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Sinn und Unsinn der Strafbarkeit des Dopings – Eine Analyse

von Rechtsanwalt Dr. Ingo Bott und Prof. Dr. Wolfgang Mitsch

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Abstract

Die durch das neue Antidopinggesetz erweiterte Mobilisierung des deutschen Strafrechts zur Befreiung des Spitzensports von der Plage des Dopings stößt auf Zustimmung und Ablehnung zugleich. Letzteres ist eine verbreitete Haltung unter Juristen, die sich mit dem Strafrecht beschäftigen, also dem Fach und Rechtsgebiet, das mit besonderem Nachdruck dem Juristen zum – nach Radbruch – gebotenen „schlechten Gewissen“ verhelfen dürfte. Für die Begeisterung, die dem Gesetz aus anderen Quellen entgegenschlägt, können die beiden sportbegeisterten Autoren kein rechtes Verständnis aufbringen.

I. Die Kernfrage nach der strafrechtlichen Bekämpfbarkeit von Doping

Unsere erste These dürfte wenig Widerspruch ernten: Doping ist eine der größten Herausforderungen der Sportgeschichte.[1] Dazu ist es nahezu allgegenwärtig: Ben Johnson (Leichtathletik),[2] Lance Armstrong (Radsport),[3] Maria Sharapowa (Tennis).[4] Die Namen der Sportler sind ebenso bekannt, wie die dazu gehörenden Dopingskandale. Die Liste wäre fast beliebig verlängerbar und ließe sich auf fast jede Sportart ausdehnen.[5]

Die zweite These steuert der Gesetzgeber bei: Ohne das Strafrecht ist der Dopingproblematik nicht beizukommen. Zuzugeben ist, dass der Gesetzgeber das nicht selbst explizit so formuliert. Außer Frage steht allerdings mit dem Bundesverfassungsgericht, dass das vielbeschworene scharfe Schwert des Strafrechts nur dann „als ‚ultima ratio‘ des Rechtsgüterschutzes eingesetzt“ wird, „wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist.“[6]

Am 10.12.2015 hat der Bundestag in diesem Zusammenhang das am 18.12.2015 in Kraft getretene Gesetz gegen Doping im Sport (AntiDopG) beschlossen, obwohl die strafrechtliche Sanktionierung von Doping erst am 13.08.2013 durch das dritte Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften erweitert worden war.[7]

Der Beitrag fragt danach, ob und inwieweit dieser Schritt gerechtfertigt war, wie sich die derzeitige Rechtslage darstellt und insbesondere danach, auf welche möglichen Konsequenzen sich Sportlerinnen, Sportler, Sportvereine und Sportverbände zukünftig einzustellen haben.[8]

Besondere Schwerpunkte liegen dabei auf der durch das AntiDopG neu eingeführten Strafbarkeit des Selbst-dopings und der Frage, ob und wie Kollektivstrafen, wie sie das Verbands- und teilweise heute auch das Strafrecht de lege ferenda kennen, künftig im Dopingkontext vorstellbar sind.

II. Die Schutzzwecke des AntiDopG

Das AntiDopG dient nach § 1 der Bekämpfung des Einsatzes von Dopingmitteln und Dopingmethoden im Sport, um die Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler zu schützen, die Fairness und Chancengleichheit bei Sportwettbewerben zu sichern und damit zur Erhaltung der Integrität des Sports beizutragen. Strafbar sind nach § 4 AntiDopG sowohl das Doping durch einen anderen (§ 2 AntiDopG), als auch das Selbstdoping
(§ 3 AntiDopG).

Zwar wird der Begriff des Dopings nicht legaldefiniert, die Bezugnahme des § 1 AntiDopG auf Sportler und Sportwettbewerb zeigt aber, dass sich Doping im Sinne des Gesetzes aus den Komponenten der künstlichen Leistungssteigerung und des Erreichens dieses Ziels durch die Zuführung oder Verwendung medizinisch nicht indizierter oder sogar verbotener Substanzen zusammensetzt.[9]

1. Gesundheit der Sportlerinnen und Sportler

a) Bisheriger Gesundheitsschutz im Sport

Die Gesundheit eines Menschen ist zu Recht grundrechtlich geschützt. Jeder hat das Recht auf körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG.

Es ist zweifelsohne ein wünschenswertes Anliegen, diejenigen, die gedopt, also mit illegalen Wirkstoffen behandelt werden sollen, zu schützen. Das gilt umso mehr in einer Zeit, in der die umfassende ärztliche Betreuung von Sportlern nicht nur zu deren Gunsten, sondern auch zu deren Nachteil wirken mag. Zu denken ist dabei etwa an den „bunten Strauß von Arzneien“, den die Fußballnationalmannschaft der Ukraine nach ihrem Ausscheiden bei der Europameisterschaft 2016 in Frankreich zurückließ.[10]

Jedenfalls dort, wo die Applikation eines Dopingmittels eine körperliche Beeinträchtigung des Sportlers zur Folge hat, war dies allerdings auch vor Erlass des AntiDopG strafbewehrt.

b) Schutz des Lebens durch Tötungsdelikte

Doping kann  zum Tod führen.[11] Nimmt der das Dopingmittel verabreichende Dritte die tödliche Wirkung des Mittels billigend in Kauf, unterfiel – und unterfällt – das den vorsätzlichen Tötungsdelikten der §§ 211 f. StGB. Auch die fahrlässige Tötung war und ist hier strafbar, § 222 StGB. Eine solche kann in Betracht kommen, wenn die Verabreichung des Dopingmittels, welches in Art und Wirkung nur dem Übergebenden bekannt ist, dem Sportler selbst überlassen wird. Die Strafbarkeit desjenigen, der den Akt der Selbstgefährdung veranlasst, ermöglicht oder fördert, beginnt dann, wenn er erkennt, dass das Opfer die Tragweite seines Entschlusses nicht überblickt. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit für sich ergebende Folgen knüpft daran an, dass der ein Mittel Übergebende kraft überlegenen Sachwissens das Risiko besser erfasst, als der sich selbst Gefährdende.[12]

c) Schutz der körperlichen Integrität durch Körperverletzungsdelikte

Erhält der Sportler durch einen Dritten „nur“ eine leistungsfördernde Substanz, unterfiel und unterfällt dies auch weiter aufgrund der Neben- oder Folgewirkungen für die körperliche Integrität abhängig von der subjektiven Haltung des Verabreichenden den Körperverletzungstatbeständen, §§ 223 ff., 229 StGB.[13] Richtet das verabreichte Dopingmittel Schäden an, ist es für eine Strafbarkeit nach dem StGB unerheblich, ob es auf einer Dopingliste erfasst ist.[14] Eine Einwilligung in die entstehenden Nachteile konnte im Sinne des § 228 StGB aufgrund des Verstoßes gegen den sport-ethischen Gedanken der Fairness und Chancengleichheit bereits vor Erlass des AntiDopG unter generalpräventiven Gesichtspunkten als unwirksam gelten.[15]     

d) Strafbarkeit des Selbstdopings

Das AntiDopG macht bei Eingriffen in die körperliche Integrität durch einen anderen jedoch nicht Halt. Darüber hinaus hat es auch den Anspruch, Sportler vor sich selbst zu schützen. Konkret ist es strafbewehrt, ein Dopingmittel oder eine Dopingmethode bei sich anzuwenden oder anwenden zu lassen, §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 4 AntiDopG. Der das Dopingmittel Konsumierende ist in diesen Konstellationen kein Opfer. Kein anderer hat ein höheres Sachwissen oder eine umfassendere Einsicht. Der Dopende handelt vielmehr als Täter gegen sich selbst. Bereits auf den ersten Blick erscheint das mit dem Übermaßverbot schwer vereinbar.

Fraglich ist, ob und wie die selbstgewählte Beeinträchtigung der eigenen körperlichen Integrität mit dem Gesundheitsschutz vereinbar ist. Bedenklich ist der Ansatz zunächst, da er dem gerade im Zusammenhang mit Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit entwickelten Prinzip der Eigenverantwortlichkeit entgegensteht.[16] Der durch die strafrechtliche Sanktionierbarkeit transportierte staatliche Eingriff ignoriert indessen nicht nur die allgemein anerkannte Möglichkeit einer freiverantwortlichen Selbstschädigung, sondern geht weit darüber hinaus.

