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Gruppenbezogene Herabsetzungen als Herausforderung für das Strafrecht unter besonderer Berücksichtigung inhaltlich nicht individualisierter Äußerungen

von Prof. Dr. Susanne Beck und Maximilian Nussbaum 

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Abstract
Dem Gruppenbezug einer Herabsetzung kann sowohl strafbarkeitsschärfende als auch strafbegründende Bedeutung zukommen. Hinsichtlich ersterer wird im Beitrag zunächst auf die besondere Strafwürdigkeit der gruppenbezogenen individualisierten Beleidigung eingegangen. Im Zentrum unserer Betrachtung steht dann die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen eine gruppenbezogene und inhaltlich nicht individualisierte Herabsetzung strafwürdig ist, weil sie Ehre und Menschenwürde der Gruppenangehörigen beeinträchtigt. Auf dieser Grundlage wird der Tatbestand des § 192a StGB kritisch untersucht und ein Reformulierungsvorschlag unterbreitet. Dieser unternimmt den Versuch, die Auswahl geschützter Gruppen einem einheitlichen Konzept zu unterwerfen und die Tatbestandsfassung reibungsloser in das System der Ehrschutzdelikte einzufügen.

Group references in derogatory statements can have both, aggravating and justifying significance for criminal liability. Regarding the former, this article discusses the particular gravity of group-specific, personalized insults. The focus then turns to the question of whether and under what conditions a group-specific and non-individualized derogation is punishable due to affecting the honor and dignity of the group members. Based on this, § 192a StGB is critically examined and a proposal for reformulation is put forward. Thus we attempt to subject the selection of protected groups to a uniform concept and to integrate the wording of the offense more smoothly into the system of offenses protecting honor.

I. Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabsetzungen

Im Folgenden betrachten wir die Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabsetzungen. Hierfür sind drei Konstellationen zu unterscheiden. Zum einen die individualisierte Äußerung, die einen Gruppenbezug aufweist (1.); zum anderen die nicht-individualisierte gruppenbezogene Äußerung, die sich entweder an Nicht-Angehörige (2.a) oder an Angehörige der entsprechenden Gruppe (2.b) richtet und schließlich die individualisierte Äußerung als Verletzung dritter Gruppenangehöriger (3.).

1. Individualisierte Äußerung mit Gruppenbezug

Beispiele: (1) Der T bezeichnet seinen verhassten Nachbarn O auf der Straße als „Kinderschänder, den man vergasen müsse“. Der fremdenfeindlich eingestellte T sieht den türkischstämmigen O auf der Straße und bezeichnet ihn als (2) „Scheiß-Ausländer!“[1] bzw. (3) „Idiot“. 

Zunächst ergibt sich die Frage, ob die Herabsetzung eines Einzelnen stets dann einen erhöhten Unrechtsgehalt trägt, wenn sie an ein Gruppenmerkmal anknüpft. So schlägt Völzmann die Einführung einer Beleidigungsqualifikation für solche Äußerungen individueller Missachtung vor, die an ein Merkmal aus Art. 3 Abs. 3 GG knüpfen.[2] Sie sieht das erhöhte Unrecht in der besonderen Schwere der Persönlichkeitsrechtsverletzung und den Folgen für die Meinungsäußerungsbereitschaft der betroffenen Gruppenzugehörigen (silencing-effect).[3] In eine ähnliche Richtung geht der Bayerische Diskussionsentwurf von 2019. Dieser schlägt vor, eine Qualifikation nicht nur an den „rassistischen, fremdenfeindlichen, antisemitischen oder sonstigen menschenverachtenden“ Inhalt zu knüpfen, sondern alternativ an die hinter einer Äußerung liegenden Beweggründe.[4] Zur Begründung werden hierbei der Ausdruck der Feindseligkeit des Täters, die Stigmatisierung und Förderung von Diskriminierung, die (besonderen) Gefahren für die Meinungsbildung in einer pluralistischen Gesellschaft und die Schaffung eines gesellschaftlichen Klimas, aus dem heraus ein Nährboden für physische Gewalt entsteht, angeführt.[5] Großmann knüpft an diesen Qualifikationsvorschlag an und fügt der exemplarischen Aufzählung „islamfeindliche, sexistische und homophobe“ Äußerungen hinzu.[6]

Mit anderem Ansatzpunkt wird hier vorgeschlagen, innerhalb des Beleidigungstatbestandes eine Differenzierung zwischen Verletzungen von Ehre auf der einen und Menschenwürde auf der anderen Seite vorzunehmen,[7] wobei letztere sich im Angriff auf den „Kern der Persönlichkeit“ äußert, also der Aberkennung eines gesellschaftlichen Existenzrechts als Individuum gleich an Freiheit und Würde.[8] Diese Abschichtung mag im Einzelfall schwer fallen, zieht aber aus zwei Gründen bessere Grenzen für eine Qualifikation als eine Anknüpfung an Art. 3 Abs. 3 GG: Erstens sind nicht-gruppenbezogene Äußerungen denkbar, die das Opfer in einer die Menschenwürde angreifenden Weise behandeln (Bsp. 1).[9] Zweitens liegt zwar ein Menschenwürdeangriff bei diskriminierenden Beleidigungen besonders nahe, da durch die Anknüpfung an das Merkmal häufig eine Reduktion des Opfers auf seine Gruppenzugehörigkeit kommuniziert wird.[10] Gleichwohl ist auch eine bloße, die Menschenwürde nicht angreifende diskriminierende Herabsetzung denkbar (Bsp. 2).[11] Anderes dürfte sich auch nicht ergeben, wenn das BVerfG bzgl. dem Ausruf „Ugah, Ugah“ gegenüber einer dunkelhäutigen Kollegin feststellt, dass es sich um eine menschenverachtende Diskriminierung handelt, die nicht durch Art. 5 Abs. 1 GG zu rechtfertigen ist, weil die Menschenwürde angetastet wird, „wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird.“[12] Während die Ansprache eines anderen als Tier einen typischen Fall des Angriffs auf die Menschenwürde darstellt,[13] muss gleiches nicht für jede andere diskriminierende Beleidigung (Bsp. 2) gelten.

Die vorgeschlagene, an § 46 Abs. 2 StGB orientierte Aufzählung scheint uns über einen solchen Schutz der Menschenwürde hinauszugehen. Zweifelhaft scheint uns auch, ob die bloß menschenverachtende Motivation dem objektiv menschenverachtenden Inhalt gleichgestellt werden sollte. Damit könnte nämlich auch die „nicht einmal“ inhaltlich diskriminierende Beleidigung „Idiot“ (Bsp. 3) gegenüber einem Ausländer erfasst sein, sofern das Gericht eine fremdenfeindliche Motivation feststellt. Diese sich nicht im Inhalt äußernde verwerfliche Gesinnung dürfte den Erfolgsunwert – insbesondere, wenn für den Verletzten nicht erkennbar – jedoch nicht bedeutend erhöhen und im Rahmen von § 46 Abs. 2 StGB abbildbar sein. Sie bedarf jedenfalls nicht mehr als bei anderer Hasskriminalität einen gesonderten Niederschlag im Schuldspruch.[14]

2. Nicht individualisierte Herabsetzung einer Gruppe…

a) … gegenüber einem Nicht-Gruppenangehörigen

Beispiele: T sagt zu seinem heterosexuellen Kumpel, dass (4) „alle Schwulen Idioten wären“ bzw. (5) „alle Schwulen perverse Kinderschänder wären und man sie in seinem Land nicht gebrauchen kann“.

Bei einer gruppenbezogenen Herabsetzung gegenüber Personen, die nicht der Gruppe angehören, sind im Wesentlichen folgende Rechtsgutbeeinträchtigungen denkbar:

Erstens könnte der öffentliche Frieden (und mittelbar die Individualrechtsgüter der Gruppenangehörigen) gefährdet sein, wenn Äußerungsadressaten aufgehetzt werden (sollen). Darauf wird bei § 130 StGB zurückzukommen sein.[15]

Zweitens kommt zum einen die Schädigung des freien Meinungsdiskurses als Kollektivrechtsgut und zum anderen die Beeinträchtigung der Meinungsäußerungsbereitschaft als Individualrechtsgut in Betracht. Unter Verweis auf die Beiträge zum Schutzgut der Beleidigungsdelikte[16] belassen wir es an dieser Stelle bei dem Hinweis, dass die Berücksichtigung von gruppenspezifischen silencing-effects eher bei einer Konfrontation von Gruppenangehörigen naheliegt (Bspe. unter 2.b)) und das Strafwürdigkeitsurteil unseres Erachtens nur mit erheblichem Begründungsaufwand allein auf die Beeinträchtigung solch vager Rechtsgüter zu stützen wäre.[17]

Drittens – und für uns zentral – wäre an die Rechtsgüter der individuellen Ehre (Bsp. 4) oder gar Menschenwürde (Bsp. 5) zu denken. Fraglich ist, ob es sich bei den gruppenbezogenen Äußerungen noch um eine Ehr- oder Menschenwürdeverletzung des Einzelnen unter einer („echten“) Kollektivbezeichnung handelt. Diese Frage ist sowohl für die Auslegung von §§ 185 ff. StGB im Hinblick auf die Sammelbeleidigungsfähigkeit und § 130 Abs. 1, Abs. 2 StGB bzgl. der Suche nach dem Rechtsgut, aber eben auch auf Strafwürdigkeitsebene für die Grenzen einer individuellen Ehr- und Menschenwürdeverletzung relevant. Nach h.M. bedarf es für eine individuelle Verletzung einen klar umgrenzten Personenkreis, der aus der Allgemeinheit hervortritt, sowie einen Bezug auf jedes der Bezeichnung unterfallende Individuum.[18] Dass in Einzelfällen eine Zuordnung zur Gruppe problematisch ist, ist hier nicht relevant – ein zweifellos abgrenzbarer Kern existiert jedenfalls.[19] Entscheidend ist vielmehr, ob bei den häufig zahlenmäßig unüberschaubaren Gruppen ein hinreichender Individualbezug besteht: Je größer die Gruppe, desto eher dürfte bei einer objektiven Auslegung die Äußerung ein Pauschal- oder Durchschnittsurteil beinhalten, das konkludente Ausnahmen miterklärt.[20]

