiert er de facto als ein starkes Indiz gegen eine Friedensstörungseignung; teilweise wird nämlich gefordert, dass nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (zumindest) mit einem Bekanntwerden des Angriffs in einer breiteren Öffentlichkeit zu rechnen ist.[32] Die tatsächlichen richterlichen Feststellungen bezüglich der Eignung zur Friedensstörung beschränken sich zudem häufig auf die Feststellung der Öffentlichkeit der Äußerung.[33] Die Bejahung des § 130 Abs. 2 StGB dürfte aufgrund des eingeschränkten Wirkbereichs der in Rede stehenden Konstellationen jedenfalls regelmäßig an einer tauglichen Tathandlung scheitern, sofern einschlägige Inhalte nicht ausnahmsweise Personen unter achtzehn Jahren angeboten, überlassen oder zugänglich gemacht werden.[34]

bb) Soweit hinsichtlich einer Individualbeleidigung Strafbarkeitslücken festgestellt werden, liegt dem teilweise ein nach hiesiger Einschätzung unzutreffendes Verständnis der erforderlichen Individualisierung zugrunde. Wird beispielsweise eine sich auf die gesamte Gruppe oder ein anderes Gruppenmitglied beziehende Herabwürdigung gegenüber einem bestimmten Gruppenangehörigen kundgetan, ist hierin nach zutreffender Ansicht bereits eine Beleidung der Kenntnis nehmenden Person zu erblicken. Durch die unmittelbare Adressierung einer konkreten Person wird die (für eine sog. „[Individual-]Beleidung unter einer Kollektivbezeichnung“) erforderliche Individualisierung vorgenommen.[35] Soweit die Rechtsprechung in Fällen, in denen die Gruppenherabwürdigung nicht gegenüber einer bestimmten Person, sondern in der Öffentlichkeit bzw. gegenüber der Allgemeinheit kundgetan wird, danach differenzieren will, ob der Täter die Kenntnisnahme durch einen Gruppenangehörigen lediglich für möglich hielt oder insoweit bewusst oder sogar absichtlich handelte,[36] vermag dies nicht zu überzeugen. § 185 StGB stellt – anders als beispielsweise § 187 StGB – gerade keine gesteigerten Vorsatzanforderungen auf. Äußert sich jemand gegenüber einem Polizisten mit den Worten „Du Polizistenbastard!“ und hält es dabei lediglich für möglich, dass dieser tatsächlich Polizist ist, weist er richtigerweise einen entsprechenden Beleidigungsvorsatz auf. Dann kann aber – bewertete man diesen als objektiv tatbestandliche Beleidigung – nichts anderes für den Fall gelten, dass jemand in eine Runde von Menschen „Ihr Polizistenbastarde!“ hineinruft oder sich mit einem T-Shirt mit einem „A.C.A.B.“-Aufdruck an einen Ort begibt und dabei lediglich für möglich hält, dass zumindest ein Polizist anwesend ist. Wollte man – worauf die Differenzierung der Rechtsprechung hinausläuft – gesteigerte Vorsatzanforderungen mit Blick auf den Beleidigungserfolg aufstellen, müsste man deren Notwendigkeit plausibel begründen, rechtsdogmatisch herleiten sowie konsequenterweise auf alle Fälle des § 185 StGB erstrecken. Es lässt sich bereits in Zweifel ziehen, ob eine Differenzierung nach dem Vorstellungsbild des Täters bezüglich der Kenntnisnahme durch adressierte Personen für die Frage der Strafwürdigkeit entsprechender Äußerungen von Relevanz ist. Ohne eine entsprechende Gesetzesänderung ist ein derart gesteigertes Vorsatzerfordernis jedoch jedenfalls als systemwidrig zu bewerten und daher abzulehnen. Für die Frage, ob in einschlägigen Fallkonstellationen eine tatbestandliche Individualbeleidigung angenommen werden kann, kommt es maßgeblich auf die Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit des sich Äußernden und dem Ehrschutz des anderen an. Sofern sich auf diese Weise ein rechtliches Verbot legitimieren lässt, hat die Äußerung zu unterbleiben – und dies unabhängig davon, mit welcher Vorsatzform der Betreffende handelt. Für die Legitimation des Verbots ist dieser Faktor unerheblich. Im Hinblick auf die von der Rechtsprechung diskutierten Fälle lässt sich allerdings ein abweichendes Kriterium benennen, das für die Legitimation der Verhaltensnorm eine Rolle spielen kann: Die Art und Weise der Kundgabe. Für die Beleidigung einer einzelnen Person unter einer Kollektivbezeichnung[37] macht es einen Unterschied, ob man sie individuell adressiert – sei es durch direkte Ansprache oder eine entsprechende Geste – oder verdeckter vorgeht, indem man sich pauschal in der Öffentlichkeit bzw. gegenüber der Allgemeinheit äußert. In ersterem Fall ist der individuelle Ehrangriff bereits objektiv stärker ausgeprägt als in letzterem, was eine unterschiedliche Behandlung unter dem Aspekt der Rechtfertigung des Verbots begründen kann.

Bezüglich etwaiger Lücken im Bereich der Kollektivbeleidigungen, verstanden als Beleidigungen aller (individuellen) Gruppenangehörigen unter einer Kollektivbezeichnung[38] ist dem Gesetzgeber insoweit zuzustimmen, als die herangezogenen Beispiele (die in Deutschland lebenden Jüdinnen und Juden, Katholikinnen und Katholiken sowie Menschen mit Behinderung) uneinheitlich beantwortet werden und damit das Fehlen eines klaren Maßstabs für die Feststellung einer Kollektivbeleidigungsfähigkeit belegen.[39] Als Kriterien werden etwa die Abgrenzbarkeit des Kollektivs von der Allgemeinheit, dessen zahlenmäßige Überschaubarkeit sowie die eindeutige Bestimmbarkeit der Kollektivmitglieder[40] herangezogen. Hilgendorfweist zutreffend auf folgenden Zusammenhang hin: Da Kollektivurteile übertreiben und stereotypisieren, handelt es sich bei entsprechenden Beleidigungen um Durchschnittsurteile, bei denen die individuelle Ausnahme regelmäßig (konkludent) miterklärt wird.[41] So lange offenbleibt, wen aus dem Kollektiv der Erklärende als die Regel und wen als die Ausnahme ansieht, ist letzten Endes niemand individuell beleidigt. In der Sache läuft diese Deutung auf das Kriterium der Individualisierbarkeit hinaus, das auch für die  Feststellung  einer  (individuellen)  Beleidigung  unter einer Kollektivbezeichnung bemüht wird. Hilgendorf identifiziert daher auch „eine bis zur Kongruenz gehende strukturelle Nähe der beiden Fallgruppen der Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung“ [42]. Mit Blick auf den Charakter der Ehrdelikte als Tatbestände, die Angriffe auf ein Individualrechtsgut erfassen, ist eine einheitliche Behandlung beider Konstellationen unserer Ansicht nach als sachgemäße Lösung zu begrüßen.

c) In ihrer konkreten Ausgestaltung weist die Norm einige, teilweise erhebliche Friktionen auf.