Die Kehrseite eines strafrechtlichen Verbots ist die staatlich formulierte Verhaltenserwartung im Sinne eines Gebots. Zu fragen ist an dieser Stelle, wozu ein Mensch zum Schutz seiner selbst gezwungen werden darf. Die Frage ist dabei allein auf die Konstellation des Dopings beschränkt. Andere Selbstverletzungen bleiben weiterhin erlaubt, etwa der übermäßige Konsum von Alkohol, Nikotin, Zucker oder Selbstverletzungen zum sexuellen Lustgewinn.

Bevor zu überlegen ist, ob der Gesundheitsanspruch des Einzelnen mangels vernünftiger Einsicht zwingend eines staatlichen Protektionismus im Sinne einer Strafandrohung für Fehlverhalten (ausschließlich) in Dopingfällen bedarf, soll beleuchtet werden, wie sich die Rechtslage bislang darstellte. Zu fragen ist damit danach, ob die „dopingfreie Gesundheit“ tatsächlich etwas Neues ist. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Vorgängerregelungen des AMG in den Blick zu nehmen.

Nach § 96 Nr. 11 AMG a.F. machte sich strafbar, wer Dopingmittel, die unter den Begriff der Arzneimittel, § 3 AMG, fallen – was bei den meisten Dopingsubstanzen der Fall ist –, ohne Vorlage einer ärztlichen Verschreibung an Sportler oder Betreuer abgab. § 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG a.F. stellte in Verbindung mit § 6a AMG a.F. die „Verschreibung“, die „Anwendung von Dopingmitteln bei anderen“ sowie das „Inverkehrbringen“ unter Strafe.[17] Verfolgbar waren damit ausschließlich die „Hintermänner“, damit Ärzte, Hersteller, oder Trainer.[18] Das bedeutete allerdings nicht, dass der selbst Dopende kein strafrechtlich relevantes Risiko einging. Nach §§ 95 Abs. 1 Nr. 2 lit. b AMG a.F. i.V.m. § 6a Abs. 2a AMG a.F. war vielmehr auch der Besitz oder Erwerb eines Mittels in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport strafbar.[19]

Damit war auch das Eigendoping strafbewehrt, dies selbst dann, wenn es mit einem Besitz von Dopingmitteln außerhalb eines sportlichen Wettbewerbs statt fand, etwa seitens eines Bodybuilders „ausschließlich zum Eigenverbrauch, um seinen Körper – aus seiner Sicht – zu verschönern“.[20] Das Amtsgericht Rosenheim erkannte dazu in einem 2010 entschiedenen Fall: „Das Gesetz stellt damit auf das abstrakte Gefährdungspotential der im Sport verwendeten Dopingmittel ab und nicht auf die konkrete Gefährdung im Einzelfall.“[21] Daraus folge: „Es trifft zu, dass der Gesetzgeber damit die reine Selbstgefährdung unter Strafe stellt. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Strafbarkeit erst ab dem Besitz einer vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern verordneten nicht geringen Menge beginnt. Gedanke des Gesetzgebers ist dabei der Schutz der Bevölkerung vor der Gefahr, dass nicht geringe Mengen dieser Stoffe hier leichter weiter verbreitet werden und auch bei bloßem Eigenkonsum die Gefahr einer erheblichen Gesundheitsgefährdung evident vorhanden ist.“.[22]

Auch nach dem AntiDopG bleibt der bloße Besitz von Dopingmitteln strafbar, §§ 4 Abs. 2, 3 Abs. 4 AntiDopG. Nach § 3 Abs. 4 S. 2, Abs. 1 S. 2 AntiDopG soll das jedoch dann nicht gelten, wenn kein Wettbewerbsbezug besteht. Durch diese Einschränkung ist das AntiDopG enger als die Vorgängerregelung des AMG, durch den Verzicht auf eine mengenmäßige Beschränkung wiederum weiter. Einen Weg zur Straflosigkeit eröffnet allein die nachstehend darzustellende tätige Reue, § 4 Abs. 8 AntiDopG.

Zusammenfassung: Mit dem Zweck des Gesundheitsschutzes geht kein Mehr an Rechtsklarheit einher. Auch vor dem AntiDopG war eine Bestrafung des Besitzes von Dopingmitteln zum Eigengebrauch strafbar. Neu ist damit allein die Strafbarkeit einer Selbstschädigung zu Dopingzwecken. Diese steht allerdings nicht nur in Widerspruch zu den sonstigen strafrechtlichen Grundsätzen und der Systematik des StGB. Es bleibt außerdem insbesondere fraglich, welcher positive Zweck zum Schutz der Gesundheit mit einer Strafandrohung gegenüber einem sich aus freien Stücken selbst an der Gesundheit Schädigenden erreicht werden könnte.

2. Fairness

Anders als der Begriff der Gesundheit ist das Konzept „Fairness“ strafrechtlich nicht vorgeprägt. Im deutschen Rechtsraum kommt es bislang, wenn überhaupt, im Rahmen des Wettbewerbsrechts zum Ausdruck. Setzte man „(un)fair“ nun mit „(un)lauter“ gleich, ginge das in Richtung eines sportspezifischen Wettbewerbsrechts. Tatsächlich sind aufgrund der wirtschaftlichen Dimensionen, in welchen sich der professionell organisierte Sport, an den sich das AntiDopG – vermeintlich ausschließlich – richtet, vgl. § 3 Abs. 1 S. 2, Abs. 3, Abs. 4 S. 1 AntiDopG, Parallelen zum klassischen, durch das UWG normierten Wirtschaftswettbewerb nicht von der Hand zu weisen. [23]

Fraglich ist aber, ob die Strafgesetzgebung tatsächlich einen Beitrag zu leisten vermag, um den Sport wettbewerbsoffener zu halten Zu beachten ist dabei, dass dem professionellen Sport Regeln und Organisation immanent sind. Sportarten und Sportler sind in Verbänden organisiert, die wiederum einem spezifischen Verbandsrecht und der Jurisdiktion sportgerichtlicher Rechtsprechung unterliegen.[24] So ist es nach § 4 Nr. 1 lit. j) der Satzung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Aufgabe des Verbandes, „die Integrität des sportlichen Wettbewerbs zu gewährleisten und hierzu alle notwendigen wettbewerbssichernden Maßnahmen zu treffen“.[25] An dieser Stelle macht das Sinn: Ohne einen sportlichen Wettbewerb wäre die gesamte Grundlage des Sportverbandes in Frage gestellt. Entsprechend finden sich vergleichbare Erklärungen auch in den Satzungen anderer Verbände.[26]

Bleiben wir bei der Satzung des DFB: Dieser hat nach § 4 Nr. 1 lit. k) die Aufgabe, „das Dopingverbot zu beachten und durchzusetzen, um Spieler vor Gesundheitsschäden zu bewahren und Fairness im sportlichen Wettbewerb und Glaubwürdigkeit im Fußballsport zu erhalten. Der DFB stellt sicher, dass zu diesem Zweck Doping-Kontrollen durchgeführt werden“.[27] Die Parallelen zu § 1 AntiDopG sind augenfällig. Gänzlich unterschiedlich ist allerdings der Hintergrund: Während eine verbandsbezogene Sanktion erfordert, dass sich ein Sportler aus freien Stücken dem Recht des Verbandes unterwirft, beansprucht das Strafrecht Allgemeingültigkeit. Dennoch bietet es kein Mehr an Schutz des Wettbewerbs. Im Gegenteil: Die Verbandsmaßstäbe gehen über den „sportstrafrechtlichen“ Bereich regelmäßig hinaus. Zu denken ist etwa an einen Athleten, der vor dem Wettkampf Alkohol konsumiert („Zielwasser“).[28] Während dies nach dem fairnessschützenden AntiDopG straflos bliebe, erfolgte nach dem fairnessschützenden Verbandsrecht eine Sanktion.

Festzuhalten ist damit, dass die Fairness im sportlichen Wettbewerb nicht nur für sich ein konturenloser Begriffsklotz ist. Auch eine Anlehnung an den verbandsrechtlich formulierten Fairnessgedanken kommt kaum in Betracht.

Zusammenfassung: Die Fairness im Sport wird jeweils sportverbandsrechtlich geschützt. Da es sich dabei um eine Existenzgrundlage des sportlichen Wettbewerbs handelt, ist das sinnvoll, zugleich aber auch genügend. Die Einführung eines „Sportwettbewerbsstrafrechts“ leistet darüber hinaus keinen Mehrwert. Sie vermengt nicht nur das freiwillig angenommene Verbandsrecht mit öffentlichen Interessen. Darüber hinaus bleibt der gewährleistete Schutz regelmäßig hinter „bloßem“ Verbandsrecht zurück.