Einige Stimmen wollen für Sammelbeleidigungen, die an typische Diskriminierungsmerkmale anknüpfen (zum Teil) anderes gelten lassen.[21] Am weitesten geht dabei wohl Magen: Ausgehend davon, dass als „präzisiertes Schutzgut die soziale Ehre als Mitglied einer identitätsgeprägten Gruppe anerkannt“ werden soll, will er in einer Herabsetzung anknüpfend an „identitätsrelevante Merkmale“ regelmäßig eine Herabsetzung aller Personen erblicken, die das entsprechende Merkmal tragen und der Gruppe „erwartbar zugerechnet“ werden.[22] Bei einer Anknüpfung an ein Merkmal aus Art. 3 Abs. 3 GG stehe im Vergleich zu „Missachtungskundgebungen gegenüber Funktionsträgern und Institutionen“ nicht die Auseinandersetzung mit der Sache, sondern die „Gruppe und ihre Mitglieder im Vordergrund“.[23] Wandres vertritt gegenüber Magen ein in zweifacher Hinsicht engeres Konzept: Zum einen sei eine „echte“ Sammelbeleidigung nur bei marginalisierten Gruppen möglich. Zum anderen müsse sich die Herabsetzung in spezifischer Weise an ein Vorurteil anknüpfen, aus dem sich die zugeschriebene Randständigkeit speist.[24] Für Hörnle kommt es neben der Gruppengröße auf die Intensität der Äußerung, aber auch auf „die spezifische soziale Stärke bzw. Verwundbarkeit der Gruppe im jeweiligen Gesellschaftssystem an, die durch die Geschichte, sozioökonomische Umstände und ähnliche Rahmenbedingungen geprägt wird“.[25] Jedoch wird nicht ohne weiteres klar, wie dieses Kriterium in die rein auf die Perspektive eines objektiven Durchschnittsempfängers ausgerichtete Bewertung eines Individualbezugs einbezogen werden könnte. Deshalb darf einer extremen Ausweitung der Sammelbeleidigungsfähigkeit im Bereich der Diskriminierungen eher skeptisch gegenüber gestanden werden.[26] Im Folgenden soll jedoch der Versuch unternommen werden, unter engen Voraussetzungen die Perspektive des mit dem Inhalt Konfrontierten bei der

Auslegung des Individualbezuges zu berücksichtigen. Dabei wird zwischen den Individualrechtsgütern des mit der Aussage konfrontierten Gruppenangehörigen und anderen Gruppenangehörigen zu unterscheiden sein, sowie auf den Aspekt der sozialen Verwundbarkeit, der bei Hörnle angesprochen ist, zurückzukommen sein.

b) … gegenüber einem Gruppenangehörigen

Beispiele: T sagt zu seinem homosexuellen Bekannten O im Rahmen einer hitzigen gesellschaftspolitischen Diskussion, dass (6) „alle Schwulen Idioten wären“ bzw. (7) „alle Schwulen perverse Kinderschänder wären und man sie in seinem Land nicht gebrauchen kann“. (8) T sagt zu seinem Bekannten, der Lehrer ist, dass „alle Lehrer perverse Kinderschänder wären und man sie in seinem Land nicht gebrauchen kann“. (9) T schreibt eine E-Mail an P, den Pressesprecher des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschland (LSVD), in der er äußert, dass „alle Schwulen perverse Kinderschänder wären und man sie in seinem Land nicht gebrauchen kann“. (10) T schreibt diese E-Mail ohne Ansprache einer bestimmten Person an die Adresse lsvd@lsvd.de.

Wird ein Gruppenangehöriger mit einer gruppenbezogenen, aber inhaltlich nicht individualisierten Herabsetzung konfrontiert, so gibt es zwei Wege, dennoch eine Verletzung der Ehre bzw. einen Angriff auf die Menschenwürde des Adressaten und damit die Strafwürdigkeit zu begründen: Zum einen über die anerkannten Grundsätze der personalisierten Zuordnung (aa)) und zum anderen über den hier unternommenen Versuch einer vergleichsweise einschränkenden Begründung, die die Intensität der Äußerung und bestimmte Gruppencharakteristika berücksichtigt (bb)).

aa) Die Grundsätze der personalisierten Zuordnung
Anders als bei der „echten“ Sammelbeleidigung, die eine Ehrverletzung jedes einzelnen Gruppenangehörigen unabhängig davon annimmt, ob das zugehörige Individuum von der Beleidigung Kenntnis genommen hat, beschränkt sich die „unechte“ Sammelbeleidigung[27] bzw. die personalisierte Zuordnung auf einzelne Gruppenangehörige. Die Individualisierung findet nicht (primär) durch den Inhalt der Äußerung, sondern durch die Umstände der Kundgabe statt. So lehnte das BVerfG eine Konkretisierung des Angriffs i.S.d. „unechten“ Sammelbeleidigung durch das Tragen einer Weste mit einem „A.C.A.B“-Aufnäher („all cops are bastards“) in einem Fußballstadion bei Anwesenheit von Einsatzkräften unter diesen Grundsätzen ab,[28] während es eine solche Konkretisierung bei demonstrativer Präsentation eines Stoffbeutels mit identischer Aufschrift vor einzelnen Polizisten annahm.[29] Auf Grundlage dieser Rechtsprechungslinie wird vertreten, dass die Kundgabe einer gruppenbezogenen Äußerung ohne inhaltliche Individualisierung gegenüber einer einzelnen gruppenangehörigen Person bei Auslegung der Äußerung stets nur diese Person meinen könne.[30] Danach wäre in den Beispielen 6, 7, 8 und 9 eine Strafwürdigkeit auf Grundlage der Verletzung der individuellen Ehre bzw. eines Angriffs auf die Menschenwürde gegeben. Würde man sich dieser Annahme anschließen, so wäre konsequenterweise ähnliches für die Fälle anzunehmen, in denen nicht eine Einzelperson, sondern ein Interessenverband Adressat der inhaltlich nicht individualisierten Äußerung ist (Bsp. 10). Schließlich dürfte mit den Mitgliedern ein zahlenmäßig hinreichend begrenzter Personenkreis bestehen, um bei einer Auslegung der Äußerung eine Konkretisierung auf jede Person annehmen zu können, die mit der Sichtung des E-Mail-Postfachs betraut ist.

Insgesamt erscheint es jedoch fraglich, ob der Weg über die Grundsätze der personalisierten Zuordnung in der Pauschalität überzeugen kann. Denn stets gilt es bei der Auslegung des Äußerungsinhalts aus der Perspektive eines objektiven Dritten hinreichend sicherzustellen, dass eine andere, täterfreundliche Deutung des Äußerungsinhalts ausgeschlossen ist.[31] Es scheint keineswegs eindeutig, dass die Adressierung einer gruppenangehörigen Person ausschließlich den Schluss darauf zulässt, dass allein sie und nicht ein jeder Gruppenangehörige bzw. das „gesellschaftliche Phänomen“ Bezugspunkt der Injurie ist. Denkbar ist etwa, dass die Äußerung wie in den Beispielen 6 und 7 im Rahmen einer Diskussion getätigt wird und der O zwar rein faktisch Adressat der Äußerung, aber nicht konkretisierter Bezugspunkt ist. Ebenso wenig zwingend scheint das Ergebnis einer Konkretisierung des Angriffs durch Adressierung bei einer zufällig ausgewählten oder gar repräsentierenden gruppenangehörigen Person. Warum sollte es im Beispiel 9 für die täternachteilige Individualisierung des Ehr- bzw. Menschenwürdeangriffs ausreichen, dass der P adressiert wird? Womit erklärt sich, dass nicht alle homosexuellen (männlichen) Mitglieder des LSVD, gar alle homosexuellen Männer oder Homosexualität unter Männern das Bezugsobjekt der Äußerung ist? Wer soll in Beispiel 10 bei Berücksichtigung der außertextlichen Begleitumstände gemeint sein? Gerade die (austauschbare) Gruppenrepräsentanz in einer Person scheint die pauschale Anwendung der „unechten“ Sammelbeleidigung nicht nahezulegen. Vergleicht man dies mit dem A.C.A.B.-Fall, in dem das BVerfG eine Individualisierung bejaht hat, dann fällt auf, dass dort zum einen ein spezifischer Zusammenhang durch das „ostentativ[e]“ und „nachgerade parierend[e]“ zur Schau-Stellen vor einzelnen Einsatzkräften hergestellt wird und zum anderen dieses Verhalten eine Reaktion[32] auf die Aufforderung eines einzelnen Polizisten, die Tasche abzulegen, darstellt.[33] Das sind Umstände des Einzelfalls, die sich mit der alleinigen Adressierung eines Inhalts kaum vergleichen lassen.[34]

Damit soll nicht behauptet werden, dass keiner der von § 192a StGB erfassten Fälle nicht auch mit den Grundsätzen der personalisierten Zuordnung zu adressieren gewesen wäre. Sieht etwa in einem extremen Gegenbeispiel T auf der Straße zwei Männer Hand in Hand spazieren, nähert sich ihnen und raunt „Schwule sind doch alle Schweine“, so bringt er hinreichend zum Ausdruck, das Verhalten der beiden Männer zum Anlass zu nehmen und sie zum Bezugsobjekt seiner Äußerung zu machen.

Nicht zuletzt scheint eine Übertragung der Grundsätze der personalisierten Zuordnung jedoch allzu sehr auf die Vorstellung des Täters abstellen zu müssen. Wäre in Beispiel 9 der P – anders als von T angenommen – nicht homosexuell, so dürfte sich nach den (übertragenen) Grundsätzen der personalisierten Zuordnung nichts anderes ergeben. In solchen Konstellationen – so scheint es – würde bereits der untaugliche Versuch der Beleidigung bestraft werden.

bb) Die Berücksichtigung der Identität des Konfrontierten
Die hier aufgestellte These ist, dass eine nach objektiven Maßstäben nicht individualisierte Herabsetzung einer Gruppe dennoch einen Angriff auf die Menschenwürde des konfrontierten Individuums zur Folge haben kann. Die Begründung einer Strafwürdigkeit mit dem Reflex einer Verletzung ist im hohen Maße erklärungs- und rechtfertigungsbedürftig, scheint sie doch auf den ersten Blick einen in der Strafrechtswissenschaft weit überwiegend abgelehnten Gefühlsschutz[35] zu befürworten. Ein Gefühlsschutz wird häufig bei solchen Tatbeständen diskutiert, die den öffentlichkeitsbezogenen Verstoß gegen eine der Mehrheit entsprechende kulturelle Norm in den Blick nehmen: die Mehrehe (§ 172 StGB), Störung der Totenruhe und Störung der Bestattungsfeier (§§ 167a, 168 StGB), Tierpornographie (§ 184a StGB) etc. In unserem Fall geht es genau genommen nicht um den Reflex der Anstoßnahme, sondern um den Reflex des Konfrontierten, sich durch die Herabwürdigung aller Gruppenangehörigen selbst angesprochen zu fühlen.[36] Der hier vorgeschlagene Ansatz hat also zu erklären, wieso sich der Konfrontierte – ohne ein Strafwürdigkeitsurteil von dessen Gefühlen abhängig zu machen[37] – in bestimmten Fällen in objektiv nachvollziehbarer Weise durch die Äußerung angesprochen fühlen darf und deshalb letztlich in seinen individuellen Rechtsgütern beeinträchtigt ist.