aa) Bereits das Anknüpfen an einen Inhalt i.S.d. § 11 Abs. 3 StGB vermag nicht zu überzeugen.[43] Inhalte im Sinne dieser Norm sind (nur) solche, die in Schriften, auf Ton- oder Bildträgern, in Datenspeichern, Abbildungen oder anderen Verkörperungen enthalten sind oder auch unabhängig von einer Speicherung mittels Informations- oder Kommunikationstechnik übertragen werden. Dies hat zur Konsequenz, dass ein telefonisch vermittelter Inhalt erfasst wird, während eine mündliche Übermittlung ohne Zwischenschaltung von Informations- oder Kommunikationstechnik nicht unter den Tatbestand fällt. Eine Differenzierung zwischen verkörperten bzw. perpetuierten und flüchtigen Übertragungsformen wäre ggf. noch tragbar gewesen. Die Frage, ob ein Inhalt telefonisch oder persönlich übermittelt wird, kann für den mit Blick auf den Ehranspruch zu bestimmenden Unrechtsgehalt der Tat jedoch keine Rolle spielen. Selbst wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen sein sollte, dass in derart gelagerten Fällen regelmäßig eine hinreichende Individualisierung und damit vollendete Beleidigung i.S.d. § 185 StGB vorliegt, trägt diese Einschätzung die unterschiedliche Behandlung der beiden Konstellationen nicht. § 192a StGB stellt aufgrund des Erfordernisses der Eignung für einen Angriff auf die Menschenwürde[44] das schwerwiegendere Unrecht dar, was sich auch in dem erhöhten Strafrahmen manifestiert. Wenn der schwerwiegendere Angriff auf die Ehre auch noch von der betreffenden Person zur Kenntnis genommen wird und damit „erfolgreich“ verläuft, ist es widersprüchlich, ihn ohne sachlichen Grund – wie dargestellt verfängt die Unterscheidung zwischen telefonischer und persönlicher Übermittlung nicht – lediglich nach dem milderen Straftatbestand zu ahnden.

bb) Auch die Auflistung geschützter Gruppen bietet Anlass für Kritik.[45] Es ist beispielsweise schwer nachvollziehbar, warum die „sexuelle Orientierung“ als geschütztes Merkmal erfasst wird, nicht jedoch das Geschlecht mit der Folge, dass Herabwürdigungen von Frauen oder Menschen mit nicht-binären Geschlechtsidentitäten[46] nicht unter den Tatbestand fallen. Hierin manifestiert sich das unausweichliche Problem, das mit dem Versuch einer Identifizierung besonders schützenswerter Gruppen verbunden ist: Die Gefahr einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von wesentlich gleichen Sachverhalten. Nach hiesiger Einschätzung ist die Eingrenzung schützenswerter Gruppen bereits im Ansatz verfehlt. Jede beleidigende Reduzierung auf eine Gruppenzugehörigkeit tangiert den Achtungsanspruch des Einzelnen als eigenständiges Individuum und sollte daher als schwerwiegenderer Ehrangriff geahndet werden.[47]

cc) Vor diesem Hintergrund ist auch das zusätzliche Erfordernis der Eignung des Inhalts, „die Menschenwürde anderer dadurch anzugreifen, dass er eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“, kritisch zu betrachten. Bereits die mit einer Ehrverletzung verknüpfte Reduzierung auf eine Gruppenzugehörigkeit greift den Achtungsanspruch des Einzelnen als Ausfluss der Menschenwürde an und begründet damit erhöhtes Unrecht. Forderte man – in (vom Gesetzgeber intendierter) Anlehnung an die Auslegung im Rahmen des § 130 StGB – zusätzlich die Eignung des Inhalts, den betroffenen Personenkreis als minderwertig darzustellen bzw. dessen Lebensrecht in der Gemeinschaft zu bestreiten,[48] würde dies zu einer unsachgemäßen Einschränkung des Anwendungsbereichs der Norm führen. Das besonders strafwürdige Unrecht gruppenbezogener Herabwürdigungen könnte selbst mit Blick auf die erfassten Gruppen nicht immer konsequent über eine Aburteilung nach § 192a StGB abgebildet werden.

dd) Das Tatbestandsmerkmal „ohne von dieser Person hierzu aufgefordert worden zu sein“ bedarf ebenfalls einer kritischen Revision.[49] In den Gesetzesmaterialien findet sich insoweit folgende Erläuterung: „Durch § 192a StGB-E soll nur das Gelangenlassen oder Zuleiten von Inhalten an Personen, die dieses nicht wollen, unter Strafe gestellt werden. Zur Berücksichtigung dieses Abwehrrechts ist es erforderlich, Handlungen, die auf ausdrücklichen Wunsch der betroffenen Person oder mit deren erkennbarem Willen erfolgen, aus dem Tatbestand auszuschließen. Hierzu dient die Formulierung ‚ohne hierzu aufgefordert zu sein‘, die bereits in § 184 Absatz 1 Nummer 6 StGB Verwendung findet.“[50] Durch Bezugnahme auf die wortgleiche Formulierung in § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er dieses Merkmal in Anlehnung an die zu § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB entwickelte Interpretation verstanden wissen will. Der Begriff der „Aufforderung“ setzt allgemeinsprachlich mehr als eine Einwilligung voraus: Erforderlich ist eine – ausdrückliche oder konkludente – Bitte als Initiative.[51] Im Rahmen des § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB wird ein derart enges Begriffsverständnis indes überwiegend abgelehnt: Aufgrund der individualschützenden Ausrichtung des § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB, der einen Konfrontationsschutz bezwecke, genüge bereits eine wirksame Einwilligung im Zeitpunkt der Tathandlung für einen Tatbestandsausschluss.[52] Lediglich eine mutmaßliche Einwilligung sowie eine nachträgliche Genehmigung seien unerheblich.[53]

Mit Blick auf den gesetzgeberischen Willen durchaus konsequent wird im Schrifttum dafür plädiert, diese Grundsätze auf § 192a StGB zu übertragen.[54] Dass das Erfordernis der fehlenden Aufforderung – in Anlehnung an die Einwilligungssperre i.R.d. § 216 StGB[55] – so zu verstehen sein könnte, dass eine einfache Einwilligung für einen Unrechtsausschluss nicht genüge, erscheint angesichts der klaren Aussage in der Gesetzesbegründung demgegenüber nicht naheliegend.[56] Auch nach unserer Auffassung schließt bereits eine einfache Einwilligung das tatbestandliche Unrecht aus. Dieses Ergebnis über eine Wortlautauslegung zu erzielen, wie dies mehrheitlich in der Literatur im Hinblick auf § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB erfolgt, erscheint indes schwierig. Eine „Aufforderung“ ist sprachlich eben doch mehr als eine bloße Einwilligung.[57] Allerdings ermöglicht die Analogie als anerkannte Methode der Rechtsfortbildung eine Erstreckung des Tatbestandsausschlusses auf Fälle der Einwilligung, die nicht durch eine Aufforderung geäußert wurde.[58] Hierbei handelt es sich um eine tätergünstige und daher mit Art. 103 Abs. 2 GG grundsätzlich vereinbare Analogie.[59] Voraussetzung für eine solche ist die Feststellung einer „planwidrigen Regelungslücke“ sowie einer „vergleichbaren Interessenlage“.[60] Eine planwidrige Regelungslücke ist anzunehmen, wenn der Gesetzgeber den geregelten und den ungeregelten Fall nicht als im Wesentlichen ungleich bewertet hat.[61] Bei der Ermittlung dieser Bewertung ist von der Absicht des Gesetzgebers auszugehen, eine folgerichtige und stimmige Regelung zu schaffen.[62]

Übertragen auf § 192a StGB bedeutet dies: Mit dem Erfordernis der fehlenden Aufforderung soll nach dem Willen des Gesetzgebers ein Konfrontationsschutz erreicht werden; der Einzelne soll davor geschützt werden, ungewollt mit bestimmten Inhalten konfrontiert zu werden.[63] Die Ratio dieser Voraussetzung liegt also darin, dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen Rechnung zu tragen. Insoweit wäre es jedoch widersprüchlich, zwischen Aufforderung und (einfacher) Zustimmung zu differenzieren. In beiden Konstellationen wird das Selbstbestimmungsrecht des Adressaten gewahrt. Im Sinne systematischer Stringenz ist folglich davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den geregelten Fall – die Aufforderung – und den ungeregelten Fall – die bloße Zustimmung – nicht als im Wesentlichen ungleich bewertet hat. Zudem besteht auch eine vergleichbare Interessenlage, da sich der geregelte und der ungeregelte Fall in dem für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Punkt – der Wahrung des Selbstbestimmungsrechts – ähneln.[64] Somit führen auch Fälle „einfacher Einwilligungen“ in entsprechender Anwendung der Voraussetzung „ohne von dieser Person hierzu aufgefordert worden zu sein“ zu einem Tatbestandsausschluss.[65]