3. Chancengleichheit bei Sportwettbewerben

Mit dem nicht weiter umschriebenen Konzept der Chancengleichheit gibt der Gesetzgeber zugegebenermaßen Rätsel auf. Anders als bei der Fairness hilft hier auch keine Anleihe bei gängigen Satzungen weiter. Zwar ist anzunehmen, dass sich der Gesetzgeber insbesondere bei der Ausformulierung der Zwecke eines schon vorab nicht unumstrittenen Gesetzes Gedanken darüber macht, wie diese Zwecke zu bestimmen seien. Dennoch übersteigt es die Phantasie der Autoren, worin, jenseits von Wortklaubereien (das eine objektiv, das andere subjektiv empfunden?) der Unterschied zwischen Fairness und Chancengleichheit liegen mag. Bis das nicht geklärt ist, bleibt es bei den im vorherigen Abschnitt benannten Vorbehalten.

Erlaubt sei allerdings die Frage, wie sich der strafrechtlich abgesicherte Schutz der Chancengleichheit mit dem Legalitätsprinzip nach § 152 Abs. 2 StPO vereinbaren lässt. Wo sich ein Verband am Ende selbst genügen kann, hat das Strafrecht bei einem Anfangsverdacht einzugreifen. Was aber, wenn bei einem Wettkampf ein Sportler (verbandsrechtlich) des Dopings überführt ist und der Zweite fast ebenso schnell war? Ist dann auch gegen den Zweiten strafrechtlich zu ermitteln? Wann ist der Dritte langsam genug, dass nach kriminalistischer Erfahrung kein Anfangsverdacht im Raum steht? Wo (wenn nicht aus dem Verband) kommt diese kriminalistische Erfahrung an der Stelle her?

Darüber hinaus stellt sich die Frage, in welchem Umfang die Chancengleichheit tatsächlich garantiert werden kann. Wird der deutsche nicht-dopende Sportler auch vor ausländischen dopenden Sportlern geschützt? Die Frage kann in Anbetracht des Inlandsprinzips, § 3 StGB, mit „ja“ beantwortet werden, solange es sich um in Deutschland stattfindende Wettkämpfe handelt. Sobald der deutsche nicht-dopende Sportler an im Ausland stattfindenden Wettkämpfen teilnimmt, ist er gegen ausländische dopende Sportler nicht mehr geschützt. Aufgrund dessen, dass der Wettbewerb des organisierten Sports von Internationalität geprägt ist, kann das Gesetz seinen Zweck hinsichtlich der Garantie der Chancengleichheit nicht erfüllen.[29]

4. Zusammenfassung

Klar ist: Doping im Sport ist ein enormes Problem. Es verfälscht den sportlichen Wettbewerb und bringt Gefahren für die Gesundheit der Sportler mit sich. Unklar ist dagegen, inwiefern das als Allheilmittel im Kampf gegen dieses Übel angepriesene AntiDopG tatsächlich dazu beitragen kann, dem entgegenzuwirken.

Möglicherweise findet sich der eigentliche Zweck des AntiDopG aber auch gar nicht in § 1 normiert. Möglicherweise sollte auch weniger von einem „Zweck“, denn von einem „Nutzen“ gesprochen werden. Keine Zweifel gibt es nämlich daran, dass die Bekämpfung des Phänomens „Doping“ bislang erheblichen Beweisproblemen unterliegt. Zu beleuchten ist daher, ob eine strafrechtliche Verfolgbarkeit des Dopings hier weiterhilft. Da dies, das sei vorweggenommen, so ist, muss nach den Unterschieden zur vorherigen Rechtslage ebenso gefragt werden, wie nach der Legitimation eines solchen – inoffiziellen – Zwecks.

III. Das AntiDopG als Wundermittel bei Beweisfragen?

Mag das Zwischenergebnis lauten, dass sich die Einführung des AntiDopG kaum mit den in § 1 genannten Anliegen begründen lässt, könnten seine Regelungen doch dem – quasi inoffiziellen – Zweck der Erleichterung von Beweisfragen dienen, welche die Dopingverfolger sowohl auf strafrechtlicher als auch verbandsrechtlicher Ebene bislang regelmäßig vor unlösbare Herausforderungen gestellt hat. Fakt ist, dass ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren aufgrund der zur Verfügung stehenden strafprozessualen Möglichkeiten (z.B. Durchsuchungen; Sicherstellungen) sehr viel weiterreichende Aufklärungsansätze im Arsenal hat, als ein verbandsrechtlich basiertes Verfahren.

Der Nachweis der objektiven Merkmale des Dopingtatbestandes wird in der Regel über eine im Labor generierte A-Probe geführt. Zweifel an der Richtigkeit der Probe wirken sich zugunsten des Sportlers aus.[30] Schwieriger stellt sich der Beleg der subjektiven Tatseite dar. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang, dass der Court of Arbitration for Sport (CAS) teilweise eine Vorgehensweise entsprechend des Prinzips einer strict liability vertritt und damit allein das Vorhandensein verbotener Methoden für die Annahme von Doping genügen lässt.[31] Dies konfligiert mit dem im Strafverfahren verankerten Prinzip der Selbstbelastungsfreiheit. Im Rahmen verbandsrechtlicher Kontrollsysteme ist der Sportler verpflichtet, Dopingproben abzugeben. Können diese Proben als Beweis im Strafverfahren dienen? Der Gesetzgeber scheint darin kein Problem zu sehen, sodass er die Verankerung von Beweisverwertungsverboten für nicht nötig hielt.[32]

IV. Das AntiDopG als Türöffner für Kollektivstrafen?

Bislang war von Hintergründen und Chancen des AntiDopG die Rede. Es gehen mit den neuen Regelungen jedoch auch unüberschaubare Risiken einher, dies insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit eines kollektiven Strafens. Vorab sei erwähnt, dass eine kollektive Sanktionierung auf Verbandsebene keine Seltenheit ist. Dopt ein Sportler, können auch der Mannschaft oder dem Verein Abzüge drohen. Ebenso sei klargestellt, dass solche Regelungen bislang im AntiDopG nicht vorgesehen sind.

Da sich das AntiDopG allerdings, wie gezeigt, als eine Art „optimiertes Verbandsrecht“ verstehen lässt, ist der Frage nachzugehen, ob in Zukunft auch in kollektivstrafender Hinsicht eine Erweiterung zu erwarten ist.

Als konkretes Beispiel sei der Ausschluss der russischen Leichtathleten von den Olympischen Spielen in Rio 2016 genannt. Der Sachverhalt ist schnell dargestellt: Am 17.06.2016, 49 Tage vor dem Beginn der Spiele, entschied der Welt-Leichtathletikverband, die IAAF, die russischen Athleten entsprechend einer seit Herbst 2015 bestehenden Regelung nicht am Wettbewerb in Brasilien teilnehmen zu lassen.[33] Für die Athleten kam diese Entscheidung einem Berufsverbot gleich. Es mögen hier, ungeachtet der Qualität der Verdachtsmomente, Parallelen zu § 132a Abs. 1 StPO erkennbar sein, soweit der einzelne Athlet betroffen ist. Nur: Wann ist er das? Woran knüpft seine Betroffenheit an? Und wie wäre eine solche „Sippenhaft“ in einem – zwangsläufig individualisierten und nach Schuldaspekten fragenden – Strafverfahren denkbar?

Einen verständlichen Denkanstoß gibt in diesem Zusammenhang Jelena Issinbajewa in ihrer Stellungnahme zu dieser „Kollektivstrafe“[34]: „Wenn man nach einem Diebstahl zehn Tatverdächtige hat, aber nicht ermitteln kann, wer von denen gestohlen hat, dann schickt man doch auch nicht alle zehn für zwei Jahre ins Gefängnis.“[35] Damit hat die Sportlerin Recht. Nicht beantwortet ist allerdings die Frage, ob nicht dennoch bei deutschen Sportlern oder bei einem sportlichen Wettkampf auf deutschem Boden parallel ein Strafverfahren nach den Regeln des AntiDopG zu führen wäre.

Ebenso offen ist, ob das AntiDopG einen Türöffner für Sanktionen gegen Vereine oder Verbände nach
§ 30 OWiG mit sich bringt (und/oder bringen soll). Denkbar wäre ein relativ müheloses Konstrukt einer Zurechnung über § 130 OWiG unter Anknüpfung an ein seitens des Vereinsvorstandes gebilligtes Dopen. Ob und wie sich diese Fragen in der Rechtspraxis stellen, wird spannend zu verfolgen sein.