(1) Dafür muss unseres Erachtens der Inhalt von einer Intensität sein, die über eine bloße Herabsetzung hinausgeht (bspw. die Bezeichnung aller Ausländer als „Lügner und Betrüger“ [38]) und die Angehörigen der Gruppe als „Unpersonen“ herabwürdigt. Der inhaltliche Unterschied liegt hier nicht nur – wie für die menschenwürdebeeinträchtigende individualisierte Beleidigung relevant – in der erhöhten Intensität für die Angesprochenen, sondern zudem in dem Umstand, dass einer Gruppe allein wegen ihrer Gruppenzugehörigkeit eine Gleichwertigkeit abgesprochen wird und ihre Angehörigen entindividualisiert werden. Daher wäre nach diesem Ansatz die Äußerung in Beispiel 6 nicht strafwürdig.

(2) Weiterhin muss das die Konfrontierten mit der Gruppe verbindende Merkmal eine besondere Qualität aufweisen. Im Zentrum steht die regelmäßig besondere Identitätsprägung durch das Merkmal. Als Eingrenzungskriterium für die umfassten Merkmale kommen zunächst die „Schicksalhaftigkeit“ ihrer Zuordnung, also ihre Unerwerblichkeit und Unentrinnbarkeit in Betracht.[39] Eine solche Einschränkung kann aber kaum genügen, würde nach ihr theoretisch doch auch die Körpergröße dazu gehören. Einen zweiten Filter könnte es darstellen, dass sich an das Merkmal besonders häufig Diskriminierungen knüpfen.[40] Gerade Diskriminierungen können dazu beitragen, dass die Bedeutung des Merkmals für das Individuum steigt.[41] Dabei ist es besonders den offenen Diskriminierungen regelmäßig eigen, dass das behandelte Individuum vor der Folie des Merkmals als austauschbar behandelt und entindividualisiert wird. Es handelt sich mit Streng um eine Art aufgenötigte Identitätsprägung, die selbst dann für das Individuum schwer wiegen kann, wenn es um starke Integration in die Gesamtgesellschaft bemüht ist.[42] Die Annahme ist also, dass Angehörige marginalisierter Gruppen eine objektiv nachvollziehbare, gesellschaftlich bewirkte Sensibilität aufweisen, wenn es um Äußerungen geht, die allein aufgrund einer Gruppenzugehörigkeit eine Unwertigkeit bestimmter Menschen begründen wollen. Dabei sind marginalisierte Gruppen nicht gleich statistische Minderheiten. So kann auch eine statistische Mehrheit – in Deutschland vor allem „die Frauen“ – als eine marginalisierte Gruppe gelten. Gleichzeitig sind unzählige statistische Minderheitsgruppierungen denkbar, die keineswegs von einer Marginalisierung betroffen sind (bspw. „die Richter“).[43] In Betracht kommen daher wohl folgende Merkmale, die sich weitestgehend mit Art. 3 Abs. 3 GG decken: nationale, ethnische und religiöse Herkunft, sexuelle Orientierung, Geschlecht und Behinderung. Setzt man eine Marginalisierung für ein „Auf-Sich-Beziehen-Dürfen“ voraus, so hieße das konsequenterweise, die Möglichkeit eines individuellen Würdeangriffs bei der Konfrontation etwa von Heterosexuellen oder Deutschen mit entsprechend herabwürdigenden Äußerungen abzulehnen. Dabei gilt es zu beachten, dass sich dieser zweite Filter im Zeitverlauf dynamisch verhält und vom gesellschaftlichen Kontext abhängig ist. Nach unserem Ansatz wäre daher im Beispiel 8 keine Strafwürdigkeit gegeben.

3. Nicht dem Konfrontierten entsprechend individualisierte gruppenbezogene Herabsetzung

Beispiel: (11) T sagt zu dem jüdischen O, dass der S ein „Juden-Schwein sei, das aus dem Land vertrieben werden müsste“.

Denkbar ist schließlich der Fall, dass eine individualisierte gruppenbezogene Herabwürdigung gegenüber einem Dritten abgegeben wird. Damit ist die Frage verbunden, ob neben der individualisierten Person weitere individuell in der Ehre oder Menschenwürde Verletzte bzw. Angegriffene in Betracht kommen. Zwar kann gerade auch für Hate Speech gelten, was allgemein für die Hasskriminalität unter dem Begriff des Botschaftsverbrechens beschrieben wird, nämlich dass die Tat nicht nur das konkrete Opfer, sondern regelmäßig die gesamte Gruppe adressiert.[44]

a) Eine individuelle Verletzung jedes Gruppenangehörigen anzunehmen, muss auf der Grundlage der Dogmatik um die „echte“ Sammelbeleidigung jedoch erst recht ausscheiden. Wenn schon eine objektive Auslegung als Beleidigung jedes Gruppenangehörigen bei nicht-individualisierten Inhalten zu weit geht, dann würde dies bei einer inhaltlich individualisierten Beleidigung eine unmittelbare Überführung des Botschafts-Paradigmas in die Beleidigungsdogmatik bedeuten.

b) Anders könnte es aber um die Ehre bzw. Menschenwürde des konfrontierten Gruppenangehörigen Nach den Grundsätzen der personalisierten Zuordnung dürfte man bei objektiver Auslegung der Beleidigung aber keinesfalls zu einer Individualisierung des Konfrontierten kommen. Die inhaltliche Individualisierung versperrt indessen den Weg zu einer außertextlichen Personalisierung. Danach wäre die Äußerung des T im Beispiel 11 nur deshalb strafwürdig, weil die Ehre des S verletzt wurde. Ein anderes könnte sich auf Grundlage der von uns vorgeschlagenen Berücksichtigung der Person des Konfrontierten ergeben. Hier muss zwar aufgrund der zusätzlichen Entfernung zum Fall der Sammelbeleidigung die Berücksichtigung der gruppenbezogenen Sensibilität bei der Herstellung des pejorativen Bezugs zusätzliches Gewicht tragen. Grundsätzlich aber könnte sich unser Individualisierungsmodell (s. I. 2. b) bb)) als fruchtbar erweisen, sodass im Beispiel die Äußerung des T sowohl wegen des Menschenwürdeangriffs auf den S als auch auf den O strafwürdig wäre.

II. Strafbarkeit gruppenbezogener Herabsetzungen de lege lata

Im Folgenden soll die strafrechtliche Erfassung von gruppenbezogenen Herabsetzungen insbesondere anhand des § 192a StGB und ausschnittsweise anhand des § 130 StGB beleuchtet werden. Im Hinblick auf die Erfassung durch den § 185 StGB in Form der Sammelbeleidigung oder nach den Grundsätzen der personalisierten Zuordnung lässt sich auf die Ausführungen im ersten Teil verweisen.

1. Verhetzende Beleidigung, § 192a StGB

Mit der verhetzenden Beleidigung gem. § 192a StGB bezweckte der Gesetzgeber eine Strafbarkeitslücke zwischen Volksverhetzung und Sammelbeleidigung zu schließen. Das Augenmerk wurde auf die Versendung verhetzender Inhalte an Einzelpersonen, Schutz- oder Interessenorganisationen gerichtet. Der Gesetzgeber ging zumindest im Hinblick auf den Regelfall[45] richtigerweise davon aus, dass es in den beschriebenen Fällen an einer Friedensstörungseignung mangels Öffentlichkeitswirksamkeit i.S.d. § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB fehlt.[46] Eine Strafbarkeit gem. § 130 Abs. 2 StGB muss aufgrund der Anforderungen an das „Verbreiten“ erst recht in aller Regel ausscheiden.[47] Die in den Blick genommenen Konfrontationsfälle können auch nicht durch den § 185 StGB erfasst werden; weder durch die Figur der „echten“ Sammelbeleidigung, noch – zumindest nicht stets – mit den Grundsätzen der personalisierten Zuordnung.[48]

a) Unrechtsprofil

§ 192a StGB soll vor einer Gefährdung der Ehre bzw. nach unserem Verständnis der (individuellen) Menschenwürde durch Konfrontation mit entsprechend gruppenbezogenen Herabwürdigungen schützen, weshalb eine Verortung trotz der Wortlautähnlichkeit mit § 130 StGB innerhalb der §§ 185 ff. StGB zu befürworten ist.[49] Die Besonderheit des § 192a StGB liegt in ihrem im Vergleich zu § 185 StGB reduzierten Kreis tauglicher Adressaten.[50] Dem eben beschriebenen Ansatz einer Berücksichtigung des Kommunikationsverhältnisses zum Konfrontierten entsprechend ist der § 192a StGB anders als § 185 StGB nicht als höchstpersönliches Äußerungsdelikt ausgestaltet und die Täterschaft bestimmt sich nach den allgemeinen Beteiligungslehren. Es kommt also nicht primär auf die persönliche Äußerung der Missachtung des Anerkennungsanspruches an, sondern auf die Gefährlichkeit, die von einem nicht individualisiert verhetzenden Inhalt für die Gruppenangehörigen bei Konfrontation ausgeht.[51]

b) Tatbestandsmerkmale im Einzelnen

aa) Geschützte Gruppen
Anders als § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB nimmt § 192a StGB eine abschließende Aufzählung der geschützten Gruppen vor. Geschützt werden Gruppen, die durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmt werden.[52] Dass die konfrontierte Person der inhaltlich adressierten Gruppe angehört, setzt der Wortlaut zwar nicht voraus, jedoch dürfte sich mittels teleologischer Auslegung ergeben, dass bspw. die Konfrontation einer Homosexuellen Person mit antisemitischen Inhalten nicht erfasst wird.[53]

bb) Eignungsklausel
(1) Die Eignung des Inhalts, die Menschenwürde anderer durch gruppenbezogene Beschimpfung, böswilliges Verächtlich-Machen oder Verleumdung anzugreifen, dient primär der Aussonderung von „bloßen Ehrverletzungen“ und der Begrenzung auf solche Inhalte, die sich gegen den „Kern der Persönlichkeit“ richten.[54] Insofern entspricht dies der ähnlichen Klausel bei § 130 StGB.