Zu klären bleibt allerdings, ob auch die „mutmaßliche Einwilligung“ in (entsprechender) Anwendung der Tatbestandseinschränkung zu behandeln ist. Soweit ersichtlich, wird die fehlende Erfassung dieser Konstellation über das Merkmal der fehlenden Aufforderung bzw. über eine entsprechende Anwendung dieser Voraussetzung nicht näher begründet.[66] Einzelne Stellungnahmen legen die Erklärung nahe, dass die allgemeinsprachliche Bedeutung des Begriffs „Aufforderung“ einer Subsumtion der mutmaßlichen Einwilligung im Weg stehe.[67] Diese Begründung ist indes nicht tragfähig, da bereits die Erfassung der „einfachen Einwilligung“, wie aufgezeigt, lediglich im Wege einer den Wortlaut der Vorschrift überschreitenden Analogie möglich ist. Zu prüfen ist vielmehr, ob der Begriff der Aufforderung als explizit geäußerte Willenskundgabe auch entsprechend auf Willenskundgaben zu erstrecken ist, die im verhaltensrelevanten Zeitpunkt gerade nicht ausdrücklich oder konkludent seitens des Rechtsgutsinhabers artikuliert werden. Der ungeregelte Fall der mutmaßlichen Einwilligung unterscheidet sich zwar von dem geregelten Fall der Aufforderung in einem Aspekt: Anders als im Rahmen einer Aufforderung steht nicht die Wahrung eines im maßgeblichen Tatzeitpunkt tatsächlich kundgetanen Willens im Vordergrund. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass auch in Fällen der mutmaßlichen Einwilligung dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen Rechnung getragen wird.[68] Mithin ähneln sich auch dieser ungeregelte und der geregelte Fall in dem für die rechtliche Bewertung maßgeblichen Punkt: der Wahrung der Autonomie. Zudem ist auch von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Dafür spricht u.a. die Aussage des Gesetzgebers, neben Handlungen auf ausdrücklichen Wunsch hin auch Verhaltensweisen aus dem Tatbestand auszuschließen, die mit dem „erkennbaren Willen“ der betroffenen Person erfolgen. Hierunter lassen sich neben konkludenten Einwilligungen grundsätzlich auch Konstellationen der mutmaßlichen Einwilligung fassen. Für diese wird vorausgesetzt, dass sich vorrangig aus früheren Willensäußerungen Ableitungen für die Ausübung des individuellen Selbstbestimmungsrechts in der konkreten Situation treffen lassen.[69] Insoweit lässt sich auch von Erkennbarkeit sprechen. Von der ausdrücklichen Einwilligung unterscheiden sich Fälle der mutmaßlichen Einwilligung dadurch, dass in der verhaltensrelevanten Situation keine Willenskundgabe des Rechtsgutsinhabers eingeholt werden kann. Als Indiz für die Richtigkeit der normativen Annahme, dass die jeweilige Handlung auf dem Willen des Einzelnen beruht, dienen daher primär frühere Willenskundgaben. Hieraus erklärt sich, weshalb die ausdrückliche Einwilligung vorrangig einzuholen ist. Beiden Fällen liegt jedoch eine einheitliche normative Wertung – die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts – zugrunde, weshalb sich im Sinne systematischer Kohärenz eine Gleichbehandlung gebietet. Mithin ist das Merkmal der fehlenden Aufforderung innerhalb des § 192a StGB analog auf Fälle der mutmaßlichen Einwilligung anzuwenden, sodass sie auf diese Weise – und nicht erst über einen Rekurs auf die allgemeinen Grundsätze[70] – zu einem Unrechtsausschluss und damit zu einer Straflosigkeit führt.Der Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts dürfte sich im Bereich der §§ 184 Abs. 1 Nr. 6, 192a StGB allerdings in Grenzen halten. Grund hierfür ist die bereits angesprochene Subsidiarität der mutmaßlichen Einwilligung: Voraussetzung ist, dass eine tatsächliche Zustimmung nicht erreichbar ist, es sei denn, das aufschiebende Befragen des Rechtsgutsinhabers läuft anderen schutzwürdigen Interessen desselben zuwider, bezüglich derer wiederum dessen Zustimmung zu vermuten wäre.[71] Derartige eilbedürftige Konstellationen sind bei der Übermittlung pornographischer bzw. verhetzender Inhalte schwer vorstellbar. Damit zeigt sich, dass das Tatbestandsmerkmal der fehlenden Aufforderung eine rechtsdogmatisch stimmige Handhabung zur Lösung einschlägiger Konstellationen zwar zulässt. Gleichwohl kann in Zweifel gezogen werden, ob diese Tatbestandseinschränkung notwendig ist. Diese Zweifel gründen sich darauf, dass die Ratio dieser Voraussetzung, das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen zu wahren, auch ohne sie und den Umweg einer Analogie über das gängige Rechtsinstitut der (mutmaßlichen) Einwilligung realisiert werden kann.[72]

2. § 130 Abs. 1, 2 StGB

a) Die Frage nach dem von § 130 StGB geschützten Rechtsgut wird – auch mit Blick auf die einzelnen Tatbestandsvarianten – unterschiedlich beantwortet.[73] Bezüglich § 130 Abs. 1 StGB wird überwiegend der „öffentliche Friede“, teilweise in Kombination mit der Menschenwürde genannt.[74] Nach hiesiger Einschätzung vermag das Schutzgut des öffentlichen Friedens zu überzeugen, soweit man dieses als die Summe potenziell bedrohter Individualrechtsgüter versteht.[75] § 130 Abs. 1 StGB erfasst Verhaltensweisen, die dazu geeignet sind, Angriffe auf Individualrechtsgüter wie etwa Leib, Leben und Freiheit bestimmter Menschengruppen anzustoßen. Diese Variante bezweckt demnach einen vorgelagerten Schutz von Individualrechtsgütern.[76] Ebenso verhält es sich mit Blick auf § 130 Abs. 2 StGB. Bei näherer Betrachtung der erfassten Modalitäten der Inhaltsverbreitung wird deutlich, dass § 130 Abs. 2 StGB ebenfalls darauf ausgerichtet ist, der Schaffung bzw. Intensivierung eines für Angriffe auf betroffene Gruppen gedeihlichen Klimas vorzubeugen und damit einen vorgelagerten Schutz von Individualrechtsgütern zu ermöglichen.[77]