V. Dogmatische Analyse der Strafvorschriften des Antidopinggesetzes

Die noch nicht lange zurückliegenden Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro[36] haben  der Öffentlichkeit eindringlich gezeigt, dass das Strafrecht nicht nur eine segensreiche Einrichtung zur Gewährleistung von Frieden, Sicherheit und Freiheit ist. Als Bewahrer der existierenden gesellschaftlichen Ordnung (status quo) dient es leider auch der Stabilisierung unheilvoller Strukturen, die sich die Menschheit in ihrem unstillbaren selbstzerstörerischen Drang nach „Fortschritt“ (citius, altius, fortius)[37] – ohne Rücksicht auf die Belastbarkeit der Natur – im Laufe der Zeit geschaffen hat. Dazu gehört in seiner Ambivalenz nicht zuletzt der megalo-manische Spitzensport, zu dessen Rettung nunmehr auch die Strafrechtspflege vom Gesetzgeber einen  – aussichtslosen – Auftrag erhalten hat.[38] Doping soll bekämpft werden, damit der einzige Makel, der umweltzerstörende und menschenverachtende Großveranstaltungen wie z. B. die irrsinnige  Fußballweltmeisterschaft in Katar bei der breiten Masse in Misskredit bringen könnte, beseitigt wird oder zumindest dem Volk vorgespiegelt wird, er werde beseitigt. Das ist Symbolpolitik in Reinkultur.[39]  Die Strafjustiz ist selbstverständlich verpflichtet, dieses überflüssige und illegitime[40], aber geltende Gesetz vorbehaltlos, konsequent und richtig  anzuwenden, § 152 Abs. 2 StPO. Daher hat auch die Strafrechtswissenschaft Grund und Anlass, das Antidopinggesetz strafrechtsdogmatisch zu durchleuchten. Auch dazu sollen hier einige Impulse gegeben werden.

1. Unerlaubter Umgang und unerlaubte Anwendung

Die Verbote gegen „Umgang“ und „Anwendung“ von Doping sind nun in § 2 AntiDopG, die Strafbewehrung der Verbote ist in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AntiDopG geregelt. Überwiegend handelt es sich dabei um Normen, die bisher Bestandteil des Arzneimittelgesetzes gewesen sind.[41]

a) Tatbestandsmäßige Handlungen

2 AntiDopG hat den Kanon der verbotenen Handlungen gegenüber § 6a AMG a.F. um einige zusätzliche Varianten erweitert:[42] Neu sind die Verbote des Herstellens (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG) und des Handeltreibens (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 AntiDopG), sowie – bei nicht geringer Menge – des Erwerbs, Imports und Transits (§ 2 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AntiDopG). Die bereits in § 6a Abs. 1 AMG enthaltene Variante des „Inverkehrbringens“ ist in § 2 Abs. 1 Nr. 3 AntiDopG in „Veräußern“, „Abgeben“ und „sonstiges Inverkehrbringen“ aufgefächert worden. „Verschreiben“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 AntiDopG), „Anwenden bei einer anderen Person“ (§ 2 Abs. 2 AntiDopG) und „Besitzen in nicht geringer Menge“ (§ 2 Abs. 3 AntiDopG) wurden aus § 6a Abs. 1 und Abs. 2a AMG übernommen.

b) Täter

2 AntiDopG enthält keine explizite Beschränkung der Verbotsadressaten, dementsprechend ist in § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 2 AntiDopG der Kreis tauglicher Täter nicht auf bestimmte Personengruppen eingeschränkt. Täter können Sportler und Nichtsportler sein.[43] Wie schon im AMG sind die Tatbestände aber in erster Linie auf Täter zugeschnitten, deren tatbestandsmäßiges Handeln nicht in Zusammenhang mit eigener sportlicher Wettkampfteilnahme steht. Das „Selbstdoping“ ist als neue Verbots- und Strafrechtsmaterie in §§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 4, 5, Abs. 2 AntiDopG normiert. Täter dieser Delikte kann nur ein „Spitzensportler“ sein, § 4 Abs. 7 AntiDopG. Selbstverständlich kann ein Spitzensportler grundsätzlich auch Täter eines Dopingdelikts außerhalb des Bereichs Selbstdoping (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AntiDopG) sein. Fraglich ist das allein in Bezug auf den Besitztatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 3 AntiDopG. Denn Besitz zum Zwecke des Selbstdopings ist in § 4 Abs. 2 i.V.m. § 3 Abs. 4 AntiDopG pönalisiert und zwar mit einer gegenüber § 4 Abs. 1 Nr. 3 AntiDopG milderen Strafdrohung. Daher wird unten zu erörtern sein, ob sich ein Dopingmittel besitzender Spitzensportler aus § 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 3 AntiDopG strafbar machen kann.

 c) Teilnehmer

Die Strafbarkeit der Teilnahme an einem Dopingdelikt des § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AntiDopG richtet sich nach den allgemeinen Regeln, also §§ 26 ff. StGB. Schon auf der Grundlage des bisherigen Rechts in §§ 6a, 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG interessierte jedoch die Frage, ob und inwiefern sich ein Sportler als Teilnehmer an dem von z. B. Sportarzt oder Trainer täterschaftlich begangenen Delikt strafbar machen kann. Die Frage stellt sich auch im Rahmen der neuen Strafvorschriften. Soweit der teilnehmende Sportler nicht zugleich „Empfänger“ der vom Täter erbrachten „Dopingleistung“ – z. B. „Verschreibung“ (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 AntiDopG) oder „Anwendung“ (§ 4 Abs. 2 AntiDopG) – ist, besteht für eine von einem sonstigen Teilnehmer abweichende rechtliche Beurteilung keine sachliche Veranlassung. Stiftet A den Mediziner B an, bei Sportler C ein Dopingmittel anzuwenden, macht er sich aus § 4 Abs. 2 Nr. 1 AntiDopG i.V.m. § 26 StGB strafbar. Dabei macht es keinen Unterschied, ob A Sportler oder Nichtsportler ist.[44] Anders liegen die Dinge, wenn A Sportler ist und den Arzt darum bittet, das Dopingmittel bei ihm selbst – A – anzuwenden. Aus der Perspektive des A handelt es sich um einen Fall vorbereiteten Selbstdopings. Als Täter von Selbstdoping kommen Sportler, die nicht zum elitären Spitzensportler-Kreis (§ 4 Abs. 7 AntiDopG) gehören, nicht in Betracht. Diese generelle Entscheidung des Gesetzgebers für Straffreiheit des Selbstdopings unterhalb der Ebene des Spitzensportes darf nicht durch eine – subsumtionstechnisch begründbare – Teilnehmerstrafbarkeit ausgehebelt werden.  Selbstdoping ist nur unter den Voraussetzungen der §§ 3, 4 Abs. 1 Nr. 4, 5, Abs. 7 AntiDopG strafbar. § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, Abs. 2 i.V.m. § 2 AntiDopG erfasst den „Selbstdoper“ weder als Täter noch als Teilnehmer.[45] Insbesondere die Alternative „anwenden lässt“ in § 3 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 AntiDopG, die nichts anderes ist als die Teilnahme des Athleten an der Anwendungs-Tat des Täters, bestätigt, dass eine Teilnehmerstrafbarkeit des Sportlers bzgl. einer seinen eigenen Körper betreffenden Tat ausgeschlossen sein soll. Dass der den Mediziner anstiftende oder ihm Hilfe leistende Sportler formal die Voraussetzungen der Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB) erfüllt, ist demgegenüber unerheblich. Denn es handelt sich um Fälle straffreier „notwendiger Teilnahme“.[46] Für Spitzensportler i.S.d. § 4 Abs. 7 AntiDopG folgt daraus, dass sie nur wegen Erwerb gem. § 4 Abs. 2 AntiDopG und nicht wegen der mit höherer Strafe bedrohten Teilnahme an der Veräußerung von Dopingmitteln gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG i.V.m. §§ 26, 27 StGB strafbar sind.