(2) Dass nur von der Eignung und nicht von einem Angriff auf die Menschenwürde die Rede ist, könnte als Hinweis darauf zu verstehen sein, dass das geschützte Rechtsgut allein die Ehre ist. In systematischer Hinsicht spricht dafür auch auf den ersten Blick, dass § 192a StGB vom Gesetzgeber in den Anwendungsbereich des § 193 StGB aufgenommen wurde. Dass der Menschenwürdebezug im Rahmen einer Eignungsklausel formuliert wird, ließe sich aber auch als Hinweis auf das hier vertretene Schutzkonzept deuten: Nach unserer Auffassung schützt der § 192a StGB vor Angriffen auf die individuelle Menschenwürde. Zu einem solchen kommt es erst dann, wenn die adressierte gruppenangehörige Person Kenntnis von dem Inhalt nimmt. Da sich der Menschenwürdeangriff jedoch an den Inhalt knüpft, de lege lata nicht zur Erfüllung des Tatbestandes zur Kenntnis genommen werden braucht, kann dieser nur eine Eignung zum Angriff der Menschenwürde aufweisen.[55]

(3) Nach hier vertretener Konzeption kann ein Schutz der individuellen Menschenwürde durch Konfrontation mit nicht individualisierten Inhalten jedoch nur als asymmetrischer Diskriminierungsschutz funktionieren, da er soziale Verwundbarkeiten zu berücksichtigen hat.[56] Daher ist es denkbar, eine teleologische Reduktion dogmatisch an der Eignungsklausel zu verorten und solche Gruppen auszuschließen, die zwar vom Katalog der Vorschrift umfasst sind, bei denen jedoch keine objektiv begründete Sensibilität besteht (bspw. „Die Heterosexuellen“ oder „Die Deutschen“).[57] Die vorgeschlagene Beschränkung birgt
selbstverständlich Herausforderungen für den Rechtsanwender und bedarf einer kasuistischen Schärfung.

cc) Tathandlung
Das Gelangenlassen erfordert, dass der Inhalt derart in die Sphäre des Adressaten gelangt, dass dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Eine tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht notwendig.[58] Trotz sprachlicher Tendenz zum echten Unterlassungsdelikt ist das Gelangenlassen durch aktives Tun begehbar und das Unterlassen nur bei Vorliegen einer Garantenpflicht strafbar.[59] Nicht erfasst wird das Gelangenlassen, wenn der Empfänger den Handelnden zu jenem auffordert. Ungeklärt ist bislang, ob an das Auffordern wie bei § 216 StGB höhere Anforderungen zu stellen sind und eine konkludente Zustimmung auszuscheiden hat.[60] Grenzen der umfassten Kommunikationsweisen werden dabei nicht nur durch die Tathandlung als solche, die § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB entlehnt ist[61] und sich dort auf bilaterale Kommunikation konzentriert, gezogen, sondern auch durch das Bezugsmerkmal des Inhalts gem. § 11 Abs. 3 StGB. So lassen sich neben analogem und digitalem Schriftverkehr, Bildmaterial und Tonaufnahmen auch das gesprochene Wort erfassen. Letzteres jedoch nur, wenn es mittels Informations- oder Kommunikationstechnologie übertragen wird (etwa Telefonie).[62]

Fraglich ist, ob auch eine internet-öffentliche Form der Begehung möglich ist. Kaum problematisch dürfte es sein, wenn der Adressat des Inhalts hinreichend individualisiert ist, etwa wenn der nicht individualisierte Inhalt unter einem Social-Media-Beitrag des Adressaten kommentiert wird.[63] Weitaus schwieriger liegt es, wenn der Inhalt ohne individualisierten Adressaten abgegeben wird und entsprechend Gruppenangehörige den Inhalt zur Kenntnis nehmen.[64] Zwar dürfte regelmäßig aufgrund der Öffentlichkeitswirksamkeit die vom Gesetzgeber in Blick genommene Schutzlücke nicht bestehen (§ 130 Abs. 1, Abs. 2 StGB), gleichwohl aber ein (individueller) Menschenwürdeangriff beim Konfrontierten eintreten können. Problematisch scheint indessen, dass es nicht in den Händen des Täters, sondern der kuratierenden Algorithmen oder gar weiterverbreitender Dritter liegt, ob und wo der Inhalt im Newsfeed der Gruppenangehörigen angezeigt wird und eine Möglichkeit der Kenntnisnahme besteht. Sollte diese Besonderheit keine Berücksichtigung auf objektiver Tatbestandsseite finden, so ist jedenfalls stets zu prüfen, ob sich der Vorsatz des Täters hinreichend auf die Identitäten seiner Adressaten konkretisiert.[65]

c) Anwendbarkeit im Grenzbereich und außerhalb der identifizierten Strafbarkeitslücke

§ 192a StGB könnte in seiner jetzigen Fassung jedoch auch solche Bereiche erfassen, die außerhalb der vom Gesetzgeber markierten Strafbarkeitslücke liegen, wenn nicht nur gar nicht individualisierte Verhetzungen, sondern auch nicht entsprechend individualisierte Inhalte erfasst werden. So zeigt der Anwendungsbereich der verhetzenden Beleidigung wesentliche Überschneidungen mit dem des § 185 StGB; im Zwei-Personen-, wie im Mehr-Personen-Verhältnis.

Bspe.: T verfasst einen Brief, in dem er A in die Menschenwürde verletzender Weise an dessen jüdischen Glauben anknüpfend beleidigt. Diesen Brief lässt er (12) dem Zentralrat der Juden zukommen, wo er von Jüdinnen und Juden gelesen wird bzw. (13) dem A zukommen, der ihn liest.

In dem Beispiel 12 verwirklicht T in jedem Fall sowohl § 185 StGB als auch § 192a StGB, deren Verhältnis schon deshalb von Interesse ist, da der Strafrahmen der die Menschenwürde schützenden verhetzenden Beleidigungen dem der Beleidigungsqualifikationen (§ 185 Hs. 2 StGB) entspricht. Dieser Umstand könnte jedenfalls der Ansicht entgegenstehen, der § 192a StGB werde verdrängt, da es seine Aufgabe sei, eine Strafbarkeitslücke zu schließen.[66] Andernfalls wäre der T dadurch bessergestellt, dass er seinen Inhalt zusätzlich auf A individualisiert und es gäbe für die nicht entsprechend individualisierte Äußerung nahezu keinen Anwendungsbereich.[67] Dass es sich bei § 185 StGB um die Äußerung eigener Missachtung handelt und der Inhalt tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde, käme nicht zum Ausdruck, wenn man andersherum annimmt, dass § 185 StGB verdrängt wird.[68] Daher werden in Beispiel 12 §§ 185, 192a StGB tateinheitlich verwirklicht.[69] Fallen das inhaltlich individualisierte und das konfrontierte Opfer auseinander, wirft dies in dogmatischer und rechtspolitischer[70] Hinsicht die Frage auf, ob der inhaltlich individualisierten Person ein Widerspruchsrecht hinsichtlich der Verfolgung der Tat zusteht bzw. zustehen sollte. Der § 194 Abs. 1 S. 4 StGB sieht insofern allein eine Regelung für die Verfolgung aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses gem. § 193 Abs. 1 S. 3 StGB vor. Widerspruchsberechtigt ist der Verletzte, wobei sich dies auf den Verletzten i.S.d. § 192a StGB, also den konfrontierten Gruppenangehörigen beziehen dürfte.[71]

In Beispiel 13[72] drängt sich die Frage auf, ob der Adressat eine andere Person als die durch den Inhalt in Bezug genommene sein muss. Eine am Schutzkonzept ausgerichtete Auslegung muss hier (erst recht) einen Angriff auf die Menschenwürde annehmen und den § 192a StGB für anwendbar halten.[73] Hier erhält § 192a StGB faktisch die Funktion einer Beleidigungsqualifikation im oben beschriebenen Sinne, solange ein Gruppenbezug besteht (I. 1.).

2. Volksverhetzung, § 130 Abs. 1 und Abs. 2 StGB

Im Hinblick auf die ersten beiden Absätze des § 130 StGB sollen im Folgenden allein zwei Fragestellungen herausgegriffen werden, die im Zusammenhang mit den Ausführungen zu § 192a StGB und der Strafwürdigkeit gruppenbezogener Herabsetzungen stehen:

a) Schutzgut

Die wohl h.M. sieht vor allem den öffentlichen Frieden als von der Norm geschütztes Gut an.[74] Dieser setze sich grundsätzlich objektiv aus dem Zustand allgemeiner Rechtssicherheit in der Gesellschaft und subjektiv dem Gefühl der öffentlichen Sicherheit zusammen.[75] Zu Recht wird die objektive Seite zum Teil als unscharf kritisiert, da der öffentliche Friede durch jede Verletzung von Gütern, die durch andere Strafnormen geschützt werden, gestört werden könnte.[76] Die subjektive Seite stellt letztlich nichts anderes als die Summe der durch § 241 StGB geschützten „persönlichen Frieden“ dar[77] und lässt sich als von der objektiven Seite abgekoppelter sozialpsychologischer Zustand kaum normativ fassen.[78] Vorzugswürdig scheint es daher, an die objektive Gefährlichkeit der Handlungen für Individualrechtsgüter (insb. Leben, Körper, Freiheit) der Gruppenangehörigen anzuknüpfen und damit den Versuch zu unternehmen, die sogar im Vergleich zu § 111 StGB vage Vorverlagerung der Strafbarkeit zu legitimieren.[79]

Ein großer Teil der h.M. stellt dem öffentlichen Frieden das Rechtsgut der Menschenwürde zur Seite.[80] Einige Autoren wollen von § 130 Abs. 1, Abs. 2 StGB sogar alleinig oder primär die Menschenwürde geschützt sehen. Hier dürfte der obigen Darstellung entsprechend zu differenzieren sein: Geht es um den Schutz der individuellen Menschenwürde[81] vor Angriffen durch die Aufgehetzten,[82] so dürfte es näherliegen, auf den vorgelagerten Schutz der eben konkretisierten Rechtsgüter zu verweisen. Soll es andernfalls um den Schutz jedes Gruppenangehörigen unmittelbar vor der Äußerung selbst gehen, stößt dies an die oben gezogenen Grenzen der Sammelbeleidigungsfähigkeit, zumal sich die Tat seit der Änderung 2011 auch gegen eine einzelne Person wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen richten kann (s. I. 3.).[83] Einen von uns für neben dieser Dogmatik denkbar gehaltenen individuellen Angriff durch Konfrontation der Angehörigen setzt die Volksverhetzung gerade nicht voraus.