b) Eine Beschränkung der geschützten Gruppen (beispielsweise auf „marginalisierte Gruppen“) legt die Norm weder nahe noch ist eine solche angezeigt.[78] Zutreffender Weise lassen sich unter den Begriff „Teile der Bevölkerung“ auch Mehrheitsgruppierungen wie „die Deutschen“ oder „die Frauen“ subsumieren. Grund dafür ist der Umstand, dass es im Hinblick auf die Ratio des § 130 Abs. 1, 2 StGB, etwaigen Angriffen auf Individualrechtsgüter betroffener Gruppen vorzubeugen, keinen Unterschied macht, ob sich diese auf eine Mehrheits- oder Minderheitengruppierung beziehen. Entscheidend ist allein, ob die in Rede stehenden Verhaltensweisen tatsächlich geeignet sind, ein entsprechendes gruppenfeindliches Klima zu erschaffen oder zumindest zu begünstigen. Der entscheidende Filter zur Annahme strafbaren Verhaltens ist daher in der Voraussetzung der Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören, zu erblicken. Soweit deren Funktion als Korrektiv aufgrund ihrer Offenheit in Zweifel gezogen wird, ist dem zu widersprechen. Das Merkmal macht eine Abwägung im Einzelfall erforderlich und ist unserer Einschätzung nach (deklaratorischer) Ausdruck einer allgemeinen Strafbarkeitsvoraussetzung in Gestalt des Vorliegens eines hinreichend gewichtigen Verhaltensnormverstoßes[79] eines strafrechtlich notwendigen Maßes der Pflichtwidrigkeit.[80] Dieses Erfordernis folgt aus dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot. Danach müssen alle den Bürger belastenden staatlichen Akte verhältnismäßig sein. Strafe als die schwerste staatliche Sanktion darf demnach nur bei entsprechend schwerem Unrecht angeordnet werden. Strafrechtlich dürfen also nur solche Fehlverhaltensweisen erfasst werden, die mit Strafe zu bedrohen verhältnismäßig ist. Dies gilt umso mehr für Delikte, die wie § 130 StGB Strafbarkeiten erheblich ins Vorfeld tatsächlicher Beeinträchtigungen geschützter Individualrechtsgüter verlagern und daher im Lichte des Übermaßverbots einer besonders restriktiven Handhabung bedürfen.[81] Eine ersatzlose Streichung der Voraussetzung der Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören, kann vor diesem Hintergrund nicht befürwortet werden.[82]

III. Regelungsvorschlag de lege ferenda

Auf Basis der bisherigen Untersuchungsergebnisse soll im Folgenden ein Regelungsvorschlag unterbreitet werden, der die besondere Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabwürdigungen adäquat abzubilden vermag. Nach unserer Auffassung bedarf es unter dem Gesichtspunkt des Ehr- und Würdeschutzes im Rahmen der Beleidigungstatbestände keiner näheren Konkretisierung erfasster Gruppen, für die als (verfassungs-)rechtlicher Anknüpfungs- bzw. Ausgangspunkt allenfalls das unvollständige[83] Diskriminierungsverbot aus Art. 3 Abs. 3 GG fungieren könnte. Eine Verengung auf Herabwürdigungen von Personen aus bestimmten (beispielsweise „marginalisierten“, „vulnerablen“ oder „identitätsgeprägten“) Gruppen erweist sich aus dem Grund als problematisch, als dass der Achtungsanspruch als eigenständige Person jedem Menschen gleichermaßen zuteilwird, unabhängig davon, ob er einer marginalisierten oder einer privilegierten Gruppe angehört. Die Eingrenzung geschützter Gruppen liefe auf eine dualistische Unrechtskonzeption hinaus: Das Verbot gruppenbezogener Herabwürdigungen würde einerseits dem Ehrschutz, andererseits der Wahrung des Art. 3 GG als verfassungsrechtliches Fundament des Schutzes vor Diskriminierung dienen.[84] Eine derartige Konzeption würde Fragen der systematischen Kohärenz aufwerfen: Warum sollte Art. 3 GG lediglich im Kontext von Ehrverletzungen und nicht auch im Kontext etwaiger Körperverletzungen zur Begründung qualifizierten Unrechts herangezogen werden? Wäre es nicht ggf. stimmiger, einen eigenständigen, universellen Straftatbestand für etwaige Verstöße gegen die elementaren Wertungen des Art. 3 GG zu schaffen? Nach hiesigem Verständnis läuft eine dualistische Unrechtskonzeption im Bereich der Ehrschutzdelikte auf Friktionen im Bereich der Normlegitimation hinaus. Die Konturen des Ehrbegriffs drohen auf diese Weise immer weiter zu zerfasern, sodass sich darunter letztlich jedes Individualinteresse fassen ließe.

Sachgemäßer erscheint die Einführung einer Qualifikation, die dem verstärkten Angriff auf die Ehre in Konstellationen gruppenbezogener Herabwürdigungen Rechnung trägt. Da es in diesen Fällen um die Herabwürdigung einer konkret adressierten Person geht, wäre es systematisch stringent, eine entsprechende Qualifikation im Abschnitt der Ehrdelikte zu verorten. Denkbar wäre beispielsweise eine Ergänzung des § 185 StGB um eine weitere Qualifikationsvariante der Beleidigung „mittels der Reduzierung auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe“, die ebenfalls mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht wird. Eine – ggf. verfehlte – Identitätspolitik[85] könnte hierin mangels Einschränkung erfasster Gruppen nicht gesehen werden. Die Normierung der nicht weiter nach Merkmalen der Gruppe differenzierenden gruppenbezogenen Herabwürdigung trägt nicht zuletzt dem Umstand Rechnung, dass das Ausscheiden bestimmter Gruppen aus dem Kreise der strafrechtlich relevanten unweigerlich zu einer Vergröberung führt, die individuelle Besonderheiten unsachgemäß unterläuft. Sollte einmal eine Herabwürdigung mittels der Reduzierung auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe aufgrund der geringen Bedeutung der Gruppenzugehörigkeit für das Opfer – die Bewertung durch Dritte ist insoweit unerheblich – tatsächlich nicht zu einer unrechtserhöhenden Entindividualisierung des Angesprochenen geeignet sein, ließe sich dies auf Strafzumessungsebene über die allgemeine Vorschrift des § 46 StGB angemessen berücksichtigen. Da keine im Mindestmaß erhöhten Strafen vorgesehen wären, könnte das geringere Unrecht adäquat in einer geringeren Strafe abgebildet werden; sogar in einer Strafe, die gleichermaßen für eine einfache Beleidigung verhängt werden dürfte. Derartige Fälle dürften indes schon aus praktischen Gründen rar gesät sein: Eine gruppenbezogene Herabwürdigung ergibt für den Sprechenden erst dann einen guten Sinn, wenn mit dem Gruppenbezug eine Vertiefung des Ehrangriffs einhergeht.

Innerhalb des hier präsentierten Regelungsvorschlags kommt dem Erfordernis der „Reduzierung“ auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe besondere Bedeutung zu. Dieses stellt die Verbindung zum Rechtsgut Ehre her und begründet insoweit die erhöhte Angriffsintensität. Nähere Erörterung bedarf daher die Frage, wann eine Reduzierung vorliegt und welche gruppenbezogenen Herabwürdigungen vom Anwendungsbereich ausgenommen sind. Eindeutig erfasst sind Fälle, in denen die Reduzierung sprachlich artikuliert wird, beispielsweise durch den Ausspruch „Du bist doch nur ein(e) dumme(r) Jude bzw. Jüdin/Katholik(in)/Frau/Mann/Homosexuelle(r)/Heterosexuelle(r)/Deutsche(r)/Türke bzw. Türkin/Fan vom 1. FC Köln[86]/Lehrer(in)/Bauarbeiter(in) etc.“ Die Reduzierung kann sich aber auch aus dem Zusammenhang ergeben, in dem die Äußerung steht. Erfasst sein könnten z.B. Konstellationen, in denen im Rahmen eines Gesprächs zu einem bestimmten Sachthema – beispielsweise der Klimakrise – das gruppenbezogene Merkmal herabwürdigend hervorgehoben wird: „Die Perspektive eines bzw. einer dummen Juden bzw. Jüdin/Katholiken bzw. Katholikin/Frau/Mannes/Homosexuellen/Heterosexuellen/Deutschen/Türken bzw. Türkin/Fans vom 1. FC Köln/Lehrers bzw. Lehrerin/Bauarbeiters bzw. Bauarbeiterin etc.“ interessiert insoweit doch wirklich niemanden“. Durch die kontextlose Verknüpfung mit dem gruppenbezogenen Merkmal wird deutlich, dass man die betreffende Person nicht in ihrer vielschichtigen Persönlichkeit würdigt, sondern auf ein bestimmtes Merkmal reduziert. Umgekehrt gilt es natürlich auch zu klären, welche Fälle gruppenbezogener Beleidigungen nach dem hiesigen Vorschlag nicht erfasst sind. Im Umkehrschluss zu Konstellationen kontextloser Verknüpfungen unterfallen zumindest jene gruppenbezogenen Herabwürdigungen nicht der Qualifikation, die im Rahmen einer thematisch einschlägigen Unterhaltung ausgesprochen werden. Wird beispielsweise ein Gespräch über die Privilegien von Männern geführt und äußert sich eine Gesprächspartnerin gegenüber einem Mann mit den Worten „Du dummer, privilegierter Mann“, lässt sich argumentieren, dass sich aus dem Kontext ergibt, dass diese Äußerung nicht im Sinne einer Reduzierung zu verstehen ist. Dann verbleibt lediglich der einfache Ehrangriff, der weiterhin nach dem Grundtatbestand der Beleidigung geahndet werden könnte – wobei angesichts des Kontexts der Äußerung durchaus zu erwägen ist, ob es sich hierbei nicht um eine Wahrnehmung berechtigter Interessen handelt, sodass die Aussage insgesamt gerechtfertigt wäre.