 2. Selbstdoping

Die Strafbarkeit des Selbstdopings ist das bedeutende Novum des Antidopinggesetzes. Die schon vorher begründeten Zweifel an der Legitimität der Kriminalisierung, insbesondere am Berührtsein eines strafrechtlich zu schützenden Rechtsgutes, werden durch diese Ausweitung des Strafrechts verstärkt.[47]

a) Tatbestandsmäßige Handlungen

Strafbar sind die aktive Anwendung und das passiv duldende Anwendenlassen von Doping am eigenen Körper („bei sich“, § 3 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 4 AntiDopG), die Teilnahme an einem Wettbewerb des organisierten Sports im gedopten Zustand (§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 5 AntiDopG), sowie der Erwerb und Besitz von Doping zum Zwecke der Vorteilsverschaffung in einem Wettbewerb des organisierten Sports (§ 3 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 2 AntiDopG). Jeweils muss der Täter in der Absicht handeln, sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Mit spitzfindiger Textanalyse könnte ein Wettkampfteilnehmer zu seiner Verteidigung vorbringen, dass es ihm gar nicht um die Erlangung eines Vorteils gegenüber den Konkurrenten, sondern um die Verhinderung eines Nachteils gegangen sei. Denn in einem „dopingverseuchten“ Spitzensportmilieu hat jeder Teilnehmer Grund für die Annahme, dass alle Wettkampfgegner gedopt sind und daher durch die eigene Dopinganwendung keine Übervorteilung der anderen, sondern vielmehr lediglich Herstellung von Chancengleichheit bewirkt wird. Aber mit dieser nicht ganz unplausiblen Argumentation würde das gesamte Antiselbstdoping-Gebäude in Einsturzgefahr gebracht, weshalb ihr kein Erfolg beschieden sein dürfte. Als „Vorteil“ wird man deshalb die im Vergleich zur ungedopten Verfassung des Körpers größere sportliche Leistungsfähigkeit des gedopten Sportlers zu verstehen haben.

Mit der Pönalisierung von Erwerb und Besitz in § 3 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 2 AntiDopG ist die Strafbarkeit weit vorverlegt worden.[48] Gegenüber dem schon nach § 6a Abs. 2a i.V.m. § 95 AMG strafbaren Besitz bedeutet dies eine Erweiterung, weil es nicht auf eine „nicht geringe“ Mindestmenge ankommt. Abgemildert wird diese Strafrechtsvorverlagerung durch die obligatorische Straffreiheit gewährende Regelung des § 4 Abs. 8 AntiDopG. Danach beseitigt der Verzicht auf die Anwendung die Strafbarkeit, nicht hingegen der Verzicht auf die Teilnahme an dem Sportwettkampf. Zu beachten ist, dass § 4 Abs. 8 AntiDopG nur die Besitzstrafbarkeit gem. § 3 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 2 AntiDopG aufhebt.  Hat sich der Täter zugleich wegen Besitzes von Dopingmitteln in nicht geringer Menge nach § 2 Abs. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 3 AntiDopG strafbar gemacht, bleibt diese Strafbarkeit auch nach freiwilliger Aufgabe der Verfügungsgewalt gem. § 4 Abs. 8 AntiDopG erhalten. Dass sich ein Spitzensportler wegen Dopingmittelbesitz nicht nur aus § 4 Abs. 2 AntiDopG, sondern auch aus § 4 Abs. 1 Nr. 3 AntiDopG strafbar machen kann, steht außer Frage. Über die Annahme einer Spitzensportlerprivilegierung durch Ausschluss des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AntiDopG wäre allenfalls dann zu reflektieren, wenn § 4 Abs. 2 AntiDopG die Strafbarkeit ebenso wie § 4 Abs. 1 Nr. 3 AntiDopG auf den Besitz von Dopingmitteln in nicht geringer Menge begrenzen würde. Jedoch ist dem nicht so, zumal auch nicht zu sehen wäre, aus welchem Grund Spitzensportler in den Genuss einer Strafnorm kommen sollten, die milder ist als die für Nicht-Spitzensportler geltende.

Da § 3 Abs. 4 AntiDopG lediglich Eigenbesitzsituationen skizziert, ist zu überlegen, ob das Erwerbs- und Besitzverbot einschließlich der akzessorischen Strafdrohung dadurch umgangen werden kann, dass sich Sportler absprechen und „über Kreuz“ jeweils für den anderen erwerben und besitzen:  Die subjektive Strafbarkeitsvoraussetzung „um es bei sich anzuwenden“ würde dann keiner der beiden Beteiligten erfüllen. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die Praxis dieser Aus-manövrierung des Gesetzes mit dem Einwand begegnen würde, dass die Beteiligten Mittäter sind und daher der Besitz wechselseitig zuzurechnen ist (§ 25 Abs. 2 StGB).

b) Täter

Täter sämtlicher Selbstdoping-Tatbestände kann allein ein „Spitzensportler“ sein, § 4 Abs. 7 AntiDopG. Erheblichen Bedenken wegen Unbestimmtheit (Art. 103 Abs. 2 GG) ist in diesem Zusammenhang die Definition „Einnahmen von erheblichem Umfang erzielt“, § 4 Abs. 7 Nr. 2 AntiDopG ausgesetzt. Zugegebenermaßen kann man vom Gesetzgeber nicht erwarten, dass er die Erheblichkeit mittels einer Grenze in Gestalt eines konkreten Geldbetrages präzisiert. Das entspräche nicht deutscher Gesetzgebungstradition.[49] Unsicherheit vermag auch das Kriterium der „mittelbar“ aus der sportlichen Betätigung herrührenden Einnahme zu erzeugen.[50] Gemeint sind damit in erster Linie Einkünfte aus Werbeverträgen, die Sportlern wegen ihrer sportlichen Erfolge angeboten werden. Allerdings ist nicht jeder Superathlet ein tauglicher Werbeträger. Sportneutrale Faktoren wie gutes Aussehen, Charisma, Eloquenz, Witzigkeit oder auch „Freakyness“ spielen eine durchaus nicht zu unterschätzende Rolle. Solche Einnahmequellen erschließen sich also einem Sportler unter Umständen auf Grund ganz anderer das Publikum reizenden Eigenschaften als seiner sportlichen Leistung.  Ein Höchstmaß an Popularität und Prominenz erlangte z. B. der minderbegabte britische Skispringer Michael Edwards („Eddie The Eagle“), dessen sportliches Leistungsvermögen keinesfalls für die Eliteklasse reichte, der aber gerade wegen seiner mitleiderregenden dilettantischen Darbietungen bei den Olympischen Winterspielen 1988 in Calgary die Herzen der Zuschauer eroberte. Diese Beliebtheit machte sich auf dem Bankkonto von Michael Edwards in einem Umfang bemerkbar, von dem ein mittelmäßiger Leistungssportler ansonsten nur träumen kann. In einem solchen Fall ist also fraglich, ob es wirklich die „sportliche Betätigung“ allein ist, der der Athlet seine Einnahmen zu verdanken hat. Abgesehen davon ist zu bezweifeln, dass Eddie the Eagle mit Hilfe von Doping ein besseres Ergebnis als den letzten Platz im Olympischen Wettbewerb erzielt hätte.

c) Teilnehmer

Strafbarer Teilnehmer an einem Selbstdoping-Delikt kann jedermann sein, nicht nur ein Spitzensportler. Eine Strafrahmenmilderung gem. § 28 Abs. 1 StGB zugunsten von Externen ist sachlich geboten, da die in § 1 des AntiDopG betonten Sportwerte „Fairness“ und „Chancengleichheit“ eine besondere Verantwortung der am Wettbewerb teilnehmenden Spitzensportler begründen. Außenstehende haben diese Verantwortung nicht. Der Status „Spitzensportler“ ist also ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 StGB. Da das Sanktionsniveau bei Verstößen gegen § 3 AntiDopG – mit Ausnahme des § 3 Abs. 4 AntiDopG, vgl. § 4 Abs. 2 AntiDopG – dasselbe ist, stünde ein Täter, der einem Spitzensportler Dopingmittel verschafft, günstiger, wenn sein Verhalten lediglich als Teilnahme am Selbstdoping (§ 4 Abs. 1 Nr. 4 AntiDopG i.V.m. § 27 StGB) und nicht als täterschaftliche Verwirklichung des § 2 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG strafbar wäre. Stichhaltige Gründe einer derartigen Vergünstigung lassen sich jedoch nicht erkennen. Wieso sollte die Abgabe von Dopingmitteln gravierender sein, wenn Empfänger nicht ein Weltklasseathlet, sondern ein nicht zur Spitzenklasse gehörender Sportler ist?