Sieht man aber die Menschenwürde als überindividuellen Wert an, die tatbestandliche Äußerung also als Missachtung des allgemeinen Prinzips der Gleichwertigkeit der Menschen,[84] so könnte mit ihr die eben beschriebene Vorverlagerung zu legitimieren sein. In dem Angriff auf die Menschenwürde in dieser überindividuellen Dimension durch die „Entmenschlichung“[85] der Gruppenangehörigen liegt nämlich ein spezifisches, die Gefährlichkeit für deren Individualgüter erhöhendes Element.[86] Fraglich ist, ob sich ein solches Verständnis auch auf Abs. 1 Nr. 1 erstrecken kann, der seit 1994 tatbestandlich nicht länger einen Angriff auf die Menschenwürde voraussetzt.[87] Aus den Gesetzesmaterialien geht jedoch hervor, dass der Gesetzgeber davon ausging, dass bei den Alternativen der Nr. 1 die Menschenwürde in aller Regel angegriffen wird.[88] Tatsächlich dürften die Emotionalisierungen, die mit dem Aufstacheln zum Hass und der Aufforderung zu Gewalt- oder Willkürakten verbunden sind, regelmäßig von der Behauptung einer Minderwertigkeit der Gruppenangehörigen getragen werden.[89] Letztlich ist anzunehmen, dass bei Nr. 1 der Aufforderungscharakter und damit die inhaltliche Nähe zur Individualrechtsgutsverletzung stärker im Vordergrund steht.[90]

b) Kein asymmetrischer Schutz

Eine zweite zentrale Frage ist, welche Gruppen einen Schutz vor Herabsetzung genießen. So wird im Hinblick auf die Volksverhetzung bezweifelt, dass statistische Mehrheitsgruppierungen, wie etwa „die Deutschen“ oder „die Frauen“[91] taugliche Tatobjekte sind. Man könnte versucht sein, eine Einschränkung beim inhaltlichen Bezugsobjekt zu suchen und statistische Mehrheiten nicht unter die Begriffe der „Gruppen“ oder „Teile der Bevölkerung“ zu fassen. Der Wortlaut legt eine restriktive Auslegung jedoch nicht nahe. Warum sollen Teile nicht auch „Großteile der Bevölkerung“ sein können?[92]

Entscheidend dürfte mit Blick auf das geschützte Rechtsgut die Frage sein, ob solche Äußerungen eine hinreichende Gefährlichkeit für Individualrechtsgüter darstellen, womit man streng genommen bei der Eignung zur Friedensstörung angekommen sein dürfte.[93] Dafür wird zum Teil vorgebracht, dass eine Friedensstörung bzw. die Gefährdung der Individualrechtsgüter auch für die sich Äußernden entstehen könnten, wenn die Mehrheitsgruppierung provoziert ist und sich zur Selbstjustiz berufen sieht.[94] Dieser Ansatz kann jedoch dann nicht überzeugen, wenn man die Strafbarkeitsvorverlagerung mit der Entmenschlichung der verhetzten Gruppe zu begründen versucht. Die Umkehr der Rollen von Täter zu Opfer der Volksverhetzung braucht es auch nicht, da auch Angehörige statistischer Mehrheiten abstrakt gefährdet werden können, wenn sie durch die Agitation oder Herabwürdigung für „vogelfrei“ erklärt werden. Der Verstoß gegen die Menschenwürde als abstraktes Prinzip findet selbstverständlich ohne Berücksichtigung von Gruppenzugehörigkeiten statt.[95] Die Begrenzung auf einen asymmetrischen Schutz vor Verhetzungen, also auf statistische Minderheiten, marginalisierte Gruppen oder gar solche Kollektive, die durch Rechtsextremismus betroffen sind,[96] scheint uns daher nicht geboten.

III. Strafrechtliche Erfassung gruppenbezogener Herabsetzungen de lege ferenda

Für den Schutz vor gruppenbezogenen Herabsetzungen und Herabwürdigungen wird vorgeschlagen, die Trias aus §§ 130 Abs. 1, Abs. 2, 185, 192a StGB beizubehalten. Während der § 130 Abs. 1, Abs. 2 StGB primär einen Schutz konkreter Individualrechtsgüter der verhetzten Gruppenangehörigen (weit) im Vorfeld der Tat schützt, sollen die §§ 185, 192a StGB Verletzungen der Ehre bzw. Angriffe auf die Menschenwürde unmittelbar durch die Äußerung (§ 185 StGB) oder die Konfrontation mit dem nicht entsprechend individualisierten verhetzenden Inhalt (§ 192a StGB) in den Blick nehmen.

1. § 130 Abs. 1 StGB

Hinsichtlich § 130 Abs. 1 StGB ist auf eine Streichung der jeweils einschränkenden Merkmale des Angriffs auf die Menschenwürde und der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens zu verzichten, um eine am Schutzkonzept orientierte Begrenzung beizubehalten.[97]

2. § 185 Hs. 2 StGB

Im Hinblick auf eine Beleidigungsqualifikation bei Verdopplung des Strafrahmens ist es vorzugswürdig, auf einen ausdrücklichen Gruppenbezug zu verzichten und auf den menschenwürdeangreifenden Charakter der Äußerung abzustellen.[98] Dadurch kann zum einen der Unrechts- und Schuldgehalt von der bloßen Ehrverletzung abgeschichtet werden, ohne bereits eine menschenverachtende Gesinnung oder „einfache Diskriminierungsschäden“ zu erfassen. Gleichzeitig ergibt sich im Verhältnis zu § 192a StGB ein einheitlicher Strafrahmen für die die Menschenwürde angreifende Äußerungen.[99]

3. § 192a StGB

Der § 192a StGB trägt richtigerweise den Grundgedanken in sich, dass es durch die Konfrontation mit einem inhaltlich nicht oder nicht der Adressierung entsprechend individualisierten gruppenbezogenen menschenverachtenden Inhalt zu einem Angriff auf die Menschenwürde des Konfrontierten kommen kann. Er bietet insofern einen engeren Schutz als eine Expansion der „echten“ Sammelbeleidigungsdogmatik,[100] als dass erstens nur massive Herabsetzungen erfasst werden und dies zweitens auch nur dann, wenn ein Gruppenangehöriger konfrontiert wird. Andererseits ist er weiter, weil die Konstellation des § 192a Alt. 2 StGB nicht über die „echte“ Sammelbeleidigung erfasst werden kann. Dennoch gibt es Nachbesserungsbedarf, der im Folgenden dargestellt werden soll und auf dessen Grundlage unter IV. ein Reformvorschlag formuliert wird.

a) Geschützte Gruppenmerkmale

 Wie oben herausgearbeitet, weisen nur bestimmte Gruppenmerkmale die auch normativ begründete Möglichkeit eines „Individualisierungsreflexes“ auf. Als solche werden zum einen die „Schicksalhaftigkeit“ i.S.e. Unerwerblichkeit und Unentrinnbarkeit der Gruppenzugehörigkeit und zum anderen eine besondere Betroffenheit von Diskriminierung vorgeschlagen.[101]

  1. Dass die Vorschrift neben der sexuellen Orientierung nicht das Geschlecht schützt, überzeugt nicht und lässt sich mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG nicht durch eine (fernliegende) erweiternde Auslegung des Merkmals der sexuellen Orientierung lösen.[102] Das Merkmal der geschlechtlichen Identität sollte aufgenommen werden, damit die Gruppen der (Cis)-Frauen, der Transgeschlechtlichen und der Diversgeschlechtlichen geschützt werden. Ob der Begriff des „Geschlechts“ dies leisten kann, ist umstritten,[103] weshalb die geschlechtliche Identität als Oberbegriff gewählt werden könnte.[104]
  2. Der Kreis der geschützten Personen hätte in Anbetracht von Strafwürdigkeitserwägungen („leitfähige Gruppenmerkmale“)[105] und der Schrankenwirkung für Art. 5 Abs. 1 GG nicht um das vage Merkmal der Weltanschauung erweitert werden sollen.[106]
  3. Will man religiöse Gruppen geschützt sehen, so ist der Religionsbezug – so wie bei § 130 Abs. 1 StGB – grammatikalisch vom Herkunftsbegriff zu lösen.[107] Die religiöse Herkunft dürfte im Übrigen von der ethnischen Herkunft abgedeckt werden.[108] Im Hinblick auf das Legitimationskriterium der „Schicksalhaftigkeit“ der Gruppenzugehörigkeit ist auch das Merkmal der Religion nicht unproblematisch. Dennoch spricht für die Beibehaltung, dass die Religion besonders häufig eine Folie für andere genannte Merkmale, insbesondere die ethnische Herkunft, darstellt.[109] Statt an die religiöse Herkunft sollte an die Religion angeknüpft werden.[110]
  4. Die Anknüpfung an die „rassische Herkunft“ ist begrifflich problematisch[111] und es ist fraglich, ob die Nutzung des Merkmals neben dem der ethnischen Herkunft notwendig ist.[112] Zum Teil wird im Schrifttum vertreten, dass die Ethnie bzw. ethnische Herkunft nicht auch äußere Merkmale, insb. die Hautfarbe erfasst; diese Merkmale würden sich dem Merkmal der „Rasse“ zuordnen lassen.[113] Bei einem Verzicht auf den Begriff der „rassischen Herkunft“ dürfte der Aspekt der ethnischen Herkunft jedoch weiter, solche äußeren Merkmale umfassend, auszulegen sein, um einen lückenlosen Schutz zu gewährleisten.

b) Tathandlung 

  1. Dass mündliche Kommunikation nur erfasst ist, wenn sie mittels Technik übertragen wird (Inhalt i.S.v. § 11 Abs. 3 StGB), überzeugt nicht.[114] Daher wird eine Handlungsalternative als Äußerungsdelikt (Beleidigen) und die Übermittlung fremder Äußerungen als Herrschaftsdelikt (Zur-Kenntnis-Bringen) vorgeschlagen. Zur besseren Lesbarkeit der Norm wird eine Aufteilung der Tathandlungsalternativen in zwei Absätze vorgeschlagen. Drei mögliche Einwände gegen diesen Änderungsvorschlag seien angesprochen:

Erstens könnte eingewendet werden, dass der Begriff des Beleidigens sich allein auf § 185 StGB und nicht zudem auf die §§ 186 f. StGB bezieht und daher nicht anwendbar ist, wenn falsche Tatsachenbehauptungen über die Gruppe (§ 192a Alt. 1 StGB) oder einen einzelnen Gruppenangehörigen (§ 192a Alt. 2 StGB) gemacht werden. Dass aber der Begriff des Beleidigens nicht kongruent mit dem des § 185 StGB sein kann ergibt sich schon daraus, dass letzterer allein als eine Individualbeleidigung denkbar ist und § 192a StGB seiner Konzeption nach jenseits der Grenzen der Sammel- und Kollektivbeleidigung ansetzt. Ein Beleidigungsbegriff i.w.S., also die Handlungen nach §§ 186 f. StGB umfassend, wird auch von § 194 Abs. 1 S. 1 StGB vorausgesetzt und ist dem Abschnitt der Beleidigungsdelikte daher auch nicht fremd. Ohne praktische Konsequenzen bleibt die Frage, ob diese Beleidigung i.w.S. vollständig auf höchstpersönliche Äußerungen beschränkt bleibt,[115] da § 192a Abs. 2 StGB-E[116] ohnehin solche Konstellationen abdeckt.