Eine Regelung wie die hier präsentierte könnte grundsätzlich neben § 192a StGB Bestand haben, weil sie die konkrete Verletzung einer anderen Person voraussetzt, während es sich bei § 192a StGB um ein Gefährdungsdelikt handelt. Angesichts der aufgezeigten Defizite des § 192a StGB bestünde aber auch die – von uns präferierte – Möglichkeit, die Vorschrift zu streichen bzw. – sofern eine entsprechende Vorverlagerung der Strafbarkeit als angemessen beurteilt wird – den Kreis der einbezogenen Gruppen zu öffnen, wie es in § 130 StGB der Fall ist. Indes bestehen nicht unerhebliche Bedenken gegen die Erforderlichkeit einer Strafbarkeitsvorverlagerung. In den allermeisten Fällen dürfte das Gelangen-Lassen eines herabwürdigenden Inhalts an die adressierte Person, das an den zivilrechtlichen Begriff des Zugangs angelehnt ist,[87] auch in einer tatsächlichen Kenntnisnahme münden. Bei der Ausgestaltung des § 192a StGB als (konkretes) Gefährdungsdelikt scheint der Gesetzgeber durch befürchtete Nachweisprobleme motiviert gewesen zu sein: „Die Beleidigung als tatbestandlicher Erfolg müsste zudem in allen Fällen positiv festgestellt werden. Das bloße Zusenden von Inhalten an bestimmte Personen reicht hierfür nicht aus.“[88] Abgesehen davon, dass Beweisschwierigkeiten für sich genommen in Ermangelung eines Rechtsguts- sowie Unrechtsbezugs keine legitime Grundlage für die Schaffung eines Gefährdungstatbestands darstellen,[89] ist diese Befürchtung zudem unplausibel. Gem. § 194 Abs. 1 S. 1, S. 3 StGB ist § 192a StGB als relatives Antragsdelikt ausgestaltet, d.h. seine Verfolgung hängt grundsätzlich von einem Strafantrag und damit einer Mitwirkung der betroffenen Person[90] ab, welche die Kenntnisnahme und damit den Eintritt des Beleidigungserfolgs regelmäßig bezeugen kann.

IV. Zusammenfassende Thesen

  1. Die besondere Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabwürdigungen mit einem zumindest individualisierbaren Adressaten resultiert aus der ihnen regelmäßig innewohnenden Entindividualisierung betroffener Personen. Um dem zusätzlichen Unrecht Rechnung zu tragen, wird die Einfügung einer weiteren Qualifikation in § 185 StGB vorgeschlagen, die sich auf Beleidigungen „mittels der Reduzierung auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe“ erstreckt und die – wie die übrigen Qualifikationsvarianten – mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht wird.
  2. 192a StGB erweist sich in seiner konkreten Ausgestaltung als kein adäquates Mittel, um dem zusätzlichen Angriff auf den Achtungsanspruch des Einzelnen als eigenständiges Individuum in allen Fällen Rechnung zu tragen. Er sollte daher zugunsten einer qualifizierten Beleidung in dem oben erläuterten Sinne gestrichen werden. Ob hierbei eine Vorverlagerung der Strafbarkeit auf Fälle des bloßen Gelangen-Lassens an betroffene Personen notwendig ist, erscheint zweifelhaft. Sachgerechter dürfte es sein, am Beleidigungserfolg festzuhalten und damit auf eine Ausgestaltung als (konkretes) Gefährdungsdelikt zu verzichten.
  3. 130 Abs. 1, Abs. 2 StGB vermag das besondere Unrecht gruppenbezogener Herabwürdigungen ohne individualisierbaren Bezug in den meisten Fällen widerzuspiegeln. Diese können ein hinsichtlich der betroffenen Gruppen feindliches Klima erzeugen und Angriffe auf Individualrechtsgüter einzelner Mitglieder anstoßen oder zumindest fördern. Um der Ausgestaltung als (extremer) Vorfeldtatbestand Rechnung zu tragen, ist an dem Korrektiv der Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören (Abs. 1), festzuhalten.

 