3. Qualifikationen

 In § 4 Abs. 4 AntiDopG sind Qualifikationen normiert, die ausschließlich an die grundtatbestandlichen Verstöße gegen § 2 AntiDopG anknüpfen. Denn es handelt sich um die vollinhaltliche Übernahme des § 95 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 und 2 AMG.[51] Qualifizierungen des strafbaren Selbstdopings gibt es nicht. Aufgrund der gesetzlichen Mindeststrafdrohung von einem Jahr Freiheitsstrafe handelt es sich um Verbrechen i.S.d. § 12 Abs. 1 StGB. Das gilt auch bei Taten, die gem. § 4 Abs. 5 AntiDopG als minder schwere Fälle mit Freiheitsstrafe unter einem Jahr geahndet werden können, § 12 Abs. 3 StGB. Die Einzelmerkmale der Qualifikationstatbestände sind überwiegend vom Gesetzgeber vielfach an anderer Stelle im StGB und im Nebenstrafrecht, als strafschärfende Umstände verwendet worden: die Gefährdung der Gesundheit einer großen Zahl von Menschen (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 a AntiDopG) z. B. in § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB; die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 lit. b AntiDopG) in § 330 Abs. 2 Nr. 1 StGB; der grobe Eigennutz und der Vermögensvorteil großen Ausmaßes (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 lit. c AntiDopG) in § 264 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 StGB; die Abgabe an eine Person unter 18 Jahren (§ 4 Abs. 4 Nr. 2 a AntiDopG) in § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG und die Gewerbsmäßigkeit und Bandenmitgliedschaft z. B. in § 260 Abs. 1 Nr. 1, 2 StGB. Zur Auslegung kann daher auf die bei der Anwendung dieser und anderer Strafvorschriften gewonnenen Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Der im Fall des § 4 Abs. 4 Nr. 2 a AntiDopG empfangende Minderjährige ist notwendiger Teilnehmer und daher nicht wegen Anstiftung strafbar, wenn er den Täter bestimmt hat, ihm Dopingmittel zu veräußern.[52]

Bei der Beteiligung mehrerer ist stellenweise § 28 Abs. 2 StGB zu beachten: in Bezug auf „gewerbsmäßig“ (§ 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b Alt. 1 AntiDopG) ist das unstreitig,[53] bezüglich „als Mitglied einer Bande“ (§ 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b Alt. 2 AntiDopG) ist es h. M.[54] Wer bei einer Dopingtat hilft ohne Bandenmitglied zu sein und ohne eigene Erwerbszwecke zu verfolgen, ist also nur aus dem Grundtatbestand (§ 4 Abs. 1 AntiDopG i.V.m. § 27 StGB) strafbar. Entsprechendes wird bei dem Qualifikationsmerkmal „aus grobem Eigennutz“ (§ 4 Abs. 4 Nr. 1 lit. c AntiDopG) zu gelten haben: Wem es ohne eigene Vorteilsabsicht allein darauf ankommt, dem grob eigennützig Vermögensvorteile großen Ausmaßes erstrebenden Täter bei der Verfolgung seines Ziels zu helfen, handelt nicht eigennützig, sondern altruistisch. Der Verwerflichkeitsgrad seines Tuns liegt daher deutlich unter der Schwelle des Qualifikationstatbestandes. Gemäß § 28 Abs. 2 StGB ist er deshalb nur aus § 4 Abs. 1 AntiDopG strafbar.

Grundsätzlich problematisch sind die Qualifikationsvarianten § 4 Abs. 4 Nr. 1 a und b AntiDopG. An der Entstehung der Gefahr, die der Strafschärfung zugrunde liegt, werden die betroffenen Personen beteiligt sein, was Zurechnungsfragen aufwirft.  Daher ist bei der Feststellung der „großen Zahl“ zu beachten, dass nur Dopingopfer berücksichtigt werden, deren Gesundheitsgefährdung dem Täter auch objektiv zugerechnet werden kann, d. h. hinsichtlich derer die objektive Zurechnung nicht wegen eigenverantwortlicher Selbstgefährdung ausgeschlossen ist.  Aus dem persönlichen Schutzbereich der Qualifikationstatbestände ausgeschlossen sind zudem alle an der Tat – z. B. als Mittäter oder Gehilfen – strafbaren Beteiligten.[55]  In subjektiver Hinsicht ist  gem. § 15 StGB  Vorsatz erforderlich, § 18 StGB ist nicht anwendbar.[56]

4. Versuch und Vorbereitung

Die Pönalisierung von Versuch und Vorbereitung ist eine allgemeine Technik der Strafbarkeitsvorverlegung, von der im deutschen Strafrecht bezüglich des Versuchs weitreichend (vgl. § 23 Abs. 1 StGB) und in Bezug auf die Vorbereitung grundsätzlich überhaupt nicht Gebrauch gemacht wird.[57] Beide Bereiche – Versuch und Vorbereitung – werden vom AntiDopG berührt. Problematisch ist diese Strafbarkeitsvorverlagerung bei Tatbeständen, die selbst im Vollendungsstadium die Strafbarkeit weit vor die Rechtsgutsverletzung verlagern. Hier wird der strafrechtliche Zugriff[58] also doppelt vorverlagert, durch den Besonderen Teil und durch den Allgemeinen Teil. Dies ist – wie oben schon bemerkt wurde – bei Tatbeständen des AntiDopG der Fall.

a) Grundtatbestand

Sämtliche Tatbestandsvarianten des Grundtatbestandes § 4 Abs. 1 AntiDopG unterliegen der in § 4 Abs. 3 AntiDopG angeordneten Versuchsstrafbarkeit. Das ist gegenüber der früheren Rechtslage keine Änderung, denn § 95 Abs. 2 AMG a.F. stellt ebenfalls den Versuch unter Strafdrohung. Bemerkenswert ist allerdings, dass davon auch die jetzt in § 4 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 3 AntiDopG normierte Besitzstrafbarkeit betroffen ist. Schwierig ist schon, sich einen Fall „unmittelbaren Ansetzens zum Besitzen“ tatsächlich vorzustellen.  In Betracht kommen wohl nur untaugliche Versuche, bei denen der Täter tatsächlich etwas – vollendet – besitzt, was kein Dopingmittel ist, von ihm irrig aber für ein solches gehalten wird. Aber dass der Versuch des Besitzens überhaupt für strafbar erklärt worden ist, lässt aufhorchen und erregt Verwunderung. Denn bei zwei anderen Besitztatbeständen, die der Gesetzgeber ebenfalls erst kürzlich runderneuert hat, wurde die Strafbarkeit des Versuchs explizit ausgeschlossen, nämlich beim Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften, §§ 184b Abs. 4 Hs. 2, 184c Abs. 5 Hs. 2 StGB. Erwähnenswert ist des Weiteren § 29 Abs. 2 BtMG, der den in § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BtMG pönalisierten Betäubungsmittelbesitz ausdrücklich der Versuchsstrafdrohung entzieht.[59] Das hätte sich der Gesetzgeber des AntiDopG zum Vorbild nehmen sollen. Nicht mit Strafe bedroht ist im Übrigen der in § 4 Abs. 2 i.V.m. 3 Abs. 4 AntiDopG Besitz geringer Menge Dopings durch einen Spitzensportler.

Dogmatisch umstrittene untaugliche Versuche eines untauglichen Täters sind in Bezug auf die Selbstdoping-Tatbestände des § 4 Abs. 1 Nr. 4, 5 AntiDopG möglich. Wer sich irrig für einen Spitzensportler hält, obwohl er es gemäß dem Maßstab des § 4 Abs. 7 AntiDopG nicht ist, begeht nach einer Mindermeinung im Schrifttum lediglich ein strafloses Wahndelikt.[60] Die h. M. erkennt inzwischen die Möglichkeit eines strafbaren untauglichen Versuchs des untauglichen Täters an.[61]

 b) Qualifikationen

Da die Qualifikationstatbestände Verbrechenscharakter haben, ist der Versuch bereits gem. § 23 Abs. 1 StGB mit Strafe bedroht. Bezüglich der Strafbarkeitsvoraussetzung „unmittelbares Ansetzen“ (§ 22 StGB) ist zu beachten, dass immer ein tatbestandsmäßiger Beginn des grundtatbestandsmäßigen Versuchs erforderlich ist, das unmittelbare Ansetzen zur Verwirklichung qualifizierender Tatumstände allein also keinen Versuch begründen kann.[62] Das betrifft die Variante § 4 Abs. 4 Nr. 2 b AntiDopG, bei der die Mitgliedschaft in der Bande noch nicht unmittelbares Ansetzen zur Verwirklichung eines Bandendeliktstatbestandes ist. Erst wenn ein Bandenmitglied z. B. zum Inverkehrbringen (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG) unmittelbar ansetzt, liegt sowohl ein grundtatbestandlicher als auch ein qualifikationstatbestandsmäßiger Versuch vor.