Zweitens könnte eingewendet werden, dass die Anforderungen durch den Begriff der Beleidigung herabgesetzt werden. Tatsächlich aber dürfte der Anwendungsbereich aufgrund der Voraussetzung eines Angriffs auf die Menschenwürde keine Erweiterung erfahren. Es ist nicht ersichtlich, welche Beleidigung (i.w.S.), die den Kern der Persönlichkeit angreift und eine Person oder Personengruppe als minderwertig bzw. ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft bestreitend darstellt, nicht die Anforderungen an ein Beschimpfen, böswilliges Verächtlichmachen oder Verleumden erfüllt.

Drittens könnte vorgebracht werden, dass das Problem der nur selektiv erfassten mündlichen Kommunikation mit der Einführung des Äußerungsdelikts in § 192a Abs. 1 StGB-E zwar reduziert, aber für die Fälle der Weitergabe fremder verhetzender Inhalte (§ 192a Abs. 2 StGB-E) nicht gelöst sei. Die Konstellationen, in denen ein fremder Äußerungsinhalt in mündlicher Form zur Kenntnis gebracht wird, sind jedoch äußerst begrenzt. In praktischer Hinsicht dürfte regelmäßig ein Zueigenmachen des Inhalts vorliegen und damit § 192a Abs. 1 StGB-E greifen.

  1. In der jetzigen Fassung bietet § 192a StGB keine zufriedenstellende Lösung für den Einsatz eines informierten Boten zur Übermittlung entsprechender Äußerungen (Beleidigungsbrief-Fall).[117] Während der Bote, der um den verhetzenden Inhalt des Briefes weiß, Täter qua Tatherrschaft über das Gelangen-Lassen ist, dürfte der beauftragende Hintermann nur unter bestimmten Umständen und je nach Verständnis einer funktionalen Tatherrschaft als Mittäter, ansonsten – je nachdem, ob er über den Inhalt einer Schrift aufklärt oder der Bote später eigenständig Kenntnis nimmt – als Anstifter oder Gehilfe haften. Die vorgeschlagene Fassung könnte mit dem höchstpersönlichen Äußerungsdelikt des § 192a Abs. 1 StGB-E auch den Hintermann als Täter erfassen.
  2. Die Strafbarkeitsvorverlagerung durch Ausreichenlassen einer möglichen Kenntnisnahme ist nicht nötig und fügt sich nicht in die Systematik der Ehrschutzdelikte ein.[118] In der vorgeschlagenen ersten Handlungsalternative des Beleidigens (Abs. 1 StGB-E) wird dabei ebenso wie bei den §§ 185 ff. StGB eine Kenntnisnahme als
    Kundgabe- bzw. Verbreitungserfolg vorausgesetzt. Für die in Abs. 2 vorgeschlagene Handlungsalternative wird statt des Gelangenlassens der Begriff des Zur-Kenntnis-Bringens verwendet. Wenn auf die Vorverlagerung verzichtet würde, dann entfiele der Grund für die Verwendung der Eignungsklausel.[119]
  3. In der bisherigen Fassung macht die Grammatik der Vorschrift nicht unzweifelhaft deutlich, dass die adressierte Person zu der inhaltlich in Bezug genommenen Gruppe und nicht zu einer beliebigen durch § 192a StGB erfassten Gruppe gehören muss.[120] Diese bislang unpräzise Fassung bietet jedoch möglicherweise den Vorteil, auch solche Fälle erfassen zu können, bei denen der Täter bei der Zuordnung des Adressierten zu einer Gruppe einer falschen Vorstellung unterliegt. So liegt es etwa häufig bei Menschen mit Migrationshintergrund, denen bei herabwürdigenden Äußerungen ein Fluchthintergrund zugeschrieben wird. Wenn T in einer Diskussion mit dem O, der einen Migrations- aber keinen Fluchthintergrund aufweist, diesen mit einer gegen Geflüchtete gerichteten Äußerung konfrontiert, so könnte diese rassistische Zuschreibung unter der geltenden Fassung jedenfalls auf Grundlage einer grammatikalischen Auslegung erfasst werden. Die Erfassung solcher Konstellationen kann einer Präzisierung des Wortlauts jedoch nicht entgegenstehen, lassen sich doch solche Fälle, bei denen sich die personalisierte Zuordnung ohne Zweifel ergibt, weiterhin über § 185 StGB erfassen.
  4. Da eine teleologische Auslegung nahelegt, dass § 192a Alt. 2 StGB auch dann einschlägig ist, wenn adressiertes und inhaltlich konkretisiertes Individuum identisch sind, kommt es letztlich zur unbeabsichtigten Qualifikation der Beleidigung. Eine hier vorgeschlagene Einführung der die Menschenwürde angreifenden Beleidigung in § 185 Hs. 2 StGB würde dieser systematischen Merkwürdigkeit entgegenwirken, sie indessen nicht vollständig auflösen. Schließlich ist § 192a StGB in jetziger und in Teilen in vorgeschlagener Fassung (§ 192a Abs. 2 StGB-E) anders als die (qualifizierte) Beleidigung ein Herrschaftsdelikt. Daher sollte klargestellt werden, dass
    § 192a Alt. 2 StGB lediglich nicht entsprechend individualisierte gruppenbezogene Herabwürdigungen erfasst. Zu diesem Zwecke könnte der Begriff der „dritten Person“ verwendet werden.
  5. Das Negativmerkmal „ohne von diesem dazu aufgefordert zu sein“ wird neben der rechtfertigenden Einwilligung nicht benötigt. Daneben droht das Merkmal argumentativ für die Unanwendbarkeit der Einwilligung in
    § 192a StGB genutzt zu werden.[121]

c) Sonstiges

  1. Zu diskutieren wäre außerdem, ob in den Fällen des § 192a Alt. 2 StGB dem inhaltlich Individualisierten ein Widerspruchsrecht zustehen sollte, wenn die Tat aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses von Amts wegen oder aufgrund eines Strafantrags des Konfrontierten verfolgt wird. Sachgrund des Widerspruchrechts ist es ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 194 Abs. 1 S. 3 StGB a.F., dem mangelnden Interesse des Opfers an der Strafverfolgung Rechnung zu tragen.[122] Gleichwohl soll der Widerspruch bei mehreren Verletzten lediglich ein Prozesshindernis hinsichtlich der materiell-rechtlichen „Tat“ zu Lasten des Verletzten darstellen.[123] Das mangelnde Interesse an einer Verfolgung durch den inhaltlich Individualisierten dürfte daher bei der Verfolgung wegen § 192a StGB keine Rolle spielen.[124] Anders könnte es dann liegen, wenn man den Sachgrund eines Widerspruchrechts in den entgegenstehenden Interessen des Verletzten sehen würde. So wurde etwa für § 184i Abs. 3 StGB ein solches Widerspruchsrecht insbesondere deshalb gefordert, weil die Intimsphäre des Opfers durch die Tat betroffen wird.[125] Für den Fall des § 192a Alt. 2 StGB dürfte aber zu bezweifeln sein, dass ein Verfahren nicht ohne die Belastung des inhaltlich Individualisierten stattfinden kann. Im Falle des Strafantrags durch den Konfrontierten dürfte das verbleibende entgegenstehende Interesse kaum das Interesse des Konfrontierten überwiegen können. Im Falle der Ermittlung von Amts wegen kann das verbleibende entgegenstehende Interesse bei der Ermittlung des öffentlichen Interesses berücksichtigt werden.[126]

IV. Zusammenfassung und Reformulierungsvorschlag zu § 192a StGB

Die gruppenbezogene Herabwürdigung sollte primär aufgrund ihrer besonderen Wirkung auf Individuen und ihre Rechtsgüter in den Blick genommen werden, ggf. durch Anpassungen des Strafrechts. Schwerer hingegen fällt eine Legitimierung von Strafschärfungen mit der Begründung einer Förderung der Marginalisierung bestimmter Gruppen oder eines aufgeheizten Klimas. Gleiches gilt für die Argumentation, dass Angehörige marginalisierter Gruppen von silencing-effects besonders betroffen seien. Eine zentrale Rolle dürfte stattdessen der Menschenwürdebezug spielen, der häufig mit der Verunglimpfung von Gruppen und ihrer Angehörigen einhergeht. Im Falle der individualisierten und daher § 185 StGB unterfallenden Beleidigung schlagen wir deshalb vor, die menschenwürdeangreifende Beleidigung zu qualifizieren. Für § 192a StGB halten wir eine Reihe von Nachbesserungen für erforderlich, aus denen sich letztlich folgender Formulierungsvorschlag ergibt:

§ 192a-E Verhetzende Beleidigung(1) Wer einem anderen gegenüber, der einer durch ihre nationale oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion, geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung bestimmten Gruppe angehört, die entsprechende Gruppe oder eine dritte Person aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur entsprechenden Gruppe mittels einer die Menschenwürde angreifenden Äußerung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.(2) Nach Abs. 1 wird auch bestraft, wer einem einer in Abs. 1 genannten Gruppe Angehörigen einen Abs. 1 entsprechenden Inhalt (§ 11 Abs. 3 StGB) zur Kenntnis bringt.

 

 