[1]      Zaczyk, in: NK-StGB, 5. Aufl. (2017), Vorb. §§ 185 ff. Rn. 1 m.w.N.
[2]      Vgl. hierzu BGHSt 36, 145 (148); Hilgendorf, in: LK-StGB, Bd. 10, 13. Aufl. (2023), Vorb. §§ 185 ff. Rn. 2, 18, 21 m.w.N.
[3]      S. hierzu Rostalski, Der Tatbegriff im Strafrecht. Entwurf eines im gesamten Strafrechtssystem einheitlichen normativ-funktionalen Begriffs der Tat, 2019, S. 37 ff.
[4]      BVerfGE 9, 89 (95).
[5]      Gutmann, Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 15, 2010, 5 (6).
[6]      Gutmann, Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 15, 2010, 5 (6).
[7]      Kant, in: Preussische Akademie der Wissenschaft (Hrsg.), Gesammelte Schriften, Bd. XXIII, Berlin 1969, S. 429.
[8]      Gutmann, Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 15, 2010, 5 (7).
[9]      Gutmann, Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 15, 2010, 5 (8).
[10]    Kant, in: Preussische Akademie der Wissenschaft (Hrsg.), S. 435.
[11]    S. auch Völzmann, MMR 2021, 619 (620); zu sog. Silencing-Effekten bei digitalem Hass vgl. Hestermann/Hoven/Autenrieth, KriPoZ 2021, 204 (204 f.).
[12]    Es greift daher zu kurz, lediglich Ehrschutz und Meinungsfreiheit in Opposition zu stellen, vgl. Völzmann, MMR 2021, 619 (620 ff.).
[13]    Zur Entwicklung von Hass und Polarisierung in Gruppen in Verbindung mit Terrorismus, s. Sunstein, Harvard Journal of Law & Public Policy 25, 2002, 429 (433 ff.); zur Eigenart von sich dynamisch entwickelnden Prozessen der kollektiven Herabwürdigung in sozialen Medien (sog. Shitstorms), s. etwa Völzmann, MMR 2021, 619 (620). S. bereits Rostalski, in: Schweiger u.a. (Hrsg.), Zwischenmenschliche Beziehungen im Zeitalter des Digitalen. Ethische und interdisziplinäre Perspektiven (im Erscheinen).
[14]    https://www.duden.de/rechtschreibung/idiotisch (zuletzt abgerufen am 8.2.2023).
[15]    Insbesondere sollte das Strafrecht nicht verwendet werden, um identitätspolitische Zielsetzungen gleichsam unter dem Deckmantel strafrechtlicher Vorschriften umzusetzen. Mit Strafe bewehrte Ver- und Gebote dienen nicht dazu, Bürgerinnen und Bürger zu erziehen bzw. ihnen einen von Vertretern der Gesellschaft erwünschten Wertewandel aufzudrängen. Das bedeutet nicht, dass es unzulässig und nicht wünschenswert wäre, ausgewählter gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit gezielt entgegenzuwirken. Das Gegenteil ist der Fall. Lediglich der auf bestimmte Gruppen beschränkte Rückgriff auf das Strafrecht erweist sich insoweit als inadäquat. Angemessener und zugleich erfolgsversprechender dürfte der Anstoß entsprechender gesamtgesellschaftlicher Debatten sein.
[16]    A.A. bei Magen, VVDStRL 2018, 67 (93), die bei Kollektivbeleidigungen zwischen qualifizierten Ehrverletzungen nach Diskriminierungsmerkmalen und Ehrverletzungen unter Sammelbezeichnungen differenzieren will; Völzmann, MMR 2021, 619 (621 f.) plädiert für eine „gleichheitsrechtliche Dimension“, um die strukturelle Dimension der Benachteiligung marginalisierter Gruppen in Rechnung zu stellen; dafür fordert sie eine Orientierung an den grundgesetzlichen Diskriminierungsmerkmalen nach Art. 3 Abs. 3 GG. Wie auch in Bezug auf das Interesse an freier Meinungskundgabe oder am Schutz einer funktionierenden Demokratie böte es sich allerdings an, insoweit über eine eigenständige Strafnorm nachzudenken, anstatt das Rechtsgut der Ehre soweit zu verwässern, dass letztlich mehr oder weniger jedes Individualinteresse darunter zu fassen wäre.
[17]    Vgl. hierzu ausführlich Hoven/Witting, NJW 2021, 2397 (2399 ff.). Nach hiesigem Verständnis steht indes nicht die „Meinungsfreiheit im öffentlichen Diskurs“ als Kollektivrechtsgut im Fokus, sondern vielmehr die individuelle Meinungsfreiheit der in ihrer Ehre Angegriffenen. Die individualschützende Deutung des § 185 StGB bleibt demnach erhalten. Freilich können sich Beeinträchtigungen der individuellen Meinungsfreiheit durch ehrverletzende Äußerungen in ihrer Gesamtheit – und damit mittelbar – auch schädlich auf den freien Meinungsaustausch als solchen auswirken. Hierbei handelt es sich jedoch um einen Reflex, der nicht zu den Legitimationsgründen der von § 185 StGB in Bezug genommenen Verhaltensnormen zählt. Dem Einzelnen lassen sich schwerlich die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen einer Häufung von Ehrverletzungen zum (strafrechtlichen) Vorwurf machen, vgl. Großmann, StV 2022, 408 (410 f.).
[18]    Dies betrifft beispielsweise die Frage danach, ob die Berücksichtigung eines solchen Universalrechtsguts Konsequenzen für die Antragserfordernisse der Beleidigungstatbestände zeitigt. Nach hier vertretener Auffassung ist dies nicht der Fall: Der Schutz demokratischer Abläufe kann als Schutzgut der Norm interpretiert werden, ohne dass der Gesetzgeber hieraus unweigerlich Folgen für die Regelungen zur Antragstellung ziehen muss, solange nach wie vor der Individualrechtsgüterschutz (Ehre bzw. Würde, individuelle Meinungsfreiheit) im Zentrum der Norm steht.
[19]    Vgl. hierzu ausführlich Großmann/Kubiciel, KriPoZ 2023, 186 ff.; Schmidt/Witting, KriPoZ 2023, 190 ff.; Valerius, KriPoZ 2023, 242 ff.
[20]    BT-Drs. 19/31115, S. 15.
[21]    BT-Drs. 19/31115, S. 15.
[22]    BT-Drs. 19/31115, S. 14.
[23]    BT-Drs. 19/31115, S. 15.
[24]    BT-Drs. 19/31115, S. 15.
[25]    Der insoweit offene Wortlaut der Norm („eine andere Person, die zu einer der vorbezeichneten Gruppen gehört“) kann sinnvollerweise nur dahingehend interpretiert werden, dass die Person zu der Gruppe gehören muss, auf die sich die konkrete Äußerung bezieht, vgl. hierzu Jansen, GA 2022, 94 (101); Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (594); Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (400); Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl. (2023), § 192a Rn. 5; Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 192a Rn. 6; Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 49.
[26]    BT-Drs. 19/31115, S. 14.
[27]    Im Ergebnis ebenso Jansen, GA 2022, 94 (96 f.); Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 7 f.; Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (590, 595), nach denen der „knappe Hinweis auf den Ehrschutz überrascht, da zuvor eine strafbare Ehrverletzung nach § 185 StGB verneint wurde“, § 192a StGB gleichwohl „den persönlichen Achtungsanspruch des Betroffenen im Rahmen einer individuell adressierten Kommunikation [schützt]“; a.A. Valerius, in: BeckOK-StGB, 55. Ed. (Stand: 1.11.2022), § 192a Rn. 2 m.w.N., der neben der Ehre zusätzlich „andere Anliegen, die mit der Norm zumindest mittelbar verfolgt werden sollen“, identifiziert, insbesondere habe der Gesetzgeber das Recht auf Nichtdiskriminierung des Einzelnen im Blick gehabt und mit dieser Norm einen Beitrag zu der Bekämpfung der Hasskriminalität leisten wollen; vgl. zudem Fischer, StGB, § 192a Rn. 2, nach dem die Vorschrift „im Sachzusammenhang mit §§ 130, 126, 126a [steht] und […] wie sie das Interesse der Allgemeinheit an einem friedlichen Zusammenleben [schützt].“; ähnlich Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, § 192a Rn. 1, nach dem es „primär um eine Gefährdung der Menschenwürde des Adressaten und der durch ihn repräsentierten Gruppe im Vorfeld von deren möglicherweise als Volksverhetzung strafbarer Veröffentlichung [geht], weshalb wohl eine Platzierung hinter § 130 näher gelegen hätte.“
[28]    So auch Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (590 ff.); Jansen, GA 2022, 94 (103 ff.); Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 2; Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (398 f.); vorsichtigerNussbaum, KriPoZ 2021, 335 (337).