Die Verbrechensnatur der Qualifikationstatbestände eröffnet den Anwendungsbereich des § 30 StGB. Hier kommt also die Vorverlagerungsdimension der Vorbereitung zur Geltung. Die bloße Verabredung, ein Bandendelikt zu begehen, begründet also schon Strafbarkeit aus § 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b AntiDopG i.V.m. § 30 Abs. 2 StGB. Hochumstritten stellt sich die Strafrechtslage dar im Fall eines nicht der Bande angehörenden Sportlers, Trainers usw., der ein Bandenmitglied bittet, ihm selbst oder einem anderen Dopingmittel zu besorgen. Im Falle einer versuchten oder vollendeten Haupttat würde der Anstifter als Nichtbandenmitglied lediglich aus § 4 Abs. 1 Nr. 1 AntiDopG i.V.m. § 26 StGB, also nicht aus § 4 Abs. 4 Nr. 2 lit. b AntiDopG strafbar sein. Das folgt aus § 28 Abs. 2 StGB, sofern man mit der h. M. die Bandenmitgliedschaft als „besonderes persönliches Merkmal“ bewertet. Im Falle der versuchten Anstiftung (§ 30 Abs. 1 StGB) sollte es richtiger Ansicht nach nicht anders sein:[63] Für den nicht der Bande angehörenden Anstifter wäre die Haupttat kein Verbrechen, die Voraussetzungen des § 30 Abs. 1 StGB wären also nicht erfüllt. Auch hier ist das die Konsequenz des § 28 Abs. 2 StGB. Der BGH sieht das indessen anders und stellt allein darauf ab, dass die Tat für den Haupttäter Verbrechenscharakter hat.[64] Danach wäre der Dopingmittel-Kunde schon wegen des an eine Bande gerichteten Kaufangebots strafbar. Vorzugswürdig ist gewiss eine Lösung, mit der die drastische Strafbarkeitsvorverlagerung abgeschwächt wird.[65]

5. Resümee

Der kurze Streifzug durch das neue AntiDopG mit dem Kompass der allgemeinen Strafrechtslehre in der Hand hat keine aufregenden Erlebnisse gebracht. Das Gesetz ist handwerklich solide gefertigt, gravierende Fehlleistungen des Gesetzgebers sind nicht zu finden. Generell wäre etwas mehr Zurückhaltung wünschenswert, also eine restriktivere Grundhaltung bei der Gestaltung der Strafbarkeitsvoraussetzungen. Aber diese Empfehlung wird überlagert von der hier vertretenen vorrangigen Einschätzung, dass es für die Dopingkriminalisierung keine Rechtfertigung gibt, das Gesetz also völlig unabhängig von der Qualität seiner Gestaltung rundweg abzulehnen ist.

VI. Schluss

Die Bemühungen um die „Reinigung“ des durch Dopingmanipulationen verschmutzten Sports sind selbstverständlich zu begrüßen und zu unterstützen. Jedoch ist zu bestreiten, dass dies eine Aufgabe des Staates sei. Unzweifelhaft ist es keine Aufgabe des Strafrechts, sich in das Sportgeschehen einzumischen und mit strafbewehrten Verboten Doping zu „bekämpfen“. Strafrecht darf nur zum Schutz wichtiger Rechtsgüter eingesetzt werden und auch das nur als „ultima ratio“.[66] Beide Voraussetzungen sind im Bereich des Sportdopings nicht erfüllt: es gibt kein schutzwürdiges Rechtsgut und das, was geschützt wird, fällt in die ausschließliche Zuständigkeit der sportverbandsinternen Reglementierung.[67] Das Strafrecht hat außen vor zu bleiben.

[1]     Vgl. zur These Hilpert, Sportrecht und Sportrechtsprechung im In- und Ausland 2007, S. 309.

[2]     Olympia in Seoul 1988.

[3]     Tour de France 1999-2005 und Olympia in Sydney 2000.

[4]     Australian Open in Melbourne 2016.

[5]     Vgl. zur Dopingdiskussion im Schach: http://www.sueddeutsche.de/sport/doping-im-schach-die-gespritzte-figur-1.473816 (zuletzt abgerufen am 11.10.2016).

[6]     Vgl. BVerfG, NJW 2008, 1137 (1138).

[7]     Nach der Neuerung des AMG war insbesondere erstmals neben dem Besitz auch der Erwerb strafbar.

[8]     Zum Zweck der einfacheren Lesbarkeit verwendet der Beitrag fortan die Allgemeinbezeichnung „Sportler“. Diese versteht sich nicht geschlechtsspezifisch.

[9]     Vgl. Corsten/Kuse, ZJS 2013, 453; Linck, NJW 1987, 2545 (2546 f.) mit einem Überblick der „schillernden“ allgemeinen Definition des Dopingbegriffs. Ohne Rückgriff auf das Merkmal der Leistungssteigerung kommt dagegen die Definition des BMI aus: „Doping im Sport bezeichnet die Verabreichung pharmakologischer Gruppen von Dopingwirkstoffen oder Dopingmethoden an Sportlerinnen und Sportler oder die Anwendung solcher Wirkstoffe oder Methoden durch diese Personen.“, vgl. http://www.bmi.bund.de/DE/Service/Glossar/_functions/glossar.html;jsessionid=BFC362A250C9B10E35E7B61478531F16.2_cid287?nn=105094&lv2=5222758 (zuletzt abgerufen am 11.10.2016).

[10]    Vgl. Spiegel Online vom 30.06.2016, http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/em-2016-spritzen-und-schmerzmittel-im-muellbeutel-eines-teamhotels-a-1100601.html (zuletzt abgerufen am 11.10.2016): „Spritzen und Schmerzmittel im Müllbeutel“. Ein Dopingverstoß lag in den zurückgelassenen Mitteln allerdings nicht.

[11]    Tom Simpson (Tour de France 1967), Birgit Dressel (Siebenkampf, 1987).

[12]    Vgl. BGH, NStZ 1986, 266 (267); BGH, NJW 1984, 1469 (1470); NStZ 2006, 100 (101); Wessels/Beulke/Satzger, Strafrecht AT, 45. Aufl. (2015), Rn. 269.

[13]    Vgl. Kargl, NStZ 2007, 489 (490); Linck, NJW 1987, 2545 (2549).

[14]    Vgl. zur Unabhängigkeit der Beeinträchtigungsbetrachtung von Dopinglisten Linck, NJW 1987, 2545 (2549).

[15]    Vgl. Kargl, NStZ 2007, 489 (490); Linck, NJW 1987, 2545 (2551).

[16]    BGH, NStZ 2014, 709 (714); BGH, NStZ 2009, 148 (149); BGH, NStZ 1984, 410 (410); Sternberg-Lieben/Schuster, in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl. (2014), § 15 Rn.167.

[17]    Bis zu seiner Aufhebung durch Art. 2 des Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport am 18.12.2015 lautete § 6a Abs. 1 AMG a.F. – Verbote von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport, Hinweispflichten: „Es ist verboten, Arzneimittel nach Absatz 2 Satz 1 zu Dopingzwecken im Sport in den Verkehr zu bringen, zu verschreiben oder bei anderen anzuwenden, sofern ein Doping bei Menschen erfolgt oder erfolgen soll.“

[18]    Zum Widerruf einer Apothekenbetriebserlaubnis bei Ausgabe von dopinggeeigneten Mitteln vgl. VG Berlin v. 19.5.2010 – 14 K 45.09.

[19]    § 6a Abs. 2a AMG a.F. lautete: „Es ist verboten, Arzneimittel oder Wirkstoffe, die im Anhang zu diesem Gesetz genannte Stoffe sind oder enthalten, in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport zu erwerben oder zu besitzen, sofern das Doping bei Menschen erfolgen soll.“.

Bis zu seiner Aufhebung durch Art. 2 des Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport am 18.12.2015 lautete § 95 Abs. 1 Nr. 2b AMG a.F. – Strafvorschriften: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 6a Absatz 2a Satz 1 ein Arzneimittel oder einen Wirkstoff erwirbt oder besitzt.“.

[20]    AG Rosenheim v. 5.5.2010 – 7 Ds 270 Js 1745/09, Rn. 12 (zit. nach juris). Zur Einstufung des Bodybuildings als Sport i.S.d. § 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG a.F. vgl. auch BT-Drs. 13/9996 S. 13; BGH, NJW 2014, 325; BGH NStZ 2012, 218.