[1]      In nicht individualisierter Form bei BGH, StV 2018, 80.
[2]      Völzmann, MMR 2021, 619 (623).
[3]      Völzmann, MMR 2021, 619 (621 ff.). Zum zweiten Aspekt vgl. Hoven, Schmidt/Witting und Kubiciel/Großmann in diesem Heft.
[4]      Diskussionsentwurf des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz für ein Gesetz zur nachdrücklichen strafrechtlichen Bekämpfung der Hassrede und anderer besonders verwerflicher Formen der Beleidigung (Stand: 4.11.2019), S. 21.
[5]      Diskussionsentwurf, S. 7 f., 21 f.
[6]      Großmann, GA 2020, 548 (563).
[7]      Vgl. in diese Richtung auch Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (403).
[8]      BVerfG, NStZ 2001, 26 (28); dazu auch Ebner/Kulhanek, ZStW 2021, 984 (992 f.); Hörnle, Grob anstößiges Verhalten, 2005, S. 121 ff.
[9]      Großmann, GA 2020, 548 (559). Dass ein dem § 46 Abs. 2 StGB entlehnter auf sonstige diskriminierende Verhaltensweisen bezogener Auffangtatbestand „der sonstigen menschenverachtenden“ Inhalte solche Äußerungen erfassen kann, scheint uns nicht naheliegend.
[10]    Vgl. auch Hoven/Witting, NJW 2021, 2397 (2401).
[11]    Vgl. auch Großmann, GA 2020, 548 (558 f.).
[12]    BVerfG, NZA 2020, 1704 (1706). In diese Richtung aber Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (593) mit Verweis auf Art. 3 Abs. 3 GG.
[13]    Vgl. nur Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, Bd. 3, 4. Aufl. (2021), § 130 Rn. 57.
[14]    Vgl. auch Hörnle, S. 129; zur Diskussion um eine entsprechende Körperverletzungsqualifikation vgl. etwa Tolmein, ZRP 2001, 315 ff.
[15]    Dazu und zum Angriff auf die Menschenwürde als überindividueller Wert unter II. 2.
[16]    Vgl. die Ausführungen von Schmidt/Witting und Kubiciel/Großmann in diesem Heft.
[17]    Vgl. in diese Richtung auch Hilgendorf, in: LK-StGB, 10. Bd., 13. Aufl. (2022), § 192a Rn. 8.
[18]    Eisele/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. (2019), Vorb. §§ 185 ff. Rn. 7b m.w.N.
[19]    Androulakis, Die Sammelbeleidigung, 1970, S. 46 ff.; Wehinger, Kollektivbeleidigung – Volksverhetzung, 1994, S. 45; krit. bzgl. KG, JR 1990, 124 (125) auch Foerstner, Kollektivbeleidigung, Volksverhetzung und „lex Tucholsky“, 2002, S. 58. Prozessuale Bedeutung hat diese Frage aber für die Strafantragsberechtigung i.S.v. § 194 Abs. 1 S. 1 StGB und für die Antragsberechtigung im Klageerzwingungsverfahren bei § 130 Abs. 1, Abs. 2 StGB. Materiell wird sie bei § 192a StGB relevant.
[20]    Hilgendorf, in: LK-StGB, Vorb. § 185 Rn. 30 ff.
[21]    Für denkbar gehalten von BVerfG, NJW 1995, 3303 (3307) – „Soldaten sind Mörder“.
[22]    Magen, VVDStRL 2018, 67 (93).
[23]    Magen a.a.O.
[24]    Wandres, Die Strafbarkeit des Auschwitz-Leugnens, 2000, S. 205; vgl. auch für den speziellen Fall, dass der Täter sich auf „eine angeblich wissenschaftlich nachweisbare, naturalistisch fundierte Eigenschaft eines jeden Angehörigen“ bezieht Androulakis, S. 80 f.; ebenso Foerstner, S. 60.
[25]    Hörnle, S. 127.
[26]    Eher in die andere Richtung Kusche in diesem Heft.
[27]    Vgl. den Begriff bei Geppert, NStZ 2013, 553 (558).
[28]    BVerfG, StV 2018, 406 (407); vgl. ferner BVerfG, NJW 2015, 2022 (2023); sowie BVerfG, NJW 2016, 2643 (2644); LG Stuttgart, NStZ 2008, 633.
[29]    BVerfG, StV 2018, 405 (406); in diese Richtung auch OLG Stuttgart, NStZ-RR 2009, 50.
[30]    Hestermann/Hoven/Autenrieth, KriPoZ 2021, 204 (Fn. 40); Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (592); Jansen, GA 2022, 94 (104).
[31]    Besonders deutlich bei OLG Karlsruhe, BeckRS 2014, 11644; ferner Fischer, StGB, 70. Aufl. (2023), § 193 Rn. 5 m.w.N.; sowie Pest, StV 2019, 80 (81) zu einem ACAB-Fall.
[32]    Als ein solch reaktives Verhalten lassen sich auch Beispiele aus dem Schrifttum zur „unechten“ Sammelbeleidigung deuten: Androulakis, S. 39: „Macht etwa der vor Gericht Unterlegene seinem Zorn gegen ‚die Richter‘ Luft, so wird sich der Sinn dieser Äußerung in der Regel nur auf die im konkreten Fall beteiligten Richter beziehen, obwohl auch hier Ausnahmen denkbar sind.“; Geppert, NStZ 2013, 553 (558): „Der nach einem Rotlichtverstoß von der Polizei angehaltene Kraftfahrer sagt: ‚Wusste ich es doch: Alle Polizisten sind Halsabschneider und Straßenräuber!‘“; Ostendorf/Frahm/Doege, NStZ 2012, 529 (534): „Beleidigung eines Individuums unter Nennung aller ‚Kinderschänder‘ […] vor dessen Wohnung man sich öffentlichkeitswirksam versammelt hat“; Wehinger, S. 17: „Wird ein Autofahrer von einer Polizeistreife angehalten und äußert er dabei die Ansicht, alle Polizisten seien üble Wegelagerer, so ist sicherlich zunächst der Polizist beleidigt, an den diese Äußerung gerichtet ist.“
[33]    BVerfG, StV 2018, 405 (406).
[34]    Vgl. auch OLG Karlsruhe, BeckRS 2014, 11644 zu den Voraussetzungen der personalisierten Zuordnung zu einem ACAB-Fall: „Eine für die Annahme einer Beleidigung einzelner Polizeibeamter genügende Individualisierung und Konkretisierung liegt hingegen dann vor, wenn aus dem Inhalt und den Umständen der herabsetzenden Äußerung ein zeitlicher und örtlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Vorkommnis erkennbar ist und/oder wenn aus dem Sinngehalt der Äußerung deutlich wird, dass eine persönlich, örtlich oder in sonstiger Weise hinreichend abgrenzbare Gruppe von Polizeibeamten – so etwa die Beamten eines bestimmten polizeilichen Einsatzes oder einer bestimmten polizeilichen Einrichtung – getroffen werden soll.“
[35]    Statt vieler Hörnle, S. 78 ff.; Roxin/Greco, Strafrecht AT I, 5. Aufl. (2020), § 2 Rn. 26 ff.; in jüngerer Vergangenheit aber (partiell) offen für den Gefühlsschutzansatz Gimbernat, GA 2011, 284 (290); Hilgendorf, StV 2014, 555 (559 f.); Hoven, JZ 2020, 835 (839 f.); Volk, in: FS­ Roxin, 2011, S. 215 ff.
[36]    Darin dürfte auch der wesentliche Unterschied zu der Problematik bei § 166 StGB liegen. Die vom Konfrontierten normativ erwartete Abstraktionsleistung ist eine andere, da es um die Ansprache der religiösen Überzeugung als solche und nicht der Religionsangehörigen geht (vgl. Fateh-Moghadam, Die religiös-weltanschauliche Neutralität des Strafrechts, 2019, S. 226).
[37]    Deutlich schon Androulakis, S. 74 ff.
[38]    Streng, in: FS Lackner, 1987, S. 501 (517).
[39]    Vgl. diesen Aspekt schon bei Wandres, S. 205.
[40]    Zum Zusammenhang von Gruppenmerkmalen und Ungleichwertigkeitsideologien vgl. Groß/Zick/Krause, APuZ 2012, 11 (12 ff.).
[41]    Hinsichtlich der soziologischen Annahme Androulakis, S. 37; El-Mafaalani et al., in: Handbuch Diskriminierung, 2017, S. 173 (177) mit Verweis auf Branscombe et al., Journal of Personality and Social Psychology 1999, 135 ff.; vgl. auch Wiederer, Die virtuelle Vernetzung des internationalen Rechtsextremismus, 2007, S. 359.
[42]    Streng, S. 501 (507).
[43]    Instruktiv zur Unterscheidung marginalisierter und statistischer Minderheitsgruppen Endruweit, in: Mackensen/Sagebiel (Hrsg.), Soziologische Analysen, 1979, S. 84 (87 f.).
[44]    Vgl. Schneider, MschrKrim 2003, 373 (373 f.); Sotiriadis, KJ 2014, 261 (264 f.); Tolmein, ZRP 2001, 315 (316); Valerius, ZStW 2020, 666 (672).
[45]    Ausnahmen sind durchaus denkbar. So könnte eine potenzielle Breitenwirkung und damit eine Friedensstörungseignung etwa bei solchen Stellen zu bejahen sein, die ex-ante eine erhöhte Neigung zum öffentlichen und konfrontativen Umgang mit den Verhetzungen aufweisen. Denkbar ist das etwa bei der Kampagne „#HassBeimNamenNennen“ des Zentralrats der Juden nach Start der öffentlichkeitswirksamen Aktion für nachfolgende Einsendungen. Zu beachten bleibt, dass neben der objektiven Erwartbarkeit der Veröffentlichung durch die betroffenen Stellen ein entsprechender Vorsatz auf Seiten des Täters vorliegen muss. Vgl. Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (336); zust. Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (590 f.); generell dazu, dass es ausreichen kann, wenn zu erwarten ist, dass sich die betroffene Person aus Empörung oder Sorge an die Öffentlichkeit wendet Krauß, in: LK-StGB, 8. Bd., 13. Aufl (2021), § 130 Rn. 79; sowie Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, § 130 Rn. 25; a.A. Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (398 f.).
[46]    BT-Drs. 19/31115, S. 14; zur besonderen Bedeutung der Öffentlichkeitsfähigkeit bei Nr. 2 Streng, S. 501 (516 f.); sowie Hörnle, S. 309.
[47]    Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (591) m.w.N.
[48]    Siehe I. 2.
[49]    Ebenfalls auf die individuelle Menschenwürde als Kernbereich persönlicher Ehre abstellend Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 7; a.A. Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, 30. Aufl. (2023), § 192a Rn. 1 f.: Schutz der überindividuellen Menschenwürde und größere Nähe zu § 130 StGB; zumindest auch Allgemeininteressen geschützt sehend Fischer, StGB, § 192a Rn. 3.
[50]    Dazu sogleich unter II. 1. b) aa).
[51]    Vgl. auch Fuhr, Die Äußerung im Strafgesetzbuch, 2001, S. 149.
[52]    Zu den Merkmalen der rassischen und religiösen Herkunft, sowie der Weltanschauung siehe unten III. 3. Ausf. zu den einzelnen Gruppenmerkmalen Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 17 ff.
[53]    Vgl. Fischer, StGB, § 192a Rn. 6; Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, § 192a Rn. 5; Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (594); Jansen, GA 2022, 94 (101).