[29]    So auch die Einschätzung in den Gesetzesmaterialien, BT-Drs. 19/31115, S. 14: „So liegt eine Volksverhetzung (§ 130 StGB) in den meisten Fällen nicht vor, da es bei der Zusendung von Inhalten an eine andere Person oder an einen geschlossenen Personenkreis regelmäßig an der tatbestandlich vorausgesetzten Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens fehlt.“ (Hervorhebungen nicht im Original).
[30]    Vgl. aber Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (336) sowie Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (590), die eine Eignung zur Friedensstörung für Fälle in Erwägung ziehen, in denen verhetzende Inhalte an Institutionen, wie z.B. den Zentralrat der Juden oder der Muslime, gesandt werden, da es in solchen Fällen naheliegend erscheine, dass sie die entsprechenden Inhalte in der Öffentlichkeit thematisieren werden; kritisch bezüglich dieser Einschätzung Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (398 f.), nach dem die durch eine eigenverantwortliche Weiterleitung entsprechender Inhalte bewirkte Friedensstörung dem Verfasser bzw. Versender – in Anlehnung an die Lehre von der objektiven Zurechnung – „nicht objektiv zurechenbar“ sei. In der Sache dürfte es auch in derart gelagerten Fällen an der Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören, mangeln. Soweit Vertreter adressierter Institutionen entsprechende Inhalte in der Öffentlichkeit thematisieren, geschieht dies mit der Intention, ihre Missbilligung über diese zum Ausdruck zu bringen und eine gesellschaftliche Debatte anzustoßen. Ein derartiges Gesprächsangebot dürfte sich nicht störend, sondern vielmehr stabilisierend auf den öffentlichen Frieden in einem demokratischen Gemeinwesen auswirken, dessen Kernelement der freie Diskurs ist. 
[31]    BGHSt 46, 212 (218 f.).
[32]    BGH, NJW 2021, 624 (626); vgl. auch Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), § 130 Rn. 25 m.w.N.
[33]    Fischer, StGB, § 130 Rn. 14; Altenhain, in: Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. (2020), § 130 Rn. 13; vgl. zu diesem Befund und seiner Bewertung Fischer, GA 1989, 445 (464 ff.).
[34]    Vgl. hierzu ausführlich – auch mit Blick auf denkbare Ausnahmen – Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (591).
[35] So auch Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (592); Hestermann/Hoven/Autenrieth, KriPoZ 2021, 204 (207 m. Fn. 40); Jansen, GA 2022, 94 (104); a.A. Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (337).
[36]    Vgl. etwa BVerfG, NJW 2017, 1092 (1093) im Fall des Tragens einer Weste mit der Aufschrift „A.C.A.B.“
[37]    Zu der Frage der Beleidigung aller Kollektivangehörigen vgl. die folgenden Ausführungen.
[38]    Dass der Gesetzgeber diese Fallkonstellationen im Blick hatte, ergibt sich aus den aufgeführten Beispielen und dem eingefügten Verweis auf den Nachweis bei Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), Vorb. §§ 185 ff. Rn. 7b, der explizit die Beleidigung aller Kollektivmitglieder unter einer Sammelbezeichnung adressiert. Es geht an dieser Stelle demnach nicht um Konstellationen einer Beleidigung des Kollektivs als Personengemeinschaft, deren Anerkennung mit dem hier zugrunde gelegten interpersonalen Ehrbegriff als Ausfluss der Menschenwürde unvereinbar ist, vgl. Zaczyk, in: NK-StGB, Vorb. §§ 185 ff. Rn. 12 m.w.N.
[39]    Zustimmend auch Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (340).
[40]    Vgl. etwa Valerius, in: BeckOK-StGB, § 185 Rn. 9.
[41]    Hilgendorf, in: LK-StGB, Vorb. §§ 185 ff. Rn. 30.
[42]    Hilgendorf, in: LK-StGB, Vorb. §§ 185 ff. Rn. 31.
[43]    Kritisch auch Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (593); Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (340); Ebner/Kulhanek, ZStW 133 (2021), 984 (988 f.); Jansen, GA 2022, 94 (105 f.); Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (401); Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 12; Valerius, in: BeckOK-StGB, § 192a Rn. 3.
[44]    Vgl. hierzu die folgenden Ausführungen.
[45]    Vgl. etwa Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (593 f.); Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (339); Ebner/Kulhanek, ZStW 133 (2021), 984 (989 ff.); Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (399 f.); Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 27.
[46]    Sofern man dieses Merkmal nicht fälschlicherweise als Ausprägung der sexuellen Orientierung interpretiert.
[47]    Vgl. hierzu den Reformvorschlag unter III.
[48]    Vgl. zu dieser intendierten Interpretation ausführlich Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 34 ff.
[49]    Vgl. ausführlich Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (401 f.).
[50]    BT-Drs. 19/31115, S. 15.
[51]    Eschelbach, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 184 Rn. 77; Nestler, in: LK-StGB, Bd. 10, 13. Aufl. (2023), § 184 Rn. 80; Heinrich, ZJS 2016, 297 (307); in diesem Sinne bezüglich § 192a StGB auch Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (402).
[52]    Wolters/Greco, in: SK-StGB, Bd. 4, 9. Aufl. (2017), § 184 Rn. 68; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184 Rn. 66; Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184 Rn. 53; wohl auch Ziegler, in: BeckOK-StGB, § 184 Rn. 20: „ohne dessen Willen“; in diesem Sinne wohl auch BGH, NStZ-RR 2005, 309 (309), nach dem mit dem Merkmal einer fehlenden Aufforderung des Empfängers der Einzelne davor geschützt werden soll, dass er ungewollt mit pornografischen Erzeugnissen konfrontiert wird, insbesondere durch unverlangtes Zusenden.
[53]    Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184 Rn. 66; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, § 184 Rn. 6c; Nestler, in: LK-StGB, § 184 Rn. 81; Laufhütte, JZ 1974, 46 (48); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184 Rn. 53, nach dem bei einer mutmaßlichen Einwilligung jedoch nach allgemeinen Grundsätzen die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen sein könne.
[54]    Jansen, GA 2022, 94 (102); Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, § 192a Rn. 3; im Ergebnis ebenso Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 50; in der Sache ähnlich Ebner/Kulhanek, ZStW 133 (2021), 984 (997), nach denen dem Merkmal im Ergebnis jedoch lediglich ein „deklaratorischer Charakter“ zukomme.
[55]    Vgl. ausführlich zu der Einwilligungssperre des § 216 StGB sowie die Schwierigkeiten ihrer Legitimation in einem freiheitlichen Rechtsstaat Rostalski/Weiss, MedR 2023, 179 ff.
[56]    So aber Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (402), der diese Annahme jedoch teilweise wieder relativiert.
[57]    Laut Online-Duden handelt es sich um eine „mit Nachdruck vorgebrachte Bitte“ bzw. um eine „Einladung“, abrufbar unter: https://www.duden.de/rechtschreibung/Aufforderung, (zuletzt abgerufen am 8.2.2023).
[58]    In diesem Sinne wohl auch Eschelbach, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 184 Rn. 77.
[59]    Vgl. zu den Voraussetzungen einer Analogie Schlehofer, in: Putzke, Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben, 7. Aufl. (2021), Rn. 139 ff., der diese Methode der Rechtsfindung zutreffend auf den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG zurückführt; vgl. auch ausführlich zur Rechtsanwendung im Lückenbereich Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie, 12. Aufl. (2022), Rn. 822 ff.
[60]    Schlehofer, in: Putzke, Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben, Rn. 139.
[61]    Schlehofer, in: Putzke, Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben, Rn. 139.
[62]    Wank/Maties, Die Auslegung von Gesetzen, 7. Aufl. (2023), S. 85.
[63]    Wolters/Greco, in: SK-StGB, § 184 Rn. 66; Eschelbach, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 184 Rn. 75; vgl. für die identische Zielrichtung i.R.d. § 192a StGB BT-Drs. 19/31115, S. 15: „Durch § 192a StGB-E soll nur das Gelangenlassen oder Zuleiten von Inhalten an Personen, die dieses nicht wollen, unter Strafe gestellt werden.“ (Hervorhebung nicht im Original).