[21]    AG Rosenheim v. 5.05.2010 – 7 Ds 270 Js 1745/09, Rn. 62 ff. (zit. nach juris).

[22]    a. a. O. Rn. 67 f.

[23]    Mit guten Gründen kann daher die Manipulation eines Wettbewerbs grds. nach § 263 StGB zum Nachteil etwa des Sponsors, des Veranstalters oder des Preisstifters strafbar sein, vgl. Kargl, NStZ 2007, 489 (491 ff.); vgl. zu der grds. ebenfalls betrugsrelevanten Konstellation eines dopenden Radprofis gegenüber seinem Rennstall LG Stuttgart v. 29.10.2013 – 16 KLs 211 Js 88929/08 = SpuRt 2014, 209.

[24]    Vgl. als Überblick zum Fußball http://www.dfb.de/verbandsservice/verbandsrecht/; http://www.dfb.de/verbandsservice/verbandsrecht/verbandsgerichtsbarkeit/ (zuletzt abgerufen am 11.10.2016).

[25]    http://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/66978-02_Satzung.pdf

      (zuletzt abgerufen am 11.10.2016).

[26]    § 2.1 Satzung des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV): http://www.leichtathletik.de/fileadmin/user_upload/12_Service/Wettkampforganisation/01_Bestimmungen_Satzung_Vordrucke/DLV-Satzungen_Ordn/Satzung.pdf (zuletzt abgerufen am 11.10.2016); § 1.9 Satzung des Deutschen Turner-Bundes (DTB): http://www.dtb-online.de/portal/fileadmin/user_upload/dtb.redaktion/Internet-PDFs/Verband/Strulktur_Fakten/Verbandsdokumente/Satzungen_Ordnungen/DTB-Satzung_2014__Stand_Maerz_2015_.pdf;§ 2 o) Satzung des Deutschen Handball-Bundes (DHB): http://dhb.de/fileadm in/downloads/satzungen_ordnungen/DHB-Satzung_01_07_2016.pdf (zuletzt abgerufen am 11.10.2016); § 2 Nr.2 c), d) Satzung des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB): http://www.deb-online.de/wp-content/uploads/2015/02/Satzung-18.04.15.pdf (zuletzt abgerufen am 11.10.2016).

[27]    http://www.dfb.de/fileadmin/_dfbdam/66978-02_Satzung.pdf

      (zuletzt abgerufen am 11.10.2016).

[28]    Vgl. Linck, NJW 1987, 2545 (2547).

[29]    Vgl. Steiner, ZRP 2015, 51 (52).

[30]    Vgl. Hilpert, Sportrecht und Sportrechtsprechung im In- und Ausland, 2007, S. 312.

[31]    Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishdb. SportR, 3. Aufl. (2014), II 4 Rn. 312 ff.; So auch bis 2000 DFB und DLV, vgl. Hilpert, Sportrecht und Sportrechtsprechung im In- und Ausland, 2007, S. 314.

[32]    Vgl. Steiner, ZRP 2015, 51 (52).

[33]    Der CAS wies am 21.7.2016, 15 Tage vor dem Beginn der Spiele, eine Klage des russischen Olympischen Nationalen Komitees und der 68 betroffenen Athleten ab und bestätigte die Sperre der IAAF. Der IOC sprach am 24.7.2016, 12 Tage vor dem Beginn der Spiele, einen Teilausschluss Russlands von den Olympischen Spielen aus.

[34]    Spiegel v. 25.06.2016, S. 93.

[35]    Spiegel v. 25.06.2016, S. 92 f.

[36]    Mehr als tausend Worte sagt die treffende Karikatur von Oliver Schopf am Tag 1 nach Rio in der Süddeutschen Zeitung v. 22. 8. 2016, S. 4.

[37]    B. Kretschmer, FS Rössner, 2015, 628: „Just danach giert auch das begeisterte Publikum“.

[38]    Ausführliche Stellungnahme des Autors Mitsch zur Sinnlosigkeit des Dopingstrafrechts in „Missbrauch des Strafrechts versus Missbrauch des Dopings“, studere – Rechtszeitschrift der Universität Potsdam 2014, Heft 1, S. 24 ff.

[39]    Die von der Bundesregierung aufgestellte Behauptung, dass „Bekämpfung des Dopings“ eine „gesamtgesellschaftlich so wichtige Aufgabe“ sei (Thieme, DRiZ 2015, 10, (11)), kann der beispielsweise marode Schulen und Kinderarmut selbst erlebende oder davon erfahrende Bürger nur mit Fassungslosigkeit zur Kenntnis nehmen.

[40]    Peukert, npoR 2015, 95 (97): „Welches Rechtsgut soll hier mit den Mitteln des dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden schärfsten Schwert eigentlich geschützt werden?“; ebenso Steiner, DRiZ 2015, S. 57.

[41]    Zu den diesbezüglichen Verbotsausdehnungen sogleich.

[42]    Peukert, npoR 2015, 95 (98); Thieme, DRiZ 2015, 10 (11).

[43]    So bereits zu §§ 6a, 95 Abs. 1 Nr. 2a AMG Freund, in: MüKo-StGB, Bd. 6, 2. Aufl. (2013), § 6a AMG Rn. 20.

[44]    MüKo-StGB-Freund, § 6a AMG Rn. 20.

[45]    MüKo-StGB-Freund, § 6a AMG Rn. 21; Magnus, ZStW 124 (2012), 907 (917).

[46]    Allgemein dazu Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, Strafrecht Allgemeiner Teil, 12. Aufl. (2016), § 26 Rn. 208 ff.

[47]    Peukert, npoR 2015, 95 (100).

[48]    Peukert, npoR 2015, 95 (99).

[49]    Instruktiv dazu J. Kretschmer, FS Herzberg, 2008, 827 ff.

[50]    Jahn, FS Rössner, 2015, 599 (612).

[51]    Peukert, npoR 2015, 95 (100).

[52]    Rahlf, in: MüKo-StGB, Bd. 6, 2. Aufl. (2013), § 29a BtMG Rn. 28.

[53]    Schönke/Schröder/Eser/Bosch, StGB, 29. Aufl. 2014, § 243 Rn. 47.

[54]    Eisele, Strafrecht Besonderer Teil II, 2. Aufl. (2012), Rn. 232.

[55]    Lackner/Kühl, StGB, 28.Aufl. (2014), § 306a Rn. 7; § 315c Rn. 25.

[56]    Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben/Schuster (Fn. 16), § 18 Rn. 2; Schönke/Schröder/Heine/Hecker, (Fn. 16) § 330 Rn. 12.

[57]    Umfassend Mitsch, Jura 2013, 696 ff.

[58]    Praktisch ermöglicht frühzeitig einsetzende Strafbarkeit in erster Linie frühen Einsatz strafprozessualer Verfolgungsmaßnahmen; vgl. Jahn, FS Rössner, 2014, 599 (615); Schöch, FS Rössner, 2015, 669 (685).

[59]    Kotz, in: MüKo-StGB, Bd. 6, 2.Aufl. (2013), § 29 BtMG Rn. 1201.

[60]    Otto, Grundkurs Strafrecht Allgemeine Strafrechtslehre, 7. Aufl. (2004), § 18 Rn. 75.

[61]    Baumann/Weber/Mitsch/Eisele, § 22 Rn. 40.

[62]    a. a. O. Rn. 64.

[63]    Joecks, in: MüKo-StGB, Bd. 1, 2. Aufl. (2011), § 30 Rn. 20, der zutreffend verlangt, dass die Tat sowohl für den Haupttäter als auch für den anderen Beteiligten Verbrechenscharakter hat.

[64]    BGHSt 6, 308 (309); 53, 174 (177).

[65]    Zustimmungswürdige Fundamentalkritik an § 30 StGB bei Zaczyk, in:  NKStGB, 4. Aufl. (2013), § 30 Rn. 4.

[66]    Trüg, FS Rössner, 2015, 686 (693).

[67]    Steiner, DRiZ 2015, 57; Zuck, NJW 2014, 276 ff.; im Ergebnis ebenso Trüg, FS Rössner, 2015, 686 (700), der sich für einen Rücktritt des Strafrechts hinter das Ordnungswidrigkeitenrecht ausspricht; a.A. Schöch, FS Rössner, 2015, 669 (685), der eine Ergänzung des Sportverbandsrechts durch das staatliche Strafrecht befürwortet.

 

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