[54]    Vgl. auch Ebner/Kulhanek, ZStW 2021, 984 (992 f.); Fischer, StGB, § 192a Rn. 5; Jansen, GA 2022, 94 (96 ff.); Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 34.
[55]    Dazu Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (338).
[56]    S.o. I. 2.
[57]    Vgl. ausf. Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (338 f.); a.A. Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 14.
[58]    BT-Drs. 10/31115, S. 15; Fischer, StGB, § 192a Rn. 6; Valerius, in: BeckOK-StGB, 55. Ed. (Stand: 1.11.2022), § 192a Rn. 6.
[59]    Fischer, StGB, § 192a Rn. 6; Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (400).
[60]    Einerseits Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (402); andererseits Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 50; vgl. ausführlicher auch Rostalski/Weiss in diesem Heft.
[61]    BT-Drs. 19/31115, S. 15. Zu dem damit einhergehenden problematischen Verhältnis des Gelangenlassens zum Zugänglichmachen Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (401).
[62]    Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 12.
[63]    Ebner/Kulhanek, ZStW 2021, 984, 997; a.A. wohl, wenn darin zeitgleich ein öffentliches Zugänglichmachen zu sehen ist Heger, in: Lackner/Kühl/Heger, StGB, § 192a Rn. 3.
[64]    Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (340).
[65]    Vgl. Fischer, StGB, § 192a Rn. 8, der die bloße Kenntnis der Möglichkeit in der Regel nicht für den Vorsatz ausreichen lassen will.
[66]    So aber Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 63 mit dem zusätzlichen Hinweis, dass der Strafrahmen ohnehin dem der Beleidigung entspricht, wenn Inhalte verbreitet werden. Anzumerken ist aber, dass der Gesetzgeber mit § 192a StGB gerade diejenigen Handlungen erfassen wollte, die nicht einer Verbreitung i.S.d. § 185 Hs. 2 StGB entsprechen dürften.
[67]    Allein denkbar blieben die Fälle einer zwischen § 185 StGB und § 192a StGB abweichenden Täterschaft.
[68]    So Valerius, in: BeckOK-StGB, § 192a Rn. 11.
[69]    Fischer, StGB, § 192a Rn. 10; Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (341).
[70]    Dazu unten III. 3. c).
[71]    So auch Jansen, GA 2022, 94 (102 f.).
[72]    In dieser Konstellation erwartet Fischer, StGB, § 192a Rn. 5 den praktischen Regelfall.
[73]    Vgl. dazu Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (341).
[74]    Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, § 130 Rn. 2; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Schönke/Schröder, StGB, § 130 Rn. 1a jeweils m.w.N.
[75]    Schäfer/Anstötz a.a.O.; für einen rein objektiv ausgefüllten Friedensbegriff etwa Wandres, S. 214 ff.
[76]    Fischer, Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, 1986, S. 530; Hörnle, S. 93 f.; Junge, Das Schutzgut des § 130 StGB, 2000, S. 51; a.A. Wehinger, S. 82 ff.
[77]    Fischer, Öffentlicher Friede und Gedankenäußerung, S. 524 ff.; ders. GA 1989, 445 (451 f.); Hörnle, S. 105 f.
[78]    Vgl. Hörnle, S. 101 ff.
[79]    Altenhain, in: Matt/Renzikowski, 2. Aufl. (2020), § 130 Rn. 3 mit Verweis auf den Wunsiedel-Beschluss; Jacobi, Das Ziel des Rechtsgüterschutzes bei der Volksverhetzung, 2010, S. 231 ff.; Junge,
S. 26; Mitsch, KriPoZ 2018, 201, 203; Schroeder, Die Straftaten gegen das Strafrecht, 1985, S. 11; Hörnle, S. 94 ff.; i.E. auch Roxin/Greco, § 2 Rn. 49.
[80]    Krauß, in: LK-StGB, § 130 Rn. 8 m.w.N.
[81]    Ohne nähere Begründung statt vieler Knauer, ZStW 2014, 302 (330 f.); Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, § 130 Rn. 3.
[82]    Streng, S. 501 (512 f.); Wandres, S. 222 f.
[83]    Androulakis, S. 96; Jacobi, S. 228 f.; Wehinger, S. 90 ff.; jüngst Hong zum Künast-Fall, online verfügbar unter: https://verfassungsblog.de/apropos-kuenast-fall/ (zuletzt abgerufen am 11.4.2023); a.A. Hörnle, S. 128 f., die konsequenterweise eine individuelle Menschenwürdeverletzung nur von identitätsgeprägten Gruppen für möglich hält und daher die Streichung der Auffangformel „Teile der Bevölkerung“ für § 130 Abs. 1 Nr. 2 StGB fordert (S. 288).
[84]    Frommel, KJ 1995, 402 (408 f.); Foerstner, S. 169 ff. mit Verweis auf BVerfGE 87, 209 (228 f.) zu § 131 StGB; Streng, S. 501 (508); zur gruppenbezogenen Menschenwürde Groß, JöR 2018, 187 (204) mit Verweis auf Feldman, Public Law 1999, 682 (684).
[85]    Dazu schon eingehend Krone, Die Volksverhetzung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, 1979, S. 79 f.
[86]    Vgl. Jacobi, S. 234 ff. ohne dabei auf die Menschenwürde in ihrer überindividuellen Form zurückzugreifen.
[87]    BGBl. I S. 3187.
[88]    Vgl. BT-Drs. 12/6853, S. 24; eine Erklärung mit Blick auf die Erfassung des „unqualifizierten“ Ausschwitzleugnens liefert Jacobi, S. 238 f.
[89]    Hörnle, S. 296 f.; sogar ohne eine Ausnahme für möglich zu halten Reichard, Die Behandlung fremdenfeindlicher Straftaten im deutschen Strafrecht, 2019, S. 114.
[90]    Hörnle, S. 297 geht indessen davon aus, dass es sich bei Nr. 1 um ein zusätzliches Unrecht handele, welches auf Strafzumessungsebene zu berücksichtigen sei.
[91]    OLG Köln, BeckRS 2020, 13032.
[92]    Vgl. Mitsch, JR 2011, 380 (381), der richtigerweise die Frage aufwirft, auf welcher Grundlage die Grenze zu ziehen ist. Zustimmend Nawrousian, JR 2017, 567 (569).
[93]    Zur Übertragung der Störungsklausel auf die Gefährlichkeit für die Individualrechtsgüter Jacobi, S. 254.
[94]    Vgl. Mitsch, KriPoZ 2018, 198 (200); krit. dazu Hörnle, S. 106 f.
[95]    Mitsch, KriPoZ 2018, 198 (201).
[96]    So wohl Linke, JR 2019, 17 (20).
[97]    Differenzierend dazu Rostalski/Weiss in diesem Heft.
[98]    Vgl. auch Großmann, GA 2020, 546 (563); Steinl/Schemmel, GA 2021, 86 (98 f.).
[99]    Vgl. auch Kusche in diesem Heft.
[100]   In diese Richtung gehen die Vorschläge bei Hilgendorf, NJW-aktuell 41/2021, 14; Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (592). Beschränkungen auf bestimmte, etwa marginalisierte oder identitätsgeprägte Gruppen schlagen vor Androulakis, S. 80 f.; Foerstner, S. 60; Hörnle, S. 127; Magen, VVDStRL 2018, 67 (93); Wandres, S. 205.
[101]   Siehe oben I. 2. Gegen die Selektion bestimmter Gruppen Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (399 f.); Rostalski/Weiss in diesem Heft.
[102]   Ebner/Kulhanek, ZStW 2021, 984 (991); Hilgendorf, NJW-aktuell 41/2021, 14; ders., in: LK-StGB, § 192a Rn. 27; Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (339).
[103]   M.w.N. Serr, in: Staudinger BGB, Buch 2, 18. Aufl. (2020), § 1 AGG Rn. 20 f.
[104]   Zum Fehlen des Geschlechts bereits: Ebner/Kulhanek, ZStW 2021, 984 (991); Hallweger/Thümler, NStZ 2023, 76 (82); Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (339 f.); zum Begriff der geschlechtlichen Identität vgl. auch § 1 Abs. 1 KonvBehSchG; dazu eingehend Grafe, Zur Strafbarkeit von Konversionsmaßnahmen unter besonderer Berücksichtigung des „Gesetzes zum Schutz vor Konversionsbehandlungen“, 2022, S. 125 ff.
[105]   Siehe I. 2.
[106]   Jedenfalls krit. auch Ebner/Kulhanek, ZStW 2021, 984 (989 f.); anders aber Hilgendorf, in: LK-StGB, § 192a Rn. 22, der eine Auslegung im engen Zusammenhang mit § 166 StGB vorschlägt.
[107]   Jansen, GA 2022, 94 (106); krit. auch Fischer, StGB, § 192a Rn. 2; eine weite Auslegung, die den aktiv gelebten Glauben einschließt wird jetzt schon vorgeschlagen von Hilgendorf, in: LK-StGB,
§ 192a Rn. 20.
[108]   Vgl. EuGH, BeckRS 2015, 80950 Rn. 46; Lasserre, NZA 2022, 302 (305).
[109]   M.w.N. Lang, Vorurteilskriminalität, 2015, S. 361; zum antimuslimischen Rassismus etwa Cremer, ZRP 2017, 151 (152); grundsätzlicher Barskanmaz, Recht und Rassismus, 2019, S. 88 ff.
[110]   Hilgendorf, NJW-aktuell 41/2021, 14; Jansen, GA 2022, 94 (106).
[111]   Stellvertretend Ludyga, NJW 2021, 911 ff.
[112]   So Hilgendorf, NJW-aktuell 41/2021, 14; ders., in: LK-StGB, § 192a Rn. 18, 21.
[113]   Thüsing, in: MüKo-BGB, 9. Aufl. (2021), § 1 AGG Rn. 21; Serr, in: Staudinger, § 1 AGG Rn. 16; Ludyga, NJW 2021, 911 (914); Lasserre, NZA 2022, 302 (305).
[114]   Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (341); vgl. auch Hoven/Witting, NStZ 2022, 589 (593); Jansen, GA 2022, 94 (105 f.); Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (401); Valerius, in: BeckOK-StGB, § 192a Rn. 3.
[115]   Bezogen auf die §§ 186 f. StGB wäre also nur das Behaupten, nicht aber das Verbreiten falscher Tatsachen umfasst.
[116]   Siehe unten IV.
[117]   Vgl. dazu Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (341); allgemeiner Fuhr, S. 127 ff.
[118]   Vgl. Kubiciel, Stellungnahme zu BT-Drs. 19/28678, S. 9; Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (340).
[119]   Siehe oben II. 1. b) bb). Vgl. auch Nussbaum, KriPoZ 2021, 335 (338); i.E. auch Jansen, GA 2022, 94 (106).
[120]   Jansen, GA 2022, 94 (106); Valerius, in: BeckOK-StGB, § 192a Rn. 6.
[121]   Mitsch, KriPoZ 2022, 398 (402) mit zusätzlicher Problematisierung des § 16 Abs. 1 StGB in Bezug auf das Negativmerkmal (S. 403).
[122]   BT­Drs. 10/3242, S. 11.
[123]   BT­Drs. 10/3242, S. 11; statt vieler Eisele/Schittenhelm, in: Schön-ke/Schröder, StGB, § 194 Rn. 6a.
[124]   Zur Ausnahme der Personenidentität oben Fallbeispiel 13.
[125]   Vgl. Renzikowski, in: MüKo-StGB, § 184i Rn. 21; ders., NJW 2016, 3553 (3557); Eisele, in: Schönke/Schröder, StGB, § 184i Rn. 15; ders., RPsych 2017, 7 (26).
[126]   Dazu ausführlich Linke, Das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bei relativen Antragsdelikten, 2021, S. 245.

 

 

 

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