[64]    Vgl. allgemein zu dieser Analogievoraussetzung Schlehofer, in: Putzke, Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben, Rn. 139.
[65]    In der Sache verneint auch Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (402) eine Strafbarkeit in derart gelagerten Fällen, wobei er dieses Ergebnis unter Rekurs auf den allgemeinen Rechtfertigungsgrund der Einwilligung erreicht.
[66]    Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184 Rn. 66; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, § 184 Rn. 6c; Nestler, in: LK-StGB, § 184 Rn. 81; Laufhütte, JZ 1974, 46 (48); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184 Rn. 53, nach dem bei einer mutmaßlichen Einwilligung allerdings nach allgemeinen Grundsätzen die Rechtswidrigkeit ausgeschlossen sein könne.
[67]    In dieser Richtung wohl Laufhütte, JZ 1974, 46 (48): „Nicht unpro-blematisch ist auch der Nachsatz ‚ohne von diesem hierzu aufgefordert zu sein‘ in den Fällen, in denen eine pornographische Schrift eine
anderen mit dessen ‚konkludenter‘ Einwilligung oder ‚vermuteter‘ Einwilligung zugeleitet wird. Die Vorschrift ist jedoch bewußt eng gehalten und läßt die vermutete Einwilligung nicht ausreichen.“
[68]    Vgl. etwa Roxin/Greco, Strafrecht AT, Bd. I, 5. Aufl. (2020), § 18 Rn. 8, nach denen die mutmaßliche Einwilligung „auf einem Zuendedenken des Einwilligungsgedankens [beruht], der seinerseits aus de
verfassungsrechtlich garantierten Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) abzuleiten ist.“; Sternberg-Lieben, in: Schönke/Schröder, StGB, Vorb. §§ 32 ff. Rn. 54 bezeichnet die mutmaßliche Einwilligung als „Einwilligungssurrogat“.
[69]    Vgl. zu den Voraussetzungen einer mutmaßlichen Einwilligung Schlehofer, in: MüKo-StGB, Bd. 1, 4. Aufl. (2020), Vorb. §§ 32 ff. Rn. 207 f.
[70]    So im Ergebnis aber Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184 Rn. 53; mit Blick auf § 192a StGB ebenso Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (402).
[71]    Schlehofer/Putzke/Scheinfeld, Strafrecht AT, 2022, Rn. 462.
[72]    So auch Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (401 f.), der in der Folge konsequent für eine Streichung dieses Tatbestandsmerkmals plädiert.
[73]    Vgl. ausführlich Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, § 130 Rn. 1 ff.
[74]    Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, § 130 Rn. 2 f. m.w.N.
[75]    Vgl. Altenhain, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 130 Rn. 3 m.w.N.; Fischer, StGB, § 130 Rn. 2; vgl. auch ausführlich Hörnle, Grob anstößiges Verhalten. Strafrechtlicher Schutz von Moral, Gefühlen und Tabus, 2005, S. 282 ff., die für eine Differenzierung innerhalb des Absatzes 1 plädiert: Während § 130 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB als Gefährdungsdelikt bezüglich der Rechtsgüter individueller Gruppenangehöriger zu interpretieren sei, schütze § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB das Recht der verbal Angegriffenen auf Achtung ihrer Menschenwürde; § 130 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB sei hingegen aufgrund seiner Konturenlosigkeit zu streichen.
[76]    Altenhain, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 130 Rn. 3 m.w.N.; Fischer, StGB, § 130 Rn. 2.
[77]    Altenhain, in: Matt/Renzikowski, StGB, § 130 Rn. 3, der zusätzlich den Schutz der ungestörten Persönlichkeitsentwicklung Minderjähriger als Ratio ausmacht. Letztere Annahme ist jedoch nicht zwingend. Die Bezugnahme auf Menschen unter achtzehn Jahren lässt sich auch plausibel damit erklären, dass Jugendliche nach unseren rechtlichen Wertungen noch keine vollumfänglich autonomen, gefestigten Personen sind und insoweit besonders empfänglich für zu Gewalt und Aggression aufstachelnde Inhalte sein können; vgl. ferner ausführlich Hörnle, S. 310 ff., nach der § 130 Abs. 2 StGB teilweise dem Schutz von Individualrechtsgütern (Leben, Gesundheit, etc.), teilweise dem Schutz der Menschenwürde und teilweise dem Jugendschutz diene; vgl. ferner im Überblick zu der Debatte um das Schutzgut des § 130 Abs. 2 StGB Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, § 130 Rn. 4.
[78]    Vgl. insoweit ausführlich am Beispiel der „Deutschen“ Mitsch, JR 2011, 380 (380 ff.).
[79]    Vgl. Freund/Rostalski, Strafrecht AT, 3. Aufl. (2019), § 2 Rn. 45 f., § 4 Rn. 1 ff.; Rostalski, S. 118 ff.
[80]    Vgl. Schlehofer/Putzke/Scheinfeld, Rn. 114 f.; Schlehofer, Vorsatz und Tatabweichung, 1996, S. 73 ff.
[81]    Ähnlich mit Blick auf § 130 StGB BVerfG, NJW 2010, 47 (54), nach dem es sich bei dem öffentlichen Frieden um ein „Korrektiv“ handelt, „das es insbesondere erlaubt, auch grundrechtlichen Wertungen im Einzelfall Geltung zu verschaffen“; vgl. ferner Fischer, StGB, § 130 Rn. 14a, nach dem es sich bei der Eignungs-Feststellung „um eine dem Begriff des Vertrauens nahestehende […] Wertung unter Heranziehung von Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit auf der Basis einer Strafwürdigkeitsbeurteilung“ handelt; Streng, JZ 2001, 205 (206), nach dem der Regelungsgehalt der Eignungsklausel darin besteht, „eine Mindestintensität bzw. eine bestimmte Handlungsqualität der Tathandlung im Hinblick auf die geschützten Rechtsgüter vorauszusetzen“; Hörnle, S. 303 ff., nach der es sich bei der Eignungsklausel „um einen den Tatbestand einschränkenden Satz [handelt], der Fälle geringer Strafwürdigkeit ausscheiden soll.“ (Hervorhebungen im Original).
[82]    Diese Einschätzung steht freilich unter dem Vorbehalt, dass die universell gültige strafbarkeitseinschränkende Voraussetzung eines hinreichend gewichtigenVerhaltensnormverstoßes bzw. eines strafrechtlich notwendigen Maßes der Pflichtwidrigkeit in der praktischen Rechtsanwendung keine Beachtung findet. Sollte sich dies ändern, wäre das Merkmal redundant und könnte in der Folge gestrichen werden. Fragen bezüglich ihrer Notwendigkeit wirft zudem die ebenfalls eine Filterfunktion erfüllende Voraussetzung des Angriffs auf die Menschenwürde in § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf. Zumindest teilweise schafft diese eine Redundanz, die sich durch eine Streichung vermeiden ließe. Näher kann hierauf an dieser Stelle jedoch aus Platzgründen nicht eingegangen werden.
[83]    Die sexuelle Orientierung stellt aktuell (noch) kein geschütztes Merkmal i.S.d. Art. 3 Abs. 3 GG dar, weshalb hierauf bezogene Ungleichbehandlungen (lediglich) an Art. 3 Abs. 1 GG gemessen werden.
[84]    Völzmann, MMR 2021, 619 (621 f.) plädiert für eine „gleichheitsrechtliche Dimension“, um die strukturelle Dimension der Benachteiligung marginalisierter Gruppen in Rechnung zu stellen; dafür fordert sie eine Orientierung an den grundgesetzlichen Diskriminierungsmerkmalen nach Art. 3 Abs. 3 GG.
[85]    Vgl. ausführlich zu Fragen der Identitätspolitik als Herausforderung für die liberale Rechtsordnung Hilgendorf, JZ 2021, 853 (853 ff.).
[86]    Vgl. zu diesem Beispiel auch Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (399): „Selbstverständlich erzeugt die Liebe zu einem bestimmten Fußballverein ein Zusammengehörigkeitsgefühl Gleichgesinnter, die bzw. deren Angehörige – wie die Erfahrung zeigt – Angriffen ausgesetzt sein können, mit denen Ehre und Menschenwürde tangiert werden.“
[87]    BT-Drs. 19/31115, S. 15.
[88]    BT-Drs. 19/31115, S. 14.
[89]    Vgl. Rostalski, JZ 2021, 477 (483).
[90]    Selbst in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht, kann die betroffene Person die Strafverfolgung gem. § 194 Abs. 1 S. 4 StGB noch durch einen Widerspruch verhindern.

 

 

 

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